Baurecht

Beseitigung Mauer und Einfriedung

Aktenzeichen  M 9 K 19.110

Datum:
3.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44992
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1, 54 Abs. 2 S. 2, 6 Abs. 2 S. 1, 7 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid vom 10. Dezember 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 VwGO.
Die gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtige Wand an der Nordseite des Grundstücks und die Einfriedung im Zufahrtsbereich sind formell und materiell baurechtswidrig, sodass die Eingriffsvoraussetzungen des Art. 76 Satz 1 und Satz 2 BayBO für eine Beseitigungsanordnung und des Art. 54 Abs. 2 S.2 BayBO für ein Terrassengeländer vorliegen. Die Baumaßnahmen sind nicht genehmigungsfähig und ein Anspruch auf eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans besteht nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen. Ergänzend gilt folgendes:
1. Die Anordnung zur Errichtung eine Absturzsicherung auf der Terrasse wurde zu Recht auf Art. 54 Abs. 2 S.2 BayBO gestützt, da die für die Terrasse oberhalb der Garage eine Baugenehmigung vorliegt und ohne Absturzsicherung nach dem Ergebnis des Augenscheins wegen der Höhe und dem hängigen Gelände zweifelsfrei die Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 4 BayBO, Gefahr für Leib und Leben, erfüllt sind.
2. Nach dem Ergebnis des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung wurde zu keinem Zeitpunkt ein Bauantrag oder ein Befreiungsantrag von den Festsetzungen des Bebauungsplans gestellt. Wegen der Hängigkeit des Geländes und der dichten Bepflanzung entlang der gemeinsamen Grenze zum Nachbarn im Norden, ist eine exakte Höhenbestimmung der Wandscheibe und der Sichtschutzbrüstung nur durch eine Vermessung möglich und diese ist durch die Klägerseite im Rahmen eines Bauantrags vorzulegen. Unter Berücksichtigung des Geländes, der jetzt vorhandenen Wandhöhen und des Abstands von 3 Metern zur Grundstücksgrenze steht nach dem Ergebnis des Augenscheins fest, dass die Abstandsflächen nicht auf dem Baugrundstück nachgewiesen werden.
3. Soweit schriftsätzlich vorgetragen wurde, dass Wandscheibe und Sichtschutzbrüstung zum Schutz vor Einblicksmöglichkeiten vom Nachbargrundstück aus notwendig seien, hat sich dies durch den Augenschein nicht bestätigt. Die Wohnhäuser auf den FlNr. … und … im Norden liegen beide nicht gegenüber dem Wohngebäude der Klägerin, sondern dazu versetzt. Das Wohnhaus auf FlNr. … liegt etwa zur Hälfte gegenüber der auf der Garage befindlichen Terrasse der Klägerin. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Abstandsflächen der Nachbargebäude eingehalten werden, ist es im bewohnten Gebiet sozialüblich, dass von nebenan auf die Terrasse des Nachbarn gesehen werden kann. Eine besondere Schutzbedürftigkeit gegen Einsichtsmöglichkeiten ist für eine Terrassennutzung nicht erkennbar.
4. Die Vormauerung aus Klinker hat zur Folge, dass die gesamte betroffene Wand die Mindestabstandsfläche von 3 Metern nicht einhält. Dies verstößt materiell gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO, wonach vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten sind, deren Tiefe sich nach der Wandhöhe bemisst (Art. 6 Abs. 4 bis 6 BayBO), jedoch mindestens 3 m beträgt (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO). Die Garage kann als Nebengebäude nicht gem. Art. 6 Abs. 7 BayBO außer Betracht bleiben, da wegen der Nutzung als Terrasse und der Höhe über drei Meter im Mittel der Privilegierungstatbestand des Art. 6 Abs. 7 S.1 BayBO nicht einschlägig ist.
Die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen sind zugunsten des Eigentümers des unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstückes drittschützend, ohne dass es dabei auf eine einzelfallbezogene Unzumutbarkeit bzw. auf eine tatsächliche oder spürbare Betroffenheit des Nachbarn ankommt (Hahn/Kraus in Simon/Busse, BayBO, Art. 6 Rn. 604 ff.). Die betroffenen Nachbarn haben deshalb Schutzanspruch, aufgrund dessen ein bauordnungsrechtliches Eingreifen aus Art. 76 BayBO regelmäßig geboten ist.
Nach dem Ergebnis des Augenscheins ist eine Beseitigung ohne weiteres möglich, da es sich um aufgesetzte Klinker mit einer Tiefe von 10 Zentimetern handelt und nicht um tragende Bestandteile der Wand. Unter Berücksichtigung dessen ist nicht ersichtlich, warum eine Entfernung unverhältnismäßig sein sollte. Der Mindestabstand von 3 Metern dient als Sozialabstand und der Berücksichtigung nachbarrechtlicher Belange. Es ist nicht zu beanstanden, wenn entsprechende Befreiungen nicht erteilt werden, zumal, wenn wie hier seit Jahren Streit über die Abstandsflächen besteht.
5. Das Landratsamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass wegen der massiven Mauern durch Wandscheibe und Terrassenmauer ein einheitlicher Baukörper vorliegt. Als Folge der genehmigten Terrassennutzung ist die Garage nicht mehr in den Abstandsflächen nach Art.6 Abs. 7 Nr.1 BayBO privilegiert. Dies hat zur Folge, dass für die Bemessung der Abstandsflächen die Gesamthöhe einschließlich der Terrassenmauer maßgeblich ist und deshalb an der straßenseitigen Nord-Ecke des Gebäudes eine gesamte Höhe von 5,65 m zugrunde zu legen ist. Ausweislich der Baugenehmigung (Kopie in der Behördenakte) hat das Wohnhaus der Klägerin an der Nordgrenze einschließlich des Balkons im 1.OG mit einer Länge von 14 m. Dazu kommt die Terrasse auf der Garage mit einer zusätzlichen Länge von 6,50 m. Wegen der Gesamtlänge von über 20,50 m ist das Landratsamt zutreffend davon ausgegangen, dass die durch Bebauungsplan festgesetzte Tiefe des Bauraums von 13 Metern und damit auch die überbaubare Grundstücksfläche überschritten wird. Nach dem Ergebnis des Augenscheins und der Umgebungsbebauung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans funktionslos geworden sind.
6. Keine rechtlichen Bedenken bestehen gegen die Anordnung, die Einfriedung entlang der nördlichen Grundstücksgrenze auf Höhe der FlNr. … zu entfernen. Zum einen steht diese Einfriedung in Teilen auf Gemeindegrund; entsprechende Unterlagen wurden in der mündlichen Verhandlung eingesehen. Zum anderen gibt es keine tatsächliche Notwendigkeit dafür, parallel und im geringen Abstand zur Stützmauer und darauf errichteter Einfriedung des Nachbargrundstücks eine 2 Meter hohe Holzwand in begrenzter Länge zu errichten. Nach dem Ergebnis des Augenscheins ist es bereits fraglich, ob es sich tatsächlich um eine Einfriedung handelt, da es sich um ein freistehendes Wandstück handelt, das keinen erkennbaren Bezug zu den Zwecken einer Einfriedung hat. Zum anderen rechtfertigt die Tatsache, dass der Nachbar wegen der Aufschüttung seines Grundstücks eine Stützmauer benötigt, nicht, dass parallel dazu in Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans eine freistehende Wand errichtet wird, bei der es sich nicht um den sinnvollen Teil einer Einfriedung oder Grenzwand handelt und die auch völlig ungeeignet als Absturzsicherung des höher liegenden Nachbargrundstücks ist und war. Bereits aufgrund der Tatsache, dass die Wand auf fremden Grund steht, rechtfertigt die Anordnung der Beseitigung und des Rückbaus, da eine Befreiung von vornherein ausscheidet, § 31 Abs. 2 BauGB. Die Gemeinde lehnt eine Wand auf ihrem Grund ab.
7. Die Beseitigungsansprüche sind auch nicht verwirkt oder dadurch untergegangen, dass die Arbeiten seit dem Jahr 2012 der Beklagten bekannt sind. Das Landratsamt hat sich in Gesprächen um eine baurechtliche Lösung bemüht und das Verfahren mit Rücksicht auf die persönliche Situation der Klägerin zeitweilig nicht betrieben. Angeforderte Anträge hat die Klägerin nie gestellt. Ein baurechtswidriger Zustand wird nicht durch Zeitablauf legal und eine aktive Duldung des baurechtswidrigen Zustands wurde nie erteilt oder in Aussicht gestellt.
8. Die Anordnungen sind ermessensgerecht und verhältnismäßig. Weder die Wand noch die Einfriedung sind baurechtlich genehmigungsfähig. Ein Anspruch auf Befreiung wegen einer Ermessenreduzierung auf Null gem. § 31 Abs. 2 BauGB besteht nicht, da sich die Beigeladenen nach dem Ergebnis des Augenscheins in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die Grundzüge der Planung beruft und da nachbarliche Interessen entgegenstehen. Ein milderes Mittel als die angeordnete Beseitigung ist nicht erkennbar und gegen die Verhältnismäßigkeit der Anordnungen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Über die Jahre hinweg ist trotz mehrfacher Bemühungen des Landratsamts und trotz der Ankündigung im Klageverfahren kein Bauantrag und kein Befreiungsantrag gestellt worden. Es war nach Aktenlage und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise die Bereitschaft der Klägerin zu erkennen, baurechtskonforme Zustände herzustellen oder eine nachbarrechtlich abgestimmte Einigung zu ermöglichen. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Gemeinde und die Nachbarn erklärtermaßen nicht damit einverstanden sind, hat der Beklagte zu Recht angenommen, dass keine Befreiungsmöglichkeit besteht. Unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks einer langen und hohen Wand liegt nicht mehr ein nur geringfügiger Verstoß gegen Baurecht vor. Inwiefern auch für eine Holzwand im Einfahrtsbereich mit allenfalls losem Bezug zu einer Einfriedung eine Befreiung erteilt werden sollte, ist nicht erkennbar.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selber trägt, da sie keinen Antrag gestellt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben