Baurecht

Baugenehmigung wird nicht erteilt – wann liegt lediglich eine Baulücke vor?

Aktenzeichen  M 11 K 16.865

Datum:
26.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15291
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30 Abs. 3, § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Eine unbebaute Fläche und der Abstand zwischen der vorhandenen Bebauung (hier: Abstand zwischen 2 Wohngebäuden von 65 Metern) ist zu groß, um nach der in jedem Einzelfall maßgeblichen Verkehrsauffassung noch annehmen zu können, dass dieser Bereich durch die umliegende Bebauung geprägt ist, sodass er sich als bloße Baulücke darstellen würde. Die Prägung dieses Bereichs erfolgt nach dem optischen Eindruck durch die anschließenden Freiflächen. (Rn. 37) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg.
1. Der Hauptantrag ist unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamts vom 19. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO) prüft die Bauaufsichtsbehörde die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB.
Danach war die beantragte Baugenehmigungen nicht zu erteilen, da das beantragte Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
Dabei kann letztlich dahinstehen, ob der Bebauungsplan Nr. … wirksam ist oder nicht, da das streitgegenständliche Vorhaben in jedem Fall bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
Sollte der Bebauungsplan Nr. … wirksam sein, so steht in diesem Fall der Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens bereits die wirksame Festsetzung „private Grünfläche“ auf dem Grundstück FlNr. … entgegen.
Sollte sich diese Festsetzung, gleich aus welchen Gründen, als unwirksam erweisen, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit – selbst im Falle der Wirksamkeit der übrigen Festsetzungen mangels der Erfüllung der Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 BauGB – ausschließlich nach § 35 BauGB. Der Vorhabenstandort liegt, wie der Augenschein der Kammer ergeben hat, im Außenbereich gemäß § 35 BauGB.
Zwar ist zuzugeben, dass die Gemeindegemarkungsgrenze einen etwaigen Bebauungszusammenhang wohl nicht unterbrechen würde. Auf die Frage, ob Bebauung in der Nachbargemeinde für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals „Ortsteil“ zu berücksichtigen ist, käme es nicht an, da die jeweilige Bebauung in den benachbarten Gemeindegebieten bereits für sich genommen wohl schon ausreicht, um das für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals „Ortsteil“ nötige Gewicht aufzuweisen.
Auf all dies kommt es aber letztlich nicht an, da die unbebaute Fläche zwischen der südlichen Wand des Wohngebäudes auf FlNr. … im Norden und der südlich, auf dem Gebiet der Gemeinde … gelegenen Bebauung, bestehend aus einer Teilfläche des Grundstücks FlNr. …, dem Grundstück FlNr. … und dem Grundstück FlNr. … keine Baulücke mehr darstellt. Bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 23. April 2018 beträgt der Abstand zwischen dem Wohngebäude auf FlNr. … und der Wohnbebauung auf dem Gebiet der Gemeinde … 65 m, was auch in etwa den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Diese unbebaute Fläche ist nach dem maßgeblichen Gesamteindruck im Rahmen des Augenscheins zu groß und der Abstand zwischen der genannten Bebauung zu groß, um nach der in jedem Einzelfall maßgeblichen Verkehrsauffassung noch annehmen zu können, dass dieser Bereich durch die umliegende Bebauung geprägt ist, sodass er sich als bloße Baulücke darstellen würde. Die Prägung dieses Bereichs erfolgt nach dem optischen Eindruck vielmehr durch die im Osten anschließenden Freiflächen.
Das Vorhaben wäre im Fall der Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. … bzw. der Festsetzung „private Grünfläche“ somit mangels Vorliegen eines Privilegierungstatbestands gemäß § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Hiernach wäre es unzulässig, da jedenfalls der rechtswirksame Flächennutzungsplan der Beigeladenen für den streitgegenständlichen Bereich eine Grünfläche ausweist und das Vorhaben somit öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB beeinträchtigen würde.
Lediglich ergänzend, ohne dass es für die vorliegende Entscheidung darauf ankäme, wird ausgeführt, dass sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 15. Oktober 2013 im Verfahren 1 N 11.421 bereits mit einem Großteil der Argumente, die nun vom Kläger gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. … ins Feld geführt werden (damals im Rahmen des Bebauungsplans Nr. …), auseinandergesetzt und diese verworfen hat. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 15. Oktober 2013 im Verfahren 1 N 11.421 wird insoweit entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen. Neue Argumente wurden nur insoweit vorgebracht, als das Fehlen einer Abwägung (wegen Übernahme eines Großteils der Regelungen des Bebauungsplans Nr. …) sowie das Fehlen der städtebaulichen Erforderlichkeit (wegen Fehlens von Festsetzungen zur Art der Nutzung) geltend gemacht wurden. Insoweit vermag die Kammer, ohne jedoch dass dies vorliegend aufgrund der Außenbereichslage des Grundstückes entscheidungserheblich wäre, keine Rechtsfehler bei der Planaufstellung zu erkennen. Überdies wird ergänzend darauf hingewiesen, dass auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 1 N 11.421 einen Augenschein durchgeführt hat und gemäß den Entscheidungsgründen in o.g. Verfahren ebenfalls von einer Außenbereichslage des streitgegenständlichen Grundstücks ausgegangen ist.
2. Der zulässige Hilfsantrag in Form eines Feststellungsantrags ist ebenfalls unbegründet.
Der Kläger hatte zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf Erteilung des Vorbescheids gemäß Antrag vom 30. April 2010.
Dies folgt bereits aus der Außenbereichslage des Vorhabenstandorts und der damit einhergehenden bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit nach § 35 Abs. 2 BauGB (s.o.).
Darüber hinaus bestand ein derartiger Anspruch jedenfalls in dem Zeitraum ab Bekanntgabe (21. Oktober 2014) bis zum Außerkrafttreten (ggf. nach Verlängerung) der Veränderungssperre bzgl. des Bebauungsplans Nr. … nicht mehr, weil ab diesem Zeitpunkt zusätzlich die wirksame Veränderungssperre zur Sicherung des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. … der Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens entgegenstand. Insoweit wird entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 30. Juni 2016 im Verfahren M 11 K 15.2224 verwiesen, in welchem die Klägerbevollmächtigten auch für die damalige Klägerin bevollmächtigt waren.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Kläger aufzuerlegen, da die Beigeladene sich durch Stellung eines Antrags dem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben