Baurecht

Beseitigung eines Wohncontainers – Fehlende Zuordnung zu landwirtschaftlichem Betrieb

Aktenzeichen  1 ZB 15.2013

Datum:
29.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 126515
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1, S. 2
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4
VwGO § 65 Abs. 2, § 86

 

Leitsatz

1. Bei einem Vorhaben, das auch für Freizeitzwecke geeignet ist, kann eine zu große Entfernung von der Hofstelle dazu führen, dass es nicht durch eine – auch äußerlich erkennbare – Zuordnung zu dem Betrieb geprägt ist. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Miteigentum oder die sonstige Nebenberechtigung eines Dritten berührt nicht die Rechtmäßigkeit der nicht auch an ihn gerichteten Beseitigungsverfügung, sondern bildet nur ein Vollzugshindernis, das nachträglich durch eine gegen den Dritten gerichtete Verfügung ausgeräumt werden kann. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltschaftlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat.  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 14.2217 2015-07-09 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahrens wird auf 10.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Kläger haben das Grundstück 1998 im Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Auf dem Grundstück befand sich ein Feldstadel, die bestehende Einfriedung wurde mit einem grünen Gitterzaun erneuert. Ein Vorbescheidsantrag der Kläger zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück wurde aufgrund der Außenbereichslage bestandskräftig abgelehnt. Ebenso blieb das Begehren der Kläger, mit dem Grundstück in die Ortsabrundungssatzung der Gemeinde einbezogen zu werden, erfolglos. Eine erste Beseitigungsanordnung und Nutzungsuntersagung für das Grundstück erging mit Bescheid vom 20. August 2010. Der Beklagte forderte damit die Beseitigung eines aufgestellten Wohncontainers, eines WC-Häuschens und eines Flüssiggastanks und untersagte die Nutzung des Grundstücks als Lager- und Abstell Platz. Im Klageverfahren einigten sich die Parteien darauf, das WC-Häuschen und den Kühlanhänger auf dem Grundstück zu dulden, solange der Kläger die Jagd ausübe. Die Jagdpacht des Klägers endete am 31. März 2013. Mit Bescheid vom 30. April 2014 verpflichtete der Beklagte den Kläger, den Feldstadel und die Einfriedung des Grundstücks zu beseitigen und untersagte die Nutzung als Lager- und Abstell Platz für einen Wohnwagen und weitere Materialien; die Klägerin wurde zur Duldung verpflichtet. Im Klageverfahren legten die Kläger einen jährlich kündbaren Pachtvertrag vom 1. Oktober 2013 vor, mit dem das streitgegenständliche Grundstück sowie ein Acker und zwei Wiesenflächen an einen Landwirt verpachtet werden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Juli 2015 abgewiesen. Es wird ausgeführt, dass die baulichen Anlagen nach Aufgabe der ursprünglichen landwirtschaftlichen Nutzung nicht genehmigungsfähig seien. Der Feldstadel sei samt dem Grundstück wegen der zeitweilig dort vorhandenen Schweine nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Pächters zugeordnet und diene diesem nicht.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Ein Vorhaben dient im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB einem landwirtschaftlichen Betrieb nur dann, wenn ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und das Vorhaben durch diese Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird (BVerwG, U.v. 3.11.1972 – IV C 9.70 – BVerwGE 41, 138). Dabei kann der funktionale Zusammenhang zwischen Vorhaben und Betrieb bei einer großen Entfernung zwischen dem Vorhaben und den Betriebsflächen entfallen. Bei einem Vorhaben, das auch für Freizeitzwecke geeignet ist, kann eine zu große Entfernung von der Hofstelle dazu führen, dass es nicht durch eine – auch äußerlich erkennbare – Zuordnung zu dem Betrieb geprägt ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.1991 – 4 C 11.89 – NVwZ-RR 1992, 401). Grundsätzlich ist eine räumliche Nähe der einem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden Vorhaben zu den Schwerpunkten der betrieblichen Abläufe zu verlangen; davon ist auch für landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen auszugehen (vgl. BVerwG, U.v. 22.11.1985 – 4 C 71.82 – NVwZ 1986, 644; BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 15 ZB 13.2647 – juris Rn. 25; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1. Februar 2017, § 35 Rn. 35).
Diesen Vorgaben entsprechend hat das Verwaltungsgericht den funktionalen Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Pächters und der Nutzung des Grundstücks zu Recht verneint, indem es festgestellt hat, dass ein vernünftiger Landwirt, dessen Betrieb etwa 9 km entfernt liegt, keine Schweine in geringer Zahl auf dem gepachteten Grundstück halten würde. Soweit geltend gemacht wird, dass das Gericht abweichend von der Beurteilung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die dienende Funktion des Vorhabens verneint habe, hat das Gericht zu Recht festgestellt, dass es sich hierbei um eine rechtliche Beurteilung und nicht um eine Fachfrage handelt. Substantiierte Einwände gegen die Feststellungen des Gerichts, insbesondere zur fehlenden räumlichen Zuordnung zur Hofstelle, liegen nicht vor. Der Vortrag, dass den Verpächter keine Beibringungslast treffe, ist unzutreffend. Der Pächter war im KIageverfahren gegen die Beseitigungsanordnung nicht notwendig beizuladen (s.u.). Soweit geltend gemacht wird, dass es betriebswirtschaftlich sinnvoll sei, dass der Pächter für die Frage, ob die Schweinezucht im Gesamtbetrieb Sinn mache, zunächst ein vorhandenes Gebäude in Anspruch nehme, liegt eine privilegierte Nutzung nur vor, wenn sie nachhaltig betrieben werden soll (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1972, a.a.O.). Gegen eine auf Dauer angelegte Nutzung spricht im Übrigen auch, dass der Pachtvertrag von beiden Seiten jährlich kündbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 1.6.2012 – 1 ZB 11.189 – juris Rn. 3). Eine landwirtschaftliche Nutzung kann auch nicht unter geringeren Anforderungen geltend gemacht werden, weil der Stadel ursprünglich zulässigerweise errichtet und genutzt wurde. Erleichterte Nutzungsänderungen sind in § 35 Abs. 4 BauGB abschließend aufgeführt.
Im Zulassungsverfahren haben die Kläger weiter vorgetragen, dass der Stadel nicht nur dazu benutzt werde, in der Sommerzeit als Tierunterkunft für die Ferkel zu dienen, sondern insbesondere auch dazu, bei der Bewirtschaftung der verpachteten Flächen als Unterbringungsmöglichkeit für landwirtschaftliches Gerät, Saatgut, Dünger und ähnliches zur Verfügung zu stehen, so dass im Zuge der Bewirtschaftung der weiteren Flächen Anfahrtswege erspart werden könnten. In welcher Weise die Einzelnutzung erfolge, könnten die Kläger, da sie selbst die Landwirtschaft nicht betreiben, nicht darlegen. Wie der Prozessbevollmächtigte selbst einräumt, liegt damit schon kein substantiierter Vortrag vor. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Angaben des Pächters zugrunde gelegt, die dieser in der abgegebenen landwirtschaftlichen Betriebsbeschreibung gemacht hat. Danach wird das Grundstück ausschließlich für die Freilandhaltung von Schweinen genutzt (vgl. auch die Stellungnahme des AELF zur Nutzung des Stadels). Im Übrigen gilt im Hinblick auf die kurzfristig kündbaren Pachtflächen das oben Gesagte.
Soweit geltend gemacht wird, dass das Grundstück nicht im Außenbereich liege, da sowohl die Gemeinde als auch das Landratsamt 1995 das damals noch nicht geteilte Grundstück als Baugrundstück behandelt hätten, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an. Unabhängig davon, dass die geschilderten Vorgänge in der Vergangenheit liegen, steht der Gemeinde und der Baugenehmigungsbehörde insofern kein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerwG, B.v. 4.10.2006 – 4 BN 26.06 – BayVBl 2007, 120). Dass die Kläger nicht nachvollziehen könnten, dass ihr Grundstück nicht in die Ortsabrundungssatzungen der Gemeinde einbezogen worden sei, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Das von den Klägern angestrengte Normenkontrollverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.
Mit dem abschließenden Verweis auf den Sachvortrag im Klageverfahren werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bereits nicht dargelegt. Der Rechtsmittelführer muss sich mit den Argumenten, die das Verwaltungsgericht für die angegriffene Rechtsauffassung oder Sachverhaltsfeststellung und –würdigung angeführt hat, inhaltlich auseinandersetzen und aufzeigen, warum sie aus seiner Sicht nicht tragfähig sind. Eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens oder eine Bezugnahme darauf genügt diesen Anforderungen nicht (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2017 – 1 ZB 14.1681 – juris Rn. 4; B.v. 5.9.2016 – 10 ZB 16.998 – juris Rn. 4). Soweit der Prozessbevollmächtigte in seinem Schriftsatz vom 11. Januar 2016 weitere Punkte im Hinblick auf die Beseitigungsanordnung anspricht, werden diese Einwände bereits nicht fristgerecht vorgebracht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 53).
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird nicht fristgerecht geltend gemacht und im Übrigen auch nicht ausreichend dargelegt (zu den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache vgl. z.B. BayVGH, B.v. 20.11.2013 – 10 ZB 13.827 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor. Weder der Pächter noch die Gemeinde waren notwendig beizuladen (§ 65 Abs. 2 VwGO). Wie die Beklagtenvertreterin zu Recht ausgeführt hat, werden durch die Beseitigungsanordnung Rechte des Pächters nicht gestaltet oder festgestellt. Das Miteigentum oder die sonstige Nebenberechtigung (z.B. Miete oder Pacht) eines Dritten berührt nicht die Rechtmäßigkeit der nicht auch an ihn gerichteten Beseitigungsverfügung, sondern bildet nur ein Vollzugshindernis, das nachträglich durch eine gegen den Dritten gerichtete Verfügung ausgeräumt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.1972 – IV C 42.69 – BVerwGE 40, 101; B.v. 24.7.1998 – 4 B 69.98 – NVwZ-RR 1999, 147). Die Gemeinde war nicht beizuladen, da es auf die vorgetragenen Gesichtspunkte nicht entscheidungserheblich ankommt (vgl. oben). Das Verwaltungsgericht hat auch nicht seine Aufklärungspflicht und seine Hinweispflicht verletzt (§ 86 VwGO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht‚ wenn es von einer Beweiserhebung absieht‚ die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu‚ Versäumnisse eines anwaltschaftlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen‚ die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können‚ jedoch zu stellen unterlassen hat (vgl. BVerwG‚ B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6 m.w.N.). Eine Zeugeneinvernahme des bei der mündlichen Verhandlung anwesenden Pächters hat der Prozessbevollmächtigte nicht beantragt. Das Verwaltungsgericht hat auch seiner Hinweispflicht genügt. Die Hinweispflicht des § 86 Abs. 3 VwGO konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 2 GG) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen. Das Gericht hat die Beteiligten aber frühzeitig darauf hingewiesen‚ dass es insbesondere darauf ankommt‚ ob der Feldstadel dem Betrieb des Pächters zugeordnet ist und diesem dient (vgl. Schreiben des Gerichts vom 20.11.2014). Weiter wurde in der mündlichen Verhandlung die Sach- und Rechtslage erörtert. Eine Verpflichtung des Gerichts vor Verkündung des Urteils seine Rechtsauffassung zu einer privilegierten Nutzung des Grundstücks durch den Pächter mitzuteilen‚ ergibt sich weder aus der Aufklärungs- und Hinweispflicht noch aus der Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. BVerwG‚ B.v. 7.5.2008 – 9 B 35.07 – juris Rn. 3).
Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahren als Gesamtschuldner zu tragen‚ da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2‚ § 159 Satz 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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