Baurecht

Baugenehmigung für die Aufstockung eines Nebengebäudes im Außenbereich, Keine Instandhaltungsarbeiten, Erweiterung/ Verfestigung einer Splittersiedlung

Aktenzeichen  1 ZB 21.3218

Datum:
4.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8499
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Kläger begehren die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für die Aufstockung eines Nebengebäudes auf ihrem Grundstück.
Bei einer Baukontrolle im Oktober 2017 wurde festgestellt, dass an dem Nebengebäude umfangreiche Umbauarbeiten vorgenommen wurden. Der Dachstuhl wurde vollständig entfernt, insbesondere wurden Wände in der neuen Dachschräge aufgemauert, zur nördlichen Außenwand abgeschrägt und ein Ringanker eingebaut. Das Gebäude mit dem neu errichteten Pultdach wurde auf der Südseite um 3 m erhöht, auf der Nordseite um 0,40 m. Den in der Folge gestellten Bauantrag lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 13. August 2019 ab. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. September 2021 abgewiesen. Ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung bestehe nicht. Das Vorhaben liege im bauplanungsrechtlichen Außenbereich. Als sonstiges Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtige es öffentliche Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB), insbesondere sei die Erweiterung und Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten. Die Kläger könnten sich insoweit nicht auf den bisherigen Bestand des Nebengebäudes berufen, zudem sei das Landratsamt bereits mit dem Erlass einer Baubeseitigungsanordnung bauaufsichtlich eingeschritten.
In zwei Parallelverfahren (M 11 K 17.5367 und M 11 K 19.4908) haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Baueinstellungsverfügung und die Beseitigungsanordnung erhoben, die das Verwaltungsgericht ebenfalls mit Urteil vom 16. September 2021 abgewiesen hat. Die dagegen gerichteten Anträge auf Zulassung der Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom heutigen Tag abgelehnt (1 ZB 21.3216 und 1 ZB 21.3217).
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), die im Stil einer Berufungsbegründung verfasst sind, liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist hier nicht der Fall.
Das Zulassungsvorbringen zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts auf, dass dem genehmigungspflichtigen und im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gelegenen kleinen Nebengebäude öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB entgegenstehen.
1.1 Soweit die Kläger zunächst geltend machen, dass es sich vorliegend lediglich um Umbauarbeiten bzw. Instandhaltungsmaßnehmen nach Art. 57 Abs. 6 BayBO handle, die einer Baugenehmigung nicht bedürften, trifft das nicht zu. Bei den umfangreichen Umbauarbeiten handelt es sich nicht um verfahrensfreie Instandhaltungsarbeiten gemäß Art. 57 Abs. 6 BayBO. Auf die Ausführungen des Senats in dem Verfahren 1 ZB 21.3216 wird verwiesen. Im Übrigen gehen die Kläger mit ihrem Bauantrag zur Aufstockung des bestehenden Nebengebäudes selbst von einem genehmigungspflichtigen Vorhaben aus (vgl. Schriftsatz vom 11. Juli 2018 im Genehmigungsverfahren), das nach den Angaben im Bauantrag umfassend erneuert werden soll.
1.2 Das Verwaltungsgericht hat auch die Zulässigkeit des nach § 35 Abs. 2 BauBG zu beurteilenden sonstigen Vorhabens zu Recht verneint, weil es öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nummer 7 BauGB beeinträchtigt.
Das Verwaltungsgericht hat das Entgegenstehen des öffentlichen Belangs des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB mehrfach begründet. Es hat die zu befürchtende Erweiterung und Verfestigung einer Splittersiedlung sowohl darauf gestützt, dass sich die Kläger nicht auf den bisherigen Bestand des Nebengebäudes berufen können, da dieses nicht zulässig errichtet wurde und der Beklage hiergegen mit Erlass einer Beseitigungsanordnung bauaufsichtlich eingeschritten ist als auch darauf, dass nach den Bauantragsunterlagen eine Nutzungsänderung (Schaffung eines Spielzimmers) beantragt ist, die ebenfalls eine unerwünschte Verfestigung einer Splittersiedlung auslösen kann (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 13.97 – BauR 1999, 373). Die Berufung darf nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der beiden Gründe ein Zulassungsgrund besteht (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2020 – 1 ZB 19.1444 – juris Rn. 4; vgl. zu den Darlegungsanforderungen im Revisionsverfahren BVerwG, B.v. 12.1.2017 – 4 BN 1.17 – juris Rn. 2; B.v. 17.12.2010 – 9 B 60.10 – BayVBl 2011, 352). Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2018 – 4 BN 44.17 – BauR 2018, 1982).
Gemessen an diesen Maßgaben ist ein etwaiger Bestandsschutz für das Nebengebäude aufgrund der umfangreichen Umbaumaßnahmen, die das kleine Nebengebäude in erheblichem Maße verändert haben und einer wirtschaftlichen Neuerrichtung gleichkommen, erloschen. Es kommt daher weder auf die von den Klägern aufgeworfene Frage eines etwaigen Bestandsschutzes des Nebengebäudes aufgrund früherer Bestimmungen der BayBO entscheidend an, noch liegt der behauptete Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen den Amtsermittlungsgrundsatz vor. Darüber hinaus hat der Beklagte mit dem Erlass einer Beseitigungsanordnung zum Ausdruck gebracht, dass er das Nebengebäude nicht dulden wird. Der Verwaltungsgerichtshof verweist dazu vollumfänglich auf die Ausführungen zur Beseitigungsanordnung in dem Nichtzulassungsbeschluss vom heutigen Tag (1 ZB 21.3217).
Dass das geplante Vorhaben zu einer städtebaulich zu missbilligenden Erweiterung und Verfestigung einer Splittersiedlung im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB führt, wird mit dem Zulassungsvorbringen nicht in Frage gestellt. Eine Splittersiedlung wird erweitert, wenn sie räumlich ausgedehnt wird (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.2015 – 4 B 45.14 – ZfBR 2015, 548; U.v. 3.6.1977 – 4 C 37.75 – BVerwGE 54, 73). Der Begriff der Siedlung ist dabei nicht auf zum Wohnen bestimmte Bauten beschränkt, sondern bezieht sich auch auf andere Anlagen (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 C 10.97 – BVerwGE 106, 228; BayVGH, U.v. 7.3.2018 – 1 B 16.2375 – BayVBl 2018, 709). Eine verstärkte Inanspruchnahme des Außenbereichs durch das Nebengebäude, das infolge des Verlusts des Bestandsschutzes wie ein Neubau zu behandeln ist, führt zu einer unerwünschten Zersiedelung des Außenbereichs. Die Missbilligung einer Erweiterung des Siedlungssplitters rechtfertigt sich in der Regel ohne Weiteres (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – NVwZ 2012, 1631). Nicht anders liegt es bei der Verfestigung, d.h. der Auffüllung des schon bisher in Anspruch genommen räumlichen Bereichs. Die beabsichtigte Erweiterung durch das Bauvorhaben lässt befürchten, dass weitere Erweiterungswünsche im näheren Umfeld des Baugrundstücks oder auf dem Baugrundstück selbst aufkommen und damit die Verfestigung der bestehenden Splittersiedlung droht. Weitreichend ist die Vorbildwirkung deshalb immer dann, wenn sich das Vorhaben und die weiteren Vorhaben, die nicht verhindert werden könnten, zusammen der vorhandenen Splittersiedlung nicht unterordnen, sondern diese erheblich verstärken und dadurch eine weiter gehende Zersiedlung des Außenbereichs bewirken würden (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 13.97 – BauR 1999, 373).
Im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht angeführte beantragte Nutzungsänderung des Nebengebäudes in ein Spielzimmer fehlt im Zulassungsvorbringen eine entsprechende Darlegung im Sinn des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sodass der Zulassungsantrag auch aus diesem Grund scheitert.
2. Soweit die Kläger den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) geltend machen, fehlen bereits jegliche Ausführungen. Der bloße Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2005 (4 B 60.05) reicht nicht aus.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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