Baurecht

Baugenehmigung, Vorhaben, Wohnhaus, Bescheid, Nachbarklage, Nachbarschutz, Genehmigung, Neubau, Anfechtungsklage, Wohnbebauung, Drittschutz, Zufahrt, Nachbar, Anordnung, Kosten des Verfahrens, Aussicht auf Erfolg, Rechte Dritter

Aktenzeichen  RN 6 K 20.92

Datum:
24.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50652
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladenen jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Durch die Baugenehmigung vom 19. Dezember 2019 liegt keine Rechtsverletzung des Klägers vor, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 f. Bayerische Bauordnung (BayBO) ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf das Grundstück des Nachbarn fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1994 – 4 B 94/94 – juris; BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84 – juris). Es ist daher unerheblich, ob die Baugenehmigung einer vollständigen Rechtmäßigkeitsprüfung standhält.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung wurde – zu Recht – im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO erteilt, da ihr kein Sonderbau i.S.v. Art. 2 Abs. 4 BayBO zu Grunde liegt. Maßgeblich für die Klage eines Drittbetroffenen ist die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung (vgl. BayVGH, U.v. 4.10.1991 – 2 B 88.1284 – juris). Vorliegend wurde die Baugenehmigung am 19. Dezember 2019 erteilt, sodass die ab dem 1. September 2018 geltende Fassung des Art. 59 BayBO anzuwenden ist (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2018 – 15 ZB 18.764 – juris; VG München, U.v. 27.1.1999 – M 23 K 98.2778 – juris). Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde demnach die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 Baugesetzbuch (BauGB), den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften i.S.d. Art. 81 Abs. 1 BayBO (Nr. 1), beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Nr. 2) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Nr. 3).
Die angefochtene Baugenehmigung verletzt keine nachbarschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften innerhalb des Prüfumfangs.
1. Es liegt kein Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme vor. Weder Einsichtsmöglichkeiten noch Stellplatzemissionen begründen einen derartigen Verstoß, unabhängig davon, ob man das Rücksichtnahmegebot aus dem Begriff des “Einfügens” in § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) herleitet.
Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – juris). Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, ist abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, welcher das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – juris; BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2010 – 2 CS 10.2137 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die dem Kläger aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihm als Nachbar billigerweise noch zumutbar ist. Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.
a) Vorliegend sind keine unzumutbaren Einsichtsmöglichkeiten erkennbar.
Eine verstärkte oder auch erstmalige Einsichtsmöglichkeit führt nur in Ausnahmefällen zu einer Verletzung von Nachbarrechten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es keinen nachbarrechtlichen Schutz vor der Verschlechterung der Aussicht sowie vor Einsichtsmöglichkeiten von benachbarten Grundstücken oder Häusern (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 1 B 14.819 – juris; BayVGH, B.v. 15.3.2011 – 15 CS 11.9 – juris; BayVGH, B.v. 6.8.2010 – 15 CS 09.3006 – juris; BVerwG, U.v.13.6.1980 – 4 C 98.77 – juris). Insbesondere in bebauten innerörtlichen Bereichen gehört es zur Normalität, dass von benachbarten Grundstücken bzw. Gebäuden aus Einsicht in das eigene Grundstück und in Gebäude genommen werden kann. Die Grenze des Zumutbaren wird nur in Ausnahmefällen überschritten, wenn ein Vorhaben Einsichtsmöglichkeiten auf das Nachbargrundstück eröffnet, die über das hinzunehmende Maß hinausgehen, etwa wenn ein Balkon in unmittelbarer Nähe zu einem vorhandenen Schlafzimmerfenster errichtet werden soll oder wenn eine Dachterrasse aus kurzer Entfernung Einsichtsmöglichkeiten nicht nur in einen Innenhof, sondern auch in die Fenster eines Nachbargebäudes eröffnet (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 9 ZB 15.376 – juris; BayVGH, B.v. 6.4.2018 – 15 ZB 17.36 – juris; BayVGH, B.v. 27.10.1999 – 2 CS 99.2387 – juris; OVG Hamburg, B.v. 26.9.2007 – 2 Bs 188/07 – juris; Schleswig-Holsteinisches VG, U.v. 8.5.2014 – 8 A 197/12 – juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 12.12.2011 – 2 M 162/11 – juris).
Ein solcher Ausnahmefall ist hier – insbesondere auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Entfernungen – nicht gegeben. Zwar besteht durch die Genehmigung die Möglichkeit der zusätzlichen Einsichtnahme auf das Grundstück des Klägers, diese ist jedoch nicht unzumutbar, da sie nicht über die herkömmlichen Einsichtsmöglichkeiten hinausgeht. Das innerörtliche Grundstück des Klägers war schon bisher nicht vor Einblicken geschützt. In einer solchen Lage ist es einem Nachbarn zumutbar, wenn durch ein Bauvorhaben die Möglichkeit einer vermehrten Einsichtnahme entsteht.
Die Balkone sind im Vergleich zur bestandskräftigen Genehmigung vom 7. Februar 2018 jeweils lediglich 55 cm und damit geringfügig breiter, sodass nicht ersichtlich ist, wie hierdurch unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten hervorgerufen werden könnten.
Die Stellplätze sind im Vergleich zu dieser Genehmigung sogar weiter vom klägerischen Grundstück entfernt situiert. Ausweislich des Eingabeplans liegen die Stellplätze auf einer Höhe von circa 433,6 m ü.N.N. während das Grundstück des Klägers an der Grenze zum Grundstück Fl.Nr. 43/3 eine Höhe von circa 435,4 m ü.N.N. aufweist, was wiederum gegen unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten spricht. Zudem liegt selbst der nächstgelegene Stellplatz über 10 m (Luftlinie) vom klägerischen Grundstück entfernt und ist durch eine Zufahrt, eine Böschung und einen Laubbaum von diesem getrennt.
Eine zusätzliche terrassenförmige Fläche ist in den Plänen der streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht ersichtlich.
b) Das Rücksichtnahmegebot ist auch nicht aufgrund etwaiger Stellplatzemissionen bzw. des mit der Stellplatznutzung zusammenhängenden Verkehrs verletzt.
Nachbarn haben die von den Stellplätzen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emissionen im Regelfall hinzunehmen (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59/02 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2010 – 15 CS 10.982 – juris). Die Grenze zur Rücksichtslosigkeit ist überschritten, wenn die Beeinträchtigungen und Störungen aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse das zumutbare Maß überschreiten und sich in der Umgebung des Baugrundstücks deshalb als unzumutbar darstellen. Das kann in Einzelfällen der Fall sein, wenn es aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umgriff des Nachbargrundstücks kommen wird (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 20.12.2013 – 1 ME 214/13 – juris zum An- und Abfahrtverkehr einer Kindertagesstätte in einer beengten Sackgasse; BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris).
Solche chaotischen Verhältnisse sind unter Zugrundelegung einer Gesamtschau der gegebenen örtlichen Verhältnisse nicht zu erwarten. Die Zufahrt zu den Stellplätzen ist gesichert. Ob die Stellplätze den Anforderungen des Art. 14 Abs. 2 BayBO entsprechen, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, da diese Vorschrift allein dem öffentlichen Interesse an Verkehrssicherheit, aber nicht dem Schutz nachbarlicher Interessen dient (Simon/Busse/Nolte, BayBO, Stand: Dezember 2019, Art. 14 Rn. 2 – beck-online). Es ist wiederum anzumerken, dass bereits mit Bescheid vom 7. Februar 2018 drei Stellplätze in dem Bereich genehmigt wurden. Lediglich deren Lage hat sich verändert.
2. Das Vorhaben hält die Abstandsflächenregelungen des Art. 6 BayBO ein.
a) Die Balkone halten die Abstandsflächen ein.
Die Balkone bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen nicht außer Betracht, vgl. Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO, da die Balkone mit einer Länge von insgesamt 9,50 m mehr als ein Drittel der Außenwand des Wohngebäudes, die 16 m lang ist, in Anspruch nehmen.
Die Balkone befinden sich vollständig innerhalb der Abstandsflächen des Gebäudes selbst. Darüber hinaus wurden die Balkone lediglich verbreitert, was sich nicht auf die Abstandsflächentiefe auswirkt, da sich diese gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 BayBO nach der Wandhöhe bemisst.
b) Die Gartenmauer führt nicht zu einer Abstandsflächenverletzung, da sie ohne eigene Abstandsflächen zulässig ist, Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO.
Demnach sind Stützmauern und geschlossene Einfriedungen außerhalb von Gewerbe- und Industriegebieten mit einer Höhe bis zu 2 m ohne eigene Abstandsflächen zulässig. Die maßgebliche Wandhöhe wird gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO ab der Geländeoberfläche als unterstem Bezugspunkt gemessen. Die Geländeoberfläche ist regelmäßig die natürliche Geländeoberfläche des Baugrundstücks. Die natürliche Geländeoberfläche ist die gewachsene und nicht die durch Aufschüttung oder Abgrabung veränderte Geländeoberfläche (BayVGH, B.v. 31.3.2009 – 9 ZB 06.3073 – BeckRS 2009, 43228; Simon/Busse/Kraus, 138. EL September 2020, BayBO Art. 6 Rn. 169).
Die Gartenmauer hat ausweislich des Eingabeplans (Ansicht Süd) an ihrer höchsten Stelle eine Höhe von insgesamt 1,70 m, gemessen ab dem bestehenden Gelände (Vorderkante Garage). Das bestehende Gelände am Wohnhaus ist sogar höher als das Gelände an der Vorderkante der Garage. Von der Mauer sind also keine Abstandsflächen einzuhalten, da sie niedriger als 2 m und somit von Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO erfasst ist.
Maßgeblich ist auch im vorliegenden Fall das aus den genehmigten Eingabeplänen ersichtliche bestehende (ursprüngliche) Geländeniveau und nicht das geplante (neue) Gelände. Denn eine Festlegung einer maßgeblichen neuen Geländeoberfläche durch den Beklagten fand nicht statt. Zum einen hat der Beklagtenvertreter dies in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt. Zum anderen vertritt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass die Bauaufsichtsbehörde (nur) auf Grundlage des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO die maßgebliche Geländeoberfläche – jedenfalls durch Text oder Revision in den Bauzeichnungen – festlegen kann (Schwarzer/König/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 70 – beck-online; nach alter Rechtslage gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 2 BayBO 1998, vgl. dazu BayVGH, B.v. 27.12.2006 – 25 CS 06.3222 – juris; BayVGH, B.v. 3.1.2001 – 26 ZS 00.2620 – juris), wobei alle Umstände des konkreten Einzelfalls, nämlich u.a. der frühere natürliche Geländeverlauf sowie nachbarliche Belange, zu berücksichtigen sind (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 31.10.2008 – 14 CS 08.1970 – juris; BayVGH, B.v. 30.5.2016 – 15 ZB 16.630 – juris; Simon/Busse/Dhom/Franz/Rauscher, BayBO, Stand: Dezember 2019, Art. 6 Rn. 171 ff. – beck-online; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 54 Rn. 35 – beck-online). Für eine derartige Ausnahme ist für das Gericht nichts ersichtlich.
Eine etwaige abstandsflächenpflichtige Aufschüttung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO ist von der gegenständlichen Baugenehmigung nicht umfasst, sodass sie der Überprüfung durch das Gericht im Rahmen dieses Rechtsstreits entzogen ist.
3. Ein etwaiger Überbau unterliegt nicht der Überprüfung durch das Verwaltungsgericht und führt daher auch nicht zur Verletzung drittschützender Rechte durch die angegriffene Baugenehmigung, die der Klage zum Erfolg verhelfen könnte.
Der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichts beschränkt sich in der vorliegenden Situation einer (Dritt-)Anfechtungsklage auf die Überprüfung der Baugenehmigung, mithin auf die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Vorschriften und Rechte, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gemäß Art. 68 Abs. 4 BayBO wird eine Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt. Das bedeutet, dass im Baugenehmigungsverfahren die privaten Rechte Dritter, hier des Nachbarn, grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Das Eigentum des Nachbarn ist im Baugenehmigungsverfahren in der Regel nicht zu berücksichtigen, weil es durch die Baugenehmigung, selbst wenn diese zu einem Überbau erteilt wird, nicht in seinem Bestand tangiert wird (BayVGH, U.v. 8.9.1998 – 27 B 96.1407 – juris). Die Zulässigkeit eines Überbaus richtet sich nach zivilrechtlichen Vorschriften, § 912 BGB (BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 2 ZB 10.134 – BeckRS 2010, 31603).
4. Die vom Kläger befürchtete mangelnde Standsicherheit ist vorliegend kein zu prüfender Belang. Die in Art. 10 BayBO enthaltenen Regelungen zur Standsicherheit liegen nicht innerhalb des Prüfumfangs des vereinfachten Genehmigungsverfahrens. Auch im Rahmen des Rücksichtnahmegebots spielt die Standsicherheit keine Rolle, da das Rücksichtnahmegebot keine allgemeine Härteklausel ist, die über den Vorschriften des öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts ist, die zum Prüfprogramm des Baugenehmigungsverfahrens gehören (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2016 – 1 CS 16.2009 – juris; BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – juris; Simon/Busse/Wolf, Stand: Januar 2020, BayBO Art. 59 Rn. 87 – beck-online).
5. Die in Art. 47 Abs. 1 BayBO normierte Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen dient nicht dem Schutz der Nachbarn. Die darin niedergelegte Verpflichtung der Schaffung von Stellplätzen in ausreichendem Umfang im Falle baulicher Anlagen, bei denen Zu- oder Abfahrtsverkehr von Kraftfahrzeugen zu erwarten ist, hat die Entlastung des öffentlichen Verkehrsraumes vor ruhendem Verkehr zum Ziel und dient damit ausschließlich dem Schutz öffentlicher Interessen (Schwarzer/König/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 47 Rn. 55 – beck-online).
Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung in bauplanungs- oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht drittschützende Normen verletzt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, sind nicht ersichtlich.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren für erstattungsfähig zu erklären, da sie einen Antrag gestellt und sich somit einem eigenen Prozesskostenrisiko ausgesetzt haben, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben