Baurecht

Bauhandwerkersicherung für isoliert beauftragte Gerüstbauarbeiten

Aktenzeichen  13 U 2800/19

Datum:
29.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20762
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 648a Abs. 1 (idF bis zum 31.12.2017)

 

Leitsatz

1. Ein Gerüstbau- und -überlassungsvertrag, aufgrund dessen ein Gerüst nicht nur vermietet, sondern ein individuell bemessenes und zusammengestelltes Gerüst montiert, am Gebäude fest verankert und wieder demontiert wird sowie der Gerüstbauer in eigener Verantwortung über die Art der Gerüstgruppe und die Konstruktion im Einzelnen entscheidet, ist nach Werkvertragsrecht zu beurteilen. (Rn. 25 – 26)
2. Eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 BGB a. F. kann auch für isoliert beauftragte Gerüstbauarbeiten jedenfalls dann verlangt werden, wenn diese Arbeiten direkt baubegleitend die unmittelbar bauwerkserrichtende Tätigkeit unterstützen. (Rn. 29 – 37)
3. Die Bauhandwerkersicherung nach 648a BGB a. F. kann auch nach der Kündigung noch verlangt werden, wobei es für einen Anspruch des Unternehmers gegen den Besteller auf Leistung einer Sicherheit ausreicht, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht. Bei der Berechnung der dem Sicherungsverlangen zu Grunde liegenden Vergütung bleiben Ansprüche unberücksichtigt, mit denen der Besteller gegen den Vergütungsanspruch des Unternehmers aufrechnen kann, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt. (Rn. 39)

Verfahrensgang

1 O 7391/18 2019-06-25 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.06.2019, Az. 1 O 7391/18, geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Bau und Stellung eines Fassadengerüsts beim Bauvorhaben „52 Wohnungen in zwei Bauabschnitten J. 52, … F.“ eine Bauhandwerkersicherung in Höhe von 41.213,87 € zu stellen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 42.000 € abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 41.213,87 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a. F. über einen Betrag in Höhe von 41.213,87 € für den Bau und die Bereitstellung eines Fassadengerüsts bei dem Bauvorhaben „J. 52, … F.(Ort)“.
Das Verlangen der Sicherheitsleistung stützt die Klägerin auf den „Bauvertrag“ vom 17.10.2017 (Anlage BK1). Nach diesem Vertrag wurde die Klägerin von der Beklagten beauftragt, Gerüstarbeiten auszuführen. Vereinbart wurde u. a. die Einbeziehung der VOB/B. Die Vergütung ist nach Aufmaß und Einheitspreisen gemäß Leistungsverzeichnis abzurechnen. Als Ausführungsfristen wurden festgelegt: Arbeitsbeginn: 10.10.2017, Vorhaltung: ca. April 2018. In § 10 des Bauvertrags wurde bestimmt, dass eine förmliche Abnahme zu erfolgen hat. In § 12 wurden Abschlagszahlungen vereinbart, wobei der Auftraggeber berechtigt sein sollte, bei den Abschlagszahlungen einen Betrag in Höhe von 10% der erbrachten Leistungen einzubehalten. Nach § 13 ist die Schlusszahlung alsbald fällig nach Prüfung und Feststellung der vom Auftragnehmer vorgelegten Schlussrechnung, spätestens zwei Monate nach deren Zugang. Als Anlage enthielt der Vertrag ein bepreistes Leistungsverzeichnis mit einem Gesamtbetrag von 24.590 € zzgl. Mehrwertsteuer, insgesamt also 29.262,10 €.
Die Klägerin stellte in der Folgezeit die vereinbarten Gerüste, wobei sie diese individuell bemaß und zusammenstellte, in eigener Verantwortung über die Art der Gerüstgruppe und die Konstruktion im Einzelnen entschied, die Gerüste montierte und an den Gebäuden fest verankerte.
Am 10.08.2018 trafen die Parteien Vereinbarungen hinsichtlich der Abrechnungsmodalitäten (Anlage B4).
Die Beklagte leistete folgende Zahlungen an die Klägerin: 13.090,00 € am 12.02.2018, 19.600,00 € am 12.04.2018, 10.000,00 € am 14.06.2018, 4.900,00 € am 23.07.2018 und 10.803,66 € am 20.09.2018. Die Verrechnung eines Betrags in Höhe von 6.803,66 € aus der letztgenannten Zahlung erfolgte vereinbarungsgemäß auf eine Einzelrechnung für Gelog-Anker.
Mit Schreiben vom 01.10.2018 kündigte die Beklagte den Vertrag gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B (Anlage K 16), wobei die Kündigung damit begründet wurde, dass die Klägerin gerügte Mängel nicht beseitigt habe. Außerdem erteilte sie der Klägerin ein Baustellenverbot. Der Kündigung war die Mängelrüge vom 21.09.2018 (Anlage B1) vorausgegangen. Die Mängelrüge bezog sich darauf, dass das Gerüst in Zeile 1 und 2 (handschriftliche Korrektur: „nach Rücksprache mit S. … betrifft die Mängelrüge nur Zeile 1“) zu erhöhen sei, weiter wurde ausgeführt: „Gerüsterhöhung zur Attika anbringen.“ Es wurde Auftragsentziehung und Ersatzvornahme angedroht. Mit Schreiben vom 25.09.2018 (Anlage B2.1) setzte die Beklagte der Klägerin außerdem eine Nachfrist bis zum 28.09.2018. Mit einem weiteren Schreiben vom 26.09.2018 (Anlage B3.1) bezog sich die Beklagte auf das „S. … -Protokoll Nummer 94 vom 25.09.2018“ und rügte folgende Mängel:
„Punkt 94.01.01 – Fassadengerüst Absturzsicherung Punkt 94.02.01 – Fassadengerüst Geländer zu niedrig Punkt 94.05.01 – Fassadengerüst Innengeländer Punkt 94.06.01 – Fassadengerüst Verankerung“.
Sie setzte eine Mängelbeseitigungsfrist bis spätestens 02.10.2018.
Die Klägerin wies mit Schreiben vom 01.10.2018 (Anlage K 17) die Kündigung zurück und erklärte, dass sie nach wie vor leistungsbereit sei und die vertragsgegenständlichen Leistungen erbringen und etwaige bestehenden Mängel beseitigen werde. Dies sei aber nicht möglich, da die Beklagte ein Baustellenverbot ausgesprochen habe. Aufgrund der fruchtlos abgelaufenen Frist zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung zum 01.10.2018 (vgl. Schreiben der Klägerin vom 20.09.2018, Anlage K12 und vom 25.09.2018, Anlage K13) mache die Klägerin von dem ihr zustehenden Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch. Sämtliche Arbeiten würden erst nach Vorlage einer ordnungsgemäßen Sicherheit in ausreichender Höhe fortgesetzt. Mit Schreiben vom 04.10.2018 (Anlage K 18) forderte die Klägerin die Beklagte auf, das Baustellenverbot bis zum 08.10.2018 aufzuheben.
Vorgerichtlich forderte die Klägerin die Beklagte zuletzt mit dem Anwaltsschreiben vom 08.11.2018 (Anlage K 14) zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von 37.467,15 € zuzüglich „gesetzlich vorgesehenem Sicherheitszuschlag in Höhe von 10%“, insgesamt also in Höhe von 41.588,54 €, auf. Gestützt wurde dieses Verlangen auf „Acht Abschlagsrechnungen zuzüglich zweier Einzelrechnungen mit den Rechnungsnummern 180246 und 180304 in Höhe von insgesamt 95.860,83 EUR abzüglich Zahlungen in Höhe von 58.393,66 EUR“. Die Beklagte wies die Forderung der Klägerin nach Stellung einer Bauhandwerkersicherung mit Schreiben vom 14.11.2018 (Anlage K15) zurück. Sie führte aus, dass ein Anspruch auf eine Sicherung nicht gegeben sei, weil ein zu sichernder Werklohnanspruch nicht (mehr) gegeben sei, von einer schlüssigen Darstellung einer Restwerklohnforderung werde nicht ausgegangen.
Die Klage vom 19.11.2018, mit der Bauhandwerkersicherung in Höhe von 41.213,87 € verlangt wurde, wurde zunächst auf Abschlagsrechnungen gestützt.
Ende 2018 baute die Beklagte die von der Klägerin gestellten Gerüste ab.
Die Klägerin machte mit der Schlussrechnung Nr. 190021 vom 31.01.2019 einen noch zu zahlenden (Brutto) Betrag in Höhe von 62.703,79 € geltend, aus einer errechneten Gesamtforderung von 114.293,79 € abzüglich geleisteter Abschlagszahlungen der Beklagten in Höhe von 51.590,00 €. Auf diese Schlussrechnung wird die Klage nunmehr gestützt (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 22.05.2019, Bl. 60 d. A.). Die Beklagte kam nach Rechnungsprüfung zum Ergebnis, dass nur ein Gesamtbruttobetrag von 64.187,01 € geschuldet sei, von dem die geleisteten Abschlagszahlungen abzuziehen seien (Anlage B5).
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, dass die Beklagte die Gerüste bis zur Fertigstellung der Bauarbeiten genutzt habe. Sie habe keinen Willen zur Vertragsaufhebung gehabt, sondern die Gerüste genutzt, wobei die Abholung der Gerüste durch die Klägerin durch ein Baustellenverbot aktiv verhindert worden sei. Eine Verwendung der Gerüste löse einen vertraglichen Vergütungsanspruch der Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B aus. Mit der vertraglich vereinbarten Summe von 29.262,10 € zuzüglich Vorhaltung für die vereinbarte Grundstandzeit eines Gerüsts mit 2.000 qm Fläche über acht Wochen sei der Zeitraum bis zum 01.09.2018 abgegolten. Alle darüber hinausgehenden Leistungen (Standzeit bis Ende 2018 und vierfache Gerüstfläche) seien zusätzliche Leistungen, die durch die Beklagte beauftragt worden und entsprechend zu vergüten seien.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. der Klägerin eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB über einen Betrag in Höhe von 41.213,87 € für den Bau und Stellung eines Fassadengerüsts beim Bauvorhaben „52 Wohnungen in zwei Bauabschnitten J. 52, … F.“ zu stellen,
2. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.706,94 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass isoliert vergebene Gerüstbauarbeiten nicht unter den Begriff des Bauvertrags zu subsumieren seien, weil keine feste Verbindung mit einem Grundstück hergestellt werde, so dass es sich um keine Arbeiten am Bauwerk handle und der Gerüstbauunternehmer keinen Anspruch auf Sicherheit gemäß § 648a BGB a.F. habe. Sie behauptet, dass den Mängelrügen vom 21.09.2018 und vom 25.09.2018 der Umstand zugrunde gelegen habe, dass aufgrund einer bestehenden Absturzgefahr beim Gerüst in Zeile 1 und 2 das Gerüst zur Attika hin dringend habe erhöht werden müssen. Entgegen vertraglichen Vereinbarungen habe es kein gemeinsames Aufmaß gegeben. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf die Vergütung u.a. folgender abgerechneter Leistungen zu: Abbau des Gerüstes, Abholung (diese werde unter der Position 6.03 doppelt verrechnet), Reinigen der Gerüste, 256 Stunden am 01.12.2018 und 160 Stunden am 13.01.2019.
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 25.06.2019 mit der Begründung abgewiesen, dass § 648a BGB a. F. auf Gerüstbauarbeiten nicht anwendbar sei. Es handle sich um bloß vorbereitende Arbeiten.
Gegen das der Klägerin am 01.07.2019 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.07.2019 Berufung eingelegt. Diese ist mit Schriftsatz vom 01.10.2019 innerhalb der bis 02.10.2019 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet worden, indem die Klägerin im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt hat. Im Übrigen hat sie als Anlage BK1 den „Bauvertrag“ vom 17.10.2017 vorgelegt und unter Hinweis auf einzelne Regelungen ausgeführt, warum es sich ihres Erachtens um einen Bauvertrag handle.
Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren,
unter Abänderung des am 25.06.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Az. 1 O 7391/18) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB über einen Betrag in Höhe von 41.213,87 € für den Bau und Stellung eines Fassadengerüsts beim Bauvorhaben „52 Wohnungen in zwei Bauabschnitten J. 52, … F.“ zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts. Aus dem nunmehr vorgelegten Vertrag ergebe sich nicht, dass die Klägerin über die Stellung eines Fassadengerüstes hinaus weitere Tätigkeiten ausführen habe sollen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit Zustimmung der Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 23.03.2021 gemäß § 128 Abs. 2 ZPO bestimmt, dass ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, und als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, den 14.04.2021 festgelegt (Bl. 149 d. A.).
II.
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Ihr steht ein Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung in beantragter Höhe gemäß § 648a Abs. 1 BGB a. F. zu.
1. Der streitgegenständliche Vertrag ist ein Werkvertrag. Hat der Gerüstbauer die Gerüste nicht nur vermietet, sondern individuell bemessen und zusammengestellt, in eigener Verantwortung über die Art der Gerüstgruppe und die Konstruktion im Einzelnen entschieden, die Gerüste montiert, an den Gebäuden fest verankert und wieder demontiert, stellt dies ein Werk dar mit der Besonderheit, dass es nicht in das Eigentum des Bestellers übergeht (OLG Köln, Urteil vom 26. März 1999 – 4 U 47/98 -, juris Rn. 50).
Vorliegend ging es nicht lediglich um die Anlieferung von Gerüstteilen. Die Klägerin schuldete auch den Auf- und Abbau des Gerüsts, darüber hinaus im Lauf des Bauvorhabens in Absprache mit der Beklagten die Erweiterung und Anpassung an den Baufortschritt. Die werkvertraglichen Elemente geben dem Vertrag hier das entscheidende Gepräge (anders als bei einem Vertrag, der lediglich die Nutzung eines bei Vertragsschluss bereits aufgestellten Gerüsts sowie dessen anschließenden Abbau zum Gegenstand hat, dazu OLG Hamm, Urteil vom 19. März 2012 – I-17 U 30/11 -, juris Rn. 60).
2. Da der streitgegenständliche Vertrag am 17.10.2017 geschlossen wurde, ist gemäß Art. 229 § 39 EGBGB hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Bauhandwerkersicherung § 648a BGB a. F. anzuwenden.
Nach § 648a Abs. 1 BGB a. F. kann auch für isoliert beauftragte Gerüstbauarbeiten Bauhandwerkersicherung zumindest dann verlangt werden, wenn diese Arbeiten – wie vorliegend – direkt baubegleitend die unmittelbar bauwerkserrichtende Tätigkeit unterstützen.
a) Ein Gerüstbauer, der nicht nur Gerüstbauteile anliefert, sondern das Gerüst auch selbständig auf- und abbaut und dieses im Laufe des Bauvorhabens auch anpasst, ist ein Unternehmer eines Bauwerks im Sinne des § 648a Abs. 1 BGB a. F.
aa) Dass Gerüstbauarbeiten jedenfalls dann der Sicherung nach § 648a BGB zugänglich sein können, wenn sie zusammen mit anderen unmittelbaren Bauleistungen beauftragt werden, entspricht allgemeiner Meinung. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht soll es sich aber bei isoliert (also nicht im Zusammenhang mit und zur Vorbereitung einer Bebauung, vgl. Cramer in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Aufl., § 650f BGB, Rn. 17, m. w. N.) beauftragten Gerüstbauern nicht um Unternehmer im Sinne des § 648a Abs. 1 BGB a. F. handeln. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, es handele sich bei Gerüstbauarbeiten um „bauvorbereitende Bauleistungen“ (vgl. Cramer, a.a.O.; Koeble in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 9, Rn. 114), die in Bezug auf die Anwendung des § 648a BGB a. F. ebenso zu behandeln seien wie der Abbruch eines Gebäudes oder eine Rodung. Teilweise wird dies auch damit begründet, dass das mietvertragliche Element bei einem Gerüstbauvertrag überwiege (Sacher in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 12, Rn. 17 a. E., allerdings bezogen auf die Sicherungshypothek, deren Anwendungsbereich Sacher in derselben Fundstelle als enger bewertet als den der Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a. F.).
bb) Nach anderer, auch in obergerichtlicher Rechtsprechung vertretener Auffassung können aber auch isoliert beauftragte Gerüstbauarbeiten vom Anwendungsbereich des § 648a Abs. 1 BGB a. F. umfasst werden. Der Ausschluss von selbstständigen Gerüstbauleistungen aus dem Anwendungsbereich von § 648a BGB a. F. sei mit dem Wortlaut des Gesetzes sowie Sinn und Zweck der Norm nicht in Einklang zu bringen und deswegen nicht überzeugend (Schmidt, NJW 2013, 497 ). Das belege auch ein Vergleich mit den Planungs- und Bauüberwachungsleistungen. Auch diese Leistungen führten nicht zu einer unmittelbaren Werterhöhung des Bauwerks und seien trotzdem von § 648a BGB a. F. umfasst (Schmidt, a. a. O.; Siebert in: Kleine-Möller/Merl/Glöckner, Handbuch Baurecht, 6. Aufl., § 13, Rn. 4, m.w.N.; Thomas Jahn in: Motzke/Bauer/Seewald, Prozesse in Bausachen, 3. Aufl., § 3 Rn. 37)
Es sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht in Einklang zu bringen, dass ein Gerüstbauer dann vom besonderen Baugläubigerschutz ausgeschlossen sein soll, wenn er ausschließlich Gerüstbauarbeiten vornimmt, dagegen von diesem erfasst sein soll, wenn er die Gerüstbauarbeiten neben anderen Arbeiten verrichtet (OLG Hamburg, Urteil vom 20.08.1993 – 11 U 82/92, BeckRS 1993, 30859565, BauR 1994, 123, für das GSB). Nachdem für den Werklohn für ein Bauwerk vorbereitende Leistungen jedenfalls eine Sicherung gefordert werden könne, wenn sie zusammen mit eigentlichen Bauwerksleistungen vergeben sind, sei nicht einzusehen, warum derjenige Unternehmer schlechter gestellt werden sollte, dem ein isolierter Auftrag für solche Leistungen erteilt worden ist. Auch der Gerüstbauer verdiene den entsprechenden Schutz (Staudinger/Peters (2019), BGB, § 650e, Rn. 14).
Die Erbringung einer grundstücksunabhängigen Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB a. F. stehe – anders als eine Sicherungshypothek nach § 648a BGB a. F. – nicht in unmittelbarer Beziehung zum Grundstück, so dass hier auch nicht in dem Maße wie bei der Frage der Bestellung einer Sicherungshypothek auf eine unmittelbare Wertsteigerung des Grundstücks abzustellen sei. Deshalb könne der Kreis der geschützten Bauwerksunternehmer im Rahmen des § 648a BGB a. F. weiter gefasst werden als der des § 648 BGB a. F. (OLG Köln, Urteil vom 26. März 1999 – 4 U 47/98 -, juris Rn. 50; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.10.2004 – I-21 U 26/04 -, juris Rn. 16 f.; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.01.2014 – 12 U 149/13 -, juris Rn. 54). Der durch Auslegung zu ermittelnde Unternehmerbegriff in § 648a BGB a. F. entspreche nicht dem des § 648 BGB a. F. Er setze nicht voraus, dass die nach dem Vertrag zu erbringende Bauwerksleistung unmittelbar mit einer Werterhöhung des Grundstücks einhergehe, sondern betreffe auch solche unternehmerischen Tätigkeiten, die als nicht wegzudenkender Teil der Gesamtleistung der Herstellung des Bauwerks dienen, ohne sich in diesem unmittelbar verkörpern zu müssen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.10.2004 – I-21 U 26/04 -, juris Rn. 17, bezogen auf Planungsleistungen eines Architekten). Daher müssten Bauleistungen wie die Gerüsterstellung, die zwangsläufig zur Bauherstellung erforderlich sind und lediglich mittelbar zu einer Wertsteigerung des Grundstücks führen, zur Stellung einer Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB a. F. ausreichen (OLG Köln, Urteil vom 26. März 1999 – 4 U 47/98 -, juris Rn. 50; wobei dort einmal – offenbar versehentlich – § 648 BGB zitiert ist, wo § 648a BGB gemeint ist).
Dementsprechend werden im Unterschied zu § 648 BGB a. F. (Sicherungshypothek des Bauunternehmers) Vor- und Nebenarbeiten, insbesondere Gerüstarbeiten oder Arbeiten zur Baustelleneinrichtung, im Anwendungsbereich des § 648a BGB a. F. auch von denjenigen, die bei der Sicherungshypothek für eine enge Interpretation plädieren, ganz überwiegend zu den Leistungen gezählt, für die eine Sicherung verlangt werden kann (vgl. NK-BGB/Thomas Raab, 3. Aufl. 2016, BGB § 648a Rn. 6, m. w. N.). So hat auch das Kammergericht zwar die Anwendbarkeit des § 648 BGB a. F. mit der Begründung verneint, dass bei der Sicherungshypothek das Prinzip entscheidend sei, dass sich der Mehrwert der erbrachten Werkleistung unmittelbar im Bauwerk verkörpern müsse, an dem diese dingliche Sicherung begehrt wird (KG Berlin, Urteil vom 13. Juli 2018 – 7 U 126/17 -, juris Rn. 6 ff.), aber zugleich ausdrücklich dahingehend abgegrenzt, dass der Kreis der geschützten Bauwerksunternehmer bei der Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a. F. weiter gefasst sei (a.a.O., Rn. 13).
cc) Der Senat schließt sich jedenfalls für einen Fall wie den vorliegenden der letztgenannten Ansicht an. Die Klägerin hat nämlich unstreitig die vereinbarten Gerüste nicht nur gestellt, sondern diese individuell bemessen und zusammengestellt, in eigener Verantwortung über die Art der Gerüstgruppe und die Konstruktion im Einzelnen entschieden, die Gerüste montiert und an den Gebäuden fest verankert. Sie hat auch im Lauf des Bauvorhabens in Absprache mit der Beklagten die Gerüstfläche erweitert und die Höhe angepasst, was auch den Mängelrügen der Beklagten zu entnehmen ist. Des Weiteren haben die Parteien den Vertrag als „Bauvertrag“ bezeichnet und ausdrücklich vertragliche Regelungen getroffen, die bei Bauverträgen zwischen Bauunternehmen üblich sind (z. B. Einbeziehung der VOB/B, Regelungen zu der Abnahme, Abrechnung nach Einheitspreisen, Aufmaß etc.). Die Beklagte hätte ohne Stellung eines Gerüsts die Fassadenarbeiten nicht ausführen können, es handelte sich also um Leistungen, die zwangsläufig zur Bauherstellung erforderlich waren.
Der Annahme, dass ein Gerüstbauer in einem Fall wie dem vorliegenden Bauhandwerkersicherung verlangen kann, steht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen, nach der ein lediglich mit Abbruch- und Rodungsarbeiten beauftragter Unternehmer nicht als Unternehmer einer Außenanlage anzusehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 – VII ZR 86/04 -, juris Rn. 9). Die Errichtung eines Gebäudes unmittelbar begleitende und unterstützende Gerüstbauarbeiten sind mit den vom Bundesgerichtshof behandelten Rodungsarbeiten, welche vor Beginn der Arbeiten zur Schaffung des späteren Bauwerks erledigt werden, nicht vergleichbar. Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass isoliert in Auftrag gegebene Abbrucharbeiten oder Arbeiten zur Beseitigung von Altlasten deshalb keine Arbeiten am Bauwerk seien, weil sie sich bei wertender Betrachtung soweit von anderen, zur Vorbereitung der Bebauung dienenden Arbeiten am Grundstück entfernten, dass sie allein noch nicht der Errichtung eines Bauwerks zugeordnet werden könnten.
Eine vergleichbare Distanz zur Errichtung eines Bauwerks haben Gerüstbauarbeiten nicht. Die vom Bundesgerichtshof behandelten Tätigkeiten (Abbruch, Rodung, Beseitigung von Altlasten) schaffen tatsächliche Voraussetzungen dafür, dass ein Grundstück bebaubar wird. Sie sind ihrer Natur nach abgeschlossen, bevor die Errichtung eins Bauwerks begonnen werden kann. Gerüstbauarbeiten wie die streitgegenständlichen gehen dagegen schon zeitlich unmittelbar mit den direkt bauwerkserrichtenden Handwerksleistungen einher. Sie waren für die Fassadenarbeiten der Beklagten essentiell und erforderten auch zu koordinierende Umbauten und Anpassungen während des Baufortschritts, zu welchen die Beklagte aufgefordert hatte. Zwischen den direkt das Gebäude gestaltenden Handwerksleistungen und den Gerüstbauarbeiten bestand eine enge Verknüpfung, sie haben keine vergleichbare sachliche und zeitliche Distanz zur Errichtung des Bauwerks wie die Vorarbeiten auf einem Grundstück vor Beginn der ein Gebäude errichtenden Handwerksleistungen.
b) Der Klägerin steht eine Bauhandwerkersicherung in der beantragten Höhe zu. Sie hat diese in Höhe der Klageforderung schlüssig dargelegt.
aa) Der Anspruch gemäß § 648a BGB a. F. besteht auch nach der Kündigung, wobei es für einen Anspruch des Unternehmers gegen den Besteller auf Leistung einer Sicherheit ausreicht, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht (BGH, Urteil vom 06.03.2014 – VII ZR 349/12 -, juris Rn. 14, m. w. N.). Der Unternehmer hat das Recht, eine Sicherheit trotz möglicherweise berechtigter Mängelrügen des Bestellers zu verlangen. Bei der Berechnung der dem Sicherungsverlangen zu Grunde liegenden Vergütung bleiben Ansprüche unberücksichtigt, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung aufrechnen kann, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt. Diese Regelungen sind auch im Falle einer Kündigung anwendbar, was dazu führt, dass der Besteller mit dem Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten oder Fertigstellungmehrkosten nicht aufrechnen kann, wenn diese Ansprüche nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind (a.a.O., Rn. 28). Für eine schlüssige Darlegung genügt es, wenn der Unternehmer die von ihm erbrachten Leistungen in der Rechnung unter Angabe der Positionsnummern des Leistungsverzeichnisses nach Menge, Massen und Einheitspreisen aufführt (a.a.O., Rn. 32). Zur schlüssigen Begründung eines nach Zeitaufwand zu bemessenden Vergütungsanspruchs muss der Unternehmer nur darlegen, wie viele Stunden für die Erbringung der Vertragsleistungen angefallen sind (BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 – VII ZR 74/06 -, juris Rn. 13). An die Darlegungs- und Beweislast sind keine übertriebenen Anforderungen zu stellen, da im Rahmen der Klage auf Vorlage der Sicherheit nach § 650f BGB (Nachfolgeregelung zu § 648a BGB a. F.) der Anspruch nur summarisch geprüft werden muss, da nur so der Unternehmer – der Intention des Gesetzgebers entsprechend – schnell und effektiv die Sicherheit erhält, und sich des Insolvenzrisikos entledigen kann (Cramer, a.a.O., § 650f Rn. 85).
bb) Die Klägerin hat die Klageforderung schlüssig dargelegt, die vorgelegte Schlussrechnung entspricht den Anforderungen an eine hinreichende Rechnungslegung.
Hinsichtlich der Einwendungen der Beklagten ist Folgendes anzumerken:
(1) Ob die Position 6.03 der streitgegenständlichen Rechnung (15.308,80 € netto) für Abholung und Reinigung des Gerüstes die Klägerin berechtigt, Bauhandwerkersicherung zu verlangen, kann dahinstehen. Selbst wenn man diese Position nicht als sicherungsfähig ansehen wollte und sie daher abziehen würde, würde der aus der Schlussrechnung nach Abzug der unstreitig erfolgten Zahlungen in Höhe von 51.590,00 € verbleibende Betrag von 44.486,31 € den Betrag, dessen Sicherung mit der Klage begehrt wird, übersteigen.
(2) Soweit die Beklagte in der Rechnungsprüfung (Anlage B5) Kürzungen aufgrund der Vereinbarung vom 10.08.2018 (Anlage B4) vornimmt, war dem nicht zu folgen. Die Klägerin hat diesbezüglich mit Schriftsatz vom 22.05.2019 (Bl. 60/67 d. A.) vorgetragen, sie sei nur unter der Voraussetzung bereit gewesen, die reduzierten Preise und Vorhaltungskosten zu akzeptieren, wenn die 7. Abschlagsrechnung vollumfänglich und ohne Abzüge beglichen werden würde, was nicht geschehen sei. Außerdem habe die Beklagte selbst zu erkennen gegeben, an der Vereinbarung nicht festhalten zu wollen (Anlagen K20, K22). Diesen Vortrag der Klägerin hat die Beklagte nicht bestritten. Sie kann sich daher – jedenfalls im Verfahren betreffend Bauhandwerkersicherung – hinsichtlich der von ihr vorgenommenen Kürzungen auf die Vereinbarung vom 10.08.2018 nicht berufen.
Anzumerken ist, dass der im Schriftsatz vom 29.04.2019 (Bl. 54 d. A.) geäußerten Ansicht der Beklagten, dass der Anspruch der Klägerin nicht nur um 51.590,00 €, sondern um 59.179,37 € zu kürzen sei, nicht zu folgen ist. Zum einen hat die Beklagte den im Schriftsatz der Klägerin vom 22.05.2019 (Bl. 65 d. A.) getätigten detaillierten Ausführungen zu erfolgten Zahlungen und der Anrechnung einer Teilzahlung in Höhe von 6.803,66 € auf den nicht streitgegenständlichen Gelog-Anker nicht widersprochen. Diese sind daher als unstreitig zu behandeln (§ 138 Abs. 3 ZPO). Zum anderen beziehen sich die Ausführungen der Beklagten auf die ursprüngliche Rechnung der Klägerin, bei der ein Skonto von 2% tatsächlich nicht berücksichtigt wurde. Bei der korrigierten Rechnung, auf die sich die Klägerin nunmehr stützt, ist dagegen ein Abzug in Höhe von 1.960,11 € (Skonto 2%) berücksichtigt worden.
3. Die Klägerin greift mit der Berufung die Klageabweisung wegen vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht an, sie macht in der zweiten Instanz einen Anspruch auf Ersatz dieser Kosten nicht mehr geltend.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die vom Senat vertretene Rechtsansicht zur Sicherungsfähigkeit des Werklohns für Gerüstbauarbeiten im Rahmen des § 648a BGB a. F. bei Gerüstbauverträgen mit Auf-, Um- und Abbauverpflichtung deckt sich mit anderen obergerichtlichen Entscheidungen. Die genannte Vorschrift ist nur noch für vor dem 01.01.2018 geschlossene Altverträge anwendbar. Die Nachfolgeregelung des § 650f BGB ist inhaltlich verändert, so dass die Auslegung von § 648a BGB für die künftige Rechtspraxis keine unmittelbare Bedeutung mehr haben wird.
4. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 47 GKG, § 3 ZPO.


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Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
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IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
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