Baurecht

Baugenehmigung für einen Gnadenhof für Schlittenhunde im Außenbereich

Aktenzeichen  9 ZB 19.1543, 9 ZB 19.1544, 9 ZB 19.1545

Datum:
12.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6129
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Wenn ein Bauvorhaben auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden kann, ist es nicht auf die Inanspruchnahme des Außenbereichs angewiesen (vgl. BVerwG, BeckRS 2011, 50204 Rn. 4). Das bloße Bestreiten einer gebietsverträglichen Unterbringung in einem anderen Baugebiet genügt nicht, um das Vorhandensein dieser Alternative auszuschließen. (Rn. 6 – 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 17 K 17.1586 u.a. 2019-05-16 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III. Die Klägerin und der Kläger tragen die Kosten ihrer Zulassungsverfahren. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Streitwert wird für die Zulassungsverfahren 9 ZB 19.1543 und 9 ZB 19.1544 auf jeweils 2.500 Euro und für das Zulassungsverfahren 9 ZB 19.1545 auf 20.000 Euro sowie ab Verbindung auf insgesamt 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin im Verfahren 9 ZB 19.1543 ist Vorstand des Klägers in den Verfahren 9 ZB 19.1544 und 9 ZB 19.1545, eines eingetragenen Vereins. Beide wenden sich gegen die Beseitigungsanordnung des Landratsamts A. vom 10. Juli 2017 für einen auf den Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung K.aufgestellten Wohnwagen. Der Kläger begehrt zudem in einem weiteren Verfahren (Az. 9 ZB 19.1545) die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Bestandsgebäudes mit Stallungen zu einem Gnadenhof für Schlittenhunde mit Wohnnutzung auf den o.g. Grundstücken. Die Beigeladene versagte hierzu ihr Einvernehmen und das Landratsamt A. lehnte die beantragte Genehmigung mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 ab. Das Verwaltungsgericht Ansbach wies die gegen die Bescheide des Landratsamts jeweils erhobenen Klagen mit Urteil vom 16. Mai 2019 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung habe, weil das Bauvorhaben nicht privilegiert sei, öffentliche Belange entgegenstünden und die ausreichende Erschließung nicht gesichert sei; die Beseitigungsanordnungen seien gegenüber beiden Klägern rechtmäßig ergangen. Hiergegen wenden sich die Kläger jeweils mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässigen Anträge bleiben ohne Erfolg. Die von den Klägern allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
1. Entgegen der Ansicht der Kläger ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen einer Privilegierung des Bauvorhabens „Gnadenhof für Schlittenhunde“ nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht vorliegen.
Für die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ist nicht nur erforderlich, dass einer der dort genannten Gründe – besondere Anforderungen an die Umgebung, nachteilige Wirkung auf die Umgebung oder besondere Zweckbestimmung – vorliegt, sondern zudem, dass das Vorhaben nicht auch in einem Baugebiet untergebracht werden könnte. Das Tatbestandsmerkmal des „Sollens“ setzt dabei eine Wertung voraus, ob das Vorhaben in einer Weise billigenswert ist, die es rechtfertigt, es bevorzugt im Außenbereich zuzulassen (BVerwG, B.v. 2.3.2005 – 7 B 16.05 – juris Rn. 7). Maßgebend hierfür sind die konkreten örtlichen Gegebenheiten der jeweiligen Gemeinde, also die „Beschaffenheit des Innenbereichs hier und so“ (vgl. BVerwG, B.v. 26.3.2014 – 4 B 3.14 – juris Rn. 12 m.w.N.). Wenn ein Bauvorhaben auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden kann, ist es nicht auf die Inanspruchnahme des Außenbereichs angewiesen (BVerwG, B.v. 12.4.2011 – 4 B 6.11 – juris Rn. 4).
Hier hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass das Bauvorhaben auch im Innenbereich untergebracht werden könnte. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegen. Die Kläger behaupten zwar unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (U.v. 27.6.2002 – 1 A 11344/01 – juris Rn. 19) eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet durch die beabsichtigte Hundehaltung. Anders als in dem zitierten Urteil, dem ein schalltechnisches Gutachten zugrunde lag, wird dies jedoch weder im Klage- noch im Zulassungsverfahren substantiiert. Im Übrigen ging auch das OVG Rheinland-Pfalz in der genannten Entscheidung davon aus, dass die dort streitgegenständliche Hundepension in einem Gewerbe- oder Industriegebiet untergebracht werden könnte. Dass ein solches Gebiet im Gemeindegebiet des Beigeladenen nicht vorhanden ist, wird von den Klägern nicht dargelegt. Das bloße Bestreiten einer gebietsverträglichen Unterbringung in einem anderen Baugebiet genügt nicht, zumal die Kläger nur auf ein Wohn- oder Mischgebiet abstellen. Ebenso wenig kommt es hierbei auf eine tatsächliche Verfügbarkeit von Grundstücken an (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2016 – 9 ZB 13.2539 – juris Rn. 13).
2. Soweit die Kläger anführen, dem Vorhaben stünden keine öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen, bleiben die Anträge auf Zulassung der Berufung ebenfalls erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass das sonstige Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB im Widerspruch zum Flächennutzungsplan steht. Abgesehen davon, dass der Flächennutzungsplan hier „Grünfläche“ (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 BauGB) darstellt und nicht „Fläche für die Landwirtschaft“ (§ 5 Abs. 2 Nr. 9 lit. a BauGB), geht die Annahme der Kläger, ein Widerspruch zum Flächennutzungsplan setze eine konkrete standortbezogene Aussage des Planes voraus, in dieser Verallgemeinerung bei einem sonstigen Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB fehl (vgl. BVerwG, B.v. 31.10.1997 – 4 B 185.97 – juris Rn. 7). Die Kläger stellen im Zulassungsvorbringen insoweit allein auf ein ihrer Ansicht nach qualifiziertes Vorhaben ab, während das Verwaltungsgericht von einem sonstigen Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ausgegangen ist. Die Kläger unterscheiden damit nicht ausreichend zwischen der unterschiedlichen Bedeutung der öffentlichen Belange bei einem privilegierten und bei einem sonstigen Vorhaben.
Das Verwaltungsgericht hat zudem darauf abgestellt, dass Belange des Landschaftsschutzes beeinträchtigt werden, weil sich das gesamte Grundstück in der Schutzzone des Naturparks F. befindet, in der alle Handlungen verboten sind, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, insbesondere alle Handlungen, die geeignet sind, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, des Landschaftsbildes, den Naturgenuss oder den Zugang zur freien Natur zu beeinträchtigen. Mit dem Vorbringen, das bisher verwahrloste Grundstück sei aufgeräumt und Müll beseitigt worden, wird den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts insoweit nichts entgegengesetzt, was zu einer anderen Beurteilung des Bauvorhabens und dessen Beeinträchtigung des öffentlichen Belangs nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB führen könnte.
Ferner hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, mangels Bestandsschutzes einer Wohnnutzung würde durch das Bauvorhaben eine solche neu begründet und sei deshalb die Gefahr des Entstehens einer unerwünschten Splittersiedlung zu befürchten. Dieser Annahme tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen. Im Übrigen kommt eine Beeinträchtigung des Belangs nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB auch bei einer Nutzungsänderung in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 14.7.1975 – IV B 4.75 – juris Rn. 4), wozu sich das Zulassungsvorbringen gar nicht verhält.
3. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht ferner darauf abgestellt, dass die Erschließung des Vorhabens mit Trinkwasser fehlt. Zwar ist zutreffend, dass mit der Herstellung der erforderlichen Erschließungsanlage, d.h. mit ihrer Benutzbarkeit erst zum Zeitpunkt der Gebrauchsabnahme oder Fertigstellung des Bauwerks gerechnet werden können muss (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 – juris Rn. 40). Das Verwaltungsgericht ist hier aber aufgrund einer Einzelfallbewertung unter Berücksichtigung der konkreten Situation der Kläger zu dem Ergebnis gekommen, dass die Realisierung eines Brunnens auch in finanzieller Hinsicht offen und völlig ungesichert erscheint. Dem tritt das Zulassungsvorbringen mit der bloßen Behauptung, die Kostenfrage sei geklärt, nicht ausreichend entgegen. Ein Anspruch der Kläger auf Erschließung mit Trinkwasser wird nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich (vgl. hierzu: BVerwG, B.v. 23.12.1993 – 4 B 212.92 – juris Rn. 4). Darüber hinaus ist – auch unter Berücksichtigung der im Außenbereich gegebenenfalls geringeren Anforderungen bei privilegierten Vorhaben – weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Errichtung eines Hausbrunnens – auch in Form des hier wohl geplanten tiefen Bohrbrunnens – einer ordnungsgemäßen Wasserversorgung entspricht (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.1976 – 99 II 75 – juris Rn. 16 f.; B.v. 30.10.2018 – 9 C 18.675 – juris Rn. 11). Zudem gehören zur ausreichenden Erschließung regelmäßig nicht nur die wegemäßige Erschließung, sondern auch eine ordnungsgemäße Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie die Trink-, Lösch- und Betriebswasserversorgung (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2020, § 35 Rn. 69, 74).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da der Beigeladene im Zulassungsverfahren keinen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Sie orientiert sich hinsichtlich der Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung an Nr. 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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