Baurecht

Baugenehmigung für die Errichtung einer Hangbefestigung

Aktenzeichen  W 4 K 15.580

Datum:
28.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 114857
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2

 

Leitsatz

Eine Festsetzung in einem Bebauungsplan, wonach zur Terrassierung des Geländes Stützmauern bis zu einer Höhe von 1,3 m, an der seitlichen Grenze bis zu 0,8 m zugelassen sind, ist nicht abwägungsfehlerhaft, wenn die Gemeinde die starke Geländeneigung nicht verkannt hat und es ihr darum gegangen ist, dass der ursprüngliche Geländeverlauf jedenfalls im Ansatz noch erkennbar sein sollte. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu 1) zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
* * *

Gründe

Der Kläger begehrt mit der beim Verwaltungsgericht Würzburg erhobenen Klage einerseits die Verpflichtung des Beklagten auf Erteilung einer Baugenehmigung, hilfsweise auf erneute Verbescheidung seines Bauantrags. Andererseits wendet er sich gegen die Beseitigungsanordnung des Landratsamts Aschaffenburg, die errichteten Stützmauern inkl. Auffüllungen und Terrasse bis auf das laut Bebauungsplan „Jägerstraße, Änderung 1“ zulässige Maß von 1,30 m bzw. 0,80 m an der seitlichen Grenze zu reduzieren bzw. zu beseitigen.
Über die Klagen konnte vorliegend gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
1. Soweit der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung begehrt, ist die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 2. Alternative statthafte Klageart. Diese ist zwar zulässig, aber sowohl im Hauptantrag wie auch im Hilfsantrag unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung oder erneute Verbescheidung. Der angegriffene Ablehnungsbescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 19. Mai 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nur in diesem Fall besteht ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Da das vom Kläger begehrte Vorhaben, nämlich die Errichtung einer „Hangabfangung“ auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. *12/91 der Gemarkung Mespelbrunn keinen Sonderbau i.S.d. Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, prüft die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 Satz 1 BayBO die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften i.S.d. Art. 81 Abs. 1 BayBO (Nr. 1), beantragte Abweichungen i.S.d. Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Nr. 2) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach den anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Nr. 3).
Diesen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt, hat der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Baugenehmigung, weil das Vorhaben bereits bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Dem Bauvorhaben steht der rechtsverbindliche Bebauungsplan „Jägerstraße Straße“ vom 4. Juli 1980 in der geänderten Fassung vom 4. Januar 2008 der Gemeinde Mespelbrunn entgegen, innerhalb dessen sich das Vorhaben befindet. Gemäß dessen Festsetzungen sind zur Terrassierung des Geländes Stützmauern bis zu einer Höhe von 1,3 m, an der seitlichen Grenze bis zu 0,8 m zugelassen. Die maximale Höhe der Stützmauer richtet sich nach der Sohle am Fuße des Abhangs und nach dem ursprünglichen Geländeniveau. Diese festgesetzten Höhen überschreitet das Vorhaben des Klägers, wie sich aus den Behördenakten ergibt, deutlich. Der Kläger selbst geht in seinem Bauantrag vom 24. November 2014 davon aus, dass die maximale Höhe der Stützmauer an den ungünstigsten Stellen eine Gesamthöhe von bis zu 2,17 m erhalte.
Wenn der Klägervertreter demgegenüber einwendet, die Änderung 1 des Bebauungsplans „Jägerstraße“ vom 4. Januar 2008 sei unwirksam, da sich aus ihr eine plausible Begründung für die Höhenbegrenzung nicht ergebe, ein Abwägungsvorgang folglich nicht ersichtlich sei, vermag er damit nicht durchzudringen.
Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, wobei die Abwägung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BVerwG v. 12.12.1969, BVerwGE 34, 301 = juris, Rn. 29). Eine Verletzung des Gebots gerechter Abwägung liegt nur dann vor, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn Belange in die Abwägung nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, a.a.O., juris, Rn. 29). Die Gemeinde hat hierzu das notwendige Abwägungsmaterial zu ermitteln und die betroffenen Interessen und Belange mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerwG v. 21.2.1991, NVwZ 1991, 873). Die strengen Voraussetzungen der Enteignung sind allerdings im Rahmen der Abwägung – wie auch bereits im Rahmen der Erforderlichkeit – nicht zu verlangen. Maßgeblich für die Abwägung ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Mängel sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Unter Beachtung dieser Grundsätze führen die vom Klägervertreter geltend gemachten Abwägungsfehler vorliegend nicht zum Erfolg. Insbesondere kann weder von einem Abwägungsausfall, noch von einem Abwägungsdefizit (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 12. Mai 2016) der beigeladenen Gemeinde Mespelbrunn die Rede sein. Wie sich aus der Begründung des Bebauungsplans ergibt, war sich die Beigeladene zu 1) durchaus bewusst, dass es sich bei dem Baugebiet um einen starken West-Südwest-Hang mit 20%-iger Geländeneigung im Mittel handelt. Die Höhenlage erstreckt sich von etwa 250 m bis 310 m über NN. Die planerischen Erwägungen der Beigeladenen zu 1) tragen diesen Gegebenheiten Rechnung, indem im Bebauungsplan Festsetzungen hinsichtlich Auffüllungen, Abgrabungen sowie der Terrassierung des Geländes mit Stützmauern getroffen werden. Es ist daher nicht erkennbar, dass die Beigeladene zu 1) Belange und insbesondere die starke Geländeneigung verkannt oder falsch gewichtet hat. Vielmehr ging es ihr, wie sie selbst in ihrer Stellungnahme ausführt, offenbar darum, dass der ursprüngliche Geländeverlauf jedenfalls im Ansatz noch erkennbar sein sollte und dass die Geländekanten in die bestehende Topographie eingebunden werden sollten.
Wenn der Klägervertreter weiter vorträgt, dass eine andere Herstellung als die vom Kläger geplante technisch nahezu unmöglich und mit einem derartigen Aufwand verbunden sei, der durch nichts zu rechtfertigen sei, vermag er auch damit nicht durchzudringen, zumal es sich hierbei um eine Behauptung ins Blaue hinein handelt, die durch keinerlei greifbare Anhaltspunkte sich belegen lässt.
Schließlich enthält die Terrassierungsfestsetzung auf privatem Grund über eine nutzungsbeschränkende Wirkung hinaus auch keine weiteren unmittelbaren Belastungen für die Grundstückseigentümer und damit auch nicht für den Kläger (vgl. BVerwG v. 27.8.2009 – 4 CM 1/08 – juris Rn. 18, 23). Eine Nutzung des Grundstücks ist durch die Terrassierungsregelung nämlich nicht ausgeschlossen. Das Eigentum verbleibt beim Grundstückseigentümer, so dass es sich auch gegenüber einem Vollrechtsentzug – wie etwa bei der Verkehrsfläche – um die schonendere Festsetzung handelt (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 23).
Das Vorhaben des Klägers widerspricht jedenfalls nach alldem den Festsetzungen des nach Auffassung der Kammer insoweit auch gültigen Bebauungsplans „Jägerstraße“, so dass der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 1 BauGB gestützt werden kann.
Die Erteilung der beantragten Baugenehmigung käme mithin nur dann in Frage, wenn dem Kläger für sein Vorhaben die ebenfalls beantragte Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu erteilen wäre. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen liegen allerdings nicht vor.
Zu Recht beruft sich der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Mai 2015 darauf, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift schon deshalb nicht gegeben sind, weil eine Zulassung des Vorhabens die Grundzüge der Planung berühren würde und die Abweichung städtebaulich nicht vertretbar wäre. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (BVerwG v. 19.5.2005 – 4 B 35/04 juris, m.w.N.). Die Befreiung darf nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Sie darf – jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind – nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (BVerwG v. 5.3.1999, BauR 1999, 1280). Ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen. Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom Planinhalt keine derartige Bedeutung zukommen, dass die angestrebte und im Plan zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Es muss – mit anderen Worten – angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (vgl. BVerwG v. 4.8.2009 – 4 CN 4/08 – juris Rn. 12).
Gemessen an diesen Vorgaben betrifft die beantragte Befreiung einen Grundzug der Planung, denn der ursprüngliche Geländeverlauf wäre, dies hat auch der Augenscheinstermin des Gerichts verdeutlicht, dann nicht mehr erkennbar, vielmehr würde eine künstliche Nivellierung des Landschaftsbilds vorliegen. Die beantragte Abweichung ist damit auch städtebaulich nicht mehr vertretbar. Im Übrigen sind auch keine Gründe ersichtlich, die die Befreiung wegen des Wohls der Allgemeinheit i.S.d. § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erforderlich erscheinen lassen.
Es liegt auch keine unbeabsichtigte Härte i.S.d. § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB vor. Von einer solchen Härte kann regelmäßig nur dann gesprochen werden, wenn die Festsetzung im Bebauungsplan auf einen in boden- und grundstücksbezogener Weise atypischen Fall trifft, den der Normgeber bei den abstrakt-generellen Festsetzungen nicht im Auge hatte. Die Atypik kann sich beispielswiese aus der besonderen Lage, Topographie oder dem Zuschnitt des Grundstücks ergeben (vgl. BayVGH v. 2.2.2010 – 15 ZB 09.1811 – juris). Eine solche besondere Situation ist aber nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht substantiiert dargelegt. Allein der Umstand, dass der Kläger sein Grundstück nicht optimal wirtschaftlich nutzen kann, reicht für die Annahme einer unbeabsichtigten Härte jedenfalls nicht aus. Ebenso wenig genügt es, wenn die Bebauungsmöglichkeiten des Bauherrn hinter seinen Wünschen oder hinter den Ausnutzungsmöglichkeiten für die Nachbargrundstücke aufgrund einer bewussten planerischen Entscheidung zurückbleiben. In einem solchen Fall handelt es sich gerade nicht um eine unbeabsichtigte Härte, sondern um eine bewusst gewählte Ausgestaltung des Bebauungsplans (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 31 Rn. 40).
Liegen nach alldem – wie hier – die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Norm schon nicht vor, ist der Ermessensspielraum der Behörde nicht eröffnet. Eine Verpflichtung der Behörde zur erneuten Verbescheidung scheidet daher aus. Der Hilfsantrag war somit ebenfalls abzuweisen.
2. Soweit der Kläger sich des Weiteren gegen die Anordnung des Beklagten in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. Mai 2015 wendet, wonach die auf dem Grundstück Fl.Nr. *12/91 der Gemarkung Mespelbrunn errichteten Stützmauern inkl. Auffüllungen und Terrasse bis auf das laut Bebauungsplan „Jägerstraße, Änderung 1“ zulässige Maß von 1,30 m bzw. 0,8 m an der seitlichen Grenze zu reduzieren bzw. zu beseitigen sind, ist die hiergegen erhobene Anfechtungsklage zwar zulässig, aber ebenfalls unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird, zumal der Kläger diesbezüglich keine substantiierten Einwendungen erhoben hat, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. Mai 2015 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Klage war nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) waren für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladene zu 1) einen eigenen Antrag gestellt hat und damit ein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 164 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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