Baurecht

Brandschutzanforderungen nicht Prüfungsgegenstand im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren

Aktenzeichen  15 ZB 17.600

Datum:
7.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 121560
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 28 Abs. 2, Abs. 3, Art. 54 Abs. 2 S. 1, S. 2, Art. 59, Art. 63 Abs. 1, Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Im vereinfachten Genehmigungsverfahren gem. Art. 59 BayBO sind die Brandschutzanforderungen des Art. 28 BayBO nicht Prüfmaßstab, wenn insofern keine Abweichung im Sinne des Art. 59 S. 1 Nr. 2 iVm Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 BayBO beantragt wurde. Insofern kann gegenüber bauordnungsrechtlichem Einschreiten wegen Verstoßes gegen Brandschutzvorschriften keine Verletzung des Vertrauensschutzes aus einer im vereinfachten Verfahren erteilten Baugenehmigung hergeleitet werden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine im vereinfachten Verfahren ergehende Baugenehmigung trifft von vornherein keine Aussage über die Vereinbarkeit des genehmigten Vorhabens mit öffentlich-rechtlichen Anforderungen, die nicht zum Prüfprogramm dieses Verfahrens zählen und die daher keine Genehmigungsvoraussetzungen sind. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 K 16.892 2017-02-22 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Landratsamts Cham vom 10. Mai 2016, mit der ihr unter Androhung eines Zwangsgelds aufgegeben wurde, die nördliche Außenwand ihres mit Bescheid des Landratsamts Cham vom 15. Mai 2009 baurechtlich genehmigten Gartenhauses auf FlNr. … der Gemarkung … … … … bis spätestens einen Monat nach Unanfechtbarkeit hochfeuerhemmend auszuführen. Mit Gerichtsbescheid vom „22. Februar 2016“ (tatsächlich gemeint 22. Februar 2017) wies das Verwaltungsgericht Regensburg die von der Klägerin gegen den Bescheid vom 10. Mai 2016 erhobene Anfechtungsklage ab. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO), liegt nicht vor.
Das Verwaltungsgericht hat den angegriffenen Bescheid als von Art. 54 Abs. 2 BayBO gedeckt angesehen, weil das Gartenhaus mit dem geringen Grenzabstand nach Norden (80 cm) nicht die Brandschutzanforderungen gem. Art. 28 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BayBO sowie gem. Art. 28 Abs. 11 i.V. mit Abs. 8 Satz 1 BayBO erfülle.
Die Richtigkeit dieser Annahmen des Verwaltungsgerichts ist nach Maßgabe der Zulassungsbegründung nicht ernstlich zweifelhaft i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das insoweit maßgebliche, in offener Frist bei Gericht eingegangene Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Die Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils erfordert, dass innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Es bedarf einer substanziierten Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen und aufbereitet wird. Der Rechtsmittelführer muss sich mit den Argumenten, die das Verwaltungsgericht für die angegriffene Rechtsauffassung oder Sachverhaltsfeststellung und -würdigung angeführt hat, inhaltlich auseinandersetzen und aufzeigen, warum sie aus seiner Sicht nicht tragfähig sind (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 ZB 16.1365 – juris Rn. 8 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben kann der Senat die Berufung nicht aufgrund § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulassen.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das Verwaltungsgericht habe ihren Vertrauens- und Bestandsschutz aus der Baugenehmigung für das Gartenhaus verkannt. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren gem. Art. 59 BayBO, das zur Erteilung der Baugenehmigung vom 15. Mai 2009 für das Gartenhaus geführt hat, waren die Brandschutzanforderungen des Art. 28 BayBO nicht Prüfmaßstab, da die Klägerin insofern keine Abweichung im Sinne des Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i.V. mit Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 BayBO beantragt hatte. Eine im vereinfachten Verfahren ergehende Baugenehmigung trifft von vornherein keine Aussage über die Vereinbarkeit des genehmigten Vorhabens mit öffentlich-rechtlichen Anforderungen, die nicht zum Prüfprogramm dieses Verfahrens zählen und die daher keine Genehmigungsvoraussetzungen sind. Die Gegenansicht, wonach über Art. 65 Abs. 2 BayBO i.V. mit Art. 63 BayBO (Unvollständigkeit des Antrags bei unterlassenem Abweichungsantrag) bzw. über Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO auch eine im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ergangene Baugenehmigung rechtswidrig sein könne, wenn das genehmigte Vorhaben gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften außerhalb des Prüfprogramms des Art. 59 BayBO verstoße (vgl. Koehl, BayVBl. 2009, 645 ff.), hat sich in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht durchgesetzt. Gegen solche Ansätze spricht insbesondere der Wille des Gesetzgebers, der das Prüfverfahren beim vereinfachten Genehmigungsverfahren bewusst entlasten wollte. Insbesondere 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO dient allein der bauaufsichtlichen Verfahrensökonomie und begründet ausschließlich eine behördliche Ablehnungsbefugnis, ohne dass dadurch das Prüfprogramm als solches erweitert wird (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2012 – 15 ZB 11.1016 – juris Rn. 4; B.v. 12.12.2013 – 2 ZB 12.1513 – juris Rn. 3; B.v. 17.08.2015 – 2 ZB 13.2522 – juris Rn. 10 ff.; B.v. 18.7.2016 – 15 ZB 15.12 – juris Rn. 17; Jäde, BayVBl. 2009, 709/714 f.).
Entgegen der Ansicht der Klägerin waren mithin die Brandschutzanforderungen der BayBO nicht vom Prüfumfang der Baugenehmigung umfasst, sodass Letzterer keine Legalisierungswirkung hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen des Art. 28 BayBO zukommen kann. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Fenster des Gartenhauses bereits im genehmigten Plan eingezeichnet waren. Ein bauordnungsrechtliches Eingreifen war deshalb auch nicht von der vorherigen Rücknahme der Baugenehmigung unter den Voraussetzungen des Art. 48 BayVwVfG abhängig. Unabhängig von der Irrelevanz eines entsprechenden Irrtums ist nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin aus dem unter Ziff. IV Nr. 2 aufgeführten Hinweis im Baugenehmigungsbescheid vom 15. Mai 2009 zur Vorlage einer Erklärung des Nachweiserstellers (u.a. zum Brandschutz) habe schlussfolgern können, der Brandschutz sei von der Genehmigungsbehörde geprüft worden und daher von der Baugenehmigung gedeckt. Denn zum einen wird in der entsprechenden Passage der „Hinweise“ die Vorlagepflicht ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass „bautechnische Nachweise nicht bauaufsichtlich geprüft und nicht durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt werden“. Zum andern heißt es unter Nr. 3 der Hinweise in der Baugenehmigung wörtlich:
„Es wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass der Antrag gemäß Art. 59 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren geprüft wurde. Nicht geprüft wurden die Bestimmungen nach dem Bauordnungsrecht wie baulichen Brandschutz, Abstandsflächen, Personenschutz oder Standsicherheit. Die darin enthaltenen Forderungen müssen aber eingehalten werden und liegen in der eigenen Verantwortung des Bauherrn.“
Soweit die Klägerin darauf verweist, den Nachbarn sei mitgeteilt worden, dass das genehmigte Bauvorhaben keine nachbarlichen Belange beeinträchtige, vermag dies ebenfalls keine ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zu begründen. Die entsprechende Passage des Zuleitungsschreibens des Landratsamts an die Nachbarn vom 15. Mai 2009 (vgl. Bl. 22. 23 der Behördenakte des Landratsamts) kann angesichts des beschränkten Prüfprogramms im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren und angesichts des einschränkenden Hinweises Nr. IV.3. in der Baugenehmigung (s.o.) schon inhaltlich nur dahingehend verstanden werden, dass das Vorhaben keine nachbarlichen Belange beeinträchtigt, soweit diese im einschlägigen Verfahren nach Art. 59 BayBO als Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen waren. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich – und wird auch von der Klägerin im Zulassungsverfahren nicht substanziiert ausgeführt –, welche Auswirkungen eine entsprechende Äußerung gegenüber den Nachbarn auf die Rechtmäßigkeit eines bauordnungsrechtlichen Einschreitens auf der Grundlage des Art. 54 Abs. 2 BayBO gegenüber der Klägerin haben könnte. Insbesondere kann aus einer entsprechenden Aussage gegenüber den Nachbarn kein Vertrauensschutz in Form einer dauerhaften Duldung bzw. einer Zusicherung (Art. 38 BayVwVfG), von einem bauordnungsrechtlichen Einschreiten abzusehen, abgeleitet werden. Weder trägt die Klägerin vor noch ist aus den Akten ersichtlich, dass Entsprechendes ihr gegenüber erklärt wurde.
Schließlich ist am Maßstab von Art. 54 Abs. 2 BayBO die Relevanz des Einwandes der Klägerin, wonach das Landratsamt nicht von sich aus, sondern erst auf einen Hinweis des Nachbarn tätig geworden sei, nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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