Baurecht

Beschwerde (erfolgreich), Antrag einer Standortgemeinde auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung, Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens, Abweichung von einer Gestaltungssatzung, Ermessensreduzierung auf null, Allgemeine Interessenabwägung

Aktenzeichen  15 CS 21.1636

Datum:
9.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22525
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80a Abs. 3
VwGO § 146
BauGB § 34
BayBO Art. 63 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2, 67, 81 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 5 S 21.1077 2021-05-25 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. Mai 2021 (Au 5 S 21.1077) wird in Nummern I. und II. geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 25. Februar 2021 gegen den Bescheid des Landratsamts A … vom 25. Januar 2021 wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die antragstellende Stadt wendet sich als Standortgemeinde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für ein Wohnbauvorhaben.
Das Baugrundstück der Beigeladenen (FlNr. …1, Gemarkung S …) liegt in einer bebauten Innerortslage, für die kein Bebauungsplan besteht und deren Einordnung als unbeplanter Innenbereich (§ 34 BauGB) zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Am 30. April 2013 beschloss der Stadtrat der Antragstellerin die “Gestaltungssatzung Nr. I – A … … straße (West)” mit einem ca. 65.000 m² (6,5 ha) umfassenden Geltungsbereich, die im städtischen Amts- und Mitteilungsblatt vom 2. Mai 2013 bekannt gemacht wurde und eine Woche nach der Bekanntmachung in Kraft trat. Das Baugrundstück liegt in deren Geltungsbereich. Gemäß § 3 der Gestaltungssatzung können von ihren Regelungen nach Maßgabe des Art. 63 BayBO Abweichungen zugelassen werden. In § 2 Abs. 1 der Satzung heißt es:
“Bei Hauptgebäuden sind nur Satteldächer oder Walmdächer mit einer Dachneigung zwischen 25° und 48° zulässig.”
Am 10. Dezember 2019 beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Zweifamilienhauses, das – wie einige weitere Häuser in der Umgebung – in zweiter bzw. dritter Reihe der A … … straße errichtet werden soll. Nach den eingereichten Bauvorlagen weist das Gebäude in der Fläche eine – an das Baugrundstück angepasste – Trapezform auf, wobei es im Westen unmittelbar entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze zur FlNr. … und unmittelbar angrenzend an die dort heute grenzständigen Carports errichtet werden soll. Nach Osten bzw. Südosten hin hält das zweigeschossig geplante Gebäude einen Grenzabstand von 3 m zu der mit zwei aneinandergebauten Mehrfamilienhäusern (A… …str. … und …) bebauten FlNr. … ein. Im südlichen Teil ist der Wohnbereich des Gebäudes nach den Bauvorlagen eingeschossig geplant, wobei der dortige Flachdachbereich (ca. 38 m²) teilweise als Dachterrasse für das Obergeschoss dienen soll.
Nach vorherigem ablehnenden Beschluss ihres Bauausschusses vom 17. Dezember 2019 verweigerte die Antragstellerin mit einem beim Landratsamt A … am 9. Januar 2020 eingegangenen Formalschreiben das gemeindliche Einvernehmen. Auf die Anregung des Landratsamts, die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens nochmals zu überprüfen, teilte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. März 2020 unter Übermittlung eines Befassungsbeschlusses des Bauausschusses vom 10. März 2020 mit, dass es bei der ablehnenden Haltung bleibe. Mit Schreiben vom 28. Mai 2020 führte das Landratsamt gegenüber der Antragstellerin aus, dass keine öffentlich-rechtlichen Gründe ersichtlich seien, die für eine Aufrechterhaltung des verweigerten Einvernehmens sprächen. Das Vorhaben füge sich gem. § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung ein und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zwar halte das geplante Gebäude aufgrund der vorgesehenen südlichen Dachterrasse die Vorgaben des § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung nicht ein, aufgrund diverser Bezugsfälle in der Umgebung habe der Bauherr aber einen Anspruch auf eine Abweichungszulassung. Die Antragstellerin werde um eine erneute Entscheidung über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens ersucht. Sollte das Einvernehmen nicht erteilt werden, werde die Ersetzung des Einvernehmens in Betracht gezogen. Mit Schreiben vom 19. Juni 2020, das am 23. Juni 2020 dem Landratsamt zuging, hielt die Antragstellerin nach Maßgabe eines weiteren Beschlusses ihres Bauausschusses vom 18. Juni 2020 an der Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens fest.
Über ihren Bevollmächtigten ließ die Beigeladene unter dem 9. September 2020 beim Landratsamt unter Bezugnahme auf diverse Flachdachbauten in der Umgebung die Erteilung einer Abweichung von der Gestaltungssatzung beantragen. Auch insofern solle das verweigerte Einvernehmen der Antragstellerin ersetzt werden. Auf nochmalige Nachfrage des Landratsamts vom 8. Oktober 2020 verblieb die Antragstellerin im Anschluss an eine erneute Bauausschussbefassung (10. November 2020) bei ihrer ablehnenden Haltung, die sie mit Schreiben vom 11. November 2020 dem Landratsamt mitteilte.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2021 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung für das Vorhaben “Neubau eines Zweifamilienhauses mit 8 Stellplätzen” nach Maßgabe der eingereichten Bauvorlagen. Unter 4. findet sich im Genehmigungsbescheid folgende Regelung:
“Von der Gestaltungssatzung Nr. 1 “A … … straße (West)” der Stadt N … wird folgende Abweichung zugelassen:
Die Dachterrasse im ersten Obergeschoss darf mit einem Flachdach anstatt mit einem Satteldach ausgeführt werden.”
In der Begründung des Bescheids wird ausdrücklich gestützt auf Art. 67 BayBO erklärt, dass das gemeindliche Einvernehmen für das Vorhaben ersetzt wird. Ferner wird u.a. ausgeführt, das Vorhaben der Beigeladenen sei nach § 34 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig. Da den Balkonanlagen im Bestandsgebäude A … …str. … sowie den Dacheinschnitten in den Gebäuden A … …str. … bis … eine nicht zu vernachlässigende Vorbildwirkung zukämen, habe die Abweichung von der Gestaltungssatzung erteilt werden können. Zur Balkonanlage des Gebäudes A … …str. … habe die Gemeinde nach Inkrafttreten ihrer Gestaltungssatzung ihr gemeindliches Einvernehmen erteilt. Insofern sei von einer Selbstbindung auszugehen.”
Mit Beschluss vom 25. Mai 2021 lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg den Eilantrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer am 25. Februar 2021 erhobenen und weiterhin anhängigen Klage auf Aufhebung der vorgenannten Baugenehmigung (Az. Au 5 K 21.406) anzuordnen, ab. Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht aus, im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung sei der Eilantrag unbegründet, weil der Rechtsbehelf in der Hauptsache (Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung) voraussichtlich erfolglos bleiben werde. Insofern habe die Antragstellerin ihr Einvernehmen zu Unrecht versagt. Das gemeindliche Einvernehmen sei rechtmäßig ersetzt worden. Das Vorhaben verletze nicht die Planungshoheit der Antragstellerin als Standortgemeinde. Es füge sich bei gesicherter Erschließung insbesondere hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche und der Bauweise in den Rahmen der prägenden Umgebungsbebauung ein, verstoße mit Blick auf den zu erwartenden Nutzungslärm für die geplante Tiefgaragenzufahrt nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, wahre – soweit sich die Antragstellerin im Rahmen ihrer Planungshoheit überhaupt hierauf berufen könne – auch hinsichtlich der Abstände zu Nachbargebäuden die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und sei daher gem. § 34 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig. Darüber hinaus – so die Begründung des gerichtlichen Beschlusses vom 25. Mai 2021 weiter – sei auch die Abweichung von der Gestaltungssatzung rechtmäßig erteilt und das insoweit versagte Einvernehmen rechtmäßig ersetzt worden. Es sei voraussichtlich zu Recht festgestellt worden, dass unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen eine Abweichung von der Gestaltungssatzung in Bezug auf die Ausgestaltung der Dachform im südlichen Teil habe erteilt werden können. Ermessensfehler seien insoweit nicht erkennbar. Die Antragstellerin sei aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Einvernehmenserteilung gehalten gewesen, weil sie im Jahr 2013 für den vergleichbaren Fall eines eingeschossigen Anbaus mit Flachdach auf dem benachbarten Grundstück FlNr. …, auf dem eine Dachterrasse errichtet worden sei, ihr gemeindliches Einvernehmen erteilt habe und im Anschluss dieses Vorhaben mit Bescheid des Landratsamts vom 27. Juni 2013 genehmigt worden sei. Das damals genehmigte Bauvorhaben derselben Bauherrin liege direkt gegenüber dem streitgegenständlichen Vorhaben und trete insofern in optische Beziehung. Infolgedessen müsse sich die Antragstellerin an ihrer bereits ausgeübten Verwaltungspraxis hinsichtlich der Erteilung einer Abweichung von der Gestaltungssatzung messen und festhalten lassen. Auch wenn die Antragstellerin mit Aufstellung der Gestaltungssatzung das bestehende Ortsbild im räumlichen Geltungsbereich in den Blick genommen und dabei festgestellt habe, dass nahezu alle (Haupt-) Gebäude über ein geneigtes Dach verfügten, habe sie gleichzeitig erkannt, dass Anbauten, untergeordnete Bauteile sowie Garagen und Nebengebäude andere Dachformen aufwiesen. Infolge von Bauanträgen, die wegen einer Flachdachgestaltung der Hauptkörper davon abwichen, habe sich die Antragstellerin veranlasst gesehen, die bestehende Dachlandschaft durch eine Gestaltungssatzung zu sichern. Formvorgaben zur Dachgestaltung hätten dann in § 2 der Gestaltungssatzung lediglich für Hauptgebäude Niederschlag gefunden. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass die Gemeinde ihr Einvernehmen zum Anbau mit Flachdach sowie den aufgesetzten Balkonanlagen auf dem Grundstück FlNr. … erteilt habe, habe sie diese Fallkonstellation jedenfalls nicht dem Regelungs- und Gestaltungszweck der Satzung als zuwiderlaufend angesehen. Im Übrigen enthalte die Satzung selbst unter § 3 eine immanente Ausnahmeregelung. Da das streitgegenständliche Vorhaben sowohl optisch als auch tatsächlich dem im Jahr 2013 im Einvernehmen mit der Antragstellerin genehmigten Flachdachanbau vergleichbar sei, habe dies zur Folge, dass sich das Ermessen der zuständigen Bauaufsichtsbehörde insoweit auf null reduziert habe. Auch für das Gebäude A … …str. … habe die Antragstellerin im Jahr 2018 ihr Einvernehmen zur Errichtung einer Dachterrasse auf einer Garage, die als Flachdach ausgestaltet sei, erteilt. Selbst wenn die Garage hinsichtlich ihrer Dachform nicht unter die Vorgaben der Gestaltungssatzung falle, so stelle diese ebenso aufgrund der optischen Wahrnehmung einen vergleichbaren Bezugsfall dar. Auch angesichts des Umstandes, dass die streitgegenständliche Flachdachgestaltung lediglich auf dem eingeschossigen, südlichen Teil des Baukörpers erfolgen solle und dadurch die bestehende, aus Sicht der Antragstellerin zu sichernde “Dachlandschaft” aufgrund der topografischen Verhältnisse jedenfalls optisch nicht beeinträchtigt werde, habe die Abweichung rechtmäßig erteilt und das Einvernehmen insoweit ersetzt werden können.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Sie bringt vor, das Vorhaben sei mit § 34 BauGB nicht vereinbar. Zwar dürfte die Erschließung des Baugrundstücks aufgrund im Grundbuch eingetragener Dienstbarkeiten zulasten der benachbarten FlNr. … und eines nunmehr vorgelegten notariellen Vertrags hierzu aus dem Jahr 2013 gesichert sein. Das Vorhaben füge sich aber nicht in die nähere Umgebung ein. Das gelte zunächst mit Blick auf die geplante grenzständige Errichtung nach Westen hin (zur FlNr. ) hinsichtlich der halboffenen Bauweise, die in der Umgebung so keine Entsprechung finde. Die Nutzung der Tiefgarage führe aufgrund der Lärmbelastung zulasten der Nachbarschaft ferner zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Das Gebot der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse i.S. von § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BauGB, auf das sich die Standortgemeinde, deren Einvernehmen ersetzt worden sei, als Teil der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 34 BauGB uneingeschränkt berufen könne, sei aufgrund der geringen Abstände zu den Gebäuden auf der östlich angrenzenden FlNr. … verletzt. Entgegen der Beurteilung des Erstgerichts habe das Landratsamt die Abweichung von den Dachgestaltungsvorgaben in § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung rechtswidrig unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilt. Der Tatbestand des Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 BayBO liege schon nicht vor. Zudem sei das Ermessen für eine Abweichung nicht auf null reduziert gewesen. Das Landratsamt habe keine Ermessenserwägungen angestellt; jedenfalls habe es seine Entscheidung auf sachfremde Erwägungen gestützt. Voraussetzung für eine Abweichung sei, dass diese unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Satz 1 BayBO, vereinbar sei. Hierzu fänden sich keine Ausführungen im Genehmigungsbescheid. Auch das Verwaltungsgericht habe lediglich festgestellt, dass der Tatbestand vorliege. Eine Abwägung des Zwecks der Gestaltungssatzung mit dem Interesse des Bauherrn, hiervon abzuweichen, sei nicht ersichtlich. Eine Selbstbindung der Verwaltung als Ausnahmefall einer Ermessensreduzierung auf null komme durch eine ständige gleichmäßige Übung der Verwaltung (Verwaltungspraxis) zustande. Eine solche liege vor, wenn die Verwaltung bei der Behandlung vergleichbarer Fälle gleichbleibend nach einem System verfahre, von dem sie dann nicht im Einzelfall nach Belieben abweichen könne, ohne dadurch (objektiv) willkürlich zu handeln. Diese Voraussetzungen einer sog. Selbstbindung seien hier nicht erfüllt. Zum einen könne das Landratsamt nicht durch eine etwaige Verwaltungspraxis der Antragstellerin als Gemeinde gebunden werden. Es handele sich um verschiedene Kompetenzträger. Zum andern fehle es schon an einer Vergleichbarkeit von Fällen. § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung beziehe sich ausdrücklich auf Hauptgebäude in Abgrenzung zu Nebengebäuden und Anbauten. Die vom Verwaltungsgericht bemühten Fälle hätten einen Anbau mit Dachterrassen und eine Balkonanlage sowie eine Garage mit Terrasse betroffen. Ohnehin sei fraglich, ob diese Fälle zahlenmäßig ausreichen könnten, um bereits eine Verwaltungspraxis zu begründen. Soweit das Verwaltungsgericht zusätzlich darauf abstelle, dass sich die Gebäude auf FlNr. … und auf dem Baugrundstück jedenfalls “optisch und tatsächlich” einander gegenüberständen, lasse sich eine selbstbindende Verwaltungspraxis hierin nicht erkennen. Im Übrigen werde diesbezüglich auf den Auszug aus der Sitzungsniederschrift des Bauausschusses vom 25. Juni 2013 und die dortigen Erwägungen, dass es sich nicht um einen Neusondern um einen Bestandsbau gehandelt habe, hingewiesen. Auch hinsichtlich der in Bezug genommenen Garage mit Flachdach bzw. Dachterrasse auf dem Grundstück A … …str. … habe das Verwaltungsgericht erkannt, dass keine Vergleichbarkeit mit dem Bauvorhaben vorliege und dass § 2 Abs. 1 BauGB mit “Hauptgebäuden” keine “Garagen” meine. Die bereits viele Jahre vor Erlass der Gestaltungssatzung genehmigten Dacheinschnitte für die zudem außerhalb des Geltungsbereichs der Satzung gelegenen Gebäude auf FlNrn. … … und … (A … …str. … …) seien vom Baugrundstück aus kaum zu sehen. Die eher untergeordneten Flachdachbereiche der Gebäude auf FlNr. … u.a. (A … …str. … …), FlNr. … (A … …str. ) und FlNr. … (W …str.) seien vor Inkrafttreten der Gestaltungssatzung genehmigt worden. Mithin habe sie – die Antragstellerin – keine Abweichungen erteilt, die die vom Landratsamt angenommene Bindung und damit eine Ermessensreduzierung auf null rechtfertigen könnten. Sollten in den Ausführungen des Landratsamts überhaupt Ermessenserwägungen gesehen werden, seien diese fehlerhaft. Das Landratsamt scheine zudem die Frage der Abweichung von der Gestaltungssatzung mit sachfremden Erwägungen als Teil des Einfügens nach § 34 BauGB zu prüfen.
Die Antragstellerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. Mai 2021 die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage vom 25. Februar 2021 gegen die Baugenehmigung vom 25. Januar 2021 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus seiner Sicht füge sich das Vorhaben der Beigeladenen nach seiner Bauweise in die nähere Umgebung ein. Sowohl die offene als auch die geschlossene Bauweise setzten eine straßenbegleitende Bebauung voraus. Ob eine seitliche – oder eine vordere bzw. rückwärtige – Grundstücksgrenze vorliege, sei von der das Grundstück erschließenden öffentlichen Verkehrsfläche aus zu beurteilen. Das Baugrundstück werde über die A … … straße von (Nord-) Westen und nicht über den Fußweg im Süden (G …weg) erschlossen. Eine straßenbegleitende Bebauung sei bei Hinterliegergrundstücken nicht vorhanden. Dass das Baugrundstück an den G …weg angrenze, sei daher unbeachtlich. Selbst wenn man der Auffassung folgte, dass das Kriterium des Einfügens nach der Bauweise auch für die Bebauung von Hinterliegergrundstücken gelte, sei mit dem Verwaltungsgericht von einer “Gemengelage” aufgrund der unterschiedlichen Bauweise der Bebauung im maßgeblichen Bereich auszugehen. Hinsichtlich eines angeführten Bezugsfallcharakters bleibe die Beschwerdebegründung unsubstantiiert. Zudem gebe es im maßgeblichen Bereich keine weiteren Grundstücke, die für eine Nachverdichtung durch Hinterliegerbebauung in Frage kämen. Unabhängig von der Frage, ob sich die Antragstellerin als Standortgemeinde hierauf berufen könne, sei das Vorhaben hinsichtlich der Anzahl und Situierung der Stellplätze nicht rücksichtslos. Die Stellplätze und der hierauf bezogene Fahrverkehr sei sozialadäquat. Zwar sei die Baugenehmigung nur für die FlNr. …1 beantragt worden, da nur auf diesem Grundstück die ausgewiesenen Stellplätze zu errichten seien. Die Antragstellerin verkenne aber, dass es üblich und auch sinnvoll sei, dass gerade im städtischen Umfeld die Zufahrt zu den Garagen mehrerer Objekte über eine (gemeinsame) Tiefgarageneinfahrt erfolge und sich Tiefgaragenstellplätze teilweise auch auf benachbarten Flurnummern befänden. Es handele sich um im Einklang mit der städtischen Stellplatzsatzung wohnakzessorische Stellplätze, die auch unter Berücksichtigung von Ziff. 8.7 des angegriffenen Genehmigungsbescheids den einschlägigen Bedarf der Wohnhäuser auf dem Baugrundstück (FlNr. …1) sowie auf dem Nachbargrundstück (FlNr.) deckten. Dass die Stellplätze in einer Tiefgarage verwirklicht würden, bewirke sogar eine erhöhte Rücksichtnahme gegenüber der Umgebungsbebauung. Mit einem wesentlichen Begegnungsverkehr sei bei dem vorliegenden Wohnbauvorhaben nicht zu rechnen. Mit Blick auf die zulasten der FlNr. … eingetragenen Dienstbarkeiten sei die Erschließung für das Vorhaben auch gesichert. Gesunde Wohnverhältnisse seien gewahrt. Die Antragstellerin könne sich im Rahmen ihrer durch § 36 BauGB gesicherten Planungshoheit nicht über die “Brücke” des § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB auf eine (vermeintlich unterbliebene) Einhaltung von bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen berufen. Dem Schutzziel der hinreichenden “Belichtung und Besonnung” werde durch die – vorliegend gegebene – Einhaltung der Vorgaben des Art. 6 BayBO grundsätzlich Rechnung getragen. § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BauGB diene nicht dazu, eine nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bereits zulässige Bebauung im Interesse der Nachbarschaft weiter optimieren zu müssen, wenn die Anforderungen des Rücksichtnahmegebots – wie hier – gewahrt seien. Es gehe im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BauGB vielmehr um die Abwehr städtebaulicher Missstände z.B. durch schädliche Umwelteinwirkungen oder durch kontaminierte Böden (“Altlasten”). Die Abweichung von der Gestaltungssatzung sei rechtmäßig erteilt und das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen sei rechtsfehlerfrei ersetzt worden. Ergänzend zur Begründung des streitgegenständlichen Bescheids, der erstinstanzlichen Stellungnahmen sowie den Ausführungen des Verwaltungsgerichts werde darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Wahrung des Ortsbildes selbst einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter durch die Zulassung der Dachterrasse in einer Hinterliegerbebauung ohne Sichtbezug zum öffentlichen Verkehrsraum und bei bereits vorhandenen Abweichungen von der räumlich geltenden Gestaltungssatzung keine belastende Entwicklung des bereits durchwachsenen Ortsbildes im Geviert aufdränge. Im Gegenteil erschließe sich gerade einem objektiven Betrachter kein Grund dafür, dass die beantragte Dachterrasse anders zu qualifizieren wäre als die im Bereich der Gestaltungssatzung bereits in erheblichem Umfang genehmigten Balkonanlagen und Terrassen. Insbesondere hinsichtlich des erteilten gemeindlichen Einvernehmens zu den Balkonanlagen zum Gebäude A … …str. …, welches nach Inkrafttreten der Gestaltungssatzung ausgesprochen worden sei, lasse sich eine Selbstbindung der Verwaltung herleiten. Es existierten im heutigen Geltungsbereich der Gestaltungssatzung ferner weitere Flachdächer, die – vor Erlass der Gestaltungssatzung – im Einvernehmen mit der Antragstellerin genehmigt worden seien: Die Reihenhäuser auf FlNr. … hätten teilweise Flachdächer, das Einfamilienhaus auf FlNr. … habe einen Quergiebel mit Flachdach und auf der FlNr. … sei eine Dachterrasse genehmigt worden. Die Gebäude A … …str. … … mit Dacheinschnitten (Terrassen im Dachgeschoss) lägen zwar außerhalb des Umgriffs der Gestaltungssatzung, aber in Sichtweise des Baugrundstücks. Die Dachterrasse des Gebäudes auf FlNr. (A … …str. …) sei mangels existenter Baugenehmigung bei der Bearbeitung des Bauantrags nicht als Bezugsfall betrachtet worden.
Die Beigeladene vertritt – ohne im Beschwerdeverfahren ausdrücklich einen eigenen Sachantrag gestellt zu haben – die Rechtsansicht, dass die Beschwerde zurückzuweisen sei, und trägt hierzu vor, das streitgegenständliche Objekt sei hinsichtlich der Frage des Einfügens in Bezug auf die Bauweise als Hinterliegergrundstück der A … … straße zu betrachten. Aus dem Blickwinkel der A … … straße bestehe keine offene Bauweise. Aufgrund seines geringen Stellenwerts und seiner geringen Breite sei nicht auf den G …weg abzustellen. Selbst wenn man dies täte, sei festzustellen, dass die Bebauung im Bereich dieses Wegs für eine offene Bauweise nichts hergebe, sodass die geplante halboffene Bauweise auf dem Baugrundstück zulässig sei, zumal auch die Objekte A … …str. … und … in halboffener Bauweise errichtet seien. Der rückwärtige Straßenraum sei mithin nicht offen bebaut, weswegen auch keine bewältigungsbedürftigen Spannungen erzeugt würden. Der rückwärtige Straßenraum, also das fragliche Baugrundstück, werde durch die ebenfalls in halboffener Bauweise errichteten Objekte A … …str. … und … abgeschlossen. Das Vorhaben sei hinsichtlich Anzahl und Situierung der Stellplätze nicht rücksichtslos. Dass mehr Stellplätze als nach der Stellplatzsatzung vorgesehen geplant seien, liege daran, dass nach der Baugenehmigung für das Objekt A … …str. … (FlNr.) vom 27. Juni 2013 eine Vielzahl von Kfz-Stellplätzen nachzuweisen sei. Vier dieser Stellplätze würden nunmehr im streitgegenständlichen Vorhaben abgedeckt, wie Nr. 8.7 der angefochtenen Baugenehmigung klarstelle. Es gehe daher nicht um gewerbliche Vermietung überzähliger Parkplätze oder um Stellplatzbeschaffung “auf Vorrat”. Die Parkplätze seien vielmehr zur Bedarfsdeckung der Wohnnutzung sozialadäquat und daher nicht für die Nachbarschaft unzumutbar. Die von der Antragstellerin vorgebrachten Szenarien über einen Rückstau auf die A… … straße samt Verkehrsbehinderungen und damit verbundenen Immissionssteigerungen seien unrealistisch. Jedenfalls unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren ergänzend vorgelegten Informationen und Unterlagen sei von einer gesicherten Erschließung des Vorhabens auszugehen. Die Antragstellerin stelle die Behauptung, ein Lichteinfallswinkel von 45° sei im Verhältnis zu den Objekten A … …str. … und … nicht eingehalten, ohne nähere Begründung in den Raum. Hinsichtlich dieser Objekte werde vom streitgegenständlichen Vorhaben das sog. 16 m-Privileg nach Osten hin in Anspruch genommen. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gewährleiste nicht die Einhaltung einer bestimmten Besonnungsdauer. Die Umwehrung bzw. das Geländer auf dem geplanten Flachdach könne so ausgestaltet werden, dass die Belichtung und Besonnung nicht beeinträchtigt würden. Hinsichtlich der Abweichung von der Gestaltungssatzung habe das Landratsamt der Sache nach die gebotene Abwägung vorgenommen. Mit dem Verweis auf die Balkonanlagen am Objekt A … …str. … sowie die Dacheinschnitte der Objekte A … …str. … bis … habe das Landratsamt bei der Ermessensentscheidung den Schluss gezogen, dass die dort getroffenen und von der Antragstellerin mitgetragenen Wertungen auch im konkreten Fall einschlägig seien. Es liege eine Ermessensreduzierung auf null vor. Das Landratsamt als Kompetenzträger werde nicht deshalb gebunden, weil der andere Kompetenzträger einer Selbstbindungswirkung unterliege, sondern das Landratsamt beurteile lediglich den Umstand der Selbstbindung der Antragstellerin und ziehe daraus Konsequenzen. In der Umgebung gebe es für Abweichungen von der Gestaltungssatzung zahlreiche Bezugsfälle, so gebe es Flachdächer z.T. mit Balkonnutzung an der A … … straße sowie ein Gebäude mit Pultdach (K …str.). Das Landratsamt prüfe die Abweichung von der Gestaltungssatzung nicht sachwidrig als Teil des Einfügens nach § 34 BauGB. Der Blick in die Umgebung und in den unmittelbaren Bereich des Baugrundstücks diene allein dem Zweck, Vergleichs- und Bezugsfälle in Bezug auf die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens auszumachen.
Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren auf Ersuchen des Senats mit Schriftsatz vom 21. Juli 2021 Baugenehmigungsakten zu diversen Objekten in der Umgebung des Baugrundstücks (sowohl innerhalb als auch außerhalb des Geltungsbereichs der Gestaltungssatzung) vorgelegt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten bzw. beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Die Antragstellerin ist analog § 42 Abs. 2 VwGO im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO antragsbefugt. Eine Standortgemeinde kann sich als Dritte auch im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn sich diese auf die Verletzung einer Norm berufen kann, die gerade ihrem Schutz zu dienen bestimmt ist. Vorliegend ist zum einen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. Januar 2021 im Widerspruch zu § 34 BauGB steht, sodass das gemeindliche Einvernehmen gem. § 36 BauGB schon insoweit unter Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit ersetzt worden sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 15 CS 20.1512 – juris Rn. 30). Daneben kommt eine Verletzung der Satzungshoheit der Antragstellerin als Ausprägung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts in Betracht, sofern ihr gegenüber das Ersetzen des gemeindlichen Einvernehmens mit Blick auf die Regelungsvorgaben in § 2 Abs. 1 der “Gestaltungssatzung Nr. I – A … … straße (West)” (im Folgenden: Gestaltungssatzung) zu Unrecht erfolgte [vgl. HessVGH, U.v. 10.4.2000 – 9 UE 2459/96 – NVwZ-RR 2001, 294 = juris Rn. 32; B.v. 15.3.2021 – 4 A 629/20.Z – juris Rn. 10 ff.; VGH BW, B.v. 28.3.2017 – 5 S 2427/15 – BauR 2017, 1356 = juris Rn. 13 ff.; VG München, B.v. 9.2.2007 – M 11 S 06.2936 – juris Rn. 21; VG Cottbus, B.v. 16.11.2018 – VG 3 L 606/18 – juris Rn. 10; Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: März 2021, Art. 81 Rn. 11 m.w.N.; zur Statthaftigkeit und zum allg. Rechtsschutzinteresse bei einem Antrag einer Standortgemeinde gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO mit Blick auf § 212a Abs. 1 BauGB vgl. z.B. VG Cottbus, B.v. 16.11.2018 a.a.O. Rn. 5 ff.], vgl. auch unten 2. a) cc). Als Unterlegene im (Eil-) Verfahren in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht verfügt die Antragstellerin zudem über die für die Beschwerdebefugnis erforderliche Beschwer.
2. Aus den von der antragstellenden Standortgemeinde vorgetragenen Gründen (vgl. (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. Januar 2021 anzuordnen.
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, wenngleich nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
Die mit dem Ziel der Aufhebung der Baugenehmigung vom 25. Januar 2021 erhobene Anfechtungsklage ist zulässig. Die Klageerhebung durch die Antragstellerin erfolgte per Telefax am 25. Februar 2021 und damit rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Die Antragstellerin ist auch gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt (vgl. oben 1.). Entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat die Fragen, ob die Antragstellerin durch den streitgegenständlichen Genehmigungsbescheid vom 25. Januar 2021 in ihrer durch das öffentliche Recht geschützten Belangen verletzt wird und die Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung deshalb voraussichtlich Erfolg haben wird, nach Aktenlage als offen an [vgl. im Folgenden a) ]. Die mithin vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Antragstellerin aus, s.u. b).
a) Nach summarischer Prüfung anhand der vorgelegten Akten lässt sich nicht hinreichend sicher beurteilen, ob die Baugenehmigung vom 25. Januar 2021 rechtswidrig ist und Rechte der Antragstellerin verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es sprechen aber nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage gewichtige Anhaltspunkte gegen die Rechtmäßigkeit des Baugenehmigungsbescheids und für eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin als Standortgemeinde aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV.
aa) Das Vorhaben der Beigeladenen sieht als Teilbedachung des (wohngenutzten) Erdgeschosses im südlichen Bereich ein Flachdach vor, das gleichzeitig als Dachterrasse für das Obergeschoss vorgesehen ist. Damit widerspricht die Baugenehmigung § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung, wonach bei Hauptgebäuden nur Satteldächer oder Walmdächer mit einer Dachneigung zwischen 25° und 48° zulässig sind.
bb) Aufgrund des Widerspruchs zu § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung sind die Rechtmäßigkeit und die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens der Beigeladenen grundsätzlich von der im streitgegenständlichen Baugenehmigungsbescheid tatsächlich unter Ersetzung des versagten gemeindlichen Einvernehmens erteilten Abweichungszulassung gem. § 3 der Gestaltungssatzung i.V. mit Art. 63, Art. 67 BayBO abhängig. Da das geplante Vorhaben der Beigeladenen gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig ist, lag es vorliegend nicht gem. Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayBO in der Zuständigkeit der Antragstellerin als Standortgemeinde, über die Erteilung einer Abweichung von § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung zu entscheiden. Die Fragen der Vereinbarkeit des Vorhabens mit § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung sowie der Rechtmäßigkeit der Erteilung einer Abweichung von dieser örtlichen Bauvorschrift war vielmehr vom sog. Prüfprogramm des hier einschlägigen vereinfachten Genehmigungsverfahrens und damit grundsätzlich auch von der Entscheidungskompetenz des Landratsamts als Baugenehmigungsbehörde (Art. 53 Abs. 1 BayBO) umfasst. Denn gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst c und Nr. 2 BayBO prüft die Bauaufsichtsbehörde im – vorliegend einschlägigen – vereinfachten Baugenehmigungsverfahren sowohl die Übereinstimmung mit den Regelungen örtlicher Bauvorschriften i.S. von Art. 81 Abs. 1 BayBO als auch beantragte Abweichungen i.S. von Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO.
Allgemein stehen Abweichungen von Anforderungen der BayBO bzw. von Anforderungen aufgrund der BayBO gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO unter dem tatbestandlichen Vorbehalt, dass diese unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anordnung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Es bedarf vorliegend nicht der Klärung, ob diese Tatbestandsvoraussetzungen einschlägig sind. Die Genehmigungserteilung unter Abweichungszulassung und Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens dürfte hier bereits an den Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen des Art. 67 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BayBO scheitern. Der Senat geht unter Auswertung der vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren auf gerichtliche Anforderung vorgelegten Bauakten abweichend von der Begründung des Genehmigungsbescheids vom 25. Januar 2021 sowie entgegen dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. Mai 2021 nicht davon aus, dass das von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Antragstellerin als Standortgemeinde auszuübende Ermessen hinsichtlich der Zulassung einer Abweichung von § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung (Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO) auf null reduziert war und deshalb der Beigeladenen i.S. von Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO ein “Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung” zustand.
Ist das Landratsamt als Baugenehmigungsbehörde wie hier (s.o.) für die Genehmigung eines Vorhabens in einer kreisangehörigen Gemeinde zuständig, k a n n es gem. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit Abs. 3 Satz 2 BayBO unter den dort geregelten weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen Abweichungen auch von örtlichen Bauvorschriften (als Anforderungen “aufgrund” der BayBO) im E i n v e r n e h m e n mit der G e m e i n d e (hier: der Antragstellerin) zulassen. Verweigert die Gemeinde ihr Einvernehmen zur Abweichung von der örtlichen Bauvorschrift rechtzeitig (vgl. Art. 63 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BayBO i.V. mit § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB), ist die Baugenehmigungsbehörde daran grundsätzlich gebunden. Wird die Baugenehmigung gleichwohl ohne das nach Art. 63 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 erforderliche Einvernehmen erteilt, so ist die Baugenehmigung auf die Anfechtungsklage der Gemeinde hin grundsätzlich aufzuheben. Verweigert die Gemeinde ihr Einvernehmen allerdings in rechtswidriger Weise, so kann die Bauaufsichtsbehörde dieses nach Maßgabe des Art. 67 BayBO ersetzen, vgl. Art. 67 Abs. 1 Alt. 2 i.V. mit Art. 63 Abs. 3 Satz 2 BayBO (zum Ganzen Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: März 2021, Art. 63 Rn. 50, 51a, 58a, 59, 66, 68 ff.; Dhom/Simon in Busse/Kraus, BayBO, Stand: März 2021, Art. 63 Rn. 14, 53, 56; Dirnberger in ebenda Art. 67 Rn. 1, 28, 70, 103; Decker in ebenda Art. 81 Rn. 280; Weinmann in Spannowsky/Manssen, Bauordnungsrecht Bayern BeckOK, Art. 63 Rn. 13, 15, 43, 53, 61 ff., 76; Greim-Diroll in ebenda Art. 67 vor Rn. 1, Rn. 5 f., 10, 14; Grünewald in ebenda Art. 81 Rn. 17). Die Rechtswidrigkeit der Einvernehmensversagung kann grundsätzlich nur bei rechtlich gebundenen Entscheidungen angenommen werden (Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Art. 67 Rn. 21), zumal Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO die Zulässigkeit der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens ausdrücklich auf Fälle begrenzt, in denen ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung besteht. Bei der Entscheidung über die Erteilung oder die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens hinsichtlich der Zulassung einer Abweichung von einer örtlichen Bauvorschrift steht auch der Gemeinde ein Gestaltungsspielraum / Ermessen zu (BayVGH, U.v. 16.12.1996 – 14 B 93.2981 – NVwZ 1998, 205/207; Molodovsky/Famers/Waldmann, a.a.O. Art. 63 Rn. 69, Art. 67 Rn. 23; Dhom/Simon in Busse/Kraus a.a.O., Art. 63 Rn. 57; Dirnberger in ebenda Art. 67 Rn. 71; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 67 Rn. 5 f.). Eine Ersetzung eines rechtswidrig versagten Einvernehmens kommt im Ermessensbereich einer Abweichung von einer örtlichen Bauvorschrift mithin nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Gemeinde aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise dahingehend auf null reduziert ist, dass sie das Einvernehmen zur Erteilung der Ausnahme oder Befreiung zu erteilen hat, weil jede andere Entscheidung ermessenfehlerhaft wäre (Greim-Diroll in Spannowsky/Manssen, Bauordnungsrecht Bayern BeckOK, Art. 67 Rn. 5, 10; Dirnberger a.a.O. Art. 67 Rn. 79 ff.). Solche besonderen Umstände liegen nicht allein deshalb vor, weil die Voraussetzungen des Tatbestands der Ermessensvorschrift (hier: Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO) vorliegen. Eine Reduzierung des Ermessens auf null kann sich vor allem aus dem allg. Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 118 Abs. 1 BV; insbes. nach den Grundsätzen der sog. Selbstbindung der Verwaltung), aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ergeben (Dirnberger a.a.O.).
Es ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, dass das Ermessen der Antragstellerin auf null reduziert war und dass deshalb das Landratsamt als Baubehörde des Antragsgegners berechtigt war, das fehlende Einvernehmen der Antragstellerin zu ersetzen. Eine dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG widersprechende Ermessensausübung kommt in Betracht, wenn eine Behörde ihr Ermessen ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausübt, nicht hingegen, wenn für ein unterschiedliches Vorgehen sachliche Gründe bestehen (BVerwG, B.v. 18.4.1996 – 4 B 3896 – BRS 58 Nr. 209 = juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 23.11.1998 – 4 B 99.98 – BauR 1999, 734 = juris Rn. 4; VGH BW, U.v. 3.11.2020 – 1 S 581/18 – VBlBW 2021, 243 = juris Rn. 78 m.w.N.). Ein Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund einer Selbstbindung der Verwaltung kann daher nur bestehen, wenn sich unabhängig von ermessensbindenden Verwaltungsvorschriften, Richtlinien o.ä. (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 346 = juris Rn. 26 m.w.N.) eine Zustimmungs- oder Genehmigungspraxis für vergleichbare Fälle entwickelt hat, die die Behörde auch beizubehalten beabsichtigt (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2017 – 9 B 17.271 – juris Rn. 36; VGH BW, U.v. 3.11.2020 a.a.O.; VG Ansbach, U.v. 4.11.2020 – AN 3 K 19.01575 – juris Rn. 102; VG Freiburg, U.v. 9.7.2009 – 4 K 1143/08 – juris Rn. 45). Vorliegend lässt sich eine gleichmäßige, auch zukunftsgerichtete Verwaltungspraxis der Antragstellerin bei der Entscheidung über die Erteilung von Abweichungen bzw. über die Erteilung des Einvernehmens zu Abweichungszulassungen, die über Art. 3 Abs. 1 GG zu einer Selbstbindung führt, aus den folgenden Gründen nicht feststellen:
Bereits v o r dem I n k r a f t t r e t e n der Gestaltungssatzung waren innerhalb des Geltungsbereichs der Gestaltungssatzung einige Gebäude mit Flachdächern / Flachdachelementen bzw. mit Dächern, die nicht den heute geltenden Anforderungen des § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung entsprechen, mit dem Einvernehmen der Antragstellerin baurechtlich genehmigt worden:
– Wohnhaus (mit Satteldach) und Werkstattanbau (mit Flachdach, Spengler-Werkstätte) auf FlNr. … (A … …str. …, Baugenehmigung vom 26.9.1962, vgl. auch Baugenehmigung vom 19.6.1978 für die Eingangsüberdachung; ein Bauantrag für den Umbau und die Sanierung des Mehrfamilienhauses wurde gem. Bescheid des Landratsamts vom 16.3.2021 wegen Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO als zurückgenommen behandelt),
– Gebäude mit Dachterrasse auf FlNr. … (W …str. …, Erweiterungs-Baugenehmigungen vom 20.11.1986 und vom 25.9.1997),
– Gebäude mit Flachdachelementen auf FlNr. … (A … …str. …, vgl. Baugenehmigungen vom 8.10.1981, 20.8.1990, 12.9.1990 und 27.1.1992),
– Drei Reihenhäuser mit Flachdachelementen auf FlNr. … (A … …str. … …, Baugenehmigung vom 26.8.2003 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 14.10.2003),
– Einfamilienhaus mit Flachdachquergiebel auf FlNr. … (A … …str. …, Baugenehmigung vom 9.11.2010).
Diese einzelnen Anlagen mit Flachdächern bzw. Flachdachelementen fand die Antragstellerin als Satzungsgeberin bereits im Zeitpunkt des Erlasses bzw. der Bekanntgabe der Gestaltungssatzung vor, sodass ihre diesbezügliche Einvernehmenserteilung für die erlassenen Baugenehmigungen keinen Anknüpfungspunkt für eine an den Gleichheitssatz anzuknüpfende Selbstbindung im oben genannten Sinn darstellen kann. Mit § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung sollte vielmehr einer entsprechenden Entwicklung mit weiteren Flachdächern auf Hauptgebäuden entgegengewirkt werden.
Soweit dies von den Beteiligten des vorliegenden Eilverfahrens thematisiert wurde, finden sich in der Nähe – a u ß e r h a l b – des Geltungsbereichs der Gestaltungssatzung folgende Gebäude mit Flachdächern bzw. Flachdachelementen:
– Dachgeschossausbau der Anwesen A… …str. … … (FlNrn. … … … mit Dacheinschnitten (= Terrassen im Dachgeschoss, Baugenehmigung vom 28.10.1991),
– Gebäude mit Pultdach auf FlNr. … (K…str., Baugenehmigung vom 17.1.2007),
– Zwei Mehrfamilienhäuser mit Flachdachvorbauten auf FlNr. … (A… …str. … …, Baugenehmigung vom 20.6.2011; hierzu auch Nutzungsänderungsgenehmigung vom 19.3.2013).
Soweit die Beigeladene sowie auch die Begründung des streitgegenständlichen Baugenehmigungsbescheids auf die diesbezüglichen Baugenehmigungsverfahren und die Einvernehmenserteilung der Antragstellerin hierzu verweisen, vermag dies eine Selbstbindung für die Ermessungsausübung hinsichtlich des Vorhabens der Beigeladenen nicht zu begründen (vgl. auch VG Köln, U.v. 28.12.2020 – 2 K 5649/18 – juris Rn. 36). Diese Gebäude können – unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Genehmigung (überwiegend schon vor Erlass und Inkrafttreten der Gestaltungssatzung, s.o.) – schon deshalb nicht als Bezugsfälle herangezogen werden, weil sie als Objekte außerhalb des Geltungsbereichs der Gestaltungssatzung nicht den Bindungen des § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung unterliegen und es für dortige Flachdächer und Flachdachbereiche von vornherein keiner Abweichung von einer örtlichen Bauvorschrift bedarf.
Für die Frage, ob eine Ermessensreduzierung auf null unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes (Selbstbindung) vorliegt oder nicht, ist ausschlaggebend, ob eventuelle Bezugsfälle vergleichbar mit dem zu beurteilenden Fall sind oder ob aufgrund besonderer Aspekte eine Differenzierung möglich bzw. geboten ist (VG Würzburg, U.v. 16.8.2016 – W 4 K 16.344 – juris Rn. 43). Nach Aktenlage verbleiben lediglich zwei Fälle, bei denen es unter Erteilung des Einvernehmens der Antragstellerin zur Erteilung einer Baugenehmigung von Flachdachbereichen im Geltungsbereich der Gestaltungssatzung nach deren Inkrafttreten kam. Für diese denkbaren Bezugsfälle gilt hinsichtlich der Vergleichbarkeit bzw. des Gebots der Differenzierung Folgendes:
Der erste Fall betrifft die auch vom Verwaltungsgericht thematisierte Baugenehmigung für Änderungen im Erdgeschossbereich des Bestandsgebäudes auf der westlich an das Baugrundstück angrenzenden FlNr. … (A… …str. ). Am 29. November 2012 wurde hierfür ein Bauantrag eingereicht, dem die Antragstellerin zunächst das gemeindliche Einvernehmen verweigerte. Am 22. April 2013 wurde mit Blick auf die neue Gestaltungssatzung der Antragstellerin ein neuer Bauantrag gestellt, mit dem aufgrund eines geplanten Flachdachs mit einer eine Fläche von etwa 70 m² für einen Anbau im Südwesten des Gebäudes ausdrücklich ein Antrag auf Erteilung einer Abweichung von § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung verbunden wurde. In dem vom Gericht im Beschwerdeverfahren angeforderten und von der Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27. Juli 2021 vorgelegten Auszug der Niederschrift über die Sitzung ihres Bauausschusses vom 25. Juni 2013 heißt es zu diesem Vorhaben:
“Hinsichtlich der Abweichung von der Gestaltungssatzung muss eine Entscheidung getroffen werden. Aus Sicht der Verwaltung erscheint eine Abweichung gerechtfertigt, da es sich vorliegend nur um eine Nutzungsänderung und nicht um einen Neubau handelt. Auf das Bestandsgebäude noch ein Satteldach aufbringen zu lassen, um den Anforderungen der Satzung zu genügen, wäre unbillig.”
Im Übrigen geht aus dem Auszug der Sitzungsniederschrift hervor, dass der Bauausschuss am Sitzungstag ausschließlich deshalb keine Einvernehmenserteilung empfohlen hatte, weil im Falle einer damals noch beantragten Teilung der FlNr. … ein Großteil der für das Vorhaben vorgesehenen Stellplätze außerhalb dieses Grundstücks gelegen hätte. Mit E-Mail vom 26. Juni 2013 teilte die Verwaltung der Antragstellerin dem Landratsamt sodann mit, dass der städtische Bauausschuss in der Sitzung am Vortag grundsätzlich erklärt habe, dass eine nun vorgeschlagene Lösung zur Stellplatzfrage grundsätzlich akzeptiert werden könne und dass aufgrund der Bestandssituation auch Einverständnis damit bestehe, wenn eine Ausnahme von der Gestaltungssatzung erteilt werde. Sollte – so heißt es in der E-Mail weiter – auf eine vom Bauherrn beabsichtigte und seitens der Stadt als problematisch angesehene Teilung der FlNr. … verzichtet werden, könne aus städtischer Sicht der Bauantrag positiv beschieden werden. Nachdem am 27. Juni 2013 der Teilungsantrag zurückgenommen wurde, erklärte die Antragstellerin gegenüber dem Landratsamt mit E-Mail vom 27. Juni 2013, dass das gemeindliche Einvernehmen “im Büroweg nach Art. 37 GO” erteilt werde. Im Anschluss erteilte das Landratsamt mit Bescheid vom 27. Juni 2013 die beantragte Baugenehmigung für das Vorhaben “Einbau von 3 Wohneinheiten in ehem. Handwerksbetrieb und Errichtung eines südöstlichen Anbaus mit 1 Wohneinheit” auf der FlNr. … unter ausdrücklicher Zulassung einer Abweichung von § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung.
Dieser Fall vermag nicht als Bezugsfall zur Begründung einer Ermessensreduzierung wegen Selbstbindung zu fungieren, weil die Antragstellerin – zumal im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erlass und dem Inkrafttreten der Gestaltungssatzung – ersichtlich eine Einzelfallentscheidung zur Einvernehmenserteilung unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestandsgebäudes traf, das bereits aufgrund früherer Baugenehmigungen vom 8. Oktober 1981, 20. August 1990, 12. September 1990 und 27. Januar 1992 mit Flachdachbereichen “vorbelastet” war.
Der (verbleibende) zweite denkbare – nach Inkrafttreten der Gestaltungssatzung innerhalb deren Geltungsbereich genehmigte – Bezugsfall betrifft die Errichtung einer ca. 30,5 m² (6,84 m² x 4,455 m²) großen Dachterrasse auf einer bestehenden Garage für das Gebäude auf FlNr. … (A… …str. ) unter Abbruch des vorher bestehenden Garagensatteldachs. Der Antragsgegner erteilte hierfür mit dem (als Angelegenheit der laufenden Verwaltung ohne Gremiumsbefassung ausgesprochenen) Einvernehmen der Antragstellerin mit Bescheid vom 26. Februar 2019 eine Baugenehmigung. Der Senat lässt es dahingestellt, ob eine Garage ihre bisherige Eigenschaft als ausschließliches Nebengebäude verliert und zum Bestandteil des Hauptgebäudes i.S. von § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung erwächst, wenn auf ihrem bestehenden Flachdach eine Dachterrasse als Ergänzung des Wohnbereichs eines oberen Geschosses errichtet wird (zum Verlust der Abstandsprivilegierung nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO in der bis zum 31.1.2021 geltenden Fassung in einer ähnlichen Fallgestaltung vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 12 m.w.N.). Vorliegend wurde im Genehmigungsverfahren weder eine Abweichung von § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung beantragt, noch wurde eine solche tatsächlich erteilt oder auch nur die Notwendigkeit einer solchen Abweichung von irgendeiner Seite eruiert. Offenbar gingen alle Beteiligten als selbstverständlich davon aus, dass wegen Betroffenheit eines Flachdachs einer Garage als Nebengebäude der Verbotstatbestand des § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung von vornherein nicht einschlägig sei. Bei dieser Sachlage – unabhängig von der Richtigkeit der Rechtsanwendung der Satzung – kann von einer selbstbindenden Praxis hinsichtlich der Erteilung des Einvernehmens zu einer Abweichung nicht die Rede sein. Im Übrigen dürfte das Einvernehmen für die Errichtung einer Dachterrasse auf dem bestehenden (und insoweit bestandsgeschützten) Flachdach über einer Garage als (bisherigem) Nebengebäude im Vergleich zur Errichtung eines Neubaus mit einem Flachdachteil über einem von vornherein bewohnten Bereich auch in der Sache nicht ohne Weiteres vergleichbar sein.
Im Übrigen wurden – soweit nach Aktenlage ersichtlich – im Zeitraum n a c h dem I n k r a f t t r e t e n der Gestaltungssatzung i n n e r h a l b des Geltungsbereichs der Gestaltungssatzung bis heute keine weiteren Abweichungen mehr von den Anforderungen des § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung erteilt. Ein willkürliches Abweichen der Antragstellerin von einer eigenen, zukunftsgerichteten Praxis hinsichtlich der Entscheidung über die Erteilung von Abweichungen bzw. der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens hierzu vermag der Senat bei dieser Sachlage nicht zu erkennen. So dürfte zwar nach den von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten Lichtbildern (vgl. Bilder 11 und 12 zum Schreiben der Beigeladenen vom 9.9.2020, Bl. 102, 103 der Bauakte des Landratsamts 1-79-2020-BA-110) über der Garage zum Gebäude auf FlNr. (A… …str. … eine (weitere) Dachterrasse existieren (zur möglichen Einordnung als Hauptnutzung i.S. von § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung vgl. die vorherigen Erwägungen). Der Antragsgegner vermochte aber auf die Anforderung des Gerichts im laufenden Beschwerdeverfahren keine Baugenehmigung bzw. sonstige Bauunterlagen für diese Nutzung vorzulegen. Den vom Antragsgegner vorgelegten Bauakten für das von der Beigeladenen im Baugenehmigungsverfahren als Bezugsfall bezeichnete Gebäude “A… …str. …” (FlNr.), das sich nicht mit dem Gebäude auf den hierzu von ihr vorgelegten Lichtbildern 11 und 12 deckt, ist eine Nutzung des Flachdachs der dortigen Garage als Dachterrasse nicht zu entnehmen. Aus dem Verhalten zur Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zur Genehmigung dieser Gebäude lässt sich mithin auch insofern nichts für eine Selbstbindung der Antragstellerin ableiten.
cc) Die bei Wirksamkeit des § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung [vgl. hierzu im Folgenden dd) ] voraussichtlich zu bejahende Rechtswidrigkeit der Ersetzung des versagten gemeindlichen Einvernehmens führt grundsätzlich zu einer subjektiven Rechtsverletzung der Antragstellerin i.S. von § 113 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Die in Art. 81 Abs. 1 Nrn. 1 – 7 BayBO genannten Regelungsbereiche als zulässige Materien von örtlichen Bauvorschriften sind zwar als Materien des klassischen Bauordnungsrechts grundsätzlich dem Landesgesetzgeber vorbehalten. Auch wenn die Gemeinden beim Erlass von Satzungen nach Art. 81 BayBO unter dem Blickwinkel ortsspezifischer Gegebenheiten dem Inhalt nach Bauordnungsrecht regeln, unterfällt der Erlass von örtlichen Bauvorschriften – wie Art. 81 Abs. 1 BayBO ausdrücklich klarstellt (Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: März 2021, Art. 63 Rn. 69, Art. 81 Rn. 86; Dhom/Simon in Busse/Kraus, BayBO, Stand: März 2021, Art. 63 Rn. 56; Decker in ebenda Art. 81 Rn. 40) – dennoch nicht dem übertragenen, sondern dem eigenen Wirkungskreis. Der Gesetzgeber räumt den Gemeinden mit Art. 81 BayBO nicht nur das Recht ein, eigenverantwortlich und unter Umsetzung eines nicht unerheblichen Gestaltungsspielraums örtliches Baurecht zu setzen, sondern er sichert dieses Recht mit Art. 63 Abs. 3 Satz 2 BayBO zudem formal dadurch ab, dass es der staatlichen Bauaufsichtsbehörde verwehrt ist, ohne das Einvernehmen der Gemeinde Abweichungen von ihrem gemeindlichen Ortsrecht zuzulassen (s.o.). Auch hieraus folgt, dass örtliche Bauvorschriften – wenn sie schon nicht Ausdruck der gemeindlichen Planungshoheit i.e.S. sind – jedenfalls vom gemeindlichen Selbstgestaltungsrecht umfasst werden. Wie der Erlass einer Gestaltungssatzung auf Basis von Art. 81 BayBO ist damit auch die gemeindliche Entscheidung, ob sie das nach Art. 63 Abs. 3 Satz 2 BayBO erforderliche Einvernehmen zu einer Abweichung erteilt, eine Angelegenheit, die in ihren eigenen Wirkungskreis fällt. Daher korrespondiert dem Einvernehmenserfordernis gem. Art. 63 Abs. 3 Satz 2 BayBO ein subjektiv-öffentliches Recht der Gemeinden. Mithin wird eine Gemeinde in ihrem Selbstverwaltungsrecht (Satzungshoheit) verletzt, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung erteilt, obwohl das Vorhaben einer örtlichen Bauvorschrift widerspricht, die Gemeinde das Einvernehmen zu einer Abweichung von dieser versagt hat und die Voraussetzungen einer Einvernehmensersetzung nicht gegeben sind (zum Ganzen vgl. auch BayVGH, U.v. 16.12.1996 – 14 B 93.2981 – NVwZ 1998,205 f.; U.v. 30.07.1997 – 14 B 95.3645 – BayVBl. 1998, 81 f.; VGH BW, B.v. 28.3.2017 – 5 S 2427/15 – BauR 2017, 1356 = juris Rn. 13 ff.; HessVGH, U.v. 10.4.2000 – 9 UE 2459/96 – NVwZ-RR 2001, 294 = juris Rn. 32, 45, 48 f; B.v. 15.3.2021 – 4 A 629/20.Z – juris Rn. 10 ff.; OVG MV, U.v. 14.6.2016 – 3 L 102/13 – juris Rn. 70; VG München, B.v. 9.2.2007 – M 11 S 06.2936 – juris Rn. 21; VG Würzburg, U.v. 2.5.2002 – W 5 K 01.955 – juris Rn. 2; Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: März 2021, Art. 81 Rn. 11; a.A. für das teilweise abweichende bzw. frühere Bauordnungsrecht anderer Bundesländer, wonach vergleichbare Gestaltungssatzungen im übertragenen Wirkungskreis erlassen werden / wurden, vgl. NdsOVG, B.v 28.1.2014 – 1 ME 176/13 – NVwZ-RR 2014, 430 = juris Rn. 6 ff.; VG Schwerin, B.v. 19.8.2016 – 2 B 2149/16 SN – juris Rn. 5 ff.).
dd) Ob § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung unter allen in Betracht kommenden Umständen für den gesamten Geltungsbereich der Satzung oder einen örtlich abgrenzbaren Teil unwirksam ist und es insofern womöglich keiner Abweichungserteilung bedurfte, sodass ggf. deshalb i.E. eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin gem. Art. 63, Art. 67 BayBO i.V. mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV ausscheidet, kann im Eilverfahren (hier Beschwerdeverfahren) allein anhand der vorgelegten Unterlagen nicht sicher und abschließend beurteilt werden. Diesbezügliche Fragen sind weder im angegriffenen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts noch von den Beteiligten aufgeworfen worden.
Dass die Gestaltungssatzung im Ganzen oder die hier relevante Regelung ihres § 2 Abs. 1, die wohl von Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO in der im Zeitpunkt der Bekanntmachung (2. Mai 2013) geltenden Fassung vom 11. Dezember 2012 als Regelungsgrundlage abgedeckt ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2009 – 2 ZB 09.564 – juris Rn. 83; Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: März 2021, Art. 81 Rn. 26, 35 – 42; Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: März 2021, Art. 81 Rn. 36 sowie Rn. 113 Stichwörter “Dachneigung, Dacheindeckung und Dachaufbauten” und Rn. 114 Stichwort “Gestaltung des Daches”; Jäde/Strunz/Wallraven-Lindl in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: Oktober 2018, Art. 81 Rn. 44, 46 ff.; Grünewald in Spannowsky/Manssen, Bauordnungsrecht Bayern BeckOK, Art. 81 Rn. 104.1) sowie dem Bestimmtheitsgebot entsprechen dürfte (vgl. NdsOVG, U.v. 21.8.1992 – 6 L 119/90 – NVwZ 1993, 1216 = juris Rn. 27), unwirksam sein könnte (zu einer vergleichbaren Vorgabe für die Dachgestaltung vgl. z.B. BayVGH, B.v. 3.11.2009 – 2 ZB 09.564 – juris) und dass deshalb die Ersetzung des versagten gemeindlichen Einvernehmens diesbezüglich ins Leere gehen könnte, ist allerdings bislang weder vom Verwaltungsgericht thematisiert noch von einem Beteiligten behauptet bzw. dargelegt worden. Dass bereits im Zeitpunkt des Satzungserlasses (30.4.2013) bzw. der Satzungsbekanntmachung (2.5.2013) Flachdächer von Hauptgebäuden im Geltungsbereich der Gestaltungssatzung eine solche Verbreitung gefunden hatten, dass das dortige Ortsbild hinsichtlich der Dachform nicht mehr schützenswert war (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2009 – 2 ZB 09.564 – juris Rn. 8 ff.), ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Auch eine nachträgliche Funktionslosigkeit des § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung, für deren Annahme hohe Hürden anzulegen sind (vgl. OVG NW, U.v. 25.8.1999 – NVwZ-RR 2000, 412 = juris Rn. 11 ff.; Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: März 2021, Art. 81 Rn. 31; im Fall von Festsetzungen in einem Bebauungsplan vgl. BayVGH, B.v. 12.07.2010 – 15 ZB 09.3214 – juris Rn. 17 m.w.N.; B.v. 13.10.2017 – 15 ZB 14.1788 – juris Rn. 11), springt nicht ohne Weiteres ins Auge. Angesichts der weiterhin allenfalls punktuell vorhandenen Flachdächer und Flachdachelemente bei Hauptgebäuden dürfte die Gestaltungsvorgabe in § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung weiterhin grundsätzlich geeignet sein, die Dachgestaltung im Geltungsbereich der Gestaltungssatzung zu steuern. Ob möglicherweise ganz speziell im nordwestlichen Teilbereich der Gestaltungssatzung (nördlich der St.-G…-Kirche), in dem auch das Baugrundstück liegt, etwa aufgrund von teilweise bei den Gebäuden auf FlNrn. … und … (A … …str. … und ) bestehenden Flachdachbereichen eine nachträgliche partielle Funktionslosigkeit der Gestaltungssatzung gegeben sein könnte bzw. ob dieser Bereich – etwa mit Blick auf die im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits vorhandene Flachdachbauten oder mit Blick auf die nicht in den Satzungsbereich integrierten FlNrn. … … … und … – willkürlich in den Geltungsbereich der Gestaltungssatzung einbezogen wurde (vgl. z.B. Grünewald in Spannowsky/Manssen, Bauordnungsrecht Bayern, Art. 81 Rn. 29), bedarf der sorgfältigen (ggf. mit einer Inaugenscheinnahme verbundenen) Ermittlung und Bewertung im Hauptsacheverfahren. Eine solche (nicht völlig ausgeschlossene) partielle Teilunwirksamkeit, die bislang von keinem Beteiligten vorgetragen wurde, liegt jedenfalls vorliegend nicht von vornherein auf der Hand.
b) Sind mit Blick auf die abschließend im Hauptsacheverfahren (inzident) zu klärende Wirksamkeit / Unwirksamkeit des § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung für den örtlichen Bereich des Baugrundstücks die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage der Antragstellerin als offen anzusehen, ist über den Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO) aufgrund einer allgemeinen Interessenabwägung zu entscheiden.
Bei der Interessenabwägung muss zu Gunsten des Bauherrn (hier der Beigeladenen) grundsätzlich berücksichtigt werden, dass die Anfechtungsklage des Dritten (hier: der Antragstellerin als Standortgemeinde) nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung hat. Hierdurch werden in einem gewissen Ausmaß die Gewichte bei der Interessenabwägung zugunsten des Bauherrn verschoben, was aber nicht bedeutet, dass sich in den von § 212a Abs. 1 BauGB erfassten Fällen das Vollzugsinteresse gegenüber dem Aufschubinteresse automatisch durchsetzt. Die Vorschrift soll Investitionen und das Entstehen von Arbeitsplätzen fördern. Ein gesetzgeberischer Wille, dass dem Vollzugsinteresse gegenüber den Interessen Dritter (insbesondere von Nachbarn) regelmäßig der Vorrang einzuräumen ist, lässt sich der Regelung des § 212a BauGB hingegen nicht entnehmen. Die nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderliche Abwägung wird deshalb von § 212a Abs. 1 BauGB zwar in der Weise vorstrukturiert, dass dem Vollzugsinteresse ein erhebliches Gewicht beizumessen ist; die Abwägung wird aber nicht präjudiziert. Die Belange eines Dritten haben bei der Abwägung umso mehr Gewicht, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (zum Ganzen vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2016 – 15 CS 16.1688 – juris Rn. 77 m.w.N.; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 47; B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 28; B.v. 7.2.2020 – 15 CS 19.2013 – juris Rn. 35; B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – RdL 2021, 246 = juris Rn. 58).
Im vorliegenden Fall fällt die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin und zu Lasten der Beigeladenen bzw. des Antragsgegners aus. Trotz der Gewichtungsvorgabe durch § 212a Abs. 1 BauGB überwiegt das Interesse der Antragstellerin, dass keine zulasten ihrer Satzungshoheit gehenden vollendeten Tatsachen geschaffen werden, das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Verwirklichung des Bauvorhabens. Würde der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt und das Gebäude alsbald realisiert, die Baugenehmigung jedoch später im Hauptsacheverfahren aufgehoben, wäre auf Seiten der Antragstellerin ein gewichtiges, verfassungsrechtlich durch die Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) geschütztes Recht faktisch nicht unerheblich beeinträchtigt. Die mit Fertigstellung des Gebäudes geschaffenen Tatsachen ließen sich nur schwer rückgängig machen. Aller Voraussicht nach müsste ein weiteres Verwaltungsstreitverfahren mit unsicherem Ausgang geführt werden. Wenn die Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren aufgehoben wird, könnte die Antragstellerin zwar beim Landratsamt beantragen, dass auf der Grundlage von Art. 76 Satz 1 BayBO die (ggf. Teil-) Beseitigung des Gebäudes angeordnet wird. Der Antragstellerin stünde aber grundsätzlich kein Anspruch auf Einschreiten, sondern nur ein Anspruch auf fehlerfreie, ihre Rechte ausreichend berücksichtigende Ausübung des der Bauaufsichtsbehörde eingeräumten Ermessens zu. Ob das bauordnungsrechtliche Eingriffsermessen dann ausnahmsweise zugunsten der Standortgemeinde auf null reduziert wäre, müsste voraussichtlich gerichtlich geklärt werden. Schon vor diesem Hintergrund fällt das Interesse des Beigeladenen, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch machen zu können, geringer ins Gewicht (vgl. auch BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 35 f.; B.v. 19.8.2010 – 1 CS 10.700 – juris Rn. 23; B.v. 23.1.2013 – 1 CS 12.2625 – juris Rn. 15; B.v. 21.1.2014 – 1 CS 13.2388 – juris Rn. 11). Zudem ist nicht auszuschließen, dass im Fall der Errichtung des streitgegenständlichen Vorhabens und einer ggf. künftigen faktischen Duldung trotz einer sich später ggf. herausstellenden Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung eine weitere Entwicklung befördert wird, die erst noch zu einer Funktionslosigkeit der Regelung des § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung (jedenfalls im nordöstlichen Bereich, d.h. nördlich der St.-G …-Kirche) führen könnte. Im Übrigen sind die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage im vorliegenden Fall bei Gesamtbetrachtung aller Erwägungen nicht so gering, dass allein deswegen dem Interesse der Beigeladenen entsprechend der Wertung des § 212a Abs. 1 BauGB der Vorrang einzuräumen wäre. Angesichts dessen besteht ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin daran, dass nicht vor Durchführung des Hauptsacheverfahrens durch die Errichtung des strittigen Vorhabens vollendete Tatsachen geschaffen werden, zumal eine theoretisch denkbare Unwirksamkeit des § 2 Abs. 1 der Gestaltungssatzung im Ganzen oder in partieller Hinsicht im Bereich des Baugrundstücks von keiner Seite dargelegt wurde.
c) Da die Beschwerde schon aufgrund der voranstehenden Erwägungen zu a) und b) Erfolg hat, lässt es der Senat offen, ob das streitgegenständliche Bauvorhaben mit § 34 BauGB unvereinbar ist und damit bauplanungsrechtlich unzulässig ist (zur Verletzung der Planungshoheit einer klagenden / antragstellenden Standortgemeinde im Fall des Ersetzens des versagten Einvernehmens gem. § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB, wenn das genehmigte Vorhaben am Maßstab von §§ 31, 33 bis 35 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig ist, vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 15 CS 20.1512 – juris Rn. 34 ff.).
3. Der Antragsgegner trägt die Kosten sowohl des erstinstanzlichen Verfahrens als auch des Beschwerdeverfahrens, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Beigeladene ist nicht an den Kosten gem. § 154 Abs. 3 VwGO zu beteiligen, weil sie in beiden Instanzen keinen Sachantrag gestellt hat. Eine Kostenmittragung wird gem. § 154 Abs. 3 VwGO nur ausgelöst, wenn ein Beigeladener a u s d r ü c k l i c h einen Sachantrag stellt, die Geltendmachung der Begründetheit oder Unbegründetheit einer Klage bzw. eines Antrags genügt hierfür nicht (vgl. Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 154 Rn. 62; Hartung/Zimmermann-Kreher in Posser/Wolff, VwGO BeckOK, § 154 Rn. 10). Im vorliegenden Fall hat der Bevollmächtigte der Beigeladenen sowohl in der ersten Instanz gegenüber dem Verwaltungsgericht mit Schriftsätzen vom 7. Mai 2021 und vom 18. Mai 2021 jeweils zur Klagebegründung und zur Begründung des Eilantrags der Antragstellerin eine “Stellungnahme” abgegeben und am Ende des jeweiligen Schriftsatzes – ohne ausdrückliche Klarstellung, einen dahingehenden Sachantrag zu stellen – resümiert, dass die Klage “deshalb abzuweisen” sei bzw. dass der Eilantrag “deshalb unbegründet und abzuweisen sei”. In derselben Art und Weise erklärte der Bevollmächtigte der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 8. Juli 2021 gegenüber dem Senat im Beschwerdeverfahren, eine Stellungnahme zur Beschwerdebegründung abzugeben, um nach rechtlichen Ausführungen zu § 34 BauGB und zur Erteilung der Abweichung von der Gestaltungssatzung am Ende des Schriftsatzes abschließend zu formulieren, dass keine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren subjektiven Rechten vorliege, weswegen die Beschwerde zurückzuweisen sei. (Ausdrückliche) Sachanträge sind in den Formulierungen nicht enthalten. Insofern erscheint es in beiden Instanzen auch billig, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten vollumfänglich selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO), zumal die Entscheidung im Beschwerdeverfahren in der Sache zu ihren Lasten ergangen ist (vgl. insofern auch BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 15 CS 20.1512 – juris Rn. 50). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.10 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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