Baurecht

Baugenehmigung für Sanierung und Erweiterungsbau wird nicht gewährt

Aktenzeichen  1 B 19.544

Datum:
27.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14555
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30 Abs. 3, § 34 Abs. 1
BayBO Art. 47 Abs. 1 S. 1 Art. 63 Abs. 1

 

Leitsatz

Grundsätzlich muss jeder vorgeschriebene Stellplatz frei zugänglich sein, d.h. seine sichere und jederzeitige Benutzbarkeit darf nicht vom Parkverhalten eines anderen Parkplatzbenutzers oder von Absprachen abhängig sein. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 K 14.423 2015-10-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2015 wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen als Gesamtschuldner. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Über die Berufung konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Berufung des Beklagten (§ 124 Abs. 1 VwGO) hat Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2015 war daher abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die beantragte Baugenehmigung zu Recht abgelehnt, da das nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 BauGB zu beurteilende Vorhaben die südliche Baulinie des gültigen Baulinienplans überschreitet (1.) und sich auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (2.). Zudem fehlt es am Nachweis geeigneter Stellplätze (3.).
1. Das (Erweiterungs-)Vorhaben liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinn von § 30 Abs. 1 BauGB. Der Baulinienplan der Beigeladenen vom 17. Februar 1960, festgesetzt mit Bescheid des Landratsamts vom 29. September 1961, enthält zwar Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen und – soweit die Grundstücke noch nicht bebaut sind – Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung. Für Bestandsgebäude bzw. für das klägerische Grundstück enthält der Baulinienplan jedoch keine über die Festsetzung der überbaubaren Grundstückflächen hinausgehenden Festsetzungen. Der Baulinienplan erfüllt damit nicht die Voraussetzungen eines qualifizierten Bebauungsplans nach § 30 Abs. 1 BauGB, sondern stellt einen einfachen Bebauungsplan dar. Anhaltspunkte dafür, dass es an einer wirksamen Überleitung nach § 173 Abs. 3, § 174 Abs. 1 BBauGB vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341) und dem erforderlichen Charakter der Verbindlichkeit der Festsetzungen fehlen könnte, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, U.v. 1.9.2016 – 4 C 2.15 – BayVBl 2017, 311; BayVGH, B.v. 30.10.2012 – 1 ZB 11.1536 – juris Rn. 11). Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich daher nach den Festsetzungen des Baulinienplans und im Übrigen aufgrund der Lage des Baugrundstücks innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 BauGB.
Auf dem Vorhabengrundstück verläuft im südlichen Bereich zur Gartenseite eine Baulinie. Da es sich dabei nach der Terminologie des § 23 Abs. 2, 3 BauNVO um eine Baugrenze handelt, wird die „Baulinie“ im Folgenden als Baugrenze bezeichnet. Das Vorhaben überschreitet diese Baugrenze deutlich. Den Klägern ist zwar insoweit zuzustimmen, dass nach der Darstellung im Original-Baulinienplan der Anbau auf dem Vorhabengrundstück – anders als in den vorliegenden Katasterplänen dargestellt – die Baugrenze nicht überschreitet. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang einwenden, dass die zum Zeitpunkt des Erlasses des Baulinienplans vorgenommene Aufnahme des Bestands fehlerhaft gewesen sei, kommt es darauf nicht entscheidend an. Denn maßgeblich ist nur der Wille des Satzungsgebers, soweit er in den Festsetzungen zum Ausdruck gekommen ist. Danach darf der Anbau die Baugrenze nicht überschreiten.
Die Regelungen des Baulinienplans sind auch nicht funktionslos geworden. Festsetzungen eines Bebauungsplans werden funktionslos und damit unwirksam, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich beziehen, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Dabei sind die Anforderungen an das Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit streng und es ist große Zurückhaltung geboten (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.1998 – 4 CN 3.97 – BVerwGE 122, 207). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung überhaupt noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (vgl. BVerwG, B.v. 28.4.2004 – 4 C 10.03 – BauR 2004, 1567; B.v. 9.10.2003 – 4 B 85.03 – BauR 2004, 1128; B.v. 17.2.1997 – 4 B 16.97 – NVwZ-RR 1997, 512; U.v. 29.4.1977 – IV C 39.75 – BVerwGE 54, 5; BayVGH, U.v. 13.2.2015 – 1 B 13.646 – juris Rn. 30 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich jedenfalls die Festsetzung der Baugrenze südlich der W.straße im Bereich des Vorhabengrundstücks nicht als funktionslos. Nach den vorgefundenen tatsächlichen Verhältnissen kommt der Baugrenze nach wie vor eine städtebauliche Steuerungsfunktion zu. Ihre Funktion in dem maßgeblichen Bereich ist es, die rückwärtigen Grundstücksbereiche von Wohnbebauung freizuhalten, um den homogenen Charakter des vorhandenen Straßenzugs zu erhalten und städtebauliche Spannungen zu verhindern. Dieses Ziel wurde im Bereich der südlich der W.straße liegenden Grundstücke jedenfalls bis auf den Altbestand des Baugrundstücks selbst und die Ausnahme des Anwesens O.straße … (FlNr. …) erreicht. Nach dem Eindruck, den die Berichterstatterin bei der Ortsbesichtigung gewonnen und dem Senat vermittelt hat und der auch im vorhandenen Kartenmaterial zum Ausdruck kommt, haben die Anwesen, die die Grundstücke der Kläger umgeben, größere Gärten mit nur vereinzelten Nebenanlagen. Diese Baulichkeiten stellen kein für die Siedlungsstruktur prägendes Element dar (vgl. BVerwG, B.v. 16.7.2018 – 4 B 51.17 – NVwZ 2018, 1651; U.v. 7.6.2001 – 4 C 1.01 – NVwZ 2002, 90) und sind nicht geeignet, die Grundzüge der Planung zu berühren. Auch bei dem auf dem Vorhabengrundstück bestehenden Anbau mit dem Waschbereich handelt es sich um eine solche Nebenanlage. Allein das rückwärtige Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … (O.straße ) steht im hinteren Bereich. Es handelt sich dabei um ein eingeschossiges Gebäude, in dem sich eine Fahrschule befindet. Neben der Überschreitung durch den Altbestand auf dem Baugrundstück sind weitere Überschreitungen im maßgeblichen rückwärtigen Bereich südlich der W.straße nicht zu finden. Die rückwärtige Bebauung des Anwesens O.straße … ist als Ausreißer nicht geeignet, die (partielle) Funktionslosigkeit des Baulinienplans zu begründen (vgl. BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 2 B 16.1574 – NVwZ-RR 2017, 483 zur Beschränkung der Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans auf Teilbereiche). Selbst wenn man von einer partiellen Funktionslosigkeit des Baulinienplans in (anderen) Teilbereichen wegen späterer erheblicher Abweichungen ausginge, so hätte dies keine Auswirkungen auf das Vorhabengrundstück. Denn die Baugrenze entlang der Grundstücke an der W.straße im südlichen Bereich entfaltet auch heute noch ihre städtebauliche Ordnungsfunktion, weil sie vom vorhandenen Baubestand ersichtlich eingehalten wird. Auf den Bereich nördlich der W.straße bzw. nördlich der H.straße kommt es dagegen nicht an, da für die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs entsprechend der für die Abgrenzung jedes der vier in § 34 Abs. 1 BauGB aufgeführten städtebaulichen Kriterien in aller Regel auf die konkrete Erschließungsstraße und regelmäßig auch (nur) auf die Straßenseite abzustellen ist, der das jeweilige Baugrundstück zugeordnet ist (vgl. OVG Saarl, B.v. 2.12.2019 – 2 A 5.19 – juris Rn. 19 zur Bestimmung der prägenden Umgebungsbebauung). Im Übrigen handelt es sich bei dem Baulinienplan auch um eine Bestandsüberplanung, mit der die dargestellte Struktur des Plangebiets festgeschrieben werden sollte. Das Bauvorhaben der Kläger ist somit mit der Festsetzung der südlichen Baugrenze nicht vereinbar. Einen Antrag auf Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Baulinienplans haben die Kläger nicht gestellt.
2. Das Vorhaben der Kläger fügt sich auch nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in seine nähere Umgebung ein (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB).
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zulässig‚ wenn es sich hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung‚ der Bauweise und der Grundstücksfläche, die bebaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ein Vorhaben fügt sich im allgemeinen ein‚ wenn es sich hinsichtlich dieser vier Kriterien innerhalb des Rahmens hält‚ der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird. Auch ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben kann aber ausnahmsweise zulässig sein‚ wenn es trotz der Überschreitung keine städtebaulichen Spannungen hervorruft (BVerwG, U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 – NVwZ 1995, 698).
2.1 Als „nähere Umgebung“ im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246; B.v. 20.8.1998 – 4 B 79.98 – NVwZ-RR 1999, 105). Die Grenzen lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2). Unter dem Eindruck, den die Berichterstatterin bei der Ortsbesichtigung gewonnen und dem Senat vermittelt hat, teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die nähere Umgebung in diesem Sinn für das Maß der Bebauung die Bebauung der Grundstücke nördlich und südlich der W.straße darstellt, ausgehend vom Bestandsgebäude auf dem Vorhabengrundstück in westlicher Richtung bis zur Höhe der Grundstücke W.straße … und …, in östlicher Richtung bis zur Höhe der Grundstücke W.straße … – … und … Dieser Abschnitt ist gekennzeichnet von einer homogenen Bebauung, die aus Wohngebäuden besteht. Insoweit ist von einer gegenseitigen Beeinflussung und Prägung dieser Grundstücke auszugehen, zumal ein optischer Bezug der vorgenannten Bebauung zum Baugrundstück besteht.
2.2 Für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung ist maßgeblich die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Dabei ist vorrangig auf diejenigen Maßkriterien abzustellen‚ in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt. Das sind vor allem die (absolute) Grundfläche‚ die Anzahl der Geschosse und die Höhe des Gebäudes‚ bei offener Bauweise zudem das Verhältnis der Bebauung zur umgebenden Freifläche (vgl. BVerwG‚ B.v. 3.4.2014 – 4 B 12.14 – BauR 2014‚ 1126). Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben überschreitet das Bauvorhaben jedenfalls hinsichtlich der Höhenentwicklung den Rahmen der prägenden Umgebungsbebauung. Das geplante Gebäude weist eine Firsthöhe von 11,03 m auf und übersteigt damit die in der näheren Umgebung vorliegenden Firsthöhen von rd. 10 m bzw. 10,55 m auf dem Grundstück W.straße … Die geplante Erweiterung hält sich damit nicht im Rahmen der vorhandenen Bebauung.
2.3 Die Überschreitung des durch die Umgebung gesetzten Rahmens führt im Regelfall zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Denn eine Überschreitung des von der Bebauung bisher eingehaltenen Rahmens zieht in der Regel die Gefahr nach sich, dass der gegebene Zustand in negativer Hinsicht in Bewegung und damit in Unordnung gebracht wird. Allerdings kann die Frage, ob eine solche Entwicklung zu befürchten ist, nur unter Berücksichtigung des Maßes der Bebauung der näheren Umgebung und der konkreten Umstände, die Spannungen hervorrufen können, beantwortet werden. Bei einer Überschreitung des Rahmens kommt es darauf an, ob die gegebene Situation verschlechtert, gestört, belastet oder in Bewegung gebracht wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 – NVwZ 1995, 698). Ein Vorhaben kann daher gleichwohl zulässig sein, wenn es weder selbst noch in Folge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen (vgl. BVerwG, B.v. 25.3.1999 – 4 B 15.99 – BauR 2000, 245; U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – BVerwGE 55, 369). Diese Grundsätze gelten nicht nur für eine Überschreitung des vorgegebenen Rahmens hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, sondern auch für ein Überschreiten des Maßes der baulichen Nutzung (vgl. BVerwG, B.v. 23.5.1986 – 4 B 83.86 – juris). Nach diesen Maßgaben ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass mit der Aufstockung des Wohngebäudes die gegebene Situation negativ in Bewegung gebracht wird. Es besteht die begründete Besorgnis, dass von dem geplanten Vorhaben eine Bezugsfallwirkung zu einer Nachverdichtung, verbunden mit einer Erhöhung der Firsthöhe der Wohngebäude zur Schaffung von Wohnraum, in der näheren Umgebung ausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 20). So befinden sich beispielsweise auf den Grundstücken FlNr. …, … und … noch die Wohngebäude, die dem Altbestand der Bebauung entsprechen dürften. Ein erweitertes und erhöhtes Gebäude befindet sich bereits in der W.straße … Es besteht daher die konkrete und nicht nur abstrakte Möglichkeit, dass das klägerische Vorhaben Konflikte im Hinblick auf die Höhenentwicklung der Gebäude benachbarter Grundstücke auslöst. Durch die Zulassung des Vorhabens mit der dadurch verbundenen Verschiebung des Rahmens würde das Baugebiet ein abweichendes Gesicht bekommen.
Im Übrigen fällt bei Betrachtung der vorgelegten Unterlagen auch auf, dass das Bauvorhaben zu einer massiven Versiegelung der Grundstücksfläche, insbesondere im Bereich des Vorgartens, durch die Anlegung von vier Stellplätzen unmittelbar vor dem Gebäude und zwei Stellplätzen an der jeweiligen Grundstücksgrenze, führt, die in der näheren Umgebung ohne Beispiel ist. Dieser Aspekt ist aber, da das Bauvorhaben sich bereits nach dem Kriterium des Maßes der baulichen Nutzung nicht einfügt, nicht mehr entscheidungserheblich.
3. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung ist auch deshalb rechtmäßig, weil das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, die auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c i.V.m. Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO).
Die Stellplätze 1 und 4 genügen nicht den Anforderungen der Stellplatzsatzung der Beigeladenen vom 16. November 2009 (mit der Änderung vom 19. Dezember 2011). Nach § 5 Abs. 1 der Stellplatzsatzung muss der Stellplatz für Fahrzeuge außerhalb einer Garage mindestens 5,00 m lang sein. Daran fehlt es hier. Eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO haben die Kläger nicht beantragt.
Darüber hinaus liegt kein Nachweis geeigneter Stellplätze gemäß Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO vor. Die Stellplatzpflicht bezieht sich auf Stellplätze in geeigneter Beschaffenheit. Grundsätzlich muss jeder vorgeschriebene Stellplatz auch frei zugänglich sein, d.h. seine sichere und jederzeitige Benutzbarkeit darf nicht vom Parkverhalten eines anderen Parkplatzbenutzers oder von Absprachen abhängig sein (vgl. Würfel in Simon/Busse, BayBO, Stand April 2019, Art. 47 Rn. 139). Ihren Zweck, der Aufnahme des durch das Vorhaben verursachten ruhenden Verkehrs zu dienen, damit die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs nicht beeinträchtigt wird, erfüllen sie daher insbesondere nur dann, wenn sie ungehindert angefahren werden können. Hintereinander angeordnete Stellplätze haben diese geeignete Beschaffenheit grundsätzlich nicht (vgl. zur Ungeeignetheit „gefangener“ Stellplätze BayVGH, B.v. 4.9.2015 – 1 ZB 14.1084 – juris Rn. 3; OVG RhPf, U.v. 22.8.2002 – 1 A 10439/02 – NVwZ-RR 2003, 548; VGH BW, U.v. 29.9.1999 – 3 S 1163.99 – juris Rn. 53). Von der Zufahrt zu einem notwendigen Stellplatz wird man nach alledem fordern müssen, dass er von einem durchschnittlichen Fahrer mit einem durchschnittlichen Fahrzeug gefahr- und jedenfalls so problemlos angefahren werden kann, dass damit zu rechnen ist, dass der Fahrer nicht im Wesentlichen mit Blick auf die fahrerischen Anforderungen auf die Benutzung des Stellplatzes verzichtet.
Diesen Anforderungen werden die vorgesehenen Stellplätze nicht gerecht. Die Stellplätze 1 bis 3, die sich unmittelbar an der östlichen Grundstücksgrenze befinden, stellen aufgrund eines Abstands von nur 40 cm bis 1,20 m zum geplanten Gebäude bzw. zum Stellplatz 4 sogenannte gefangene Stellplätze dar, die eine jederzeitige Benutzbarkeit nicht sicherstellen können. Eine gleichzeitige oder individuelle Nutzung der Stellplätze durch die Benutzer des Mehrfamilienhauses ist aufgrund ihrer Situierung ohne Absprachen nicht möglich, sodass die Nutzung aller Stellplätze wenig wahrscheinlich sein dürfte. Es spricht daher viel dafür, dass andere Parkplätze im öffentlichen Parkraum gesucht werden, um nicht die Ausfahrt aus den gefangenen Stellplätzen zu blockieren. In einer solchen Fallkonstellation kann von einer Geeignetheit der Stellplätze nicht die Rede sein. Anhaltspunkte dafür, dass ein Abweichen vom Normalfall eines nicht „gefangenen“ Stellplatzes in Betracht zu ziehen wäre, sind weder vorgetragen noch erkennbar. Soweit die Kläger ausführen, die Baugenehmigungsbehörde habe bis zum jetzigen Zeitpunkt keine geeigneten Vorschläge für die Anlage der Stellplätze unterbreitet, übersehen sie, dass die Anzahl der erforderlichen Stellplätze der von ihnen geplanten Nutzung des Wohngebäudes mit neuen Wohneinheiten geschuldet ist, die eine Abweichung vom Normalfall nicht zu begründen vermag. Es kann daher offen bleiben, ob auch für den Bereich der unmittelbar an der westlichen Grundstücksgrenze vorgesehenen Stellplätze 10 bis 13 im Hinblick auf die geringen Abstände zwischen den Stellplätzen und dem (genehmigten) Windfang bzw. dem Balkon von nur rd. 2,80 m bzw. 2,60 m von den Anforderungen entsprechenden Stellplätzen auszugehen ist. Gleichermaßen kommt es aufgrund des in diesem Verfahren zugrunde zu legenden Streitgegenstands (Bescheid vom 24. Januar 2014) nicht entscheidend darauf an, dass die Kläger beabsichtigen, den planabweichend errichteten weiteren südlichen Zugang zum Gebäude wieder abzureißen, um die Zufahrt zu den Stellplätzen 12 und 13 zu vergrößern. Auch der Umstand, dass zwischenzeitlich das von den Klägern zusätzlich beantragte Bauvorhaben auf dem Vorhabengrundstück (.BV.), das ebenfalls die Sanierung und Erweiterung des bestehenden Gebäudes betrifft, jedoch beschränkt auf den vorderen Grundstücksteil, mit Bescheid vom 23. März 2017 genehmigt wurde, spielt in diesem Verfahren keine Rolle. Ob die dabei erfolgte und genehmigte veränderte Anordnung der Stellplätze den Anforderungen entspricht, muss daher nicht entschieden werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene gemäß § 162 Abs. 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie sich im Verfahren nicht geäußert hat.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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