Baurecht

Baurechtliche Zulässigkeit einer Nutzungsänderung, Abgrenzung bebaute und unbebaute Fläche

Aktenzeichen  9 ZB 19.747

Datum:
21.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2031
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
2.3 TA Lärm
A. 1.3 lit. a) Anhang zur TA Lärm.

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 17 K 18.577 2019-01-31 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen zu 1 auf dem Nachbargrundstück erteilte Genehmigung zur Nutzungsänderung eines Ausstellungsraums in einen Veranstaltungsraum mit Bewirtung im Obergeschoss eines bestehenden Catering-Betriebs. Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage abgewiesen. Das streitgegenständliche Bauvorhaben befinde sich in einem faktischen Baugebiet, das entweder als Dorf- oder als Mischgebiet einzustufen sei. Dort seien gastronomische Betriebe grundsätzlich zulässig, sodass der Gebietscharakter gewahrt bleibe. Da das Vorhaben im Hinblick auf die zu erwartenden Lärmemissionen auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoße, sei die angefochtene Baugenehmigung rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils sowie Verfahrensmängel geltend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, die dem Beigeladenen zu 1 erteilte baurechtliche Genehmigung zur Nutzungsänderung seiner bereits vorhandenen Räumlichkeiten verstoße nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger sei durch die streitgegenständliche Änderungsgenehmigung weder im grundsätzlich nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch verletzt, noch sei im Hinblick auf Geräuschimmissionen ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme erkennbar. Die mit dem Zulassungsvorbringen dargelegten Gründe, die größtenteils wörtlich dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers entsprechen und auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 124 a Abs. 5 Satz 1 VwGO) geben keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser erstinstanzlichen Einschätzung zu zweifeln. Der erkennende Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen Folgendes zu bemerken:
a) Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags macht der Kläger geltend, im Hinblick auf das Maß der zu erwartenden Lärmimmissionen sei der „maßgebliche Immissionsort falsch“, d.h. nicht den Vorgaben der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) entsprechend, gewählt worden. Zwischen der Nordseite seines Wohnhauses und der nördlichen Grundstücksgrenze lägen nämlich ca. 30 m, sodass „fraglos aus technischer Sicht mit dieser „Grünfläche“ eine zur (Wohn-)Bebauung geeignete Grundstücksfläche vorliege“. Deren Immissionsort sei aber nicht – wie es das Verwaltungsgericht getan hat – gemäß 2.3 der TA Lärm und A. 1.3 lit. a) des Anhangs zur TA Lärm, sondern vielmehr nach A. 1.3 lit. b) des Anhangs zur TA Lärm zu ermitteln.
Diese Auffassung teilt auch der erkennende Senat nicht. Denn das Grundstück des Klägers ist im südlichen Teil mit einem Gebäude, in dem er seine Zimmerei betreibt, und im nördlichen Teil mit einem Wohnhaus bebaut. Einschlägig im Hinblick auf die Bestimmung des maßgeblichen Immissionsorts ist deshalb A. 1.3 lit. a) des Anhangs der TA Lärm, wonach bei bebauten Flächen der maßgebliche Immissionsort nach 2.3 (TA Lärm) 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes (…) liegt. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass die zwischen dem Wohnhaus des Klägers und dem streitgegenständlichen Vorhaben liegende Grünfläche (derzeit) keine unbebaute Fläche im Sinn von A. 1.3 lit. b) des Anhangs zur TA Lärm darstellt, die eine Verlegung des maßgeblichen Immissionsorts nach Norden bedingen würde, weil diese Grünfläche nicht isoliert, sondern als Teil des Gesamtgrundstücks anzusehen ist. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass die Regelung unter A. 1.3 lit. b) des Anhangs zur TA Lärm entsprechend anzuwenden ist, wenn auf einer Fläche bereits Gebäude mit schutzbedürftigen Räumen errichtet, aber weitere derartige Gebäude bauplanungsrechtlich zulässig sind, gilt dies in gesetzeskonformer Auslegung nur, soweit in Betracht kommende künftige Bauvorhaben hinreichend konkret sind und die Bauausführung in überschaubarer Zukunft zu erwarten ist; bloß denkbare schutzbedürftige Bauvorhaben sind nicht zu berücksichtigen (vgl. VGH BW, U. v. 15.10.2015 – 5 S 2020/13 – juris Rn. 75 m.w.N.). Ein konkretes künftiges Bauvorhaben mit schutzbedürftigen Räumen ist hier indes nicht ersichtlich.
b) Soweit der Kläger im Übrigen abermals geltend macht, die im Zusammenhang mit der Baugenehmigung getroffenen Nebenbestimmungen seien „zum Teil ungeeignet“, legt er ebenfalls keine Zulassungsgründe in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dar. Indem er sich darauf beschränkt, die Ausführungen aus seinem im erstinstanzlichen Verfahren unter dem 30. Januar 2019 eingereichten Schriftsatz wörtlich zu wiederholen, lässt er die gebotene substantielle Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts vermissen (vgl. zum Ganzen: Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 ff.). Lediglich ergänzend verweist der Senat deshalb in diesem Zusammenhang noch auf seinen Beschluss vom 18. Oktober 2017 – AZ. 9 CS 16.883 in einem Parallelverfahren, in dem er die streitgegenständlichen Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung bereits im Wesentlichen überprüft und für ausreichend befunden hat.
2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Verfahrensmängel in Gestalt einer Verletzung der dem Gericht obliegenden Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers war das Gericht von seinem Rechtsstandpunkt aus und aus den oben unter 1. a) dargelegten Gründen nicht gehalten, die planungsrechtliche Bebaubarkeit des ca. 30 m breiten Grünstreifens auf dem klägerischen Grundstück näher aufzuklären. Soweit der Kläger im Übrigen eine „fehlende Aufklärung der Drittschutzwirkung zugunsten des Klägers aus dem Durchführungsvertrag“ rügt, legt er damit ebenfalls keinen entsprechenden Verfahrensfehler dar. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht – worauf der Kläger selbst zu Recht hinweist – ausgeführt, derartige Durchführungsverträge stellten aufgrund ihrer Zwecksetzung (insbesondere Klärung von Kosten und Erschließung) grundsätzlich keinen Vertrag zugunsten Dritter dar. Durchführungsverträge zwischen Bauherrn und Gemeinde seien nicht in der Lage, einem Nachbarn mehr Abwehrrechte zu verschaffen als der maßgebliche Bebauungsplan. Der Umstand, dass der Kläger dies für rechtlich unzutreffend hält, rechtfertigt keine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene zu 1 hat sich, anders als die Beigeladene zu 2, im Zulassungsverfahren geäußert. Es entspricht deshalb der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten erstattet erhält, die Beigeladene zu 2 hingegen ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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