Baurecht

Bauvorbescheid zur Errichtung eines Wohnhauses

Aktenzeichen  M 11 K 16.3185

Datum:
17.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15289
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 20 Abs. 3
VwGO § 88
ZPO § 265 Abs. 2, § 325
BayBO Art. 59, Art. 68 Abs. 1, Art. 71 S. 4, Art. 74

 

Leitsatz

Mit der Verweisung in Art. 71 Satz 4 BayBO auf 68 Abs. 1 BayBO hat der Gesetzgeber den möglichen Inhalt von Vorbescheiden geregelt. Weitergehende Feststellungen zu Lasten eines Beteiligten sind unzulässig und verletzen dessen Rechte, soweit sie mit einem Eingriff oder einer Beeinträchtigung von Rechten verbunden sind. Bezogen auf einen Nachbarn bedeutet dies, dass eine positive Feststellung eines Vorbescheids zur Übereinstimmung eines dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterfallenden Vorhabens mit den nicht prüfungsrelevanten nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts den Nachbarn in Rechten verletzt, ohne dass es auf die inhaltliche Richtigkeit der Feststellung ankommt. (Rn. 35)

Tenor

I. Der Bescheid vom 16. Juni 2016 wird aufgehoben, soweit darin Feststellungen zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens getroffen wurden.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Im Hinblick auf die zwischenzeitliche Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks durch den Beigeladenen ist vorsorglich darauf hinzuweisen, dass eine Beiladung des neuen Eigentümers nicht veranlasst war. Im Rahmen einer Nachbarklage ist nach § 65 Abs. 2 VwGO derjenige notwendig beizuladen, dem die Baugenehmigung oder der Vorbescheid erteilt wurde. Im Übrigen würde selbst, wenn davon ausgegangen würde, dass mit der Übertragung des Grundeigentums auch der erteilte Vorbescheid auf den neuen Eigentümer übertragen wurde, der Prozess durch den bisherigen Beigeladenen im Wege der Prozessstandschaft fortgesetzt und hätte nach Maßgabe von § 173 VwGO, § 265 Abs. 2 ZPO keinen Einfluss auf den Prozess (BVerwG, B.v. 7.2.2011 – 6 C 11/10 – juris Ls. und Rn. 2 und 3).
Die Klage ist zulässig. Fragen der Prozessführungsbefugnis hinsichtlich einer Fortführung des Verfahrens stellen sich im Hinblick auf den Tod des Klägers nicht. Eine Unterbrechung des Prozesses ist nicht erfolgt und wurde seitens des Bevollmächtigten auch nicht beantragt (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren wurde daher durch den Tod des vormaligen Klägers nicht berührt und das Urteil wirkt – ungeachtet der Aufführung des Klägers als Erbe nach dem vormaligen Kläger im Rubrum – nach Maßgabe von § 173 VwGO i.V.m. § 325 Abs. 1 ZPO für und gegen die Erben des vormaligen Klägers. Im Übrigen geht jedenfalls die zivilrechtliche Rechtsprechung davon aus, dass bei Aktivprozessen die Fortführung auch durch einen einzelnen Miterben erfolgen kann, der gemäß § 2039 BGB zur Geltendmachung des Klageanspruchs berechtigt ist (vgl. im Zivilrecht BGH, U.v. 13.5.1964 – V ZR 90/62 – juris (nur Ls.); B.v. 2.11.2011 – X ZR 94/11 – juris), was auf verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklagen regelmäßig übertragbar sein dürfte.
Gegenstand der Klage sind nach Maßgabe des gemäß § 88 VwGO zu ermittelnden Klagebegehrens die in dem angefochtenen Bescheid enthaltenen positiven Feststellungen zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit, wobei dahinstehen kann, aus welchen Ziffern des Bescheids sich die Regelungen ergeben.
Im Hinblick auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids ergibt sich aus der Gesamtschau ausreichend klar, dass das Landratsamt positive Feststellungen zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nach Maßgabe der Abstandsflächenübernahmeerklärung vom 24. Juli 2015 getroffen hat. Zwar kann nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in der Regel nicht angenommen werden, dass einem Baugenehmigungsbescheid Feststellungswirkung über den gesetzlich vorgegebenen Prüfungsumfang hinaus zukommen soll, auch wenn die Bauaufsichtsbehörde Ausführungen dazu in den Gründen macht, so dass der Baugenehmigungsbescheid insoweit auch keine zusätzliche belastende Wirkung enthält (BayVGH, B.v. 8.2.2010 – 2 AS 09.2907 – juris Rn. 24; B.v. 12.12.2013 – 2 ZB 12.1513 – juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 23.3.2016 – 9 ZB 13.1877- juris Rn. 6). Ungeachtet dessen ist der Inhalt eines Bescheids aber stets einzelfallbezogen zu bestimmen. Maßgeblich für die Bestimmung des Regelungsgegenstands ist dabei der verfügende Teil einschließlich der Nebenbestimmungen, der bei Unklarheiten nach Maßgabe der Gründe auszulegen ist. In Bezug auf einen Vorbescheid lässt sich dessen Inhalt aufgrund des Umstands, dass damit regelmäßig Feststellungen zur Zulässigkeit bestimmter Fragen getroffen werden, relativ eindeutig feststellen. Ergibt sich danach ausreichend klar, dass über den vorgegebenen Prüfungsumfang hinaus verbindliche Feststellungen getroffen werden sollten, so sind diese einer Anfechtung nach Maßgabe von § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zugänglich.
Entsprechend diesem Maßstab ist in der Gesamtschau der Regelungen und der Gründe davon auszugehen, dass mit dem angefochtenen Vorbescheid verbindliche Feststellungen zum Abstandsflächenrecht getroffen wurden.
Insbesondere aus den als Auflagen bezeichneten Regelungen des Bescheids in Ziff. 1.5 und 1.6 zum Abstandsflächenrecht ergibt sich, dass eine verbindliche positive Feststellung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit abstandsflächenrechtlichen Vorschriften erfolgen sollte, soweit dieses der Abstandsflächenübernahmeerklärung vom 24. Juli 2015 entsprach. Die Wirksamkeit der Abstandsflächenübernahmeerklärung wird in den Formulierungen in Ziff. 1.5 und 1.6 vorausgesetzt und in den Gründen des Bescheids ausdrücklich festgestellt. Auch die Regelung zur Lage des Baukörpers in Ziff. 1.2 des Bescheids dürfte mit der Einbeziehung der mit Bestandteilvermerk versehenen Planskizze vom 16. November 2015, die auf die Abstandsflächenübernahmeerklärung vom 24. Juli 2015 abstellt (dort unrichtig als Abstandsflächenübernahme vom 15.7.2015 bezeichnet, vgl. zur Identität der Erklärungen Behördenakte Bl. 33 ff.) auf das Abstandsflächenrecht abzielen. Der in diesem Sinne verstandene Inhalt des Bescheids wird zudem durch die Ausführungen der Klageerwiderung bestätigt und wurde vom Behördenvertreter in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bekräftigt.
Die Klage ist nach ihrem Rechtsschutzziel darauf gerichtet, den Bescheid aufzuheben, soweit er positive Feststellungen zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit trifft. Ob sich die entsprechenden Regelungen des Bescheids (nur) aus Ziff. 1.5 und 1.6 ergeben oder auch aus weiteren Teilen des Bescheids (insbesondere Ziff. 1.2), kann im Hinblick auf das eindeutige Klagebegehren dahinstehen. Auf die Formulierung des Hauptantrags und den nachträglich gestellten Hilfsantrag kommt es insofern im Hinblick auf § 88 VwGO nicht an.
Auch aus Gründen der Rechtsklarheit ist eine abschließende Bestimmung, welche Regelungen des Bescheids die strittigen Feststellungen zum Abstandsflächenrecht beinhalten, nicht geboten. Mit der Auslegung des Klagantrags im Sinne des Urteilstenors ergibt sich für die Beteiligten ausreichend klar die Beseitigung derjenigen Teile des Bescheids, mit denen Feststellungen zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens getroffen wurden.
Schließlich erfordern auch Fragen der Teilbarkeit der Regelungen keine abschließende Verortung. Eine nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich mögliche Teilaufhebung von Verwaltungsakten ist möglich, wenn die rechtlich unbedenklichen Teile nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil stehen (vgl. mit entsprechenden Nachweisen Decker in Posser/Wolff, BeckOK-VwGO, Stand 1.4.2018, § 113 Rn. 36; Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 113 Rn. 14). Ungeachtet der Einheitlichkeit einer Baugenehmigung und der Frage der Teilanfechtbarkeit bei Nachbarklagen (vgl. dazu Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Dezember 2017, Art. 68 Rn. 39) kommt bei Nachbarklagen gegen einen Vorbescheid eine Aufhebung einzelner Feststellungen zur Vereinbarkeit mit Vorschriften mit Nachbarwirkung ohne weiteres in Betracht. Die positiven Feststellungen des Vorbescheids zum Abstandsflächenrecht sind – ungeachtet der Frage, aus welchen Teilen des Bescheids sie sich regelungstechnisch ergeben – von den sonstigen Regelungen, konkret den bauplanungsrechtlichen Regelungen, inhaltlich klar abgrenzbar und damit einer Teilaufhebung zugänglich. Einer vollständigen Aufhebung, die nach dem Hauptantrag auch nicht beantragt ist, bedarf es damit nicht.
Die Klage ist mit diesem Inhalt auch im Übrigen zulässig und insbesondere gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO als Anfechtungsklage statthaft. Das ergibt sich unabhängig von Fragen der Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen daraus, dass Gegenstand der Klage positive Regelungen des Vorbescheids zur abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit sind. Gegenstand sind somit nach Maßgabe der Auslegung des Bescheids und unabhängig von der Verortung und Bezeichnung der Regelungen durch das Landratsamt Feststellungen des Vorbescheids, soweit sie die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit beinhalten.
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist nach Maßgabe des Tenors rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nachbarn können eine Baugenehmigung oder einen Vorbescheid (nur) dann mit Erfolg anfechten, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung oder der Vorbescheid gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen.
Entsprechend diesen Grundsätzen erweist sich der angefochtene Bescheid nach Maßgabe des Tenors bereits deswegen als rechtswidrig und verletzt den Kläger in Rechten, weil zu Lasten des Klägers als Nachbar über die den Umfang und Inhalt eines Vorbescheids begrenzenden Regelungen in Art. 59, 68 Abs. 1 und 71 BayBO hinaus Feststellungen zum Abstandsflächenrecht getroffen wurden, dem drittschützende Wirkung zugunsten von Nachbarn zukommt.
Nach Art. 71 Satz 1 BayBO ist vor Einreichung des Bauantrags auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Der Gegenstand zulässiger Fragen ist insofern durch den Prüfungsumfang der Baugenehmigung begrenzt. Das ergibt sich zum einen bereits aus der Verweisung in Art. 71 Satz 4 BayBO auf Art. 68 Abs. 1 BayBO, aber auch aus dem Zweck eines Vorbescheids, eine verbindliche Klärung einzelner für die Baugenehmigung relevanter Fragen des Bauvorhabens herbeizuführen.
Nach Art. 68 Abs. 1 Hs. 1 ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Im hier nach Art. 59 BayBO maßgeblichen vereinfachten Genehmigungsverfahren ist die Vereinbarkeit des Vorhabens mit abstandsflächenrechtlichen Vorschriften – abgesehen von den Fällen einer hier nicht einschlägigen beantragten Abweichung – nicht zu prüfen und damit auch nicht Genehmigungsvoraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung. Dementsprechend dürfen auch in einem Vorbescheid zu einem Vorhaben im vereinfachten Genehmigungsverfahren positive Feststellungen zum Abstandsflächenrecht nicht getroffen werden.
Die Zulässigkeit solcher Feststellungen ergibt sich auch nicht aus Art. 68 Abs. 1 Hs. 2 BayBO. Danach darf die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Der in Rechtsprechung und Literatur in seinem Umfang und seiner Bedeutung strittige Inhalt der Vorschrift (vgl. mit einer Darstellung der verschiedenen Auffassungen Greim-Diroll in BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Spannowsky/Manssen, Stand 1.9.2017, Art. 68 Rn. 25 ff.) kann dabei dahinstehen, denn die Vorschrift beschränkt sich nach ihrem Wortlaut auf die Möglichkeit, ein Vorhaben aufgrund eines Verstoßes gegen nicht prüfungsrelevante Vorschriften abzulehnen. Bezogen auf einen Vorbescheid bedeutet dies, dass ein Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids auch aufgrund eines Verstoßes gegen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen sind, abgelehnt werden kann. Eine weitergehende Bedeutung der Vorschrift, die Feststellungswirkung einer Baugenehmigung oder eines Vorbescheids zu erweitern, kommt ihr schon nach dem Wortlaut nicht zu.
Abgesehen davon, dass im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut von Art. 68 Abs. 1 Hs. 2 BayBO eine erweiternde Auslegung im Hinblick auf positive verbindliche Feststellungen nicht möglich ist und Zweckmäßigkeitserwägungen ein Abweichen von den gesetzlichen Regelungen nicht rechtfertigen können, ist aus Sicht der Kammer auch nicht verständlich, weshalb eine positive Feststellung zu nicht prüfungsrelevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften verfahrensökonomisch sein soll. Der Gesetzeszweck von Art. 68 Abs. 1 Hs. 2 BayBO, zu vermeiden, dass „sehenden Auges“ eine Genehmigung für ein Vorhaben erteilt wird, das gegen öffentliche-rechtliche Vorschriften außerhalb des Prüfungsumfangs verstößt und dann hiergegen bauaufsichtlich eingeschritten wird, ist bei einer positiven Feststellung über den Prüfungsrahmen hinaus nicht einschlägig. Im Hinblick auf Aspekte der Verfahrensökonomie wäre allenfalls eine Ablehnung des Vorbescheidsantrags nach Maßgabe von Art. 68 Abs. 1 Hs. 2 BayBO nachvollziehbar, wenn das Landratsamt Verstöße gegen Abstandsflächenrecht – etwa im Hinblick auf die nach der Abstandsflächenübernahmeerklärung erfolgten Änderungen des Vorhabens – angenommen und den Vorbescheidsantrag unter der Annahme, dass das gesamte Vorhaben mit diesen Änderungen steht und fällt, abgelehnt hätte.
Die positiven Feststellungen zur Übereinstimmung mit Abstandsflächenrecht im Zusammenhang mit der Abstandsflächenübernahmeerklärung verletzen den Kläger auch in seinen Rechten, ohne dass es insoweit auf die inhaltliche Richtigkeit ankommt.
Das ergibt sich bereits aus den allgemeinen Grundsätzen zum Gesetzesvorbehalt bei feststellenden Verwaltungsakten. Auf die Frage, ob die Regelungen in Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 und 59 BayBO zum Prüfungsumfang und zum Inhalt von Vorbescheiden ihrerseits zugunsten eines Nachbarn Drittschutz vermitteln, kommt es damit nicht an. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist seit langem anerkannt, dass feststellende Verwaltungsakte jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, wenn ihr Inhalt etwas als Rechtens feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens hält (BVerwG, U.v. 29.11.1985 – 8 C 105/83 – juris Rn. 12 ff.; seitdem st. Rspr., vgl. z.B. U.v. 14.6.2012 – 5 C 4/11 – juris Rn. 13; so auch BayVGH, U.v. 2.6.1999 – 19 B 94.2154 – juris Rn. 59 ff. m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu im Urteil vom 29. November 1985 u.a. ausgeführt, das überkommene Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für alle (Verwaltungs-) Eingriffe in Freiheit und Eigentum ergebe sich für das geltende Recht aus „Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit den Grundrechten“. Die Festlegung dieses Erfordernisses auf „Eingriff in Freiheit und Eigentum“ werde dem heutigen Verfassungsverständnis nicht mehr voll gerecht, die sog. „Wesentlichkeits-Rechtsprechung“ nehme an, dass sich das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage über seinen ursprünglichen Umkreis hinaus „ausgedehnt“ habe. Dies gelte jedenfalls für belastende Verwaltungsakte. Freilich bedürfe es einer „wahrhaft ausdrücklichen Grundlage“ nicht; das Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage könne durchaus auch im Wege der Auslegung ermittelt werden. Demnach ist eine verbindliche Feststellung von Rechtsverhältnissen zu Lasten eines Beteiligten im Rahmen eines Verwaltungsaktes nur bei entsprechender gesetzlicher Grundlage zulässig und eine Feststellung ohne eine solche Grundlage beinhaltet eine Rechtsverletzung.
Die Feststellung der Zulässigkeit eines Vorhabens hinsichtlich einzelner Fragen im Rahmen eines Vorbescheids stellt einen gesetzlich geregelten Fall eines feststellenden Verwaltungsaktes dar. Mit der Verweisung in Art. 71 Satz 4 BayBO auf 68 Abs. 1 BayBO hat der Gesetzgeber den möglichen Inhalt von Vorbescheiden geregelt. Weitergehende Feststellungen zu Lasten eines Beteiligten sind unzulässig und verletzen dessen Rechte, soweit sie mit einem Eingriff oder einer Beeinträchtigung von Rechten verbunden sind. Bezogen auf einen Nachbarn bedeutet dies, dass eine positive Feststellung eines Vorbescheids zur Übereinstimmung eines dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterfallenden Vorhabens mit den nicht prüfungsrelevanten nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts den Nachbarn in Rechten verletzt, ohne dass es auf die inhaltliche Richtigkeit der Feststellung ankommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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