Baurecht

Baugenehmigung für ein neben einer Kirche geplantes Wohnhaus

Aktenzeichen  AN 3 S 20.00215

Datum:
26.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7126
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDSchG Art. 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3
BImSchG § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Ein Abwehranspruch aus dem Gesichtspunkt „heranrückende Wohnbebauung“ ist aller Voraussicht nach zu verneinen, wenn ein Bauvorhaben die immissionsschutzrechtliche Lage und damit das Maß der gegenseitig zu übenden Rücksichtnahme nicht zu Lasten des Nachbarn verschlechtert. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
2. Durch die Errichtung eines Mehrfamilienhauses in einem Abstand von 6 Metern neben einer historischen Wehrkirche wird dieses Denkmal nicht erheblich beeinträchtigt. (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Verfahrenskosten.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … Dieses Grundstück ist mit einer denkmalgeschützten ehemaligen Wehrkirche aus dem 13./14. Jahrhundert stammend bebaut sowie der dazugehörigen Einfriedung (Sandsteinmauer).
Am 18. April 2019 beantragte die mit Beschluss des VG Ansbach vom 7. Februar 2020 Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zum „Neubau eines Mehrfamilienhauses, Abbruch eines Wohnhauses und einer Scheune“ auf dem östlich des Antragstellerinnengrundstücks gelegenen Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … Mit Schreiben vom 4. Februar 2018 äußerte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin unter anderem, dass der Schalldruck bei Stundenschlag und beim Läuten der beiden im Kirchturm vorhandenen Glocken einen Maximalwert von 82 dB(A) zeige. Da der Neubau im Abstand von ca. 6 m zum Glockenturm der Kirche errichtet werden solle, seien hinsichtlich Schallschutz besondere Maßnahmen zu ergreifen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Stundenschlag innerhalb der 24 Stunden je Tag alle Viertelstunde erfolge. Außerdem läuteten die Glocken im Turm täglich morgens um 6:00 Uhr, mittags um 11:00 Uhr und um 12:00 Uhr und abends um 19:00 Uhr. An Wochenenden (Freitag 9:00 Uhr, Samstag 18:00 Uhr) sowie bei Beerdigungen, Hochzeiten und bei Gottesdiensten werde zusätzlich geläutet.
Des Weiteren werde darauf hingewiesen, dass die Sichtbarkeit des Kirchgebäudes von der Ostseite her weitestgehend sicherzustellen sei.
Das Bayerische Landesamt für Denkmalschutz (BLfD) hat zum vorausgegangenen Antrag 2018-1121-VV folgendermaßen Stellung genommen:
„Das Gebäude ist nach wie vor sehr groß und eine Beeinträchtigung der benachbarten kleinen Kirche ist zu befürchten. Allerdings ist beim nun vorliegenden Entwurf (Anm.: Entwurf 2018-1121-VV) die Gebäudekubatur bereits gegenüber der ersten Planung um einiges zurückgenommen. Die Gliederung des Gebäudes ist klassisch und ruhig. Insgesamt entsteht so eine städtebaulich stimmige Situation.
Im Zusammenhang mit der Abwägung ist zu fragen, ob der Bauherr eine weitere Reduzierung der Größe akzeptieren würde. Sollte dies nicht der Fall sein und es stattdessen zu einem Verkauf kommen, ist fraglich, ob eine neue Planung ebenso sensibel erfolgen würde. Wenn auch aus denkmalfachlicher Sicht eine weitere Reduzierung der Höhe wünschenswert wäre, kann die vorliegende Planung deshalb als Kompromiss hingenommen werden. Eine angemessene Instandsetzung der angrenzenden historischen Mauer ist in jedem Fall zu gewährleisten. Oberflächen, Farbigkeit und Materialien des Neubaus sind detailliert mit den Denkmalbehörden abzustimmen.“
In einer weiteren Stellungnahme vom 6. Mai 2019 zum nunmehr streitgegenständlich beantragten Bauvorhaben wird folgendes ausgeführt:
„An der Kubatur hat sich mit der vorgelegten Umplanung (Anm.: 2019-425-VV) nichts geändert, die Kritik an der Größe bleibt bestehen. Das Gebäude ist lediglich um ca. 2 m nach Süden verschoben. Dies stellt eine Verbesserung gegenüber der vorangegangenen Version dar, da der Baukörper nun gegenüber der Kirche etwas weiter zurücktritt. Verändert haben sich die Fassaden. In der oben zitierten Stellungnahme zum vorangegangenen Entwurf wurde die klassische und ruhige Gliederung des Gebäudes betont, die wesentlich dazu beiträgt, eine insgesamt zurückhaltende bauliche Situation zu erzielen. Diese zurückhaltende Gestaltung war ein wesentliches Argument dafür, dass die Denkmalpflege einen derartigen Baukörper an dieser sensiblen Stelle in unmittelbarer Nähe des historisch überaus bedeutenden Baudenkmals „Wehrkirche“ hingenommen hat. Dem gegenüber finden sich nun Fenster in stark gestrecktem stehendem Format, variierend mit größeren quadratischen Fensteröffnungen. Das beunruhigt die Gestaltung deutlich. Außerdem wurden die Gauben, die sich als grundsätzlich historische Gestaltungselemente in die Dachlandschaft des unmittelbaren Kirchenumfelds fügen, durch Dachflächenfenster ersetzt. Diese stellen einen baulichen Fremdkörper dar, der in der Zusammenschau mit der Kirche aus denkmalfachlicher Sicht nicht vorstellbar ist. Während das Zurückspringen des Baukörpers unbedingt beibehalten werden sollte, spricht sich das BLfD ausdrücklich gegen die gestalterischen Veränderungen aus.“
In einem beigeladenenseits in Auftrag gegebenen Gutachten zum Nachweis des Schallimmissionsschutzes vom 8. Januar 2019 wird unter anderem ausgeführt, dass bereits im Bestand die heranzuziehenden Immissionsrichtwerte nach TA-Lärm durch das Kirchenglockenläuten überschritten würden um mindestens 6 dB(A) bis zu 16 dB(A) (Maximalpegel 81 dB(A)). An dem neu geplanten Gebäude würden die Anforderungen der TA-Lärm an kurzzeitige Geräuschspitzen voraussichtlich um mindestens 4 dB(A) bis zu 18 dB(A) überschritten (bezüglich des Neubaus Vorderhaus nachts 81,7 dB(A)) Maximalpegel und bezüglich des Neubaus Rückgebäude nachts 83,7 dB(A).
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Juli 2019 wurde die beantragte Baugenehmigung unter verschiedentlichen Abweichungen von Art. 6 BayBO, so z.B. bezüglich der westlichen Abstandsfläche des Hauptgebäudes zum angrenzenden Grundstück der Antragstellerin hin, erteilt. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das Vorhaben liege im unbeplanten Innenbereich in einem faktischen Dorfgebiet und füge sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
Die Abweichungen von Art. 6 BayBO hätten nach Art. 63 Abs. 1 BayBO entsprechend der Begründung der Beigeladenen zugelassen werden können. Durch die vorhandene „gewachsene“ Bebauungsstruktur im Umfeld sei eine atypische Grundstückssituation gegeben. Die Bebauung der umliegenden Grundstücke im dörflichen Ortskern sei durch grenzständige Hauptbaukörper geprägt, die jedoch nicht regelhaft genug angeordnet seien, um eine generelle Zulässigkeit grenzständiger Baukörper nach bauplanungsrechtlichen Vorschriften i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zu begründen. Die geplanten Baukörper seien auch hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung der Nachbargrundstücke sorgsam angeordnet und mit verträglicher Höhe geplant. Im Vergleich zum Altbestand stelle die Neubebauung eine Verbesserung der Belichtungssituation der Nachbargrundstücke dar. Bedenken hinsichtlich des Brandschutzes seien bei Anordnung ordnungsgemäßer Gebäudeabschlusswände gemäß Art. 28 BayBO nicht gegeben.
Bezüglich der antragstellerseits befürchteten Einschränkungen des kirchlichen Glockengeläuts durch Beschwerden der neuen Bewohner sei dem dadurch zu begegnen, dass die westliche Wand des geplanten Hauptgebäudes als öffnungslose Gebäudeabschlusswand gemäß Art. 28 BayBO ausgebildet werde. Ansonsten seien passive Schallschutzmaßnahmen gegen durch Betreiben von Kirchenglocken verursachte Geräusche öffentlich-rechtlich nicht möglich, obwohl sinnvoll. Der Bescheid enthalte hierzu einen entsprechenden Hinweis. In Beschwerdefällen könne die Kirche verpflichtet werden, das Zeitläuten einzuschränken. Aus immissionsschutztechnischer Sicht sei daher geprüft worden, ob durch das Heranrücken an den Kirchturm die Situation verändert werde (erstmaliges Überschreiten der Immissionsgrenzwerte). Aus dem vorgelegten Gutachten ergebe sich, dass der Immissionsrichtwert für kurzzeitige Geräuschspitzen bereits an dem Bestandsgebäude in der Nacht überschritten werde. Die rechtliche Situation für die Kirche ändere sich daher aus immissionsschutzrechtlicher Sicht nicht.
Bezüglich der Bedenken des Bayerischen Landesamtes für Denkmalschutz sei auszuführen, dass der Argumentation insoweit nicht gefolgt werden könne, als es sich um eine erhebliche Beeinträchtigung handeln würde. Sei im Verfahren die grundsätzliche Dimension des Bauvorhabens als noch verträglich beurteilt worden, sei das alleinige Abstellen auf umgestaltete Fassaden und Dachflächenfenster nicht geeignet, eine erhebliche Beeinträchtigung zu begründen. Bewirke das Verschieben des Gebäudekörpers nach Süden unstreitig eine signifikante Verbesserung der gesamten Situation und gehe mit einem weiteren rücksichtsvollen Zurücktreten insbesondere gegenüber der denkmalgeschützten Kirche einher. Auch wirkten die umgestalteten Dachflächenfenster und Fensterformate keinesfalls erdrückend oder massiv bedrängend.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 2. August 2019 ließ die Antragstellerin Klage erheben und mit Schreiben vom 6. Februar 2020 Antrag nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO stellen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die antragstellerseits erhobene Anfechtungsklage überwiegend Aussicht auf Erfolg habe, da die streitgegenständliche Baugenehmigung rechtswidrig sei und die subjektiv-öffentlichen Rechte der Antragstellerin sowohl unter dem Gesichtspunkt des Abstandsflächenrechts als auch des Gebotes der Rücksichtnahme und des Denkmalschutzrechtes verletze.
So sei die erteilte Abweichung bezüglich der westlichen Grundstücksgrenze (Nr. …) rechtswidrig. Sie gehe nicht auf alle maßgeblichen Gesichtspunkte, die im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO zu berücksichtigen gewesen wären, ein. So werde durch das Abstandsflächenrecht auch der Wohnfrieden geschützt. Dieser Gesichtspunkt sei seitens der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt worden. Zwar handle es sich bei der Nutzung eines Gebäudes als Kirche um eine eher öffentliche Nutzung, die keinen Bedarf nach Schutz einer Privatsphäre wie bei einer Wohnnutzung auslöse. In dessen könne man auch die ungestörte Religionsausübung durchaus der Privatsphäre zuordnen. Darüber hinaus umfasse der „Wohnfrieden“ nicht nur den Schutz der Privatsphäre vor unerwünschten Einblicksmöglichkeiten, sondern auch „vor dem unerwünschten Mithören sozialer Lebensäußerungen in der Nachbarschaft“. In diesem Sinne tangiere die zugelassene Abweichung den Wohnfrieden.
Auch werde das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Hinsichtlich des Kirchenläutens habe die Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid zu Unrecht ausgeführt, die rechtliche Situation für die Kirche ändere sich aus immissionsschutzrechtlicher Sicht nicht. Bei dieser Bewertung habe die Antragsgegnerin zum einen verkannt, dass das Bestandsgebäude, auf welche sich die schalltechnische Beurteilung des Gutachters beziehe, zum Abriss vorgesehen sei, weshalb ein irgendwie gearteter „Bestandsschutz“ hier nicht angenommen werden könne. Zum anderen rücke der in Rede stehende „Neubau Rückgebäude“ mehr an den Kirchturm heran als das zum Abriss vorgesehene Bestandsgebäude, so dass sich an dem neuen Immissionsort ein höherer Maximalpegel für kurzzeitige Geräuschspitzen ergebe als an dem Bestandsgebäude (Bestandsgebäude 81 dB(A) nachts, Neubau Rückgebäude 83 dB(A) nachts).
Weiterhin stehe der Antragstellerin ein Abwehranspruch aus Denkmalschutzgesichtspunkten zu. Die Antragsgegnerin habe sich über die zuletzt von dem Landesamt für Denkmalpflege und der Unteren Denkmalschutzbehörde angemeldeten Bedenken hinweggesetzt und auf die ursprüngliche Stellungnahme des Landesamts für Denkmalschutz abgehoben, wonach die Vorhabenplanung als Kompromiss hingenommen werden könne. Dass dem nicht gefolgt werden könne, ergebe sich nun aus der Stellungnahme des Landesdenkmalrates vom 30. September 2019 und aus der Einschätzung des Staatlichen Bauamtes … vom 4. November 2019. Hiernach werde durch das sehr nahe Heranrücken des neuen Wohngebäudes sowie durch dessen Bauvolumen und Höhenentwicklung das Erscheinungsbild der Kirche erheblich beeinträchtigt. Der Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals habe dann ein Anfechtungsrecht, wenn das Vorhaben die Denkmalwürdigkeit seines Anwesens möglicherweise erheblich beeinträchtigte. Dies sei vorliegend anzunehmen.
Es wird beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Stadt … vom 8. Juli 2019 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt
Antragsablehnung.
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, die erteilten Abweichungen seien rechtmäßig. Auch wenn mit der Einführung des Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO das ungeschriebene Merkmal der „Atypik“ wohl entfalle sei vorliegend eine atypische Fallgestaltung anzunehmen. Die insoweit antragstellerseits vorgetragenen Einwände gingen fehl, da mit der Abstandsflächenüberschreitung keine Verletzung nachbarschützender Rechte einhergehe. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass das Grundstück der Antragstellerin in seiner Eigenschaft als Kirchengrundstück bereits ohnehin öffentlich zugänglich sei und die Veranstaltung von Gottesdiensten zwar geschützt, jedoch nicht privater Natur sei.
Auch bezüglich des möglichen Konfliktpotentials im Hinblick auf das Kirchengeläut sei von einer umfassenden Berücksichtigung durch die Antragsgegnerin im Rahmen des Genehmigungsverfahrens auszugehen. In der vorliegenden Konstellation sei besonders zu beachten, dass die Errichtung des geplanten Bauvorhabens in voller Kenntnis der örtlichen Umstände erfolge. Die Eigentümer/Bewohner des Mehrfamilienhauses müssten im Rahmen der Mitverantwortlichkeit daher auch vorn herein mit dem Betrieb der kirchlichen Anlage und der damit üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen rechnen und diese hinnehmen. Wer sich im Grenzbereich von rechtmäßig geplanten Nutzungen verschiedener Qualität ansiedle, müsse mit der späteren emittierenden Nutzung im angrenzenden Bereich bereits rechnen und sei insofern für eine mögliche spätere Konfliktlage gleichsam mitverantwortlich. Infolge dessen hätten sich gestört fühlende Eigentümer/Anwohner im Konfliktfall auch im Hinblick auf das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens regelmäßig ohnehin keinen Abwehranspruch bezüglich des Kirchengeläuts. Vielmehr müsse dieses auch vor dem Gebot gegenseitiger Toleranz als sozialadäquat ertragen werden.
Auch sei das Gebot der Rücksichtnahme im Hinblick auf die heranrückende Wohnbebauung nicht verletzt. An der Herkömmlichkeit des Glockengeläuts bei der vorliegend sehr alten Kirche bestünden keinerlei Zweifel. Das Geläut sei auch sozialadäquat und werde allgemein akzeptiert. Auch die Auswirkungen des nächtlichen Zeitschlagens seien im Genehmigungsverfahren berücksichtigt worden und als hinnehmbar erachtet. Zwar unterfalle das Zeitläuten grundsätzlich den immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen, so dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen dürften. Die Antragsgegnerin habe in den Hinweisen zur Baugenehmigung jedoch ausdrücklich passive Schallschutzmaßnahmen an den schutzbedürftigen Räumen des Gebäudes zum Schutz vor Außenlärm durch das Glockengeläut empfohlen, um die Verträglichkeit beider Interessen zu gewährleisten.
Schließlich sei das Beigeladenenvorhaben auch in denkmalschutzrechtlicher Hinsicht zulässig. Die Antragsgegnerin habe sich mit den denkmalschutzrechtlichen Aspekten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ausführlich auseinandergesetzt. In diesem Rahmen seien auch die widerstreitenden Interessen, namentlich gesunde Wohnverhältnisse und Denkmalschutz, sorgfältig gegeneinander abgewogen worden.
Insbesondere sei zu berücksichtigten, dass der Gebäudekörper in der genehmigten Planungsvariante gegenüber der Wehrkirche südwärts weiter zurücktrete, was eine signifikante Verbesserung gegenüber der Vorplanung darstelle, da die Kirche nunmehr zusätzlich freigelegt werde. Auch sei die kritisierte Fassadengestaltung allein nicht geeignet, eine Herabwürdigung der Denkmalwürdigkeit herbeizuführen.
Sofern sich die Antragstellerin auf das Votum des Bayerischen Landesdenkmalrates vom 30. September 2019 berufe, sei auszuführen, dass dieser in erster Linie ein beratendes Gremium sei, das aus Vertretern der politischen Parteien und aus Repräsentanten der Interessengruppen, die unmittelbar mit Denkmalschutz und Denkmalpflege befasst seien, bestehe. Er sei daher schon nach seiner Zusammensetzung nicht dazu bestimmt, die fachliche Arbeit zu beeinflussen. Er wirke vielmehr im politischen Raum, auf dem administrativen Sektor und in der Öffentlichkeit für die Erhaltung von Denkmälern.
Das Staatliche Bauamt … sei für die Planung im Zuge von Baumaßnahmen sowie die Erhaltung von Gebäuden des Freistaates Bayern in …, …, … und … sowie in den Landkreisen …, …, … und … zuständig. Vorliegend liege eine staatliche Baupflicht für den Hauptzugang, die Gebäudehülle und die im Vertrag vom 17. März 2017 festgelegten Maßnahmen im Gebäudeinneren der Kirche vor. Aufgrund einer fehlenden fachlichen Kompetenz des Staatlichen Bauamtes könne es sich bei den Äußerungen im Schreiben vom 4. November 2019 auch um keine „denkmalfachliche Beurteilung“ handeln, sondern nur um ein allgemeines Meinungsbild. Der Vortrag, dass das Traufgesims des Turms ca. 2 m niedriger liege als in den Plänen dargestellt, werde mit keinen konkreten Höhenangaben untermauert. Bei der Feststellung, dass der geplante Neubau den Kirchturm teilweise verdecke und diesem nahe rücke, werde die Tatsache vorenthalten, dass dies für die vorhandene Bebauung ebenfalls gelte, d.h. die Situation verschlechtere sich nicht, sondern erfahre hierdurch sogar eine Aufwertung, da sich die Wandfläche der neuen Planung, die über die Kircheneinfriedung hinausrage und unmittelbar auf die Kirche wirke, im Vergleich zum Bestand deutlich verringere.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
Streitgegenstand vorliegenden Antrags ist die sofortige Vollziehbarkeit der der Beigeladenen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Juli 2019 erteilten Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses (5 Wohnungen).
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
In Fällen, in denen die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO dem Grundsatz nach gegebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage wie vorliegend durch ein Bundesgesetz ausgeschlossen ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212 a Abs. 1 BauGB), kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung der innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtzeitig erhobenen Klage anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht in einer dem Charakter des summarischen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechenden Weise die Interessen der Antragstellerseite und der Antragsgegnerin sowie der Beigeladenen gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage, § 80 Rn. 152), wobei vorrangig die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind.
Nach diesen Grundsätzen muss der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage der Antragstellerin ohne Erfolg bleiben.
Nach Überzeugung der Kammer hat die Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung keine so hinreichende Aussicht auf Erfolg, dass das kraft Gesetzes nach § 212 a Abs. 1 BauGB bereits bestehende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Baugenehmigung ausnahmsweise zurücktreten müsste.
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch sie zugleich in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies ist nur dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutze der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. z. B. BVerwG v. 6.10.1989 – 4 C 40.87 – juris).
Aufgrund der im vorliegenden Verfahren nur vorzunehmenden summarischen Überprüfung ist festzustellen, dass eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung aller Voraussicht nach nicht gegeben ist.
Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften, auf die sich die Antragstellerin mit Erfolg berufen könnte, ist vorliegend weder dem Bauplanungs- noch dem Bauordnungsrecht zu entnehmen, auch ein auf Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 Denkmalschutzgesetz beruhendes Abwehrrecht ist voraussichtlich nicht gegeben.
I.
Planungsrechtlich beurteilt sich das streitgegenständliche Vorhaben nach § 34 BauGB.
Kommt § 34 Abs. 1 BauGB zur Anwendung, ist das Drittschutz vermittelnde Rücksichtnahmegebot im Begriff des „Einfügens“ enthalten. Entspricht die Nutzungsart der relevanten näheren Umgebung einem Gebiet der Baunutzungsordnung, so ergibt sich die Rücksichtnahmepflicht aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO.
Vorliegend liegt wohl ein faktisches Dorfgebiet vor, in welchem das Wohnbauvorhaben der Art nach zweifelsohne zulässig ist. Auch unter Heranziehung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist im Übrigen keine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens zu erkennen.
Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG v. 18.11.2004, 4 C 1.04 – juris; BayVGH v. 12.9.2013, 2 CS 13.1351 – juris).
Dieses Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung seines Grundstücks verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht, wobei dieser Beurteilung eine Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls zugrunde zu legen ist.
Treffen Nutzungen unterschiedlicher Art mit unterschiedlicher Schutzwürdigkeit zusammen, so ist die Grundstücksnutzung mit einer spezifischen gegenseitigen Rücksichtnahmepflicht belastet (vgl. BVerwG v. 5.3.1984, NVZ 1984, 646).
Dies hat zur Folge, dass nicht nur der, welcher Beeinträchtigungen verursacht, zur Rücksichtnahme verpflichtet ist, sondern auch für denjenigen, der sich solchen Beeinträchtigungen aussetzt, eine Duldungspflicht besteht. Nicht nur „beeinträchtigende“ Vorhaben, sondern auch solche, die an eine emittierende Anlage heranrücken und sich deren störenden Einwirkungen aussetzen, können rücksichtslos sein (vgl. z. B. BVerwG v. 14.1.1993, NVwZ 1993, 1184).
Der BayVGH führt dazu in seiner Entscheidung vom 14. Juli 2006, 1 BV 03.2179 – juris, zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen u. a. folgendes aus: „Zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen ist auf die Begriffsbestimmungen (Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG) und die materiell rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 5 BImSchG) zurückzugreifen. Das Bundesimmissionsschutzgesetz legt diese Grenze und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfange seines Regelungsbereiches grundsätzlich allgemein fest (BVerwG v. 23.9.1999, NVwZ 2000, 1050). Die Zumutbarkeitsschwelle wird grundsätzlich überschritten, wenn die Störungen oder Belästigungen unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse erheblich im Sinne von § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind. „Faktische Vorbelastungen“ können sich dabei schutzmindernd auswirken. Soll ein Wohnbauvorhaben in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer vorhandenen immissionsträchtigen Anlage errichtet werden, kann der Schutz des Wohnens in Folge dieser „Situationsbelastung“ einen geringeren Stellenwert haben. Beeinträchtigungen, die innerhalb eines Wohngebiets nicht hinzunehmen wären, können in einer solchen Lage noch zumutbar sein (BVerwG v. 23.9.1999, a.a.O.). Umgekehrt folgt aus dem im Rücksichtnahmegebot angelegten Prinzip der Gegenseitigkeit aber auch, dass der Betreiber einer dem Immissionsschutzrecht unterliegenden Anlage nicht darauf vertrauen darf, vor Auflagen zum Schutz vor heranrückender Wohnbebauung vor Immissionen verschont zu bleiben. Zieht allerdings eine beabsichtigte Wohnbebauung eine Verschärfung immissionsschutzrechtlicher Anforderungen für den Betreiber einer Anlage nach sich, wird das Vorhaben in der Regel rücksichtslos sein (BVerwG v. 25.11.1985, NVwZ 1986, 469; bei VGH v. 25.1.1991, BayVBl. 1991, 694). Dagegen liegt bei einer Anlage, die die Grenzwerte nach den Vorgaben des Immissionsschutzrechts einhält, regelmäßig kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor (BVerwG v. 28.7.1999, NVwZ 2000, 165). Bei einer an eine immissionsträchtige Anlage heranrückenden Wohnbebauung kommt es auch darauf an, ob die Anlage aufgrund einer schon vorhandenen schutzwürdigen Bebauung ohnehin schon Rücksicht nehmen muss.“
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe werden im Rahmen des Gebotes der Rücksichtnahme relevante schutzwürdige Belange der Antragstellerin voraussichtlich nicht beeinträchtigt.
Die Antragstellerin kann wohl weder das Beigeladenenvorhaben wegen der vom Glockengeläut der Kirche ausgehenden Lärmimmissionen (siehe unten 1.) erfolgreich abwehren noch unzumutbare Beeinträchtigungen im Hinblick auf eine „erdrückende Wirkung“ einen „Gefängnishofeffekt“ (siehe unten 2.) geltend machen.
1. Zwar ergibt sich aus dem im Baugenehmigungsverfahren erstellten Gutachten und den diesbezüglich gemachten eigenen Angaben der Antragstellerin, dass durch das nächtliche Glockenläuten der sich auf dem Antragstelleringrundstück befindlichen Kirche der insoweit zugrunde zulegende Spitzenpegel vom 65 dB(A) (vgl. Nr. 6.1 TA-Lärm) deutlich überschritten wird mit einem Wert von 83 dB(A).
Grundsätzlich gilt in diesem Zusammenhang, dass unabhängig vom Zweck des Kirchenläutens – Zeitläuten oder liturgisches Läuten – die Anforderungen des Immissionsschutzrechtes gelten und demgemäß grundsätzlich auch die der TA-Lärm (vgl. BVerwG v. 7.10.1983, 7 C 44.81 – juris; vom 2.9.1996, 4 B 152.96 – juris zum liturgischen Läuten; vom 30. April 1992, 7 C 25.91 – juris zum Zeitschlagen; so auch BayVGH v. 9.12.2003, 22 ZB 03.30011 – juris; vom 11.1.2005, 22 ZB 04.3246 – juris; vom 1.3.2002, 22 B 99.338 – juris).
So führt das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 7. Oktober 1983, a.a.O., zum Angelusläuten u. a. folgendes aus: „Nach § 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ordnen die Kirchen ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbstständig; sie sind dabei also an die Schranken gebunden, die ihnen die für alle geltenden Gesetze des Staates ziehen. Dieser muss seinerseits die wertsetzende Bedeutung des verfassungsrechtlich garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts achten (vgl. BVerfGE 42, 312 (332 ff.); 53, 366 (404)). Demgemäß ist es in erster Linie Sache der Beklagten, darüber zu befinden, ob, wann und wie sie zu kultischen Zwecken läuten will. Dieses Läuten ist aber mit Geräuschimmissionen verbunden, die zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen und damit staatlich zu wahrende Belange oder Rechtspositionen Dritter beeinträchtigen können. Im Hinblick hierauf darf und muss der Staat auch dem Läuten, das kultischen Zwecken dient, Grenzen setzen. Eine solche Grenze bildet die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, die dem Betreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage im Interesse des Immissionsschutzes bestimmte Grundpflichten auferlegt. Diese gelten, was Geräuschimmissionen anlangt, nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BImSchG auf für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden. Als Inhalt eines für alle geltenden Gesetze im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV sind jene Pflichten – jedenfalls grundsätzlich – für die Kirchen verbindlich und damit auch auf Schallimmissionen anwendbar, die durch kirchliches Glockenläuten verursacht werden. Kirchenglocken unterfallen nämlich dem weiten Anlagenbegriff des § 3 Abs. 5 BImSchG; sie sind als Teile des kirchlichen Gebäudes ortsfeste Einrichtungen im Sinne von § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG. Als solche dürfen sie gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht so betätigt werden, dass von ihnen nach dem Stand der Technik vermeidbare Geräuschimmissionen ausgehen, die schädliche Umwelteinwirkungen darstellen, also nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG). Es kann hier offen bleiben, ob und auf welche Weise staatliche Behörden gegen ein solches übermäßiges Glockengeläut der Kirchen einschreiten können; der Kläger als Nachbar kann sich jedenfalls auf diesen gesetzlichen Schutz vor Geräuschimmissionen berufen.
b. Die Beklagte hat mit ihrem sommerlichen Angelusläuten dem Kläger gegenüber die ihr durch § 22 Abs. 1 BImSchG gezogenen Grenzen nicht verletzt. Das Läuten beeinträchtigt ihn nicht in einer Weise, die als erhebliche Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG gewertet werden kann. Das wäre nur dann der Fall, wenn es – bezogen auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen, nicht auf die individuelle Einstellung eines besonders empfindlichen Nachbarn – das zumutbare Maß überschritte (vgl. BVerwGE 50, 49 (55)). Eine solche Fallgestaltung ist hier zu verneinen. Mit herkömmlichen täglichen Glockenläuten wird in aller Regel die Grenze des zumutbaren nicht überschritten. Das kultische Glockengeläut ist eine jahrhundertealte kirchliche Lebensäußerung, die, wenn sie sich nach Zeit, Dauer und Intensität im Rahmen des Herkömmlichen hält, auch in einer säkularisierten Gesellschaft bei Würdigung der widerstreitenden Interessen hinzunehmen ist. Das morgendliche Angelusläuten soll nach dem Vortrag der Beklagten die Gemeindemitglieder zu Beginn des Tagewerks zum Gebet aufrufen und damit der Verkündigung der christlichen Botschaft als der zentralen Aufgabe der Kirche dienen wie auch ein Zeichen der Präsenz der Kirche in der Gesellschaft sein. Eine solche sich im Rahmen des herkömmlichen haltende kirchliche Lebensäußerung ist vom verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirche gedeckt und stellt zugleich einen vom Schutz des Art. 4 Abs. 2 GG erfassten Akt freier Religionsausübung dar (vgl. BVerfGE 24, 236 (246); BVerwGE 18.341,344)). Sie überschreitet nicht die Grenzen des Angemessenen und muss daher von sich gestört fühlenden Einzelpersonen oder Personengruppen – auch unter dem Gebot gegenseitiger Toleranz – als sozialadäquat ertragen werden.
Der Rahmen des Angemessenen wird im vorliegenden Fall nicht überschritten. Das Angelusläuten findet nicht vor Tagesanbruch statt. Die Zeit der Nachtruhe kann – zumal im Sommerhalbjahr – um 6.00 Uhr regelmäßig als beendet gelten. Davon geht auch die technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) vom 16. Juli 1968 (Beilage zum BAnz. Nr. 137 vom 26.7.1986) in Nr. 2.321 aus. Es ist deshalb nicht rechtswidrig, dass die Beklagte das Angelusläuten in der Sommerzeit auf 6.00 Uhr angesetzt hat.“
Zum „Zeitschlagen“ äußerte sich das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 30. April 1992, a.a.O., wie folgt: „Nach dieser Vorschrift (gemeint ist § 22 Abs. 1 BImSchG) sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, auch wenn sie wie hier nicht gewerblichen Zwecken dienen u. a. so zu betreiben, dass nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräusche verhindert werden. Das Schlagwerk der Turmuhr ist eine Anlage im Sinn des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG (BVerwG, U.v. 7.10.1983 – BVerwG 7 C 44.81 – BVerwGE 68, 62 [67]), die, da sie nicht genehmigungspflichtig ist, den Anforderungen des § 22 Abs. 1 BImSch genügen muss. Wann Geräusche die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen überschreiten, also die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich belästigen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung und ist damit eine Frage der Einzelbeurteilung (BVerwG, U.v. 19.1.1989 – BVerwG 7 C 77.87 – BVerwG 81, 197 [203]; B.v. 18.12.1990 – BVerwG 4 N 6.88 – ZfBR 1991, 120 [123]). Diese richtet sich insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit, wobei wertende Elemente wie Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz mitbestimmend sind. […] Diesen Anforderungen wird die angegriffene Verfügung gerecht. Dies verkennt das Oberverwaltungsgericht, weil es den traditionsbewahrenden Charakter des Glockenschlags überbewertet und damit einen angemessenen Güteausgleich verfehlt. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass das Gericht in Übereinstimmung mit dem Beklagten die Grenzwerte der TA-Lärm als Ausgangspunkt seiner Betrachtung wählt. Dies entspricht der Einschätzung des erkennenden Senats, der die prinzipielle Eignung dieses Regelwerks für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Glockengeläut für die Nachbarschaft nicht in Frage gestellt hat (BVerwG, U.v. 7.10.1983, a.a.O. Seite 68). Die im Verfahren nach § 48 BImSchG als Verwaltungsvorschrift erlassene TA-Lärm betrifft zwar nur die genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne des § 4 BImSch; die in ihr niedergelegten Lärmermittlungs- und Bewertungsgrundsätze sind aber auch für andere Lärmarten – je nach deren Ähnlichkeit mit gewerblichen Lärm (BVerwG, U.v. 19.1.1989, a.a.O. Seite 202 ff.) – bedeutsam. Im vorliegenden Fall ist gegen die Heranziehung dieses Regelwerks als maßgebliche Beurteilungsgrundlage insbesondere deshalb nichts zu erinnern, weil es um die Lästigkeit nächtlicher Einzelgeräusche geht und nicht um die Mittelbewertung bei einem Dauergeräusch. Für die schlafstörende Wirkung solcher Einzelgeräusche sind weniger ihre Art und Dauer als vornehmlich ihre Lautstärke maßgebend. Dementsprechend gilt nach Nr. 2.422.6 TA-Lärm der für die Nachtzeit maßgebliche Immissionsrichtwert auch dann als überschritten, wenn ein Messwert mehr als 20 dB(A) über dem Richtwert liegt; eine vergleichbare Regelung enthält übrigens auch Nr. 3.3.1 Abs. 3 der VDI Richtlinie 2058.
Sind somit des Nachts Einzelgeräusche von mehr als 60 dB(A) für in Wohngebieten lebende Menschen regelmäßig immissionsschutzrechtlich nicht hinnehmbar, so setzt eine darüber hinausgehende Duldungspflicht der Nachbarn ein gegenläufiges Interesse des Lärmverursachers von zumindest annähernd vergleichbarem Stellenwert voraus. Rechte oder Interessen solchen Ranges gibt es hier nicht. Allein unter Berufung auf die „traditionelle Präsenz“ der Kirche, die sich im regelmäßigen wiederkehrenden Glockenzeitschlag ausdrückt, kann jedenfalls heute dem Nachbarn zur Nachtzeit kein stärkerer Lärm angesonnen werden, als sie nach der allgemeinen Schutzwürdigkeit des von ihnen bewohnten Gebiets üblicherweise hinzunehmen hätten. Das gilt ungeachtet des Umstandes, dass Kirchen traditionell im Ortskern errichtet werden und ihre Turmuhren häufig – wie auch hier – von jeher nachts schlagen. Zwar können solche Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit für die soziale Adäquanz und damit für die Zumutbarkeit höherer Lärmimmissionen durchaus bedeutsam sein. Um Störungen der Nachtruhe zu rechtfertigen, reichen diese für das Zeitschlagen von Kirchturmuhren regelmäßig geltenden Begleitumstände jedoch nicht aus. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass nach dem Selbstverständnis der Kirchen die mit dem Glockenschlag bezweckte Zeitansage gleichzeitig einen Hinweis auf die Zeitlichkeit des Menschen gibt, darf nicht übersehen werden, dass das Glockengeläut seine Funktion als Zeitansage unter den heutigen Lebensbedingungen praktisch verloren hat. Das nichtsakrale Glockenschlagen kann deshalb auch nicht mehr einem Bereich kirchlicher Tätigkeit zugeordnet werden, in dem die allgemeinen Gesetze nur eingeschränkt gelten. Vielmehr erschöpft sich seine Bedeutung ähnlich wie beim Stundenschlag von Rathausuhren im Wesentlichen in der Wahrung einer Tradition, die jedenfalls in der Nachtzeit so lange keine höheren Duldungspflichten der Nachbarschaft im Verhältnis zu vergleichbarem gewerblichen Lärm begründen kann, als keine besonderen örtlichen Umstände hinzutreten, die ihm eine aus dem Rahmen des Üblichen fallende Bedeutung verleihen. Zu denken wäre beispielsweise an ein besonderes, weit über die Grenzen des Ortes hinaus bekanntes Geläut oder eine spezifische Prägung der Gemeinde durch die Kirche, die eine stärkere kirchliche Präsenz auch zur Nachtzeit akzeptabel erscheinen lassen könnten.“
Unter Zugrundelegung obiger rechtlicher Gegebenheiten ist festzustellen, dass vorliegend bereits in Bezug auf die ehemals vorhandene bestandsgeschützte Nutzung des Baugrundstücks sowie der übrigen zur näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB zählenden wohngenutzten Grundstücke der nachts zulässige Spitzenpegel von 65 dB(A) deutlich überschritten wurde, so dass bereits in der Vergangenheit für das Baugrundstück und wohl auch die sonstigen das Kirchengrundstück unmittelbar umgebenden wohngenutzten Grundstücke durch dieses nächtliche Zeitläuten eine erhebliche Belästigung in der Form schädlicher Umwelteinwirkung gegeben war (§§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BimSchG).
In Bezug auf das streitgegenständliche Bauvorhaben ist demnach ein Abwehranspruch aus dem Gesichtspunkt „heranrückende Wohnbebauung“ aller Voraussicht nach zu verneinen. Das streitgegenständliche Bauvorhaben verschlechtert die immissionsschutzrechtliche Lage und damit das Maß der gegenseitig zu übenden Rücksichtnahme nicht zu Lasten der Antragstellerin. Die Antragstellerin ist grundsätzlich verpflichtet, im vorliegenden faktischen Dorfgebiet die einschlägigen Richtwerte der TA-Lärm (unter Berücksichtigung der insbesondere für liturgisches Glockenläuten sich ergebenden Besonderheiten) einzuhalten. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes durch heranrückende Wohnbebauung kann sich deshalb nur dann ergeben, wenn anzunehmen wäre, dass die Antragstellerin die zugrunde zulegenden Spitzenpegelwerte unter Berücksichtigung der oben dargestellten Besonderheiten kirchlichen Läutens im Hinblick auf Angemessenheit, Herkömmlichkeit und Sozialadäquanz derzeit einhielte, jedoch diese Richtwerte wegen des aufgrund des streitgegenständlichen Vorhabens neu hinzukommenden Immissionsortes zukünftig nicht mehr einhalten könnte.
Angesicht der sowohl von der Antragstellerin selbst gemachten diesbezüglichen Angaben und der im eingeholten Gutachten festgestellten erheblichen Maximalpegelüberschreitungen zur Nachtzeit ohne Berücksichtigung des streitgegenständlichen Vorhabens (81 dB(A)) ist aller Voraussicht nach kein Abwehranspruch der Antragstellerin in Bezug auf das streitgegenständliche Vorhaben als heranrückende Wohnbebauung gegeben.
Wenn auch vorliegend wegen der erheblichen Pegelüberschreitungen zur Nachtzeit und damit dem Gegebensein einer immissionsschutzrechtlichen Situation, die für die Antragstellerin nicht zu zusätzlichen rücksichtslosen Beschränkungen durch das Beigeladenenvorhaben führen würde, nicht entscheidungserheblich, sei dennoch an dieser Stelle für zukünftig entstehende Sachverhalte darauf hingewiesen, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe Konflikte mit benachbarter Bebauung in einer Weise zu lösen, dass die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet ist und somit die Baugenehmigungserteilung ermöglicht.
Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn jedoch nur solche Vorkehrungen auferlegt werden, die eine dauerhafte Lösung des Konfliktes gewährleisten (vgl. z. B. BVerwG vom 23.9.1999, 4 C 6.98 – juris; vom 7.6.2012, 4 BN 6.12 – juris).
2. Das Anwesen der Antragstellerin wird durch das streitgegenständliche Vorhaben voraussichtlich auch nicht in einer rücksichtslosen Weise eingemauert oder erdrückt.
Eine solch erdrückende Wirkung kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse und ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück derart unangemessen benachteiligt, in dem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht, oder wenn die schiere Größe des „erdrückenden Vorhabens“ aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles derart übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Grundstück überwiegend wie eine von einem „herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird“ (vgl. z. B. OVG Nordrhein-Westfalen vom 9.2.2009, NVwZ – RR 209, 459).
Unter Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das streitgegenständliche Bauvorhaben der Antragstellerin gegenüber – so das Ergebnis der hier vorgenommenen summarischen Prüfung – nicht als rücksichtslos. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Höhenentwicklung des Beigeladenenvorhabens möglicherweise unter denkmalschutzrechtlichen Gesichtspunkten negativ zu beurteilen sein könnte (siehe unten III.), für die Annahme einer erdrückenden Wirkung die Höhe des Beigeladenenvorhabens ebenso wie seine konkrete Gestaltung jedoch keinen Anhaltspunkt für eine diesbezügliche Rücksichtslosigkeit hergibt, insbesondere unter Berücksichtigung, dass es sich bei der auf dem Antragstellergrundstück vorhandenen Kirche mit Einfriedungsmauer zwar um eine vergleichsweise kleine Kirchenanlage handelt, jedoch insgesamt nicht von einer Unscheinbarkeit und Unauffälligkeit ausgegangen werden kann, welche das Beigeladenenvorhaben rücksichtslos erscheinen ließe.
Dies gilt auch im Hinblick auf die ohne Einhaltung eines Grenzabstandes zum Antragstelleringrundstück hin beabsichtigte Bauweise. Unter Berücksichtigung der – regellos – grenzständigen und offenen Bauweise in der näheren Umgebung des Bauvorhabens ist aller Voraussicht nach von einem Einfügen des Vorhabens am geplanten Standort nach § 34 Abs. 1 Satz BauGB auszugehen.
Als für das Bauvorhaben maßgebliche „nähere Umgebung“ i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des Grundstücks prägt oder beeinflusst (vgl. z.B. BVerwG vom 15.11.2018, 4 B 2.18 – juris).
Allerdings lassen sich die Grenzen der näheren Umgebung nicht schematisch festlegen, sondern sie sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in welcher das Baugrundstück sich befindet.
Grundsätzlich gelten als Bereich dieser im Rahmen des Begriffs der näheren Umgebung entscheidenden gegenseitigen Prägung das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite (vgl. z.B. BayVGH vom 24.07.2014, 2 B 14.1099 – juris).
Ob einer Straße insoweit trennende oder verbindende Wirkung zukommt, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. z.B. BayVGH vom 20.09.2012, 15 ZB 11.460 – juris). Dabei und auch bei der Beurteilung, ob der Bereich der „näheren Umgebung“ im jeweils konkreten Fall weiter oder enger zu ziehen ist, können deutlich vorhandene Strukturunterschiede innerhalb des Quartiers eine Rolle spielen. Je einheitlicher sich die Bau- und Nutzungsstruktur darstellt, umso eher ist gegebenenfalls bei der Bestimmung der maßgeblichen Umgebung auf einen vergleichsweise geringeren Umfang abzustellen (BVerwG vom 28.08.2003, 4 B 74.03 – juris).
Der im vorliegenden Fall insoweit relevante räumliche Umgriff umfasst nach Auffassung der Kammer unter Zugrundelegung des sich in den Bauvorlagen befindlichen Lageplanes und in Ansehung vorhandener Luftbilder den Bereich, der gebildet wird durch die … zwischen dem … im Westen und der Einmündung der … Straße im Osten. Die Heranziehung der nördlich der … gelegenen Bebauung als Teil der „näheren Umgebung“ ergibt sich vorliegend voraussichtlich daraus, dass es sich bei der …-straße um eine nicht allzu breite Straße handelt, deren Funktion sich nach ihrer Lage im örtlichen Straßennetz im Wesentlichen auf die Aufnahme des anliegenden Erschließungsverkehrs und die Weiterleitung des örtlichen Durchgangsverkehrs beschränkt, und deshalb unter Berücksichtigung der beidseitig gegebenen Bau- und Nutzungsstruktur dieser Straße keine trennende Wirkung bei der Bestimmung der „näheren Umgebung“ beizumessen sein dürfte.
Eine Grenzbebauung ist dem Grunde nach planungsrechtlich zulässig, wenn in der Umgebung eine entsprechende Bauweise gehäuft vorzufinden ist (vgl. BayVGH vom 29.04.2003, 20 B 02.1994 – juris), was nach Planlage und den Luftbildern für die oben bestimmte relevante Umgebung vorliegend wohl zu bejahen ist.
Eine Rücksichtslosigkeit der geplanten Grenzbebauung ist unter Berücksichtigung der hier vorzufindenden Mischung von Grenzbebauung und offener Bebauung voraussichtlich nicht anzunehmen. Auch wenn eine gewisse Verschlechterung durch das streitgegenständliche Vorhaben gegeben wäre, so würde diese wohl nicht die Zumutbarkeitsschwelle zu Lasten der Antragstellerin überschreiten, da aufgrund der vorhandenen Situation vom Beigeladenenvorhaben keine derart starke Verschlechterung erfolgt für das Antragstelleringrundstück, dass von einer Unzumutbarkeit für die Antragstellerin auszugehen wäre.
Zusammenfassend ist nach alledem festzustellen, dass das planungsrechtliche Rücksichtsnahmegebot durch das Beigeladenenvorhaben aller Voraussicht nach nicht zu Lasten der Antragstellerin verletzt wird.
II.
Auch eine Verletzung des Drittschutz vermittelnden Abstandsflächenrechtes ist voraussichtlich nicht gegeben.
Eine Abstandsfläche ist nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nicht erforderlich vor Außenwänden, die an den Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Dieser Vorrang des Städtebaurechts gilt nicht nur für Festsetzungen in Bebauungsplänen. Auch der tatsächlich vorhandenen Bauweise im nicht überplanten Innenbereich nach § 34 BauGB kommt grundsätzlich der Vorrang vor dem Abstandsflächenrecht zu (BVerwG vom 11.03.1984, 4 B 53.94, NVWZ 1994, 1008; BayVGH vom 25.11.2013, 9 B 09.952 – juris; vom 23.02.2010, 1 BV 07.2363 – juris; VG Ansbach vom 12.09.2012, AN 9 K 11.01743 – juris).
Der BayVGH führt hierzu in seiner Entscheidung vom 25. November 2013, 9 B 09.952 – juris, unter anderem Folgendes aus:
„Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans hängt die Zulässigkeit der Errichtung eines Gebäudes mit oder ohne seitlichen Grenzabstand von der nach § 22 BauNVO festzusetzenden Bauweise ab. Entsprechendes gilt im nicht beplanten Innenbereich nach § 34 BauGB.
Ergibt die im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB durchzuführende, „Fremdkörper“ außer Betracht lassende Bestandsaufnahme des Vorhandenen, dass die den Maßstab bildende Bebauung Gebäude mit und ohne seitlichen Grenzabstand umfasst, ohne dass eine Ordnung zu erkennen ist, die als abweichende Bauweise (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 1 BauNVO) eingestuft werden kann, dann hält sich sowohl ein Gebäude mit als auch ein Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand im Rahmen des Vorhandenen. Vorbehaltlich der Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme darf daher in diesen Fällen mit den in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO 1998 geregelten abstandsflächenrechtlichen Folgen nach bauplanungsrechtlichen Vorschriften an die seitlichen Grenzen bzw. an eine seitliche Grenze gebaut werden (BayVGH, U.v. 23.03.2010 – 1 BV 07.2363 – juris RdNr. 25).
Dies gilt – wie der Erste Senat des Verwaltungsgerichtshofs in dieser den Beteiligten übermittelten Entscheidung vom 23. März 2010 des Weiteren überzeugend ausgeführt hat – entgegen einer in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs früher vielfach vertretenen, inzwischen aber wohl nicht mehr überwiegenden Auffassung auch dann, wenn die vorhandene Mischung von Gebäuden mit und ohne seitlichen Grenzabstand „regellos“ erscheint. Der Auffassung, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO 1998 müsse im Hinblick auf vom Abstandsflächenrecht verfolgte „eigenständige Ziele“ in der Weise einschränkend ausgelegt werden, dass ein Grenzanbau nur dann im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO 1998 zulässig sei, wenn die vorhandene Bebauung in Bezug auf Grenzanbauten ein bestimmtes „Ordnungssystem“ erkennen lasse – so aber die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts, u.a. S. 18), ist der Erste Senat nicht gefolgt. Die für sie ins Feld geführten Gründe, dass das Abstandsflächenrecht nicht nur eine ausreichende Versorgung der Räume mit Tageslicht bezwecke, sondern auch ein verträgliches Wohnklima gewährleisten solle, sei nicht so zwingend, dass sie eine vom eindeutigen Wortlaut abweichende Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO 1998 böten. Denn der Belang gesunder Wohnverhältnisse sei auch ein bauplanungsrechtlicher Plan (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB); wenn er nicht ausreichend gewahrt sei, müsse die Gemeinde dem nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB mit den Mitteln der Bauleitplanung begegnen (BayVGH, U.v. 23.03.2010 a.a.O. – juris RdNr. 25).
Der vorstehenden Auffassung des 1. Senats hat sich – wie schon früher der 15. Senat (B.v. 25.01.2008 – 15 ZB 06.3115 – juris) – auch der 14. Senat (vgl. U.v. 20.10.2010 – 14 B 09.1616 – juris RdNr. 31, unter Aufgabe seiner anders lautendenden früheren Rechtsprechung) angeschlossen. Auch der erkennende Senat, der diese Frage in seinem Urteil vom 4. Januar 2011 (Az. 9 B 10.1828 – juris RdNr. 17 und 18) noch offenlassen konnte, ist ihr in einem Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes mittlerweile gefolgt (vgl. B.v. 0i8i.10.2013 – 9 CS 13.1636 – juris RdNr. 11). Hieran ist festzuhalten.“
Das Abstandsflächenrecht tritt zurück, die Zulässigkeit der grenznahen Bebauung richtet sich alleine nach § 34 Abs. 1 BauGB und nach dem im Begriff des Einfügens enthaltenen Rücksichtnahmegebot (BayVGH vom 20.11.2014, 9 CS 14.1794 – juris).
Wie oben I.2 ausgeführt, fügt sich das Vorhaben voraussichtlich nach der Bauweise ein, die Grenzbebauung stellt wohl keine unzumutbare Beeinträchtigung des Grundstücks der Antragstellerin dar und somit keine Rücksichtslosigkeit gegenüber dieser.
Eine Abstandsfläche zum Antragstelleringrundstück hin ist demnach – so das Ergebnis der durchgeführten summarischen Prüfung – nicht erforderlich nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO. Die gleichwohl erteilte Abweichung geht demzufolge ins Leere.
Jedoch auch bei Nichtanwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO wäre wohl kein die Antragstellerin in ihren Rechten verletzender Verstoß gegen Art. 6 BayBO gegeben. Die zur Grundstücksgrenze der Antragstellerin hin erteilte Abweichung (Bescheid Nr. 2.2.) ist aller Voraussicht nach rechtmäßig; die Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 BayBO sind wohl erfüllt. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Bescheid Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO analog.
III.
Der Antragstellerin steht nach summarischer Prüfung wohl auch kein Abwehrrecht im Rahmen des sogenannten Umgebungsschutzes nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 DSchG zu.
Der BayVGH führt in seinem Beschluss vom 22.01.2020, 15 ZB 18.2547 – juris, zum Vorliegen eines nachbarlichen Genehmigungsabwehranspruchs unter denkmalschutzrechtlichen Erwägungen u.a. folgendes aus:
„Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 des DSchG ist die Errichtung von Anlagen in der Nähe von Baudenkmälern erlaubnispflichtig, wenn sich dies auf den Bestand oder das Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG kann die Erlaubnis versagt werden, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbildes oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen. Ist eine Baugenehmigung erforderlich, entfällt die Erlaubnis (Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG) mit der Folge, dass im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens auch über die denkmalrechtlichen Fragen entschieden wird (Art. 59 Satz 1 Nr. 3, Art. 60 Satz 1 Nr. 3, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO). Hinsichtlich einer möglichen nachbarrechtlichen Betroffenheit der Kläger unter Denkmalschutzgesichtspunkten war im vorliegenden Fall die Eigenschaft des benachbarten klägerischen Anwesens als Baudenkmal grundsätzlich zu berücksichtigen. Nach dem Urteil des BVerwG vom 21. April 2009 (4 C 3.08 – BVerwGE 133,347 = juris RdNr. 5 ff., insbesondere 9, 15 – 18) muss der Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals gem. § 42 Abs. 2 VwGO befugt sein, die denkmalrechtliche Genehmigung eines Vorhabens in der Umgebung anzufechten, wenn jenes dessen Denkmalwürdigkeit möglicherweise erheblich beeinträchtig. Das Landesdenkmalrecht ist entsprechend auszulegen und anzuwenden, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen an inhalts- und schrankenbestimmende Gesetze (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG) zu genügen. Die hier einschlägigen denkmalschutzrechtlichen Regelungen mit Bezug auf das klägerische Nachbaranwesen – Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 Denkmalschutzgesetz – stellen allein auf die öffentlichen Belange des Denkmalschutzes ab, private Interessen finden keine Erwähnung. Das Abwehrrecht des Denkmaleigentümers geht damit nicht über das hinaus, was Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s.o.) als Mindestschutz verlangt. Der Denkmaleigentümer kann hiernach nur dann in seinen Rechten verletzt sein, wenn das genehmigte Vorhaben die Denkmalwürdigkeit des benachbarten Anwesens e r h e b l i c h beeinträchtigt. Darüber hinaus lässt sich dem BayDSchG jedoch kein allgemeiner Drittschutz zugunsten des Denkmaleigentümers entnehmen (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 04.08.2011 – 2 CS 11.997 – juris RdNr. 4; […]. Als erhebliche Beeinträchtigung eines Denkmals ist nicht nur eine Situation anzusehen, in der ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Betrachters verletzender Zustand, also ein Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Baudenkmal hervorgerufen wird, sondern auch die Tatsache, dass die Wirkung des Denkmals als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element geschmälert wird. Neue Vorhaben müssen sich zwar weder völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen, noch haben sie zu unterbleiben, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Aber sie müssen sich an dem Denkmal messen lassen, dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen oder die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen lassen. Die genannten Merkmale müssen in schwerwiegender Weise gegeben sein, damit von einer erheblichen Beeinträchtigung gesprochen werden kann (BayVGH, U.v. 25.06.2013 – 22 B 11.701 – BayVbl 2014, 502 = juris RdNr. 32 m.w.N.).“
Zwar ist nach Auffassung der Kammer eine Beeinträchtigung des sich auf dem Antragstelleringrundstück befindlichen Denkmals in Gestalt der historischen Wehrkirche durch das Beigeladenenvorhaben schon im Hinblick auf die Größe des geplanten Wohnhauses in Ansehung der (eher geringen) Größe der Wehrkirche nicht auszuschließen. Jedoch wird damit wohl nicht die Grenze zur Erheblichkeit im Sinne der oben aufgeführten Rechtsprechung überschritten. Dies gilt umso mehr, als auch bereits in der Vergangenheit die Wehrkirche Teil der vorhandenen Bebauung war und insofern von relativ dichter Nachbarbebauung umgeben war, welche die Wahrnehmbarkeit in einem für einen dicht bebauten innerörtlichen Bereich nicht unüblichen Maße einschränkte. Durch das nunmehr nach Reduzierung der Höhe und Verschiebung des Standortes nach Süden genehmigte Beigeladenenvorhaben ist – so die von der Kammer im Rahmen der vorgenommenen summarischen Prüfung gewonnene Überzeugung – nicht mehr von einer geschmälerten Wirkung des Denkmals als Kunstwerk, Geschichtszeuge oder als bestimmendes städtebauliches Element auszugehen.
Das Denkmal wird weder in schwerwiegender Weise erdrückt, verdrängt, übertönt oder die gebotene Achtung gegenüber den vom Denkmal verkörperten Werte nicht gewährleistet (vgl. z.B. BayVGH vom 18.03.2013, 22 B 12.1741 – juris). Insbesondere ist auch im Hinblick auf die nunmehrige Fassadengestaltung durch Form und Anordnung der Fenster sowie die geplante Dachflächengestaltung (statt der ursprünglich vorgesehenen Gauben nunmehr Dachflächenfenster) wohl nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen.
Zwar wird durch die ursprünglich vorgesehene Fenstergestaltung die deutlich erkennbare Struktur der Wehrkirche mehr in einer sich unterordnenden Weise aufgenommen als dies durch die streitgegenständlich geplante Fassadengestaltung der Fall ist. Jedoch gilt auch insoweit, dass voraussichtlich nicht von einer erheblichen im Sinne einer schwerwiegenden Beeinträchtigung auszugehen ist.
Auch bezüglich der nunmehr geplanten Dachflächenfenster vermag die Kammer keine relevante Beeinträchtigung zu erkennen. Vielmehr erhält das Beigeladenenvorhaben in dem gerade im Hinblick auf den Denkmalschutz recht bedeutsamen Dachbereich dadurch eine unauffällige, unaufgeregte und gleichmäßige Gestaltung, die nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der nicht vorrangig durch Dachgauben geprägte Dachlandschaft der Umgebungsbebauung nicht störend wirkt. Eher durch die im Bereich der südlichen Dachfläche geplant Loggia wird eine gewisse Unruhe in den Dachbereich hineingetragen und „Wohnleben“ wird in einer möglicherweise denkmalbeeinträchtigenden Weise eingebracht. Jedoch wird auch insoweit nicht die Rede davon sein können, dass dies die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen ließe. Die Wehrkirche befindet sich eben gerade nicht an einem exponierten Ort fern der das Ortsleben repräsentierenden Bebauung und ist deshalb hin dieser Hinsicht schon „vorbelastet“.
Bei der Beurteilung des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung ist neben dem oben Erörterten auch zu berücksichtigen, dass das Beigeladenenvorhaben, wie es sich aus den Bauvorlagen ergibt, unter Berücksichtigung aller Gestaltungselemente sowie seiner Kubatur insgesamt eher als schlicht und unauffällig erscheint und sich damit auch dem zwar größenmäßig zurückhaltenden, aber dennoch als Denkmal nicht unauffälligen Kirchengebäude jedenfalls in nicht erheblich beeinträchtigender Weise zugesellt.
Als Ergebnis der durchgeführten summarischen Überprüfung steht somit zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Antragstellerin mangels einer erheblichen Beeinträchtigung ein auf Denkmalschutz gestütztes Abwehrrecht nicht zusteht.
Somit war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Juli 2019 abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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