Baurecht

Bebauungsplan, Baugenehmigung, Normenkontrollantrag, Sondergebiet, Streitwertfestsetzung, Revision, Bauvorhaben, Genehmigung, Zulassung, Internet, Satzung, Verfahren, Amtsblatt, Antragsteller, Zulassung der Revision

Aktenzeichen  VGH 2 N 18.632

Datum:
10.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51624
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 20.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich als anerkannter Naturschutzverband gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. … „Therme und Freizeitbad, Eissporthalle“ der Antragsgegnerin.
Der am 13. Dezember 2017 als Satzung beschlossene vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. … wurde von der Antragsgegnerin im Amtsblatt vom 24. Februar 2018 bekannt gemacht. Der Bebauungsplan umfasst das Gelände des bisherigen Eichwaldbads samt Eislaufhalle sowie weitere Grundstück für Parkplätze. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan dient der Realisierung der neuen Therme mit Freizeitbad und Eissporthalle. Festgesetzt wird insoweit ein Sondergebiet.
Mit Schriftsatz vom 15. März 2018 hat der Antragsteller einen Normenkontrollantrag gestellt und beantragt,
Der am 13. Dezember 2017 beschlossene und am 24. Februar 2018 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gegebene vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. … „Therme und Freizeitbad, Eissporthalle“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin erteilte als zuständige untere Bauaufsichtsbehörde mit Bescheid vom 23. Februar 2018 die Baugenehmigung für den „Neubau eines Hallen- und Freibades mit Rutschenanlage, Außensauna, Freibadgebäude und Parkplatz“. Die dagegen gerichtete Klage des Antragstellers wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 16. Januar 2019 (Az. Au 4 K 18.280) ab. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Senat mit Beschluss vom 8. Oktober 2020 (Az. 2 ZB 19.449) ab. Ein vorangegangenes Eilverfahren des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung blieb ebenfalls erfolglos (VG Augsburg, B.v. 26.4.2019 – Au 4 S 18.281; BayVGH, B.v. 22.8.2018 – 2 CS 18.1126). Mit Beschluss vom 22. August 2018 lehnte der Senat auch einen Normenkontrolleilantrag ab (Az. 2 NE 18.1512).
Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten in den Verfahren Az. 2 NE 18.1512, 2 CS 18.1126 und 2 ZB 19.449 sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO ist unzulässig geworden, weil dem Antragsteller das nötige allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
1. Der Senat kann nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, auch wenn der Antragsteller nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet hat (§ 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO; vgl. BVerwG, B.v. 30.11.2017 – 6 BN 2.17 – NVwZ 2018, 340). Eine Ausnahmesituation, in der von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann, liegt insbesondere dann vor, wenn ein Normenkontrollantrag offensichtlich unzulässig ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203; B.v. 26.2.2008 – 4 BN 51.07 – NVwZ 2008, 696; B.v. 30.11.2017 – 6 BN 2.17 – NVwZ 2018, 340).
Im vorliegenden Fall geht der Senat von der inzwischen eingetretenen Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags aus, so dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss bereits aus diesem Grund zulässig ist.
2. Der Normenkontrollantrag ist unzulässig geworden, weil das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers zwischenzeitlich entfallen ist. Das Rechtsschutzbedürfnis, das im Normenkontrollverfahren als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung neben die Antragsbefugnis tritt, fehlt dann, wenn sich die Inanspruchnahme des Gerichts als nutzlos erweist, weil der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten Entscheidung (aktuell) nicht verbessern kann (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.1987 – 4 N 3.86 – BVerwGE 78, 85; B.v. 18.7.1989 – 4 N 3.87 – BVerwGE 82, 225; B.v. 25.5.1993 – 4 NB 50.92 – NVwZ 1994, 269; U.v. 23.4.2002 – 4 CN 3.01 – NVwZ 2002, 1126; B.v. 29.1.2019 – 4 BN 15.18 – juris; BayVGH, U.v. 1.6.2015 – 2 N 13.2220 – BayVBl 2015, 864). Das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Gerichte in eine Normenkontrollprüfung eintreten, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern kann. Unnütz wird das Normenkontrollgericht in Anspruch genommen, wenn der Antragsteller unabhängig vom Ausgang des Normenkontrollverfahrens keine reale Chance hat, sein eigentliches Ziel zu erreichen (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2002 – 4 CN 3.01 – NVwZ 2002, 1126). Ist ein Bebauungsplan oder die mit dem Antrag bekämpfte einzelne Festsetzung durch genehmigte oder genehmigungsfreie Maßnahmen vollständig verwirklicht, so wird der Antragsteller in der Regel seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Angriff auf den Bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessern können (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.1987 – 4 N 3.86 – BVerwGE 78, 85; B.v. 29.1.2019 – 4 BN 15.18 – juris; BayVGH, U.v. 1.6.2015 – 2 N 13.2220 – BayVBl 2015, 864). Zwar kann durch einen Wegfall des Bebauungsplans oder einzelner Festsetzungen die materielle Rechtsgrundlage für eine Baugenehmigung sich nachträglich verändern oder entfallen. Jedoch liegen hieran anknüpfende Ansprüche des Antragstellers, etwa auf ermessensgerechte Entscheidung der Behörde über einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens oder auf Rücknahme einer unanfechtbar erteilten Baugenehmigung bei Beachtung des Vertrauensschutzes des Bauherrn regelmäßig so fern, dass mit ihrer Möglichkeit allein ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag in der Regel nicht begründet werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.1987 – 4 N 3.86 – BVerwGE 78, 85; BayVGH, U.v. 1.6.2015 – 2 N 13.2220 – BayVBl 2015, 864). Wann sich die Inanspruchnahme des Gerichts als unnütz erweist, richtet sich aber im Wesentlichen nach den jeweiligen Verhältnissen im Einzelfall.
Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Verhältnisse des vorliegenden Einzelfalls inzwischen das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Mit Beschluss des Senats vom 8. Oktober 2020 (Az. 2 ZB 19.449) wurde die Baugenehmigung für den Bau der Therme mit Eissporthalle bestandskräftig. Die Baugenehmigung füllt den angegriffenen Bebauungsplan vollständig aus. Eine weitere Genehmigung kann nicht erteilt werden. Richtig ist, dass das Bauvorhaben noch nicht vollständig verwirklicht wurde. Die wesentlichen Baukörper sind jedoch bereits errichtet. Dies bestätigen auch die aktuell im Internet verfügbaren Fotografien aus verschiedenen Zeitungen und Rundfunkanstalten. Laut der Internetseite des Betreibers ist eine Eröffnung für den Mai 2021 geplant. Die Verwirklichung eines Bauvorhabens stellt nur den Regelfall dar, in welchem eine Entscheidung des Normenkontrollgerichts unnütz wird. Dies schließt nicht aus, dass auch bei bestandskräftiger Baugenehmigung, die jedoch noch nicht vollständig verwirklicht ist, die Voraussetzung gegeben ist, das Rechtsschutzbedürfnis entfallen zu lassen. Hier ist das Bauvorhaben bereits im Wesentlichen verwirklicht. Die Fertigstellung befindet sich in der Endphase. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, inwiefern sich die Rechtsstellung des Antragstellers verbessern könnte, wenn der Bebauungsplan für unwirksam erklärt würde. Der Senat gelangt daher zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller vorliegend keine reale Chance hat, seine Position in Bezug auf sein Ziel – die Verhinderung des Bauvorhabens – durch Fortführung des Normenkontrollverfahrens noch zu verbessern.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG.


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