Baurecht

Beseitigungsanordnung für eine nicht am genehmigten Standort errichtete Garage

Aktenzeichen  1 ZB 20.408

Datum:
25.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1647
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 55 Abs. 1, Art. 76

 

Leitsatz

Eine genehmigungsbedürftige Anlage ist nicht nur formell illegal, wenn sie ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet oder geändert wird, sondern auch dann, wenn bei der Bauausführung in wesentlichen Punkten von den genehmigten Plänen abgewichen wird. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 18.1476 2020-01-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen eine Beseitigungsanordnung für eine bereits errichtete Garage auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung S … (nachfolgend „Baugrundstück“).
Das Landratsamt genehmigte für das Baugrundstück mit Bescheid vom 28. August 2014 den Neubau eines Einfamilienhauses mit einer Garage, die an der hierfür in dem Bebauungsplan „R …“ der Gemeinde S … – S … (nachfolgend „Bebauungsplan“) festgesetzten Stelle im südwestlichen Grundstücksbereich situiert war. Bei einer Ortsbesichtigung am 17. Oktober 2017 stellte das Landratsamt fest, dass die Doppelgarage planabweichend und unter Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans nordwestlich unmittelbar an das Einfamilienhaus angebaut worden war. Den eingereichten Bauantrag und Antrag des Klägers auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 15. Mai 2018 ab, nachdem die Gemeinde die Erteilung ihres gemeindlichen Einvernehmens verweigert hatte. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Januar 2020 abgewiesen (M 1 K 18.2496); den Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag abgelehnt (1 ZB 20.409). Mit Bescheid vom 22. März 2018 erließ das Landratsamt eine Beseitigungsanordnung bezüglich der planwidrig errichteten Garage. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Januar 2020 abgewiesen. Die Beseitigungsanordnung sei zu Recht ergangen. Die planwidrig errichtete Garage sei weder von der Baugenehmigung gedeckt, noch sei sie genehmigungsfähig. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor oder werden bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid des Beklagten vom 22. März 2018 rechtmäßig ist.
Dass der Kläger die Doppelgarage abweichend von der erteilten Baugenehmigung und den Festsetzungen des Bebauungsplans anstatt im Südwesten seines Grundstücks nordwestlich unmittelbar an das Einfamilienhaus angebaut hat, steht nicht in Frage. Denn eine genehmigungsbedürftige Anlage ist nicht nur formell illegal, wenn sie ohne die nach Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderliche Baugenehmigung errichtet oder geändert wird, sondern auch dann, wenn bei der Bauausführung in wesentlichen Punkten von den genehmigten Plänen abgewichen wird (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.2014 – 1 ZB 12.2710 – juris Rn. 3). Zwar macht eine solche Abweichung von den genehmigten Plänen ein Bauvorhaben in der Regel insgesamt formell illegal, denn eine Baugenehmigung wird grundsätzlich für ein einheitliches Bauvorhaben erteilt und ist in ihrer Regelungswirkung nicht teilbar. Etwas Anderes gilt aber, wenn es sich – wie hier – um einzelne abtrennbare Teile, also selbständige Baukörper, handelt (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand April 2019, Art. 76 Rn. 82).
Das Vorhaben ist auch nicht genehmigungsfähig, weil eine Verschiebung der Baugrenzen den Festsetzungen des wirksamen Bebauungsplans widerspricht. Eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kommt nicht in Betracht, weil das Vorhaben Grundzüge der Planung berührt. Der Senat nimmt hierzu Bezug auf seine Ausführungen im Beschluss vom heutigen Tag im Parallelverfahren 1 ZB 20.409.
Die vom Kläger im Schriftsatz vom 17. August 2020 erstmals und (weit) nach Ablauf der gesetzlichen Frist zur Begründung des Zulassungsantrags geltend gemachte fehlerhafte Ermessensausübung des Beklagten, wonach dieser die gleichfalls rechtswidrig errichteten Bauvorhaben im unmittelbarem Umfeld des streitgegenständlichen Bauvorhabens dulde, kann nicht berücksichtigt werden (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Ermessensausübung ist im Übrigen nicht zu beanstanden, weil die geltend gemachte Ungleichbehandlung nach den vorliegenden Unterlagen nicht gegeben ist. Denn bei den von dem Kläger in den Blick genommenen Abweichungen handelt es sich um relativ geringfügige Abweichungen, die sich in einem Rahmen bewegen, der das Grundkonzept des Bebauungsplans unberührt lässt (s. Beschluss vom heutigen Tag im Parallelverfahren 1 ZB 20.409).
2. Tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Die auftretenden Fragen können anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der hierzu erfolgten Rechtsprechung beantwortet werden. Auf die Rechtsausführungen im Beschluss vom heutigen Tag im Parallelverfahren 1 ZB 20.409 wird Bezug genommen. Eine Ortseinsicht ist – unabhängig von einer substantiierten Darlegung – nicht erforderlich. Auch einen weiteren Klärungsbedarf zeigt der Kläger in der Zulassungsbegründung nicht auf. Er möchte lediglich die tatsächlichen Verhältnisse anders bewertet wissen.
3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung geklärt werden muss. Der Kläger hält die Frage für entscheidungserheblich, ob umgeknickte, geklammerte und gestempelte Ecken genügen, um eine hinreichen körperliche Verbindung für eine ordnungsgemäße Ausfertigung eines Bebauungsplans zu bieten, wenn nur eine der so verbundenen Seiten ausgefertigt wurde und sonst keine gedankliche Verbindung zwischen den Seiten hergestellt werden kann. Die grundsätzliche Bedeutung leitet er daraus ab, dass es eine Vielzahl von Bebauungsplänen gebe, die lediglich aus losem Blattwerk ohne gedanklichen Bezug bestünden und bei denen lediglich die letzte Seite ausgefertigt worden sei. Dies kann, ungeachtet dessen, dass eine körperliche Verbindung geschaffen wurde, ausweislich der Ausführungen im Beschluss vom heutigen Tag im Parallelverfahren 1 ZB 20.409 anhand der Auslegung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO und der oben genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs beantwortet werden.
4. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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