Baurecht

Beitragsrechtlich relevanter Vorteil einer Straßenausbaumaßnahme

Aktenzeichen  6 ZB 16.1404

Datum:
12.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 112438
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

Ein entlang einer Grundstücksgrenze neu angelegter Parkstreifen stellt für den Grundstückseigentümer kein Zugangshindernis rechtlicher oder tatsächlicher Art dar, welches der Annahme einer vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße entgegenstünde (vgl. VGH München BeckRS 2013, 49656). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 3 K 14.1367 2016-03-17 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17. März 2016 – W 3 K 14.1367 – wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 3.128‚93 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg.
Der Senat ist im vorliegenden Antragsverfahren grundsätzlich auf die Prüfung der innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe beschränkt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die demnach allein maßgeblichen, zur Begründung des Zulassungsantrags fristgerecht vorgebrachten Rügen sind nicht geeignet‚ ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu wecken. Damit hat die Klägerin weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt (s. dazu BVerfG‚ B. v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524/06 – JZ 2009‚ 850/851).
1. Die Klägerin rügt‚ in der Urteilsbegründung fehlten Ausführungen dazu‚ welche Ausbaumaßnahmen überhaupt durchgeführt worden seien und ob diese ausreichten‚ um das Vorhaben als Ausbau zu prägen. Fest stehe nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts allein‚ dass die streitgegenständliche Straße bearbeitet worden sei‚ jedoch nicht in welchem Umfang. Es bleibe offen‚ wie das Verwaltungsgericht zu der Annahme komme‚ dass es sich tatsächlich um eine beitragspflichtige Erneuerung handeln würde.
Damit werden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dargelegt. Die Rüge betrifft vielmehr die gerichtliche Urteilsbegründungspflicht (§ 117 Abs. 2 Nr. 5‚ § 124 Abs. 2 Nr. 5 und § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Etwaige Mängel in diesem Bereich stellen indes Verfahrensfehler dar‚ die nicht geeignet sind‚ ernstliche Zweifel am Urteilsergebnis zu begründen‚ weil sich die in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genannten „ernstlichen Zweifel“ auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen‚ nicht auf das Verfahren (vgl. OVG LSA‚ B. v. 27.1.2006 – 1 L 14/06 – juris Rn. 13 m. w. N.).
Der im Vortrag der Klägerin anklingende Verfahrensfehler unterlassener Begründung liegt ebenfalls nicht vor. Die Begründungspflicht verlangt keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit jedem vorgetragenen oder sonst einschlägigen Gesichtspunkt‚ sondern nur eine vernünftige‚ der jeweiligen Sache angemessene Gesamtwürdigung. Das Urteil muss erkennen lassen‚ dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat (vgl. BVerwG‚ B. v. 15.9.2016 – 9 B 13/16 – juris Rn. 12). Eine Verletzung der Begründungspflicht liegt etwa dann vor‚ wenn eine Begründung entweder überhaupt oder zu wesentlichen Streitpunkten unterblieben oder unverständlich und verworren ist‚ nicht aber bereits dann‚ wenn sie falsch‚ unzulänglich oder oberflächlich ist (vgl. BayVGH‚ B. v. 1.7.2008 – 20 ZB 08.1059 – juris Rn. 9 m. w. N.).
Der gebotenen Begründungspflicht wird das angefochtene Urteil gerecht‚ obwohl es die von der Klägerin vermissten Ausführungen bezüglich der im Einzelnen durchgeführten Baumaßnahmen nicht enthält. Es hat jedenfalls festgestellt‚ dass die am Ansbacher Weg durchgeführten Baumaßnahmen als beitragsfähige (Teilstrecken-)Erneuerung im Sinn des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 KAG anzusehen sind und keine bloßen Reparaturmaßnahmen darstellen. Dabei hat das Verwaltungsgericht insbesondere darauf hingewiesen‚ dass der Ansbacher Weg zum Zeitpunkt des Beginns des Ausbaus im Frühjahr 2009 mindestens 30 Jahre alt gewesen ist‚ was eine Erneuerungsbedürftigkeit indiziere. Im Übrigen ergibt sich die Einordnung der Baumaßnahmen als beitragsfähige Erneuerungsmaßnahme aus den in der vom Klägerbevollmächtigten im Rahmen der Akteneinsicht im April 2013 zur Kenntnis gebrachten Aktenheftung befindlichen Planungsunterlagen. Insbesondere aus der darin befindlichen Ausschreibungsunterlage „Regelquerschnitt“ (Bl. 37 der Landratsamtsakten) lässt sich detailliert der Umfang der durchzuführenden Maßnahmen entnehmen. Auch der Vergleich zwischen den in der Akte befindlichen‚ den Zustand des Ansbacher Weges dokumentierenden Fotos vor und nach der Maßnahme macht deutlich‚ dass dort nicht lediglich Reparaturmaßnahmen durchgeführt wurden. Die Klägerin hat dies selbst auch nie behauptet. Mit ihrem Einwand, es habe (noch) kein Sanierungsbedarf bestanden‚ da der Ansbacher Weg „noch völlig intakt“ gewesen sei, hat sie nicht geltend gemacht‚ dass tatsächlich kein grundlegender Neuausbau erfolgt sei; vielmehr hat sie damit lediglich behauptet‚ die Voraussetzungen hierfür hätten nicht vorgelegen. Schon aus diesem Grund bestand für das Verwaltungsgericht kein Anlass, in den Entscheidungsgründen die Definition von Reparatur- und Ausbaumaßnahmen zu wiederholen und die – offensichtlich unbestrittenen – tatsächlich durchgeführten Baumaßnahmen im Urteil im Einzelnen zu benennen.
2. Auch mit dem wiederholten Vortrag‚ sie habe keine Vorteile durch die Baumaßnahmen‚ vielmehr sei sie durch den neu angelegten Parkstreifen an der Nutzung ihres Grundstücks eher behindert‚ kann die Klägerin nicht durchdringen.
Nach der Rechtsprechung des Senats sind für die Annahme eines Sondervorteils im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zwei Merkmale entscheidend: zum einen die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Ortsstraße, wie sie bei Anliegergrundstücken und ihnen aus dem Blickwinkel einer rechtlich gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit grundsätzlich gleich zu stellenden Hinterliegergrundstücken gegeben ist, zum anderen eine Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, als Anlieger von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann. Den Eigentümern von Flächen‚ bei denen beide Voraussetzungen vorliegen‚ kommt der Straßenausbau in einer Weise zugute‚ die sie aus dem Kreis der sonstigen Straßenbenutzer heraushebt und die Heranziehung zu einem Beitrag rechtfertigt (vgl. BayVGH‚ B. v. 30.3.2010 – 6 CS 10.457 – juris Rn. 8; U. v. 30.6.2016 – 6 B 16.515 – juris Rn. 16 m. w. N.). Anders als im Erschließungsbeitragsrecht genügt bei der Erhebung eines Straßenausbaubeitrags zur Annahme eines Sondervorteils bereits die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit einer vorhandenen‚ lediglich erneuerten oder verbesserten Ortsstraße als solche. Diese kommt im Grundsatz jeder sinnvollen und zulässigen‚ nicht nur der baulichen oder gewerblichen Nutzung zugute, soweit sie rechtlich gesichert ausgeübt werden kann (BayVGH, U. v. 8.3.2010 – 6 B 09.1957 – juris Rn. 18).
Gemessen an diesem Maßstab ist das Verwaltungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt‚ dass die Anforderungen an einen Sondervorteil für das Grundstück der Klägerin erfüllt sind. Eine ausreichend „spezifische“ Nähe zum Ansbacher Weg steht außer Frage‚ weil das Grundstück unmittelbar an die Einrichtung grenzt‚ so dass das Heranfahren und Betreten des Grundstücks vom Ansbacher Weg aus unschwer möglich ist. Der entlang ihrer Grundstücksgrenze neu angelegte Parkstreifen stellt für die Klägerin auch nicht etwa ein Zugangshindernis rechtlicher oder tatsächlicher Art dar, welches der Annahme einer vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit des Ansbacher Weges entgegenstünde (vgl. dazu BayVGH, B. v. 8.3.2013 – 6 B 12.2220 – juris Rn. 13). Denn die Klägerin ist weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, den Parkstreifen zu überfahren und über ihn Zufahrt oder Zugang zu ihrem Grundstück zu nehmen. Gegen eine mögliche tatsächliche Behinderung der Zufahrt durch (Dauer-)Parker kann die Klägerin Ansprüche aus dem Straßenverkehrsrecht geltend machen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt‚ dass es unerheblich ist‚ ob die Klägerin ihr Grundstück tatsächlich vom Ansbacher Weg aus oder anderweitig betritt. Denn maßgeblich ist im Straßenausbaubeitragsrecht nicht die tatsächliche Inanspruchnahme, sondern allein die Möglichkeit der Inanspruchnahme, auch wenn sie der Grundstückeigentümer als wertlos empfindet (vgl. BayVGH, B. v. 25.5.2016 – 6 ZB 16.94 – juris Rn. 6 m. w. N.).
3. Der Vortrag‚ „erschließende Verkehrsfläche“ im Sinn des § 8 Abs. 3 Nr. 2 ABS sei nicht der Ansbacher Weg‚ sondern allein der Weg auf Fl. Nr. 636‚ da allein von dort eine Zufahrt bestehe‚ geht schon im Ansatz fehl. § 8 Abs. 3 Nr. 2 ABS bestimmt – ersichtlich und ohne jeden vernünftigen Zweifel – die ausgebaute und nun abzurechnende Straße als Ausgangspunkt für die Berechnung der Tiefenbegrenzung‚ unabhängig davon‚ wie viele andere Verkehrsflächen das jeweils im Abrechnungsgebiet liegende Grundstück noch zusätzlich erschließen mögen.
4. Auch der Vortrag der Klägerin‚ das – gemeindeeigene – Grundstück Fl. Nr. 630 sei in rechtwidriger Weise nicht in die Verteilung der Kosten aufgenommen worden‚ obwohl es am Ansbacher Weg anliege‚ führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Denn der Beklagte hat dieses Grundstück zu Recht unberücksichtigt gelassen.
Das ca. 266 m2 große Grundstück hat – in etwa – die Form eines Dreiecks. Im nördlichen und östlichen Teil ist es mit dem Einmündungsbereich des Ansbacher Wegs/Marktheidenfelder Straße überbaut; auf der Restfläche befinden sich eine Grünfläche mit steinernem Kreuzdenkmal (sog. „Herrgottsgarten“). Es kann aus zwei Gründen nicht zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke gezählt werden. Zum einen ist mit der Grundstücksfläche, die nach Abzug der mit öffentlichen Verkehrsanlagen überbauten Teile verbleibt, wegen der geringen Größe und des Zuschnitts – ausnahmsweise – keine Nutzungsmöglichkeit verbunden, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann (vgl. BayVGH, U. v. 15.4.2010 – 6 B 08.1849 – BayVBl 2011, 49 Rn. 25). Zum anderen handelt es sich – sowohl hinsichtlich des mit einer Straße überbauten als auch mit Blick auf den als Grünfläche genutzten Teil – um Erschließungsanlagen (i. S. v. § 123 Abs. 2 BauGB), die aufgrund ihrer – förmlichen straßenrechtlichen bzw. formlosen – Widmung für öffentliche Zwecke jeder privaten, vorteilsrelevanten Nutzung entzogen sind (vgl. BayVGH, B. v. 4.12.2014 – 6 ZB 13.467 – juris Rn. 17 f.). Nur am Rande sei bemerkt, dass sich im Fall einer Einbeziehung dieses Grundstücks in die Aufwandsverteilung der auf die Klägerin entfallende Anteil lediglich um ca. 22 Euro verringern würde.
Weitere‚ den Antrag auf Zulassung der Berufung möglicherweise begründende Fehler des erstinstanzlichen Urteils legt die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht dar. Der Antrag war demnach abzulehnen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47‚ § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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