Baurecht

Begrenzung der Beschaffungsentscheidungsfreiheit der öffentlichen Hand durch vergaberechtliche Grundsätze

Aktenzeichen  Z3-3/3194/1/57/11/15

Datum:
8.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 89/665/EWG RL 89/665/EWG Art. 1 Abs. 3, Art. 2d Abs. 1 lit. a
RL 2001/23/EG RL 2001/23/EG Art. 3 Abs. 1
RL 2004/18/EG RL 2004/18/EG Art. 28, Art. 31 Nr. 1b
RL 2007/66/EG RL 2007/66/EG Art. 1 Nr. 1
RL 2014/24/EU Art. 32 Abs. 1 lit. b, Art. 72 Abs. 1 lit. d
GWB GWB aF § 97 Abs. 7, § 99 Abs. 4, § 107 Abs. 2
GWB GWB § 97 Abs. 6, § 103 Abs. 4, § 160 Abs. 2
VAG VAG § 1 Abs. 3, § 232 Abs. 1 Nr. 1
BGB BGB § 613a Abs. 1
VOL/A-EG § 3 Abs. 4 lit. c, § 8 Abs. 7
BetrAVG BetrAVG § 1

 

Leitsatz

Der Antragsteller eines Nachprüfungsverfahrens muss gemäß § 107 Abs. 2 S. 2 GWB aF darlegen, dass ihm durch die Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder droht. Hierzu genügt es, dass nach seinem Vortrag ein nach Maßgabe des § 97 Abs. 7 GWB aF geregeltes Vergabeverfahren bislang nicht stattgefunden hat und nicht auszuschließen ist, dass der Antragsteller bei einem geregelten Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten hätte. (redaktioneller Leitsatz)
Eine unwesentliche Vertragsänderung, die keine Neuausschreibung von Dienstleistungsaufträgen erfordert, ist dann nicht anzunehmen, wenn ein aus einem anderen öffentlichen Unternehmen ausgegründetes öffentliches Unternehmen im Rahmen des Übergangs eines Betriebsteils mit dem bisherigen Leistungserbringer der betrieblichen Altersversorgung einen neuen Vertrag abschließt. (redaktioneller Leitsatz)
Tarifvertragliche Rechte der Arbeitnehmer, die gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB das ausgegründete öffentliche Unternehmen binden, können dessen Verpflichtungen zur Ausschreibung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht generell ausschließen. Die von den Tarifvertragsparteien verfolgten sozialpolitischen Ziele können dadurch gewahrt werden, dass eine der bisherigen Versorgungsleistung wertgleiche Versorgungsleistung vergeben wird. (redaktioneller Leitsatz)
Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen ungebunden und weitgehend frei. Diese Bestimmungsfreiheit wird nur begrenzt durch die Verpflichtung, den vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (ebenso OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 08851). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung der Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG von der Vergabekammer Südbayern folgende Frage zur Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgelegt:
Ist es mit der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 1 Abs. 3 und Art. 2d Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG vereinbar, dass einer Person, die die Unwirksamkeit eines ohne vorherige Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der europäischen Union abgeschlossenen Vertrags geltend macht, das Nachprüfungsverfahren mangels drohenden Schadens deshalb nicht eröffnet ist, weil der öffentlicher Auftraggeber, der vor der Vergabe keine Bekanntmachung im Amtsblatt der europäischen Union vorgenommen hat und kein geregeltes Vergabeverfahren durchgeführt hat, die zu erbringende Leistung durch Erklärung im Nachprüfungsverfahren bindend derart bestimmt, dass der klagende Wirtschaftsteilnehmer sie nicht erbringen könnte ?
2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Richtlinien 2004/18/EG und 2014/24/EU von der Vergabekammer Südbayern folgende Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgelegt:
a. Stellt es eine wesentliche Vertragsänderung i. S. d. der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 19.06.2008 – Rs. C-454/06, Pressetext) dar, wenn ein aus einem anderen öffentlichen Unternehmen ausgegründetes öffentliches Unternehmen im Rahmen Übergangs eines Betriebsteils i. S. d. der Richtlinie 2001/23/EG mit dem bisherigen Leistungserbringer der betrieblichen Altersvorsorge des ausgründenden öffentlichen Unternehmens einen neuen Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge abschließt, der zur Sicherstellung der Rechte der übergegangenen Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter und Invalidität aus betrieblicher Altersvorsorge insoweit mit dem ursprünglichen Vertrag identisch ist und das ausgegründete öffentliche Unternehmen vom ausgründenden öffentlichen Unternehmen als Alleingesellschafter beherrscht wird?
Für den Fall, dass Frage 2 a) zu bejahen ist:
b. Ist die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung gem. Art. 31 Nr. 1 lit b) der Richtlinie 2004/18/EG mit nur einem Wirtschaftsteilnehmer (nämlich dem bisherigen Leistungserbringer des ausgründenden öffentlichen Unternehmens) zulässig, wenn die Arbeitnehmer des ausgründenden öffentlichen Unternehmens im Wege eines Betriebsübergangs Arbeitnehmer des ausgegründeten öffentlichen Auftraggebers werden und nach ihren gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG unverändert übergehenden Arbeitsverträgen in Verbindung mit einer bestehenden betrieblichen Übung nach nationalem Arbeitsrecht einen Anspruch gegen ihren neuen Arbeitgeber hätten, dass die Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung von dem bisherigen Leistungserbringer erbracht werden, bei dem vor Betriebsübergang die Anwartschaften entstanden sind?
Für den Fall, dass die Frage b) zu verneinen ist:
c. Kann ein öffentlicher Auftraggeber, der vor der Vergabe keine Bekanntmachung im Amtsblatt der europäischen Union vorgenommen hat und kein Vergabeverfahren nach Art. 28 der Richtlinie 2004/18/EG durchgeführt hat, sein Leistungsbestimmungsrecht – ohne Verstoß gegen die vergaberechtlichen Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung – vor Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens dahingehend ausüben, dass er bei der Vorgabe eines Durchführungsweges für die betriebliche Altersvorsorge auch bestimmt, wie sich der zukünftige Leistungserbringer finanziert? Kann ein öffentlicher Auftraggeber somit vorgegeben, dass nur Leistungen einer umlagefinanzierten Pensionskasse angeboten werden können und damit kapitalgedeckte Pensionskassen ausgeschlossen sind, auch wenn sich deren Leistungen gegenüber den versicherten Arbeitnehmern aufgrund nationalen Arbeitsrechts und wegen Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG nicht unterscheiden dürfen?
Für den Fall, dass die Frage c) zu bejahen ist:
d. Gilt dies vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/24/EU auch dann, wenn dies dazu führen würde, dass nur ein Wirtschaftsteilnehmer (nämlich der bisherige Leistungserbringer) in der Lage wäre, die Leistung zu erbringen, oder ist ein öffentlicher Auftraggeber, der ein Verhandlungsverfahrens ohne Veröffentlichung einer Bekanntmachung mit nur einem Wirtschaftsteilnehmer gem. Art. 31 Nr. 1 lit b) der Richtlinie 2004/18/EG durchführen will, bei der Leistungsbestimmung bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/24/EU gehalten, zu prüfen, ob es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist, wie dies in Art. 32 Abs. 2 lit. b Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU vorgesehen ist ?
3. Das Verfahren wird bis zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV des Gerichtshofes der Europäischen Union über diese Fragen ausgesetzt.
4. Die Entscheidungsfrist nach § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB wird entsprechend auf den Zeitpunkt von 4 Wochen nach Eingang der Entscheidung des EUGH verlängert.

Gründe

I.
Die Beigeladene zu 2 hat durch den Einbringungsvertrag vom 01.10.2015 die bis dahin von ihr als Eigenbetrieb geführte Klinik B.. R.. im Zuge einer privatisierenden Umwandlung in die Antragsgegnerin überführt. Zeitgleich mit dieser Umstrukturierung sind die Arbeitsverhältnisse der beim Eigenbetrieb beschäftigen Arbeitnehmer gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG) auf die Antragsgegnerin übergegangen.
Zur Vorbereitung des Betriebsübergangs hatten die Beigeladene zu 2 und die Antragsgegnerin am 07.07.2015 eine Personalüberleitungsvereinbarung geschlossen, die unter § 3 Abs. 4 Folgendes vorsieht:
„Die Gesellschaft gewährleistet die Aufrechterhaltung und Weiterführung der bisher maßgeblichen Bedingungen einer vereinbarten oder zugesagten zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung in der V.. und wird hierzu eine eigene Beteiligungsvereinbarung mit der V.. abschließen.“
Am 25.09.2015 haben die Beigeladene zu 1 (V..) und die Antragsgegnerin gemäß §§ 19 und 20 der Satzung der Beigeladenen zu 1 eine Beteiligungsvereinbarung geschlossen, in deren § 1 Folgendes vereinbart wurde:
„Mit Wirkung vom 1. Oktober 2015 (Inkrafttreten der Vereinbarung) sind alle an diesem Tage bei dem Beteiligten beschäftigten und nach diesem Tage in ein Beschäftigungsverhältnis bei ihm eintretenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (einschließlich Auszubildende) bei der V.. zu versichern, die nach dem Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in der jeweils geltenden Fassung zu versichern wären.“
Im Nachgang zum Betriebsübergang hat die U.. die Beigeladene zu 2 mit Schreiben vom 26.10.2015 auf den Beschluss der Vergabekammer Westfalen vom 01.06.2015, Az.: VK 2 – 7/15, hingewiesen und um unmittelbare Kontaktaufnahme wegen der sich daraus für die Beteiligungsvereinbarung angeblich ergebenden Konsequenzen gebeten. Die U… ist Mitglied des Antragsstellers zu 1.
Der Antragssteller zu 1 hat mit Schreiben vom 02.11.2015 gegenüber der Antragsgegnerin die Beauftragung der Beigeladenen zu 1 gerügt.
Mit Schreiben vom 05.11.2015 erklärte die Antragsgegnerin, dass sie der Rüge nicht abhelfen wolle. Sie vertritt die Auffassung, sie sei durch die Personalüberleitungsvereinbarung vom 07.07.2015 verpflichtet, die arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung bei der Beigeladenen zu 1 durchzuführen.
Weil die Rüge vom 02.11.2015 die Antragsgegnerin nicht zur Änderung ihrer Rechtsauffassung bewegte, beantragte der Antragsteller zu 1 am 09.11.2015 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und weiter:
1. Es wird festgestellt, dass die unmittelbare Vergabe der Leistungen der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung der Antragsgegnerin an die Beigeladene durch Beitritt der Antragsgegnerin zur Beigeladenen von Anfang an unwirksam ist.
2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, bei Fortbestehen der Absicht der Beschaffung von Leistungen der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung von einem Dritten zur Auftragserteilung ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften der §§ 97ff. GWB durchzuführen.
3. Der Antragsgegnerin wird vorläufig untersagt, vor einer Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist nach § 117 Abs. 1 GWB einen Auftrag an die Beigeladene zu erteilen und weitere Erklärungen gegenüber der Beigeladenen im Hinblick auf den Abschluss einer Beteiligungs-Vereinbarung i. S.v. §§ 20, 21, 19 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen abzugeben.
4. Dem Antragssteller wird Akteneinsicht gewährt.
5. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur entsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen des Antragsstellers.
6. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsstellers zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch den Antragssteller wird für notwendig erklärt.
Der Antragsteller zu 1 wendet sich mit seinem Nachprüfungsantrag dagegen, dass die Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin den Auftrag über die betriebliche Altersversorgung ihrer Mitarbeiter an die Beigeladene zu 1 vergeben habe, obwohl nicht alle im Wettbewerb zu beteiligenden Unternehmen in der vorgeschriebenen Weise beteiligt worden seien und die Beteiligung nicht ausnahmsweise unterbleiben durfte. Die streitgegenständliche Beschaffung von finanziellen Dienstleistungen wäre gemäß § 101 Abs. 7 GWB, § 3 EG Abs. 1 S. 1, Anhang 1 Nr. 6a VOL/A im offenen Verfahren durchzuführen gewesen. Ausnahmen i. S.v. §§ 100 ff. GWB, 3 EG Abs. 4 VOL/A, die zur unmittelbaren Beauftragung der Beigeladenen zu 1 berechtigt hätten, seien nicht ersichtlich.
Mit dem Betriebsübergang seien die Arbeitnehmer der Antragsgegnerin aus dem satzungsmäßig definierten Kreis der mitgliedschaftsberechtigten Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 1 ausgeschieden. Die Antragsgegnerin sei bislang nicht Mitglied der Beigeladenen zu 1 gewesen, einen Gruppenversicherungsvertrag mit ihr habe es bis jetzt nicht gegeben. Aus den übergegangenen Arbeitsverträgen sei die Antragsgegnerin somit gegenüber ihren Arbeitnehmern verpflichtet, entweder die Leistungen durch eine unmittelbare Versorgungszusage zu erbringen oder einen anderen Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung zu wählen und in jedem Fall, auch wenn sie sich für denselben Durchführungsweg entscheide, den konkreten Dienstleister unter Beachtung der vergaberechtlichen Maßgaben zu bestimmen.
In einer zum vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellation habe zudem die Vergabekammer Westfalen bereits entschieden, dass die abgeschlossene Beteiligungsvereinbarung als unmittelbare Vergabe der Leistungen der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung an die Beigeladene zu 1 von Anfang an unwirksam ist und der Stiftung bei fortbestehender Vergabeabsicht aufgegeben, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchzuführen. Diese Entscheidung sei inzwischen rechtskräftig.
Die Vergabekammer informierte die Antragsgegnerin über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 09.11.2015. Diese legte die Vergabeunterlagen vor.
Die Antragsgegnerin nahm mit Schriftsatz vom 23.11.2015 zum Nachprüfungsantrag Stellung und beantragte:
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin aufzuerlegen;
3. den Antrag auf Akteneinsicht wegen offensichtlicher Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags zurückzuweisen;
4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.
Der Nachprüfungsantrag sei als unzulässig und unbegründet zurückzuweisen. So fehle es dem Antragsteller zu 1 bereits an der Antragsbefugnis. Ein unmittelbares Interesse am Auftrag in diesem Sinne könne der Antragsteller zu 1 vorliegend nicht geltend machen, da er hinsichtlich der hier in Rede stehenden Versicherungsdienstleistungen lediglich als Vermittler und damit nur als mittelbarer Erbringer von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auftrete. Die Versicherungsleistungen würden unmittelbar nur durch die Mitglieder des Antragsstellers erbracht, die im Bereich der betrieblichen Altersversorgung tätig seien.
Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet. Es liege bereits kein vergaberechtsrelevanter Vorgang vor. Der hier erfolgte Auftraggeberwechsel von der Beigeladenen zu 2 zur Antragsgegnerin sei wettbewerbsneutral, so dass bereits aus diesem Grund kein vergaberechtsrelevanter Vorgang vorliege. Die Beigeladene zu 1 als Vertragspartner der Antragsgegnerin habe einem Auftraggeberwechsel unzweifelhaft zugestimmt. Es werde durch den vorliegenden Auftraggeberwechsel auch nicht das vergaberechtliche Umgehungsverbot missachtet. Eine Umgehung würde nur vorliegen, wenn der neue Auftraggeber strengeren vergaberechtlichen Bindungen unterworfen sei. Das sei hier aber nicht der Fall. Vielmehr unterliege die Antragsgegnerin den gleichen vergaberechtlichen Bindungen wie zuvor die Beigeladenen zu 2.
Ein vergaberechtsrelevanter Vorgang liege zudem nicht vor, weil der hier erfolgte Auftraggeberwechsel von der Beigeladenen zu 2 zur Antragsgegnerin keine wesentliche Vertragsänderung darstelle. Die VK Westfalen habe in ihrer rein formalistischen Argumentation übersehen, dass auch unwesentliche Vertragsänderungen, die keine Neuausschreibung erforderlich machen, neue übereinstimmende Willenserklärungen voraussetzen. Demnach stehe das von der VK Westfalen gewählte Kriterium zur Begründung einer Pflicht zur Neuausschreibung – die Abgabe von Willenserklärungen – offensichtlich in Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH. Denn jede Vertragsänderung setze neue, übereinstimmende Willenserklärungen voraus, so dass die Unterscheidung des EuGH in wesentliche und unwesentliche Vertragsänderungen ins Leere liefe. So stelle der EuGH in seiner „pressetext“-Entscheidung ausdifferenzierte Kriterien für eine Bewertung der vergaberechtlichen Relevanz des Wechsels einer Vertragspartei (dort: des Auftragnehmers) auf. Die dabei entwickelten Ausnahmen von dem Grundsatz, dass der Wechsel einer Vertragspartei eine vergaberechtsrelevante wesentliche Vertragsänderung sei, hätten nunmehr in verallgemeinerter Form Eingang in Artikel 72 der neuen Vergaberichtlinie 2014/24/EU gefunden. Eine Ausnahme gelte nach der Literatur jedoch für den Wechsel des Auftraggebers. Denn der Wettbewerb sei vom Wechsel des Auftraggebers in der Regel weit weniger tangiert als bei einem Wechsel des Auftragnehmers. Zudem würden auch Sinn und Zweck der Regelung die entsprechende Anwendung auf Unternehmensumstrukturierungen des Auftraggebers gebieten. Denn die Regelung solle und müsse verhindern, dass durch im Geschäftsverkehr übliche Umstrukturierungen zwangsläufig eine Pflicht zur Neuausschreibung eines öffentlichen Auftrags entstehe.
Schließlich liege aufgrund der hier vorliegenden besonderen Konstellation auch ein Alleinstellungsmerkmal der Beigeladenen zu 1 i. S.v. § 3 Abs. 4 lit. c) VOL/A-EG vor, das eine Vergabe der Versicherungsdienstleistungen im Wege des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb rechtfertige. Ein Alleinstellungsmerkmal i. S.v. § 3 Abs. 4 lit. c) VOL/A-EG sei immer dann anzunehmen, wenn das Unternehmen, an das der Auftrag direkt vergeben werden solle, Monopolist der nachgefragten Leistung sei. Die Beigeladene zu 1 habe hinsichtlich der nachgefragten betrieblichen Altersversorgung eine solche Monopolstellung inne.
Hierauf entgegnete der Antragsteller zu 1 mit Schriftsatz vom 09.12.2015, dass er die Leistungen des nachgefragten Durchführungswegs unmittelbar entweder als alleiniger Auftragnehmer, als Hauptauftragnehmer mit einem Subunternehmer oder als Teil einer Bietergemeinschaft anbiete. In welcher „Eigenschaft“ der Antragsteller im Einzelfall in einem Vergabeverfahren auftrete, hänge von dem Durchführungsweg und den konkreten Ausschreibungsbedingungen ab. Der Antragsteller habe ein eigenes unmittelbares Interesse an dem Auftrag und werde zu diesem ggf. mit einem Nachunternehmer oder als Teil einer Bietergemeinschaft anbieten. Daneben habe er sein Interesse ausreichend durch den vorliegenden Nachprüfungsantrag bekundet.
Die von der Antragsgegnerin behauptete unveränderte Fortgeltung der Beteiligungsvereinbarung der Beigeladenen zu 1 mit der Beigeladenen zu 2 habe es bereits aus Sicht der Beigeladenen zu 1 nicht gegeben. Die Beigeladene zu 1 verlange auch bei Umstrukturierungsmaßnahmen stets einen neuen Vertragsabschluss und prüfe zuvor, ob der neue Arbeitgeber der bislang bei ihr versicherten Beschäftigten die Voraussetzungen für eine Aufnahme als neues Mitglied erfülle. Im Übrigen belege auch die von der Antragsgegnerin zitierte Bestimmung der Personalüberleitungsvereinbarung vom 07.07.2015, dass es sich aus Sicht der Vertragsparteien bei der Beteiligungsvereinbarung um einen neuen, eigenen Auftrag der Antragsgegnerin handeln würde. Auch die Bezugnahme auf Art. 72 der RL 2014/24/EU und § 132 Abs. 2 Nr. 4 GWB-E (in der Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum VergRModG) könne den Fall des Auftraggeberwechsels, bei dem ein neuer, bisher nicht existenter Auftraggeber seine Angelegenheiten vertraglich regele, nicht rechtfertigen. Beide Normen würden sich ausdrücklich auf den Auftragnehmerwechsel beschränken, so dass davon auszugehen sei, dass der Auftraggeberwechsel auch nach der Vorstellung des Richtlinien- und Bundesgesetzgebers eine wesentliche Vertragsänderung darstelle. Der Auftraggeberwechsel sei vorliegend schon deshalb eine wesentliche Vertragsänderung im Sinne der „pressetext“-Entscheidung des EuGH, da nicht etwa ein Vertragsverhältnis aufgrund einer rein internen Neugestaltung auf Auftraggeberseite ohne Marktbezug übergehe, sondern ein neugegründeter Auftraggeber hervortrete, der einen eigenen, bis dato nicht bestehenden Beschaffungsbedarf mit dem Neuabschluss des Vertrags decken will.
Ebenso sei eine objektive Monopolstellung der Beigeladenen zu 1 offensichtlich nicht gegeben, da Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in allen Durchführungswegen auch von anderen Unternehmen erbracht werden können. Vorliegend sei auch kein in § 3 EG Abs. 4 lit. c VOL/A genannter Fall von technischen oder künstlerischen Besonderheiten des Auftrags oder aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten gegeben. Schließlich könne eine Monopolstellung i. S.v. § 3 EG Abs. 4 lit c VOL/A auch nicht aus einer etwaigen tarifvertraglichen oder gesetzlichen Bindung des Auftraggebers folgen, da hier auf eine einzigartige künstlerische Befähigung oder besondere technische Ausstattung abgezielt werde. Beides müsse im Anbieter/Auftragnehmer der besonderen Leistung begründet sein, nicht in verträglichen oder gesetzlichen Bindungen des Auftraggebers. Könnten nach dem Urteil des EuGH (Urteil vom 15.07. 2010, Rs, C-271/08, Tz. 56, 58; Roth) schon auf höherrangigem Tarifvertragsrecht beruhende Rechte der Arbeitnehmer keine Ausnahme vom Vergaberecht begründen, gelte dies erst recht für den vorliegenden Fall, in dem gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB die tarifvertraglichen Rechte einseitig zwingend als Mindestarbeitsbedingungen zugunsten des Arbeitnehmers fortgelten und die Antragsgegnerin wie einen aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband austretenden Arbeitgeber an den zum Zeitpunkt des Austritts geltenden Tarifvertrag binden.
Durch die fortgeltenden §§ 1, 2 BG-ATV, die eine Versicherung der Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 2 bei der Beigeladenen zu 1 vorsehen, würden im vorliegenden Fall die öffentlichrechtlichen Pflichten des Auftraggebers zur Ausschreibung nicht berührt. Die Antragsgegnerin bleibe somit trotz der tarifvertraglichen Bindung zur Ausschreibung verpflichtet.
Soweit die Antragsgegnerin meine, sie sei verpflichtet gewesen, ihre neuen Beschäftigten bei der Beigeladenen zu 1 zu versichern, da im Personalüberleitungsvertrag keine Öffnung vorgesehen worden sei, könne sie hiermit nicht durchdringen, da es sich beim Personalüberleitungsvertrag zum einen um eine freiwillige vertragliche Verpflichtung der Antragsgegnerin handle, die ihre vergaberechtlichen Pflichten nicht suspendiert. Zum anderen hätte ein Arbeitnehmer, wenn ein Arbeitgeber die Versicherung bei einem bestimmten Versicherer entgegen (tarif-) vertraglicher Zusagen nicht durchführen könne, nur einen Anspruch auf eine wertgleiche Versicherung. Etwaige Rechte der Beschäftigten seien, von der Antragsgegnerin im Verhältnis zu den Beschäftigten zu regeln und führten – ebenso wie andere gesetzliche Verpflichtungen eines Auftraggebers – nicht zu einer Ausnahme von der Ausschreibungspflicht aufgrund der Beschaffungsautonomie oder i. S.v. § 3 EG Abs. 4 lit. c VOL/A.
Die ehrenamtliche Beisitzerin sowie die hauptamtliche Beisitzerin haben die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden übertragen.
Mit Beschluss vom 09.12.2015 wurde die V.., an die der Auftrag über die betriebliche Altersversorgung der Mitarbeiter der Antragsgegnerin vergeben worden war, im Verfahren als Beigeladene zu 1 beigeladen. Die V..-B.. (VBG) wurde – nachdem sie ihre Beiladung im Verfahren am 01.12.2015 bei der Vergabekammer beantragt hat – mit Beschluss vom 14.12.2015 als Beigeladene zu 2 beigeladen.
Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 10.12.2015 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 18.12.2015 geladen. Die Beigeladene zu 2 wurde mit Schreiben vom 14.12.2015 geladen.
Mit Schriftsatz vom 15.12.2015 nahm die Antragsgegnerin nochmals Stellung, demnach fehle dem Antragsteller zu 1 die gemäß § 107 Abs. 2 GWB erforderliche Antragsbefugnis. Denn er könne die streitgegenständliche Leistung weder allein noch im Rahmen einer Bietergemeinschaft erbringen.
Bei Versorgungsleistungen mittels Pensionskassen handele es sich um Versicherungsgeschäfte. Versicherungsgeschäfte dürften aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 7 Abs. 2 Satz 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), nur von Versicherungsunternehmen erbracht werden. Dass Pensionskassen stets Versicherungsunternehmen sein müssen, folge zudem bereits aus der Legaldefinition der Pensionskassen gemäß § 118 a VAG. Zur Leistungserbringung über den Durchführungsweg „Pensionskasse“ seien somit nur solche Unternehmen berechtigt, die eine Erlaubnis zum Betrieb von Versicherungsgeschäften im Sinne des § 5 Abs. 1 VAG besitzen. Der Antragsteller zu 1 sei nicht in der Lage, Versorgungsleistungen im Durchführungsweg der Pensionskasse als alleiniger Auftragnehmer zu erbringen, da er kein Versicherungsunternehmen im Sinne des § 5 Abs. 1 VAG sei. Somit erfülle er nicht die rechtlichen Voraussetzungen um Versorgungsleistungen im Wege der Pensionskasse zu erbringen. Gemäß § 2 der Satzung des Antragstellers kooperiere er daher auch mit einer Pensionskasse.
Die in der Satzung beschriebene Kooperation aber reiche für eine Antragsbefugnis nicht aus. Denn der Antragsteller zu 1 könne die nachgefragte Leistung auch nicht gemeinsam mit einem Versicherungsunternehmen im Sinne des § 5 Abs. 1 VAG als Nachunternehmer oder als Mitglied einer Bietergemeinschaft erbringen. Eine Leistungserbringung des Antragstellers zu 1 unter Hinzuziehung eines Nachunternehmers, der über die Erlaubnis zum Betrieb eines Versicherungsunternehmens gemäß § 5 Abs. 1 VAG verfügt, sei rechtlich ausgeschlossen. Versicherungsgeschäfte dürften aufgrund der §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 7 Abs. 2 Satz 1 VAG nur von Versicherungsunternehmen erbracht werden. Der Antragsteller zu 1 sei kein Versicherungsunternehmen im Sinne des VAG und dürfe daher auch keine selbstständigen Versorgungsleistungen im Durchführungsweg der Pensionskasse anbieten. An der rechtlichen Unzulässigkeit ändere auch die Hinzuziehung eines Nachunternehmers, der über eine Erlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 VAG verfüge, nichts.
Auch die Erbringung der Versorgungsleistungen im Rahmen einer Bietergemeinschaft mit einem Mitglied, das über die erforderliche versicherungsrechtliche Erlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 VAG verfüge, komme nicht in Betracht. Die Leistungserbringung im Rahmen einer Bietergemeinschaft setze voraus, dass die Bietergemeinschaft, die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, um ein Versicherungsgeschäft zu betreiben. Bietergemeinschaften seien in der Regel Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) gemäß § 705 ff. BGB. Da in diesem Fall die GbR selbst die Versicherungsleistung erbringe, müsse diese auch selbst über die Erlaubnis zum Betrieb eines Versicherungsunternehmens gemäß § 5 Abs. 1 VAG verfügen. Den rechtlichen Anforderungen an den Betrieb eines Versicherungsunternehmens könne eine Bietergemeinschaft jedoch nicht genügen, da sie nicht dem Zweck diene, dauerhaft Versicherungsleistungen zu erbringen. Ausschließlicher Zweck der Bietergemeinschaft sei vielmehr die Teilnahme an einem konkreten Vergabeverfahren. Somit wäre der Antragsteller zu 1 auch nicht in der Lage, die nachgefragte Leistung im Rahmen einer Bietergemeinschaft mit einem Versicherungsunternehmen anzubieten.
Selbst wenn das anders wäre, fehlte es an einer Antragsbefugnis, weil der Nachprüfungsantrag in diesem Fall nur von der Bietergemeinschaft, nicht aber von einem einzelnen Mitglied einer Bietergemeinschaft, gestellt werden könne. Schließlich sei es auch falsch und unerheblich, dass es für den Antragsteller zu 1 angeblich nicht absehbar gewesen wäre, welcher Durchführungsweg hier nachgefragt worden sei. Auch liege in dem Auftraggeberwechsel von der Beigeladenen zu 2 zur Antragsgegnerin kein vergaberechtsrelevanter Vorgang, denn der Auftraggeberwechsel sei wettbewerbsneutral, da der Vertrag inhaltlich unverändert fortbestehe. Selbst wenn man einen Wechsel des Auftraggebers nicht für wettbewerbsneutral halte, handele es sich vorliegend um eine vergaberechtlich zulässige, unwesentliche Vertragsänderung.
Mit Schreiben vom 15.12.2015 beantragte die Beigeladene zu 1 aufgrund der Kürze der Zeit zwischen Beiladung und mündlicher Verhandlung auch nach der mündlichen Verhandlung – natürlich unter Berücksichtigung einer von der Vergabekammer zu setzenden Einlassungsfrist – noch schriftlich zu den verschiedenen Fragen Stellung nehmen und Anträge stellen zu können.
Mit Schriftsatz vom 17.12.2015 beantragte die Beigeladene zu 2:
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Beigeladene zu 2 zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war und
3. dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen zu 2 aufzuerlegen.
So mangele es dem Antragsteller zu 1 bereits an einem eigenen Interesse im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Er habe schon von seinem Geschäftszweck kein eigenes Interesse – und darauf komme es an – an dem hier angegriffenen Vertragsverhältnis.
Zudem sei die fortgeführte Altersversorgung durch den Abschluss der Beteiligungsvereinbarung wettbewerbsneutral und unterhalb der Erheblichkeitsschwelle für vergabepflichtige Vertragsänderungen. Auch sei die Entscheidung über die Fortführung der Altersversorgung im Zusammenhang mit der Überleitung des Personals auch aufgrund des Bestimmungsrechts des öffentlichen Auftraggebers ohne Beanstandung.
Die mündliche Verhandlung fand am 18.12.2015 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Den Verfahrensbeteiligten wurde insbesondere zur Thematik der Antragsbefugnis des Antragstellers zu 1 eine Schriftsatzfrist bis 15.01.2016 gewährt.
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 14.01.2016 erklärte der Antragsteller zu 1, dass er ein eigenes, in verfahrensrechtlicher Hinsicht anzuerkennendes Interesse an dem Auftrag habe. Dieses Interesse sei nicht nach einem bestimmten Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung zu bestimmen, insbesondere nicht nach dem Durchführungsweg „Pensionskasse“, da die Qualität des defacto vergebenen Auftrags nicht allein maßgeblich sein dürfe. Von Rechts wegen müsse sich aber der Antragsteller zu 1 für seine Antragsbefugnis im vorliegenden Verfahren nicht an dem genauen Inhalt des defacto vergebenen Auftrag messen lassen, sondern es genüge, dass er in dem Leistungsbereich betriebliche Altersversorgung, die seinen satzungsgemäßen Aufgabenbereich beinhaltet, leistungsbereit sei. Die Vorgabe des Durchführungswegs einer umlagefinanzierten Pensionskasse, die das kennzeichnende Element der Beigeladenen zu 2 sei, wäre im Falle einer künftigen Ausschreibung weder eine zulässige Mindestanforderung im Rahmen der Eignung noch der Produktbeschreibung. Da noch keine ordnungsgemäße Ausschreibung erfolgt sei, dürften jedenfalls Detailanforderungen einer möglichen künftigen Ausschreibung nicht zur Erschwernis der Antragsbefugnis beim Angriff auf eine fehlerhafte defacto-Vergabe herangezogen werden.
Für die zu beschaffenden Produkte im Durchführungsweg Pensionskassenversorgung gem. §§ 1 Abs. 1 S. 2, 1b Abs. 3, 2 Abs. 3 BetrAVG sei die Finanzierungsform der Pensionskasse nicht kennzeichnend. Der Beschaffungsgegenstand werde im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung von den arbeitsrechtlichen Vorgaben im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) bestimmt. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG definiere mit den möglichen Gegenständen der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung durch den Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern den Katalog der vom Arbeitgeber zu beschaffenden Versicherungsleistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung. Diese Leistungen könne der Arbeitgeber durch die Festlegung eines oder mehrerer Durchführungswege i. S.v. § 1 Abs. 1 S. 2, 1b Abs. 2 – 4 BetrAVG weiter konkretisieren. Das BetrAVG kenne keine weitere Differenzierung nach der Finanzierungsweise des Trägers der betrieblichen Altersversorgung, sondern nur die grundsätzliche Differenzierung der Finanzierung der Altersversorgungsleistungen insgesamt als arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanziert (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG).
Die Festlegung des Leistungsgegenstands auf den Durchführungsweg der umlagefinanzierten Pensionskasse würde den Bieterkreis ohne sachlichen Grund einschränken, da es auch zahlenmäßig mehr kapitalgedeckte Pensionskassen gebe als umlagefinanzierte.
Darüber hinaus sei bei einer unzulässigen defacto-Vergabe im Hinblick auf einen effektiven Rechtsschutz einem Antragsteller nur dann die Antragsbefugnis zu versagen, wenn offensichtlich bei ihm keine Rechtsbeeinträchtigung vorliegen könne.
Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Sollte künftig eine Pensionskassen-Versorgung ausgeschrieben werden, könnte der Antragsteller zu 1 in Bietergemeinschaft mit einer Pensionskasse anbieten. Das Zusammenwirken mit einer Pensionskasse sei bereits in der Satzung des Antragstellers verankert; aktuell bestünden Kooperationsvereinbarungen mit 5 Pensionskassen. Selbst wenn man die Vorgabe einer umlagefinanzierten Pensionskasse für zulässig halten würde, gebe es jedenfalls kein Monopol i. S. v. § 3 EG Abs. 4 lit. d VOL/A der Beigeladenen zu 1 auf eine umlagefinanzierte Pensionskasse, so dass diese Frage für die Antragsbefugnis des Antragstellers keine Rolle spiele.
Sowohl vergaberechtlich auch versicherungsaufsichtsrechtlich sei das Zusammenwirken des Antragstellers mit einer Pensionskasse ebenfalls zulässig. Gewiss sei eine Pensionskasse ein Lebensversicherungsunternehmen, das nach §§ 5, 118a VAG a. F. grundsätzlich der Zulassung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bedürfe. Das Erlaubniserfordernis für eine Pensionskasse erstrecke sich jedenfalls nicht auf eine Bieter-/Arbeitsgemeinschaft, bei der einzig die Pensionskasse die Versicherungsleistungen erbringe. Der Antragsteller zu 1 verweist insoweit auf eine Stellungnahme der B … GmbH vom 12.01.2016, die verschiedene Formen des Zusammenwirkens aufzeigt (Anlage ASt 13).
Die Antragsgegnerin nahm mit Schriftsatz vom 15.01.2016 Stellung und führte aus, dass eine Antragsbefugnis des Antragstellers zu 1 nicht gegeben sei. Die Anforderungen des § 107 Abs. 2 GWB würden auch für das Feststellungsverfahren nach § 101b GWB gelten. Danach müsse ein Antragsteller ein Interesse am Auftrag haben und die Verletzung in eigenen Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB geltend machen. Die vergaberechtliche Rechtsprechung prüfe im Rahmen von Verfahren nach § 101b GWB insbesondere, ob ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller bei einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten hätte (und damit ein Schaden entstehen konnte).
Es sei aber ausgeschlossen, dass der Antragsteller zu 1 den Zuschlag zur Erbringung der betrieblichen Altersversorgung in dem Durchführungsweg einer umlagefinanzierten Pensionskasse für die Beschäftigten der Antragsgegnerin erhalten hätte. Denn weder er selbst noch eine Bietergemeinschaft mit dem Antragsteller zu 1 als Mitglied verfüge über die für die Erteilung einer Versicherungserlaubnis nach dem VAG erforderliche Rechtsform. Nach § 8 Abs. 2 VAG n. F. dürfe eine Versicherungserlaubnis nur solchen Unternehmen erteilt werden, die in der Form einer AG, einer SE, eines VVaG, einer öffentlichrechtlichen Körperschaft oder einer Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert sind. Das sei weder beim Antragssteller zu 1 der Fall, der als e. V. organisiert sei, noch bei einer regelmäßig als GbR organisierten Bietergemeinschaft. Also könnten aufgrund § 8 Abs. 2 VAG n. F. weder der Antragsteller zu 1 noch eine Bietergemeinschaft mit dem Antragsteller als Mitglied Versicherungsunternehmen im Sinne des VAG werden. Auch aus dem Grund sei es folglich ausgeschlossen, dass der Antragsteller selbst oder als Teil einer Bietergemeinschaft die nachgefragten selbstständigen Versorgungsleistungen im Durchführungsweg der Pensionskasse erbringen könne.
Zudem genüge die bloße Behauptung des selbst nicht leistungsfähigen Antragstellers zu 1, ein leistungsfähiges Unternehmen hinzuziehen, den Anforderungen des § 107 Abs. 2 GWB nicht.
Die Beigeladene zu 1 legte mit Schriftsatz vom 15.01.2016 dar, dass dem Antragsteller zu 1 bereits die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB fehle, da er weder aktuell noch zukünftig eine betriebliche Altersvorsorge im Wege einer umlagefinanzierten Pensionskasse anbieten könne, die mit der Vorsorge bei der Beigeladenen zu 1 vergleichbar wäre. Antragsbefugt seien aber grundsätzlich nur solche Unternehmen, die den Auftrag auch (zumindest potentiell) übernehmen könnten. Der Antragsteller zu 1 biete selbst keinerlei Versorgungsleistungen der betrieblichen AItersvorsorge an. Er werde weder im Verhältnis zu den Arbeitnehmern noch zu den Arbeitgebern tätig. Als Pensionskasse agiere die G. Pensionskasse AG (die spätere Antragstellerin zu 2). Die Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung würden von der B… Service GmbH und einem externen Verwalter durchgeführt. Die versicherungstechnischen Aufgaben würden von der P… Unternehmensgruppe durchgeführt. Sämtliche Dienstleistungen der betrieblichen Altersvorsorge, die der Antragsteller zu 1 vermittle, würden daher nicht von ihr selbst, sondern von Dritten durchgeführt. Die Tätigkeit des Antragstellers zu 1 umfasse entsprechend seiner eigenen Darstellung der Arbeitsteilung mit den verschiedenen externen Leistungserbringern lediglich die – Verbänden üblicherweise zukommende – Aufgaben der Bündelung der Interessen der Mitgliedsunternehmen.
Der Antragsteller zu 1 könne den Durchführungsweg einer umlagefinanzierte Pensionskasse weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft anbieten. Denn er kooperiere gem. § 2 Abs. 2 seiner Satzung gegenwärtig nur mit einer Pensionskasse. Diese sei ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten Präsentation (siehe Anlage ASt 9) die Antragstellerin zu 2, die allerdings keine umlagefinanzierte Pensionskasse anbiete und auch zukünftig nicht anbieten werde, sondern nur eine kapitalgedeckte Pensionskasse. Denn aus § 232 Abs. 1 Nr. 1 VAG sei zu entnehmen, dass Pensionskassen grundsätzlich im Wege des Kapitaldeckungsverfahrens betrieben werden müssten. Von dieser Vorgabe seien gemäß § 1 Abs. 3 VAG lediglich die Beigeladene zu 1 sowie andere öffentlichrechtliche Versicherungsunternehmen des öffentlichen Dienstes oder der Kirchen ausgenommen – nur diese könnten somit Pensionskassen im Wege einer Umlagefinanzierung betreiben.
Zudem sei die Antragsgegnerin arbeitsrechtlich verpflichtet, die betriebliche Altersvorsorge bei der Beigeladenen zu 1 fortzuführen.
Der Abschluss der Beteiligungsvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1 sei im Übrigen aufgrund von § 3 Abs. 4 Buchst, c) VOL/A-EG ohne vorherige Ausschreibung gerechtfertigt gewesen. Die Antragsgegnerin sei aufgrund ihrer Freiheit den Beschaffungsbedarf zu bestimmen berechtigt und arbeitsrechtlich sogar dazu verpflichtet mit der Beigeladenen zu 1 die Beteiligungsvereinbarung zur unveränderten Fortführung der betrieblichen Altersvorsorge ihrer Angestellten abzuschließen. Anders als in den bisher vom EuGH und der VK Westfalen entschiedenen Fallgestaltungen im Hinblick auf die Ausschreibungspflicht für betriebliche Altersversorgungsleistungen seien vorliegend sowohl der Versorgungsweg als auch der Versorgungsträger eindeutig festgelegt. Hierdurch sei ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Einhaltung eben dieses Durchführungsweges bei eben diesem Versorgungsträger entstanden.
Mit Schreiben vom 15.01.2016 trug die Beigeladen zu 2 vor, dass der Antragsteller zu 1 schon nicht antragsbefugt sei, weil er wegen der fehlenden versicherungsrechtlichen und gewerberechtlichen Erlaubnis die Leistungen einer Pensionskasse nicht anbieten könne, und diese auch weder künftig selbst noch unter Zuhilfenahme Dritter anbieten können werde.
Der Antragsteller zu 1 sei gegenwärtig nicht leistungsfähig, weil er als eingetragener nichtwirtschaftlicher Verein versicherungsrechtlich keine Erlaubnis für die Erbringung von Versicherungsleistungen besitze. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nr. 33, § 8 Abs. 1 und 2 VAG könnten Versicherungsleistungen nur von Versicherungsunternehmen erbracht werden. Dies gelte insbesondere für Unternehmen, die Pensionskassenleistungen erbringen (§ 232 VAG). Unternehmen, die geschäftlich Versicherungsleistungen durchführen und anbieten wollen, bedürften daher der versicherungsrechtlichen Erlaubnis nach § 8 Abs. 1 VAG. Eine Erlaubnis nach dieser Vorschrift bekämen nur solche Unternehmen, die u. a. eine nach dem VAG zulässige Rechtsform haben. Nach § 8 Abs. 2 VAG müssten Versicherungsunternehmen zwingend als Aktiengesellschaften (AG), einschließlich der Europäischen Gesellschaft (SE), Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (WaG) oder Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts verfasst sein. Diese Vorschrift normiere abschließend die für Versicherungsunternehmen zulässigen Rechtsformen. Der Antragsteller zu 1 sei ein eingetragener nichtwirtschaftlicher Verein i. S. d. § 21 ff. BGB. In dieser Rechtsform könne er sich nicht legal mit der Erbringung von Versicherungsleistungen befassen.
Seine Leistungsfähigkeit könne der Antragsteller zu 1 auch nicht durch den Rückgriff auf dritte Unternehmen herstellen. Nach seinem Vortrag würde er die Versicherungsleistungen auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung als Systemanbieter selbstständig gegenüber der Antragsgegnerin erbringen. Dabei würde er ggf. auf die Versicherungsleistungen seiner Mitgliedsunternehmen zurückgreifen. Durch ein solches Vorgehen wäre der Antragsteller zu 1 selbstständiger Generalunternehmer für Versicherungsleistungen.
Durch eine solche Tätigkeit würde der Antragsteller entgeltlich Versicherungsleistungen anbieten und damit unter den Erlaubnisvorbehalt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nr. 33, § 8 Abs. 1 und 2 VAG fallen. Aufgrund seiner Rechtsform würde er die erforderliche versicherungsrechtliche Erlaubnis aber gerade nicht erlangen können. Im Versicherungssektor würden Leistungen des Generalübernehmers durch das Berufsbild des Versicherungsvermittlers erbracht. Versicherungsvermittler benötigten für ihre Geschäftstätigkeit nach § 34d GewO i. V. m. § 48 Abs. 1 VAG allerdings
eine Gewerbeerlaubnis. Grundvoraussetzung der Gewerbeerlaubnis sei aber, dass der Versicherungsvermittler gewerblich handle. Genau diese Voraussetzung würde der Antragsteller zu 1 nicht erfüllen.
Auch ein Zusammenschluss des Antragstellers zu 1 mit anderen Unternehmen zu einer Bietergemeinschaft, die selbstständig die erforderlichen Versicherungsleistungen erbringen würde, würde die Leistungsfähigkeit des Antragstellers zu 1 nicht herstellen. Diese Bietergemeinschaft wäre eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschaftszweck die Erbringung von Versicherungsleistungen wäre. § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nr. 33, § 8 Abs. 1 und 2 VAG verböten es Gesellschaften, die keine der zulässigen Rechtsformen annehmen, Versicherungsleistungen zu erbringen. Die Erbringung von Versicherungsleistungen durch Gesellschaften bürgerlichen Rechts sei gesetzlich nicht gestattet und könne auch nicht durch eine Erlaubnis nach § 8 Abs. 1 VAG legalisiert werden.
Mit Schreiben vom 01.02.2016 lud die Vergabekammer Südbayern zu einer zweiten mündlichen Verhandlung am 25.02.2016 um 10.30 Uhr im Dienstgebäude der Regierung von Oberbayern, Maximilianstr. 39, 80538 München, Raum 5317.
Mit Schriftsatz der bereits für den Antragsteller zu 1 mandatierten Kanzlei SNP Schlawien vom 16.02.2016 erklärte die G. AG, dem Verfahren auf Seiten des Antragstellers zu 1 beizutreten und bat um entsprechende Ergänzung des Aktiv-Rubrums.
Sie beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass die unmittelbare Vergabe der Leistungen der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung der Antragsgegnerin an die Beigeladene durch Beitritt der Antragsgegnerin zur Beigeladenen von Anfang an unwirksam ist.
2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, bei Fortbestehen der Absicht der Beschaffung von Leistungen der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung von einem Dritten zur Auftragserteilung ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften der §§ 97ff. GWB durchzuführen.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur entsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin zu 2).
4. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu 2) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin zu 2) wird für notwendig erklärt.
Der Verfahrensbeitritt der Antragstellerin zu 2 zum Nachprüfungsantrag des Antragstellers zu 1 im laufenden Verfahren sei aus prozessökonomischen Gründen entsprechend § 64 VwGO zulässig.
Der Beitritt/Nachprüfungsantrag sei fristgerecht gemäß § 101b Abs. 2 GWB erfolgt, da die angegriffene defacto-Vergabe am 25.09.2015 erfolgt sei. Mithin seien weniger als 6 Monate vor der vorliegenden prozessualen Erklärung vergangen, und die Antragstellerin zu 2 habe erst seit 8 Tagen, somit weniger als 30 Kalendertage, von dem Verstoß Kenntnis.
Die Antragstellerin zu 2 biete betriebliche Altersversorgung als Pensionskasse an. Sie sei ins Handelsregister beim AG K.. unter HRB .. eingetragen. Sie sei daran interessiert, die Mitarbeiter der Antragsgegnerin zu versichern, wenn diese den Durchführungsweg Pensionskasse wählen würde.
Die Antragstellerin zu 2 unterliege der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin); sie sei versicherungsaufsichtsrechtlich zugelassen.
Die Antragstellerin zu 2 mache sich im Übrigen den bisherigen Sachvortrag des Antragstellers zu 1 zu Eigen.
Die Vergabekammer hat der Antragsgegnerin und den Beigeladenen zu 1 und 2 mit Schreiben vom 17.02.2016 Gelegenheit zur Stellungnahme zum Verfahrensbeitritt der G. AG bis spätestens 22.02.2016 gewährt. Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen haben dem Verfahrensbeitritt der G. AG in ihren jeweiligen Schriftsätzen vom 22.02.2016 nicht zugestimmt.
Die zweite mündliche Verhandlung fand am 25.02.2016 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert.
Auf Nachfrage des Vorsitzenden erklärt der Antragsteller zu 1 dass er bei nicht versicherungsförmigen Verträgen die gesamte Verwaltungsleistung erbringe, also insbesondere die Leistungsberechnung, die Bescheidung, die Erstellung der Verfallbarkeitsbescheinigung und die Auszahlung der Leistung an den einzelnen Arbeitnehmer. Als Gegenleistung hierfür erhalte er die Verwaltungskosten vom Auftraggeber ersetzt.
Bei versicherungsförmigen Verträgen verhalte es sich ähnlich. Lediglich die Auszahlung der Leistung an den einzelnen Arbeitnehmer erfolge nicht von ihm, sondern von der Versicherung. Er erstelle in diesem Fall die Quermitteilungen. Als Gegenleistung hierfür erhalte er keine Verwaltungskosten vom Auftraggeber ersetzt, sondern Provisionen vom Versicherer.
Die entgangene Vergütung, entweder in Form der Verwaltungskosten oder in Form der Provisionen, stelle den Schaden für den Antragsteller zu 1 dar.
Bei versicherungsförmigen Leistungen erfolge der Zuschlag durch den Beitritt des Auftraggebers beim Antragsteller zu 1 und zum Kollektivvertrag. Liege die Liste der Arbeitnehmer schon vor, werde auch der Versicherungsvertrag vom Auftraggeber unterzeichnet. Liege die Liste der Arbeitnehmer noch nicht vor, werde der Versicherungsvertrag nach Vorlage dieser Liste vom Auftraggeber unterzeichnet. Die Versicherungsleistungen erbringe immer ein Versicherungsunternehmen, der entsprechende Vertrag werde direkt zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Auftraggeber geschlossen.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung ergeht der Beschluss der Vergabekammer, die subjektive Klageänderung durch den Beitritt der G. AG entsprechend § 91 VwGO, 263 ZPO als sachdienlich zuzulassen und die G. AG folglich als Antragstellerin zu 2 ins Verfahren zu nehmen.
Allen Parteien wurde die Möglichkeit eingeräumt, sachdienliche Anregungen zur Formulierung von Vorlagefragen für eine Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 AEUV bis 10.03.2016 zu übermitteln.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert, soweit diese vor den mündlichen Verhandlungen eingingen. Im Einzelnen wird auf deren Inhalt sowie auf die weiteren vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus § 104 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und § 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung zur Regelung von Organisation und Zuständigkeiten im Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge (BayNpV). Die Vergabekammer Südbayern ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BayNpV örtlich zuständig, da die Vergabestelle ihren Sitz im Regierungsbezirk Oberbayern hat.
Gegenstand der Vergabe ist eine Dienstleistung i. S. d. § 99 Abs. 4 GWB. Die Antragsgegnerin ist Auftraggeber gemäß § 98 Abs. 2 GWB.
Der Anwendungsbereich des vierten Teils des GWB und der BayNpV ist nur eröffnet, wenn der geschätzte Auftragswert den Schwellenwert erreicht oder übersteigt (§ 100 Abs. 1 GWB i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 BayNpV). Der für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen geltende Schwellenwert i. H. v. 207.000 Euro ist vorliegend bei einem gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV auf 48 Monate bezogenen Finanzierungsvolumen der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung bei Weitem überschritten.
Eine Ausnahmebestimmung des § 100 Abs. 2 GWB liegt nicht vor.
Die Vergabekammer Südbayern ist nach der Rechtsprechung des EuGH als „Gericht“ i. S. d. § 267 AEUV anzusehen (EuGH, Urteil vom 18.09.2014 – C-549/13). Sie ist daher zur Vorlage an den Gerichtshof befugt.
Bereits die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags hängt maßgeblich von der Beantwortung der unter 1 gestellten Vorlagefrage zur Auslegung des Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG zur Antragsbefugnis eines Wirtschaftsteilnehmers, der die Unwirksamkeit eines ohne vorherige Bekanntmachung im Amtsblatt der europäischen Union abgeschlossenen Vertrags nach Art. 2d Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG geltend macht, ab.
Die Antragsbefugnis sowohl des Antragstellers zu 1 als auch der Antragstellerin zu 2 hängt maßgeblich davon ab, ob die Antragsgegnerin ohne ein Vergabeverfahren durchzuführen, die Leistungserbringung im Durchführungsweg der umlagefinanzierten Pensionskasse zwingend vorgeben kann, so dass sich auch bei einer gedachten Ausschreibung nur solche Wirtschaftsteilnehmer beteiligen könnten, die solche Leistungen anbieten können, wie die Beigeladene zu 1.
Der Antragsteller zu 1 kann Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge weder im Durchführungsweg der umlagefinanzierten Pensionskasse noch in einem anderen versicherungsförmigen Durchführungsweg in eigener Person erbringen. Dies ergibt sich bereits aus den Rechtsformvorgaben des nationalen Rechts. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 7 Nr. 33, 8 Abs. 1 und 2 VAG lassen die Erbringung von Versicherungsleistungen nur durch Aktiengesellschaften (AG), einschließlich der Europäischen Gesellschaft (SE), Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (WaG) oder Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zu. Dem könnte der Antragsteller zu 1 als eingetragener Verein (e.V.) weder in eigener Person noch im Rahmen einer Bietergemeinschaft genügen, da eine solche Bietergemeinschaft die Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) hat, was ebenfalls keine zulässige Rechtsform nach dem VAG darstellt. Die Hauptleistungspflichten aus einem Vertrag über die Erbringung von Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge in einem versicherungsförmigen Durchführungsweg, nämlich die Versicherungsleistungen, könnte nicht der Antragsteller zu 1 sondern nur ein mit ihm kooperierendes Versicherungsunternehmen erbringen. Der entsprechende Vertrag würde direkt zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Auftraggeber geschlossen. Der Antragsteller zu 1 könnte lediglich Nebenleistungen wie die Leistungsberechnung, die Bescheidung, die Erstellung der Verfallbarkeitsbescheinigung und der Quermitteilungen erbringen und würde hierfür vom Versicherungsunternehmen Provisionen erhalten. Aufgrund der Rechtsformvorgaben des § 8 Abs. 1 und 2 VAG könnte die Leistungserbringung des Antragstellers zu 1 auch nicht im Rahmen einer Bietergemeinschaft mit dem Versicherungsunternehmen oder als Generalübernehmer erfolgen. Bei Altersvorleistungen in einem versicherungsförmigen Durchführungsweg könnte der Antragsteller zu 1 im Falle einer Vergabe der Leistung im Wettbewerb daher nur Versicherungsleistungen vermitteln und in eigener Person Nebenleistungen erbringen, nicht aber Vertragspartner des Auftraggebers werden. Sein wirtschaftlicher Schaden könnte in diesem Fällen nur in den entgangenen Provisionen der Versicherer liegen.
Die Antragstellerin zu 2 ist zwar ein Versicherungsunternehmen in der zulässigen Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) und erbringt auch Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge im versicherungsförmigen Durchführungsweg der kapitalgedeckten Pensionskasse. Allerdings kann auch die Antragstellerin zu 2 keine Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge im Durchführungsweg der umlagefinanzierten Pensionskasse erbringen. Gem. § 232 Abs. 1 Nr. 1 VAG müssen Pensionskassen grundsätzlich im Wege des Kapitaldeckungsverfahrens betrieben werden, wie dies die Antragstellerin zu 2 auch tut. Von dieser Vorgabe sind gemäß § 1 Abs. 3 VAG lediglich die Beigeladene zu 1 sowie andere öffentlichrechtliche Versicherungsunternehmen des öffentlichen Dienstes oder der Kirchen ausgenommen. Nur diese können Pensionskassen im Wege einer Umlagefinanzierung betreiben.
Die Bundesrepublik Deutschland hat Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG in § 107 Abs. 2 GWB in nationales Recht umgesetzt. Danach ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Art. 2d Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG wurde in § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB in nationales Recht umgesetzt.
Nach der nationalen Rechtsprechung (z. B. OLG Jena, Beschluss vom 19.10.2010 – Az.: Verg 5/10, ähnlich OLG Naumburg, Beschluss vom 06.12.2012 – Az.: Verg 5/12) muss gem. § 107 Abs. 2 GWB der Antragsteller eines Nachprüfungsverfahrens zum Einen ein Interesse am Auftrag haben, zum Anderen die Verletzung eigener Rechte nach § 97 Abs. 7 GWB geltend machen. Darüber hinaus muss ihm durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden drohen. Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, dürfen an die in § 107 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden; die Darlegungslast darf – auch hinsichtlich des drohenden Schadens – nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004 – Az.: 2 BvR 2248/03; BGH, Beschluss vom 01.02.2005 – Az.: X ZB 27/04). Der Antragsteller muss nicht darlegen, dass er ohne die behauptete Vergaberechtsverletzung den Zuschlag erhalten hätte. Ausreichend ist vielmehr, dass ein Schadenseintritt nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.
Trägt der Antragsteller wie hier vor, dass ein nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregeltes Vergabeverfahren bislang nicht stattgefunden hat, genügt für die Annahme eines drohenden Schadens grundsätzlich, dass der behauptete Vergaberechtsverstoß geeignet ist, die Aussichten auf Erhalt des Zuschlags zu beeinträchtigen. Das ist bei einem am Vergabeverfahren nicht beteiligten Unternehmen immer dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei einem geregelten Vergabeverfahren, dass unter für alle Interessierte gleichen Bedingungen und ohne weitere Verhandlungen mit nur einem oder nach unzulässigen Gesichtspunkten bestimmten ausgewählten Bietern stattfindet, der Antragsteller den Zuschlag erhalten hätte.
Da der Antragsteller zu 1 zweifellos auf dem Gebiet der betrieblichen Altersvorsorge tätig ist und zumindest Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge in einem nicht versicherungsförmigen Durchführungsweg auch in eigener Person oder im Rahmen einer Bietergemeinschaft erbringen könnte und die Antragstellerin zu 2 sogar ein Versicherungsunternehmen ist, das Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge im Durchführungsweg der kapitalgedeckten Pensionskasse am Markt erbringt, hängt die Entscheidung über die Antragsbefugnis der Antragssteller davon ab, ob die Antragsgegnerin, die kein geregeltes Vergabeverfahren durchgeführt hat, ihren Beschaffungsbedarf durch Erklärung im Nachprüfungsverfahren (bindend) auf die Beschaffung von Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge im Durchführungsweg der umlagefinanzierten Pensionskasse festlegen kann, so dass die Antragsteller im Rahmen einer gedachten Ausschreibung keine in Betracht kommenden Bieter wären.
Vor diesem Hintergrund legt die Vergabekammer Südbayern dem Gerichtshof die Vorlagefrage 1 zur Vorabentscheidung vor.
Ist diese Frage zu verneinen, ist die Antragsbefugnis jedenfalls der Antragstellerin zu 2, wohl aber auch des Antragstellers zu 1 aller Voraussicht nach gegeben.
Die Begründetheit des Nachprüfungsantrags hängt jedoch von der Beantwortung der Vorlagefragen unter 2 zur Auslegung der Richtlinien 2004/18/EG und 2014/24/EU ab.
Hintergrund der Vorlagefrage 2 a) ist der Vortrag der Antragsgegnerin, dass bereits kein vergaberechtsrelevanter Vorgang bzw. keine wesentliche Vertragsänderung vorliege, so dass kein Vergabeverfahren durchzuführen gewesen sei.
Die Vergabekammer Südbayern neigt zu der Auffassung, dass dem im konkreten Fall nicht zu folgen ist.
Zutreffend an der Argumentation der Antragsgegnerin ist allerdings, dass nicht jede Veränderung der Rechtsnatur eines öffentlichen Auftraggebers im Zuge einer Umstrukturierung zu einer Verpflichtung der Neuvergabe sämtlicher öffentlicher Aufträge führen kann. Werden beispielsweise zwei Kommunen oder zwei kommunale Zweckverbände zu einer neuen Kommune oder einem neuen kommunalen Zweckverband vereinigt, erscheint es sinnvoll, dass allein der Umstand, dass dadurch eine neue juristische Person auf Auftraggeberseite entsteht, nicht dazu führen muss, dass sämtliche öffentlicher Aufträge der früheren juristischen Personen sofort neu zu vergeben sind. Auch führt die Tatsache, dass der Vertragsschluss zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1 zivilrechtlich als neuer, eigenständiger Vertrags mit anderen Vertragsparteien als im früheren Vertrag zwischen der Beigeladenen zu 2 und der Beigeladenen zu 1 anzusehen ist, nicht schon per se zu einer Annahme einer wesentlichen Vertragsänderung i. S. d. der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 19.06.2008 – Rs. C-454/06, Pressetext) und gem. Art. 72 der – auf die streitgegenständliche Vergabe noch nicht anwendbaren – Richtlinie 2014/24/EU. Denn auch unwesentliche Vertragsänderungen, die keine Neuausschreibung erforderlich machen, setzen neue übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Aus Art. 72 Abs. 1 lit d) der Richtlinie 2014/24/EU lässt sich zudem entnehmen, dass eine Änderung der Person der Vertragspartner nicht stets zwingend eine wesentliche Vertragsänderung darstellen muss.
Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass aufgrund der Satzung der Beigeladenen zu 1 eine Vertragsübernahme von der Beigeladenen zu 2 auf die Antragsgegnerin nicht möglich war. Mit dem Betriebsübergang sind die auf die Antragsgegnerin übergehenden Arbeitnehmer aus dem satzungsmäßig definierten Kreis der mitgliedschaftsberechtigten Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 1 ausgeschieden. Damit endete in Bezug auf die von der Antragsgegnerin zu übernehmenden Arbeitnehmer das Vertragsverhältnis zwischen der Beigeladenen zu 2 und der Beigeladenen zu 1 und es wurde – nach Prüfung, ob die Antragsgegnerin die Statuten für eine Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1 erfüllt – ein neuer Vertrag über die Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1 abgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund geht die Vergabekammer von einem wettbewerbsrelevanten Vorgang aus. Der Antragsgegnerin entstand ein neuer Beschaffungsbedarf für die Erbringung von Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge. Dies wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Arbeitnehmer gem. § 613a Abs. 1 BGB (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG) zumindest einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin darauf haben, dass die Konditionen ihrer betrieblichen Altersversorgung nicht zu ihrem Nachteil geändert werden. Denn hätte – aus welchen Gründen auch immer – die Beigeladene zu 1 den Beitritt der Antragsgegnerin abgelehnt, hätte diese jedenfalls die entsprechenden Dienstleistungen am Markt einkaufen müssen.
Nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern liegt auch keine unwesentliche Vertragsänderung vor. Eine Aussage dahingehend, dass Konstellationen wie die vorliegende als unwesentliche, nicht ausschreibungsbedürftige Vertragsänderungen anzusehen sind, ist der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu entnehmen, insbesondere das Urteil vom 19.06.2008 – Rs. C-454/06, Pressetext, trifft dazu keine Aussage.
Auch Art. 72 der Richtlinie 2014/24/EU, der nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „unwesentlichen Vertragsänderung“ herangezogen werden kann, äußert sich nicht zur Neuvergabe eines inhaltsgleichen Auftrags an den bisherigen Vertragspartner des Rechtsvorgängers des neuen öffentlichen Auftraggeber. Da Art. 72 Abs. 1 und 2 i. V. m. Abs. 5 der Richtlinie 2014/24/EU – zumindest nach seinem Wortlaut – abschließend die Fälle einer zulässigen Vertragsänderung ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens regelt, müsste eine Fallgestaltung wie die Vorliegende an sich als ausschreibungspflichtige wesentliche Vertragsänderung anzusehen sein.
Da dies nach dem Wortlaut der Richtlinie aber für jegliche Veränderungen auf Auftraggeberseite zutreffen würde und dies bei Umstrukturierungen öffentlicher Auftraggeber zu Schwierigkeiten führen kann, legt die Vergabekammer Südbayern dem Gerichtshof die Frage 2 a) zur Vorabentscheidung vor.
Ist die Vorlagefrage 2 a) zu bejahen und grundsätzlich von einem ausschreibungsbedürftigen Sachverhalt auszugehen, stellt sich die Frage, ob die Antragsgegnerin nicht aufgrund des nationalen Arbeits- und Tarifrechts gezwungen war, den streitgegenständlichen Dienstleistungsauftrag an die Beigeladene zu 1 zu erteilen. Dadurch hätte diese ein Alleinstellungsmerkmal i. S.v. § 3 Abs. 4 lit. c) VOL/A-EG (Art. 31 Nr. 1 lit. b) Richtlinie 2004/18/EG), das eine Vergabe der Versicherungsdienstleistungen im Wege des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb rechtfertigen kann. Zwar kann nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern eine Direktvergabe in der Annahme der Unanwendbarkeit des Vergaberechts nicht ohne Weiteres in ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb umgedeutet werden. Allerdings würde den Antragstellern kein Schaden entstehen können, wenn die Antragsgegnerin zulässigerweise ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nur mit der Beigeladenen zu 1 hätte durchführen können.
Allein nach dem nationalen Arbeitsrecht wäre die Antragsgegnerin allerdings wohl verpflichtet gewesen, die Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung von der Beigeladenen zu 1 erbringen zu lassen. Die Beigeladene zu 2) war zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges an den BG-ATV gebunden. Die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer waren dabei vom Geltungsbereich nach § 1 Satz 1 BG-ATV erfasst, da die Beigeladene zu 2 zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges sogenannter Beteiligter bei der Beigeladenen zu 1 war. Somit hatte die Beigeladene zu 2 die betriebliche Altersversorgung der betroffenen Arbeitnehmer bei der Beigeladenen zu 1 durchzuführen. Tatsächlich hat die Beigeladene zu 2 die betriebliche Altersversorgung der betroffenen Arbeitnehmer auch stets und ausschließlich bei der Beigeladenen zu 1 durchgeführt. Durch diese wiederholte und dauerhafte Durchführung der betrieblichen Altersversorgung der betroffenen Arbeitnehmer bei der Beigeladenen zu 1 wurde gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern bei der Beigeladenen zu 2 eine betriebliche Übung mit dem Inhalt begründet, dass die betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe des BG-ATV bei der Beigeladenen zu 1 durchzuführen ist.
Allerdings hat der Gerichtshof im Urteil vom 15.07.2010 – Rs. C-271/08, zu einem Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer entschieden, dass der Grundrechtscharakter des Rechts auf Kollektivverhandlungen und die sozialpolitischen Zielsetzungen eines derartigen Tarifvertrags als Ganzes gesehen die öffentlichen Arbeitgeber nicht ohne Weiteres der Verpflichtung entheben können, die Erfordernisse aus den Richtlinien 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge und 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge zu beachten, die dem Schutz der Niederlassungsfreiheit und des freien Verkehrs von Dienstleistungen im öffentlichen Auftragswesen dienen.
Wenn nach der genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs schon auf höherrangigem Tarifvertragsrecht beruhende Rechte der Arbeitnehmer keine generelle Ausnahme vom Vergaberecht begründen können, müsste dies erst recht für den vorliegenden Fall gelten, in dem gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG) die tarifvertraglichen Rechte einseitig zwingend als Mindestarbeitsbedingungen zugunsten des Arbeitnehmers fortgelten und die Antragsgegnerin wie einen aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband austretenden Arbeitgeber an den zum Zeitpunkt des Austritts geltenden Tarifvertrag binden. Durch die fortgeltenden §§ 1, 2 BG-ATV, die eine Versicherung der Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 2 bei der Beigeladenen zu 1 vorsehen, werden im vorliegenden Fall die öffentlichrechtlichen Pflichten des Auftraggebers zur Ausschreibung nicht generell ausgeschlossen, sondern die von den Tarifvertragsparteien verfolgten sozialpolitischen Ziele sind mit der sich aus den Richtlinie 2004/18/EG ergebenden Erfordernissen in Einklang zu bringen. Dies kann nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern auch durch die Vergabe einer für die Arbeitnehmer „wertgleichen Versorgung“ wie beim alten Arbeitgeber (siehe auch BAG, Urteil vom 29.08.2000 – Az.: 3 AZR 201/00) im Wettbewerb erfolgen.
Aufgrund der von der Beigeladenen zu 1 in ihrem Schriftsatz vom 15.01.2016 hervorgehobenen Unterschiede des vom Gerichtshof entschiedenen Falls und der vorliegenden Konstellation, legt die Vergabekammer Südbayern dem Gerichtshof die Frage 2 b) zur Vorabentscheidung vor.
Ist die Vorlagefrage 2 b) zu verneinen und damit grundsätzlich von einem dem Wettbewerb unterliegenden Sachverhalt auszugehen, stellt sich die Frage, ob die Antragsgegnerin – ohne Verstoß gegen die vergaberechtlichen Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung – vor Durchführung eines Vergabeverfahrens ihr Leistungsbestimmungsrecht dahingehend ausüben konnte, dass sie bei der Vorgabe eines Durchführungsweges für die betriebliche Altersvorsorge auch bestimmt, wie sich der zukünftige Leistungserbringer finanziert. Die Vorgabe des Durchführungswegs der umlagefinanzierten Pensionskasse führt zu einer starken Einschränkung des Wettbewerbs, da § 232 Abs. 1 Nr. 1 VAG regelt, dass Pensionskassen grundsätzlich im Wege des Kapitaldeckungsverfahrens zu betreiben sind. Von dieser Vorgabe sind gemäß § 1 Abs. 3 VAG lediglich die Beigeladene zu 1 sowie andere öffentlichrechtliche Versicherungsunternehmen des öffentlichen Dienstes oder der Kirchen ausgenommen – nur diese können somit Pensionskassen im Wege einer Umlagefinanzierung betreiben. So könnte beispielsweise die Antragstellerin zu 2, obwohl sie ein am Markt der betrieblichen Altersvorsorge tätiges Versicherungsunternehmen ist, eine solche umlagefinanzierte Pensionskasse nicht anbieten.
Nach der ständigen nationalen Rechtsprechung insbesondere des OLG Düsseldorf ist der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitgehend frei. Die Wahl unterliegt der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers, deren Ausübung dem Vergabeverfahren vorgelagert ist. Sie muss zunächst einmal getroffen werden, um eine Nachfrage zu bewirken. Das Vergaberecht regelt demnach nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung. Nach welchen sachbezogenen Kriterien die Beschaffungsentscheidung auszurichten ist, ist ihm auch in einem Nachprüfungsverfahren nicht vorzuschreiben. Dem Auftraggeber steht hierbei ein – letztlich in der Privatautonomie wurzelndes – Beurteilungsermessen zu, dessen Ausübung im Ergebnis nur darauf kontrolliert werden kann, ob seine Entscheidung sachlich vertretbar ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.03.2010 – Az.: VII-Verg 46/09; Beschluss vom 01.08.2012 – Az.: VII-Verg 10/12, Beschluss vom 12.02.2014 – Az.: VII-Verg 29/13, ähnlich auch OLG München, Beschluss vom 28.7.2008 – Verg 10/08, OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2013 – Az.: 15 Verg 5/13; OLG Naumburg, Beschluss vom 14.03.2013 – Az.: 2 Verg 8/12).
Die Bestimmungsfreiheit wird nur begrenzt durch die Verpflichtung, den vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen.
Wie das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 12.02.2014, VII-Verg 29/13 ausführte, sind die dem Auftraggeber gesetzten vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des § 8 Abs. 7 EG VOL/A eingehalten, wenn
– die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,
– vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,
– solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind
– und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
Dabei soll der Auftraggeber nicht verpflichtet sein, sich einen möglichst breiten Überblick über die in Betracht kommenden Leistungen zu verschaffen, um die Beschaffungsentscheidung durch weitergehende Marktuntersuchungen so zu treffen, dass eine möglichst produkt- oder technikoffene Leistungsbeschreibung erreicht wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2012 – Az.: VII-Verg 10/12, a.A. OLG Jena, Beschluss vom 26.06.2006 – 9 Verg 2/06; OLG Celle, Beschluss vom 22.5.2008 – 13 Verg 1/08).
Sofern der öffentliche Auftraggeber seine Beschaffungsentscheidung nach den obigen Kriterien getroffen hat, soll es auch nicht von Bedeutung sein, ob durch eine andere Lösung das Vertragsziel des öffentlichen Auftraggebers genauso gut erreicht werden könnte, noch in welchem Maße durch diese Beschaffungsentscheidung der Wettbewerb eingeschränkt wird. Dies soll auch dann gelten, wenn aufgrund der Beschaffungsentscheidung nur ein Anbieter für die Leistung in Betracht kommt.
Auf der Basis dieser Rechtsprechung spricht alles dafür, dass die Antragsgegnerin auch den Durchführungsweg der umlagefinanzierten Pensionskasse vorgeben könnte. Als sachlicher Grund wäre schon anzuführen, dass sie nach dem nationalen Arbeitsrecht gehalten ist, die bestehende betriebliche Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter, die bisher im Durchführungsweg der umlagefinanzierten Pensionskasse erfolgte, inhaltsgleich weiter zu führen. Zudem würden Umstellungsprobleme von einem Anbieter auf den anderen Anbieter vermieden.
Die Vergabekammer Südbayern teilt im Grundsatz die herrschende Rechtsauffassung. Sie ist aber der Meinung, dass ein Verständnis des Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers, das diesem praktisch stets den Vorrang vor dem Grundsatz der Vergabe im Wettbewerb einräumt und es einem öffentlichen Auftraggeber ermöglicht, ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens durch Vorgabe von Alleinstellungsmerkmalen seines Wunschauftraggebers den Bieterkreis zu steuern, mit den Vorgaben der Vergaberichtlinien und der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu vereinbaren ist.
Im Urteil vom 08.04.2008 – C-337/05 hat der Gerichtshof entschieden, dass die Italienische Republik dadurch, dass sie in langjähriger und anhaltender Praxis ohne jedes Ausschreibungsverfahren und insbesondere ohne Befolgung der in der Richtlinie 93/36 und davor in der Richtlinie 77/62 vorgesehenen Verfahren Aufträge direkt vergeben hat, um zur Deckung des Bedarfs mehrerer Militär- und Zivilkorps des italienischen Staates Hubschrauber der Fabrikate „Agusta“ und „Agusta Bell“ zu erwerben, gegen ihre Verpflichtungen aus diesen Richtlinien verstoßen hat.
Die Italienische Republik hat zur Rechtfertigung geltend gemacht, dass zum einen aufgrund der technischen Besonderheiten der in Rede stehenden Hubschrauber nur Agusta mit deren Herstellung habe beauftragt werden können und dass es zum anderen erforderlich gewesen sei, die Interoperabilität der italienischen Hubschrauberflotte sicherzustellen, um insbesondere die Kosten im logistischen und im operativen Bereich sowie für die Pilotenausbildung zu verringern.
All dies wären aber nach der zitierten nationalen Rechtsprechung sachliche Gründe gewesen, die Beschaffungsentscheidung auf entsprechende Hubschrauber festzulegen und ggf. ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nur mit dem Hersteller dieser Hubschrauber zu führen (siehe OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2012 – Az.: VII-Verg 10/12 und besonders deutlich OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.02.2014 – Az.: VII-Verg 29/13).
Im vorliegenden Fall geht die Vergabekammer Südbayern davon aus, dass die wettbewerbsbeschränkende Festlegung auf den Durchführungsweg der umlagefinanzierten Pensionskasse für das Beschaffungsziel der Antragsgegnerin nicht erforderlich ist. Aufgrund von § 613a Abs. 1 S. 2 BGB (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG) war die Antragsgegnerin verpflichtet, die betriebliche Altersvorsorge für ihre von der Beigeladenen zu 2 übernommenen Mitarbeiter zu nicht verschlechterten Konditionen für diese zu gewährleisten.
Dazu ist es nach dem überzeugenden Vortrag der Antragsteller nicht erforderlich, im Durchführungsweg Pensionskassenversorgung die Finanzierungsform der umlagefinanzierten Pensionskasse vorzugeben. Für die zu beschaffenden „Produkte“ im Durchführungsweg Pensionskassenversorgung gem. §§ 1 Abs. 1 S. 2, 1b Abs. 3, 2 Abs. 3 BetrAVG ist die Finanzierungsform der Pensionskasse nicht kennzeichnend.
Der Beschaffungsgegenstand wird im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung von den arbeitsrechtlichen Vorgaben im BetrAVG bestimmt. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG definiert mit den möglichen Gegenständen der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung durch den Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern den Katalog der vom Arbeitgeber zu beschaffenden Versicherungsleistungen der „Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung“ (Blomeyer/Rolfs/Otto-Rolfs, BetrAVG, 6. Aufl, 2015, § 1 BetrAVG Rn. 5, 20ff.; Beckmann/Matusche-Beckmann /Schwintowski, in Versicherungsrechts-Handbuch. 3. Aufl. 2015, § 43 Rn. 16).
Diese Leistungen kann der Arbeitgeber durch die Festlegung eines oder mehrerer Durchführungswege i. S.v. §§ 1 Abs. 1 S. 2, 1b Abs. 2 – 4 BetrAVG weiter konkretisieren.
Das BetrAVG kennt keine weitere Differenzierung nach der Finanzierungsweise des Trägers der betrieblichen Altersversorgung (BIomeyer/Rolfs/Otto-Rolfs, a. a. O. § 1 BetrAVG Rn. 43), sondern nur die grundsätzliche Differenzierung der Finanzierung der Altersversorgungsleistungen insgesamt als arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanziert (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG, vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Schwintowski, a. a. O. § 43 Rn. 20ff.).
Die Vergabekammer Südbayern hält es vor diesem Hintergrund und aufgrund der genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs für möglich, dass die Antragsgegnerin aufgrund der vergaberechtlichen Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und Gleichbehandlung gehalten sein könnte, im Falle einer zukünftigen Ausschreibung die Leistung entweder ohne Vorgabe eines Durchführungswegs auszuschreiben oder sich auf die Vorgabe des Durchführungswegs der Pensionskassenversorgung zu beschränken und legt daher dem Gerichtshof die Frage 2 c) zur Vorabentscheidung vor.
Die Beantwortung der Frage 2 c) steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage 1, da davon abhängt, ob die Antragsteller zu 1 und 2 im Falle einer künftigen Ausschreibung als Vertragspartner der Antragsgegnerin in Betracht kämen und daher durch die Direktvergabe an die Beigeladene zu 1 einen Schaden erleiden können.
Für den Fall, dass Frage 2 c) zu bejahen ist und der öffentliche Auftraggeber berechtigt ist, auch die Finanzierungsform der Pensionskasse festzulegen, stellt sich die Frage, ob dies vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/24/EU auch dann gilt, wenn dies dazu führt, dass nur ein Wirtschaftsteilnehmer für die Leistungserbringung in Betracht kommt. Aufgrund von § 232 Abs. 1 Nr. 1 VAG könnte gem. § 1 Abs. 3 VAG lediglich die Beigeladene zu 1 sowie andere öffentlichrechtliche Versicherungsunternehmen des öffentlichen Dienstes oder der Kirchen (die sich an einem Wettbewerb aller Voraussicht nach nicht beteiligen würden) die Leistung erbringen.
Der auf die streitgegenständliche Beschaffung noch nicht anwendbare Art. 32 Abs. 2 lit b) UA 2 der Richtlinie 2014/24/EU bestimmt, dass in dem Fall in dem ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit nur einem Wirtschaftsteilnehmer geführt werden soll, der öffentliche Auftraggeber bei der Leistungsbestimmung zu prüfen hat, ob es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Die Ergebnisse dieser Prüfung sind gem. Art. 84 Abs. 1 lit f) der Richtlinie 2014/24/EU zu dokumentieren. Die Vergabekammer Südbayern geht daher davon aus, dass zumindest im Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 2 lit b) UA 2 der Richtlinie 2014/24/EU die bisher angenommene weitgehende Freiheit der Leistungsbestimmung entsprechend eingeschränkt ist.
Aus dem Erwägungsgrund 50 der Richtlinie 2014/24/EU ergibt sich nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern aufgrund der Formulierung „… Die Ausnahme sollte auf Fälle beschränkt bleiben …“ indes, dass die Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber im Falle der Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung mit nur einem Teilnehmer zu begründen, warum es keine vernünftigen Alternativen oder keinen vernünftigen Ersatz für die von Ihnen gewünschte Leistung gibt, nicht neu durch Art. 32 Abs. 2 lit b) UA 2 der Richtlinie 2014/24/EU eingeführt wurde, sondern sich bereits aus Vorschriften wie Art. 31 Nr. 1 lit. b), 23 Abs. 2 und Abs. 8 der Richtlinie 2004/18/EG ergibt.
Damit wäre nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern der Antragsgegnerin die Berufung darauf, dass sie die Leistung so bestimmt habe, dass nur die Beigeladene zu 1 sie erbringen könnte, im vorliegenden Fall verwehrt, weil sie zumindest nicht gem. Art. 43 lit. f) der Richtlinie 2004/18/EG dokumentiert hat, dass es keine vernünftigen Alternativen oder keinen vernünftigen Ersatz für die von Ihnen gewünschte Vergabe der betrieblichen Altersvorsorgeleistungen im Durchführungsweg einer umlagefinanzierten Pensionskasse bei der Beigeladenen zu 1 gibt.
Die Vergabekammer Südbayern legt dem Gerichtshof daher auch diese Frage zur Vorabentscheidung vor.
Die Vergabekammer Südbayern bittet den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung über die gestellten Vorlagefragen.
Eine Kostenentscheidung ist im momentanen Verfahrensstand nicht veranlasst.
Hinweis
Diese Aussetzung ist als prozessuale Zwischenentscheidung nicht selbstständig mit der Beschwerde nach § 116 GWB angreifbar, sondern erst mit der Entscheidung in der Hauptsache (OLG München, Beschluss vom 18.10.2012 – Az.: Verg 13/12).


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