Baurecht

Berechtigtes Interesse für Fortsetzungsfeststellungsklage

Aktenzeichen  M 8 K 18.6100

Datum:
9.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31817
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend machen zu wollen, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse i.S. des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nur begründen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und sich dies ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (vgl. BVerwGBeckRS 9998, 3761).  (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.  Die Klage wird abgewiesen.
II.  Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.  Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.    

Gründe

Nach § 101 Abs. 2 VwGO konnte in dem Verfahren ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Parteien zur Niederschrift in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2020 auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben und eine weitere Verhandlung nicht erforderlich ist.
Die Klage hat keinen Erfolg, da sie mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresse unzulässig ist.
Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese auf Anfechtungsklagen zugeschnittene Bestimmung ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch auf Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG, U.v. 30.06.2011 – 4 C 10/10 – juris Rn. 7).
Die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt voraus, dass – erstens – die ursprüngliche Verpflichtungsklage zulässig war, – zweitens – nach Rechtshängigkeit ein erledigendes Ereignis eingetreten ist und – drittens – ein Feststellungsinteresse gegeben ist.
1. Das Gericht geht zugunsten der Klägerin davon aus, dass die zunächst erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 23. November 2018 zulässig war. Zweifel an der Zulässigkeit bestehen insofern, als das Sachbescheidungsinteresse der Klägerin auch schon bei Stellung des Bauantrags nicht ohne weiteres zu bejahen war und deshalb auch kein Rechtsschutzinteresse für die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage bestanden haben könnte (vgl. BVerwG, B.v. 30.06.2004 – 7 B 92.03 – juris Rn. 28; OVG NRW, U.v. 17.4.2018 – 2 A 1387/15 – juris Rn. 38). Das allgemeine Sachbescheidungsinteresse steht der positiven Verbescheidung eines Antrags entgegen, wenn offensichtlich ist, dass der Antragsteller von der beantragten Genehmigung keinen Gebrauch machen kann. Das ist der Fall, wenn feststeht, dass der Bauherr aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an einer Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.1993 – 4 B 110.93 – juris; BayVGH, U.v. 11.6.2014 – 2 B 13.2555 – juris Rn. 26). Nachdem die Klägerin bei Einreichung des Bauantrags bereits seit geraumer Zeit nicht mehr Eigentümerin des Baugrundstücks war und aufgrund des Umstands, dass dieses infolge der Ausübung des Vorkaufsrechts Eigentum der Beigeladenen wurde, kam eine Ausführung der Baugenehmigung durch die Klägerin nicht mehr in Betracht. Eine grundsätzlich denkbare vertragliche Rückübereignung des Grundstücks an die Klägerin liegt gerade wegen der Ausübung des Vorkaufsrechts fern. Der Antrag auf Baugenehmigung diente vielmehr von Anfang an allein dazu, die Erweiterungsmöglichkeiten des Gebäudes in Bezug auf die Nachzahlungspflicht der Beigeladenen zu klären. Zweck des Bauantragsverfahrens war daher zu keinem Zeitpunkt die Zulassung einer beabsichtigten Bebauung, sondern die gleichsam gutachterliche Beurteilung der baulichen Erweiterungsmöglichkeit zur Klärung der vereinbarten Nachzahlungspflicht.
Nachdem die Beklagte selbst indes ein Sachbescheidungsinteresse unterstellt hat und jedenfalls ein finanzielles Interesse der Klägerin an der Klärung der Genehmigungsfähigkeit bestand, kann im Zeitpunkt der Klageerhebung gleichwohl von einem Rechtsschutzinteresse der Klägerin ausgegangen werden. Für den Fall, dass die begehrte Verpflichtung vor dem 31. Dezember 2018 ausgesprochen worden wäre, hätte eine Verbesserung der Rechtsstellung der Klägerin insoweit eintreten können, als der in Ziff. IX des Kaufvertrags vom 2. September 2016 geregelte Nachzahlungsanspruch hätte entstehen können. Im Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum 31. Dezember 2018 kann daher noch von einem Rechtsschutzinteresse ausgegangen werden.
2. Mit dem Ablauf der in Ziff. IX des Kaufvertrags vom 2. September 2016 für eine Kaufpreisanpassung vorgesehenen Erlöschensfrist am 31. Dezember 2018 hat sich die Verpflichtungsklage erledigt, da das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an einer Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung spätestens zu diesem Zeitpunkt entfallen ist.
Die für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage vorauszusetzende Erledigung liegt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn das Verpflichtungsbegehren nach Klageerhebung aus der Klägerin nicht zurechenbaren Gründen unzulässig oder unbegründet wurde, wenn also das Rechtsschutzziel aus Gründen, die nicht in der Einflusssphäre der Klägerin liegen, nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses erreicht wurde oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 30.06.2011 – 4 C 10/10 – juris Rn. 7; B.v. 15.8.1988 – 4 B 89.88 – NVwZ 1989, 48 – juris Rn. 5). Die Verpflichtungsklage wurde mit Ablauf des 31. Dezember 2018 unzulässig, da die Klägerin nach diesem Zeitpunkt ihre Rechtsstellung für den Fall der Erteilung einer Baugenehmigung weder durch Realisierung der Bauarbeiten noch durch das Entstehen eines Nachzahlungsanspruchs verbessern konnte.
Zum Nachzahlungsanspruch haben die Parteien in Ziff. IX des Kaufvertrags vom 2. September 2016 ausdrücklich geregelt: „Klargestellt wird, dass die vorstehend getroffenen Kaufpreisanpassungsvereinbarungen dann erlöschen, sollte bis spätestens 31.12.2018 weder eine entsprechende Abbruchgenehmigung noch eine entsprechende Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude erteilt worden sein.“ Es handelt sich dabei um eine Erlöschensfrist, die für den Fall der Erteilung einer Baugenehmigung erst nach dem 31. Dezember 2018 ausschließt, dass ein Kaufpreisnachzahlungsanspruch entsteht. Eine Verlängerung dieser Frist bzw. deren (Ablauf-) Hemmung ist auch für den Fall, dass eine der genannten Genehmigungen zwar bis 31. Dezember 2018 beantragt, jedoch nicht erteilt wurden, nicht vorgesehen. Infolgedessen ist mit Ablauf dieser Frist auch ein auf die Kaufpreisanpassung gestütztes wirtschaftliches oder sonstiges schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Erteilung einer Baugenehmigung entfallen. Der Kaufvertrag bietet keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Anspruch auf Kaufpreisanpassung auch durch eine nach Ablauf der Erlöschensfrist erteilte Baugenehmigung entstehen könnte. Eine solche Annahme lässt sich insbesondere nicht aus dem Eintritt der Beigeladenen in die Käuferstellung ableiten. Denn die Parteien haben diesen Vertragspartnerwechsel zusätzlich durch den Nachtrag zum Kaufvertrag vom 10. August 2017 geregelt. Dabei wurde ausdrücklich klargestellt, dass die Vereinbarungen in Abschnitt IX. der Vorurkunde hinsichtlich bedingter Kaufpreiserhöhungen auch zwischen der Beigeladenen als Käufer und dem Verkäufer gelten (vgl. Ziff. III „Sonstiges“ Buchstabe a)). Mithin wurde auch die Erlöschensfrist der in Bezug genommenen Regelung nochmals zwischen den neuen Vertragspartnern bestätigt.
1.3 Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Fortsetzungsfeststellungsinteresse weder dargelegt noch ist ein solches aus den bekannten Umständen ableitbar.
Das besondere Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versagung der Baugenehmigung ist grundsätzlich nur gegeben, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat. Hierfür genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedes nach Lage des Falles anzunehmende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. BVerwG, B.v. 24.10.2006 – 6 B 61.06 – juris Rn. 3), wofür sich im Wesentlichen drei Hauptfallgruppen herausgebildet haben, bei deren Vorliegen regelmäßig ein berechtigtes Feststellungsinteresse zu bejahen ist: Die Fälle der Wiederholungsgefahr, die Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsanspruchs sowie Fälle des Rehabilitationsinteresses (vgl. Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 111).
Vorliegend hat die Klägerin ihr Fortsetzungsfeststellungsinteresse mit einem möglichen Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte begründet. Die Möglichkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage soll für den Fall der beabsichtigten Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs sicherstellen, dass der Kläger nicht ohne Not um die Früchte seiner bisherigen Prozessführung gebracht wird, solange die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts bzw. die Feststellung, dass ein Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt bestanden hätte, seine Position verbessern kann (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2014 – 8 B 52.14 – juris Rn. 13), weshalb ein solches Feststellungsinteresse nur gegeben ist, wenn das erledigende Ereignis nach Klageerhebung eintritt. Eine derart schutzwürdige Situation ist hier nicht zu erkennen, da die Klageerhebung erst am 13. Dezember 2018 und damit kurz vor der Erledigung am 31. Dezember 2018 erfolgte. Schon im Zeitpunkt der Klageerhebung war daher erkennbar, dass im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vor Erledigung weder die Rechtspositionen ausgetauscht noch Erkenntnisse gewonnen werden können. Es hätte daher nahe gelegen, anstelle der Klage zum Verwaltungsgericht unmittelbar einen Amtshaftungsprozess anzustrengen. Gleichwohl geht das Gericht davon aus, dass dem Grunde nach die in der Rechtsprechung anerkannte Fallgruppe des Fortsetzungsfeststellungsinteresses wegen der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses vorliegt.
Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die – wie hier – der Vorbereitung eines Amtshaftungsverfahrens vor dem Zivilgericht dienen soll, ist das Feststellungsinteresse nur dann zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 15 ZB 12.1562 – juris Rn. 12; OVG NRW, U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47). Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Kläger von sich aus substantiiert darlegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2015 – 1 ZB 13.92 – juris Rn. 5; B.v. 27.3.2014 – 15 ZB 12.1562 – juris Rn. 12). Die Behauptung eines „angestrebten“ Amtshaftungsprozesses reicht zur Begründung des besonderen Feststellungsinteresses nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 13.06.2014 – 15 ZB 14.510 – juris Rn. 11 f.; Niedersächsisches OVG U.v. 12.11.2007 – 2 LA 423/07 – juris Rn. 8). Vielmehr muss er aufzeigen, was er konkret anstrebt, welchen Schaden bzw. welche Schadens- oder Entschädigungspositionen er im Zivilrechtsweg geltend machen will und dass ein Schadensersatz- bzw. Entschädigungsprozess bereits anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Zwar dürfen an den Vortrag keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere bedarf es regelmäßig keiner Vorlage einer genauen Schadensberechnung. Jedoch muss der Vortrag zur Rechtfertigung des mit der Fortsetzung des Prozesses verbundenen Aufwands über die bloße Behauptung hinaus nachvollziehbar erkennen lassen, dass er einen Amtshaftungsprozess tatsächlich anstrebt und dieser nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hierzu gehört auch eine zumindest annähernde Angabe der Schadenshöhe (vgl. BayVGH, B.v. 13.06.2014 – 15 ZB 14.510 – juris Rn. 11 f.; BayVGH, B.v. 24.10.2011 – 8 ZB 10.957 – Rn. 13; OVG NRW, B.v. 5.7.2012 – 12 A 1423/11 – juris Rn. 22 ff.; OVG NRW, U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47).
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen im Klageverfahren nicht. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 15. Oktober 2020 beschränken sich auf die Behauptung, dass ihr bei einer rechtswidrigen Verweigerung der Baugenehmigung ein Anspruch auf Amtshaftung gegenüber der Beklagten zustehe und die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids sowie des Bestehens eines Anspruchs auf Erteilung der Baugenehmigung für die Klägerin von erheblicher Bedeutung und Interesse sei. Daneben erklärt sie, dass ein angestrebter Amtshaftungsprozess nicht offensichtlich aussichtslos sei und das Verwaltungsgericht nicht berechtigt sei, die Erfolgsaussichten des Haftungsprozesses zu prüfen. Es fehlt damit schon die ausdrückliche Ankündigung, einen solchen Amtshaftungsprozess tatsächlich führen zu wollen. Erst Recht kann somit nicht angenommen werden, dass ein Amtshaftungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Gegen die Absicht der Klägerin einen Amtshaftungsprozess zu führen, spricht im Übrigen auch der Umstand, dass ihr wegen des Erlöschens des Nachzahlungsanspruchs zum 31. Dezember 2018 schon bei Klageerhebung am 13. Dezember 2018 bewusst sein musste, dass die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigung nicht mehr rechtzeitig erfolgen wird. Wäre es Absicht der Klägerin, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen, hätte es angesichts der bald nach Klageerhebung eingetretenen Erledigung des klägerischen Begehrens nahegelegen, solche Ansprüche gegenüber der Beklagten zumindest zwischenzeitlich geltend zu machen und damit unmittelbar einen Amtshaftungsprozess anzustrengen. Dass die Klägerin hierauf verzichtete, legt es nahe, dass es ihr nicht um die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen geht.
Die Klägerin hat ferner nicht dargelegt, dass ein Amtshaftungsprozess nicht offensichtlich aussichtlos wäre. Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB gehört neben der Rechtswidrigkeit der Amtshandlung auch, dass die Amtspflichtverletzung bei der Klägerin einen (kausalen) Vermögensschaden verursacht hat. Es ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten der Amtsträger genommen hätten und wie sich in diesem Fall die Vermögenslage des Verletzten darstellen würde (BGH, U. v. 14.7.2016 – III ZR 265/15 – NVwZ 2017, 251). Ursächlich ist ein Amtspflichtverstoß dabei nicht schon dann, wenn er nur eine Bedingung von mehreren für den Vermögensschaden darstellt (Papier/Shirvani in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 839 Rn. 333). Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze mangelt es an Ausführungen, weshalb die behauptete Rechtswidrigkeit der Versagung der Baugenehmigung zu einem Schaden in Form des Entgangs des Nachzahlungsanspruchs i.H.v. 1.200.000 € geführt haben könnte. Denn das Entstehen eines Nachzahlungsanspruchs der Klägerin setzt nach der vertraglichen Regelung in Ziff. IX Absatz 5 des Kaufvertrags vom 2. September 2016 nicht nur voraus, dass bis spätestens 31. Dezember 2018 eine Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude mit einer weiteren Geschoßfläche von mindestens 400 m² erteilt wurde. Zweite Voraussetzung dieses Nachzahlungsanspruchs ist, „dass nicht binnen sechs Wochen nach der Bekanntgabe der Baugenehmigung durch die Baubehörde i.S.d. BayVwVfG ein förmlicher Rechtsbehelf gegen die Baugenehmigung eingelegt wurde.“ Damit wäre ein Nachzahlungsanspruch auch dann nicht entstanden, wenn die Baugenehmigung zwar erteilt worden wäre, diese jedoch innerhalb von 6 Wochen nach ihrer Bekanntgabe durch Dritte angefochten worden wäre, ohne dass es insoweit auf die Erfolgsaussichten des Drittrechtsbehelfs oder gar dessen Ausgang ankommt. Inwiefern eine rechtswidrige Versagung der Baugenehmigung gleichwohl allein ursächlich für das Entstehen eines Schadens durch Verlust des Nachzahlungsanspruchs gewesen ist, hat die Klägerin nicht aufgezeigt.
Unabhängig vom mangelhaften Vortrag der Klägerin ist die Geltendmachung des von ihr nur behaupteten Amtshaftungsanspruchs angesichts der Voraussetzungen des (entgangenen) Nachzahlungsanspruchs offensichtlich aussichtslos. Die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend machen zu wollen, kann nach ständiger Rechtsprechung ein berechtigtes Feststellungsinteresse i.S. des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur begründen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1985 – 2 C 42/83 – juris Rn. 19). Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und sich dies ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (BVerwG, U.v. 14.1.1980 – 7 C 92.79 – juris, U.v. 29.4.1992 – 4 C 29.90 – juris, U.v. 8.12.1995 – 8 C 37.93 – juris). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 40.12 – juris Rn. 42).
Bei Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist ein aus dem Entgang des Nachzahlungsanspruchs abgeleiteter Schadensersatzanspruch offenkundig nicht gegeben. Wie vorstehend ausgeführt, hätte der Nachzahlungsanspruch nur entstehen können, sofern neben der Erteilung einer Baugenehmigung innerhalb von sechs Wochen nach ihrer Bekanntgabe kein Rechtsbehelf gegen eine erteilte Baugenehmigung eingelegt worden wäre. Selbst wenn ein Anspruch auf Baugenehmigung bestanden hätte und der Beklagten insofern eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen wäre, als sie die Baugenehmigung verweigert hat, könnte dies offensichtlich allein nicht ursächlich für einen Schaden in Gestalt des entgangenen Gewinns aus dem Nachzahlungsanspruch sein. Schon die bloße Erhebung einer Klage durch Dritte gegen eine Baugenehmigung hätte das Entstehen des Nachzahlungsanspruchs verhindert. Es ist völlig ungewiss, ob die Baugenehmigung ohne Dritt-Widerspruch geblieben wäre und damit im Fall ihrer Erteilung auch die zweite Bedingung für das Entstehen des Nachzahlungsanspruchs eingetreten wäre. Vielmehr war gerade aufgrund des Umstands, dass das Vorhaben die gesetzlichen Abstandsflächen nicht einhält und es für die Erteilung der Baugenehmigung einer im Ermessen der Beklagten stehenden Abweichung von Art. 6 Abs. 2 BayBO bedarf, damit zu rechnen, dass ein betroffener Nachbar sich gegebenenfalls gegen eine solche Baugenehmigung gewendet hätte. Ein Nachbarrechtsbehelf wäre allenfalls dann auszuschließen, wenn die betroffenen Nachbarn durch ihre Unterschrift auf den Plänen die Zustimmung zu dem Bauantrag erklärt hätten. Dies ist indes gerade nicht erfolgt (vgl. Bauantragsformular, Bl. 4 der Behördenakte). Die deutliche Verschlechterung der nachbarlichen Situation durch den Anbau an das Gebäude …-Str. 1 und die mit der Erhöhung des Bestandsgebäudes erforderlich werdende Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften legt es im Gegenteil nahe, dass mit der Verweigerung der Unterschrift auch eine Ablehnung des Vorhabens durch die Nachbarschaft einhergeht. Damit bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es bei Erteilung der Baugenehmigung jemals zu einem Entstehen des Nachzahlungsanspruchs gekommen wäre. Die begehrte Feststellung kann einem Amtshaftungsprozess der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen, da der behauptete Schaden offenkundig allein nicht Folge der Versagung der Baugenehmigung ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat gem. § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da sie sich nicht mit der Stellung eines Klageantrags in ein Kostenrisiko begeben hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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