Baurecht

Eilantrag eines Nachbarn gegen Baugenehmigung zum Neubau eines Wohnhauses

Aktenzeichen  9 CS 19.1595

Datum:
27.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32500
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 31 Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
BayBO Art. 6 Abs. 8 Nr. 2a, Abs. 9 S. 1 Nr. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz lediglich nach den Grundsätzen des im Tatbestandsmerkmal „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ enthaltenen Rücksichtnahmegebots (§ 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung aus irgendeinem Grund rechtswidrig ist, sondern nur dann, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. VGH München, BeckRS 2019, 2302 Rn. 19).  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 S 19.685 2019-07-12 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die vom Landratsamt Miltenberg dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 3. April 2019 zum Neubau eines Wohnhauses.
Das geplante Bauvorhaben umfasst die Grundstücke … und … Gemarkung Miltenberg. Das Grundstück des Antragstellers, FlNr. … Gemarkung Miltenberg, liegt nördlich und nordwestlich des Baugrundstücks FlNr. … Gemarkung Miltenberg; das Wohngebäude des Antragstellers befindet sich im nordöstlichen Bereich seines Grundstücks. Nordöstlich der beiden Baugrundstücke liegt das Grundstück FlNr. … Gemarkung Miltenberg, das mit seiner Nordwestgrenze ebenfalls an das Grundstück des Antragstellers angrenzt. Südöstlich des Baugrundstücks FlNr. … Gemarkung Miltenberg sowie mit einer ca. 4 m breiten Zufahrt südöstlich des Grundstücks FlNr. … Gemarkung Miltenberg befindet sich das Grundstück … Gemarkung Miltenberg. Südöstlich der Zufahrt zum Grundstück FlNr. … Gemarkung Miltenberg und ohne eigene Grenze zu den Baugrundstücken befindet sich das Grundstück FlNr. … Gemarkung Miltenberg. Sämtliche Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „…“ der Stadt Miltenberg, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt und u.a. Festsetzungen zur Traufhöhe sowie der überbaubaren Grundstücksfläche enthält.
Mit Bescheid vom 3. April 2019 erteilte das Landratsamt Miltenberg dem Beigeladenen die Baugenehmigung zum Neubau eines Wohnhauses mit sechs Wohneinheiten, Carport und Garage mit Nebenraum auf den Grundstücken FlNr. … und … jeweils Gemarkung Miltenberg. Zugleich wurden Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans „…“ hinsichtlich der Überschreitung der Baugrenze im Süd-Westen und Nord-Osten sowie hinsichtlich einer Überschreitung der Traufhöhe durch den Quergiebel im Süd-Westen erteilt.
Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2019 erhoben der Antragsteller sowie die Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … Gemarkung Miltenberg und ein Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung Miltenberg gemeinsam Klage gegen die Baugenehmigung vom 3. April 2019 zum Verwaltungsgericht (W 4 K 19.560), über die noch nicht entschieden ist. Sie stellten zudem mit Schriftsatz vom 11. Juni 2019 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Juli 2019 abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die angefochtene Baugenehmigung vom 3. April 2019 keine Nachbarrechte der Antragsteller verletze.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er ist der Ansicht, das Spitzgiebelgeschoss des Bauvorhabens sei unzulässig, weil es sich um ein Vollgeschoss handle. Die Traufhöhe sei falsch beurteilt worden, weil nicht der Schnittpunkt zwischen senkrechter Außenfläche und der Dachhaut zugrunde gelegt worden sei. Es fehle daher eine Auseinandersetzung, wie die Überschreitung der Traufhöhen um fast das Doppelte mit nachbarlichen Interessen vereinbar seien. Die Balkone im Spitzgiebel- und Dachgeschoss seien abstandsflächenpflichtig. Insoweit seien die Bauvorlagen auch unbestimmt, weil den Balkonen keine Maßstriche zugeordnet und in den Bauvorlagen unterschiedliche Angaben zur Grundfläche gemacht worden seien. Die Garage mit Nebenraum sei abstandsflächenpflichtig, weil der Nebenraum der Garage nicht untergeordnet sei. Hinsichtlich der Garage sei zudem das Rücksichtnahmegebot verletzt, weil das überdimensionierte Dach das Nebengebäude als erdrückendes Gebäude mit Einmauerungseffekt erscheinen lasse. Schließlich würden die Baugrenzen durch die Balkone überbaut; die vorderen Baugrenzen seien nach dem Willen des Plangebers nachbarschützend, weil insoweit eine Maßangabe („3 m“) eingezeichnet sei, die sich sonst nirgends im Bebauungsplan finde.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgericht Würzburg vom 12. Juli 2019, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung vom 3. April 2019 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, dass Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nicht drittschützend seien und sich entsprechendes auch nicht aus dem Bebauungsplan entnehmen lasse. Hinsichtlich der Traufhöhenberechnung gebe es unterschiedliche Auffassungen; das Landratsamt sei vom Regenabtropfpunkt und nicht vom Schnittpunkt des Mauerwerks mit der Dachhaut ausgegangen; die Maßangaben ließen sich allesamt den genehmigten Plänen entnehmen. Der Quergiebel könne den Antragsteller schon aufgrund seiner Lage nach Südwesten nicht beeinträchtigen; die Abstandsflächen seien eingehalten. Dies gelte auch für die Balkone, deren Maßangaben sich aus den Wohnflächenberechnungen ergäben. Nach Auslegung der Unterlagen könne der Nachbar die Reichweite des genehmigten Bauvorhabens und seiner Nutzung erkennen, so dass keine nachbarrelevante Unbestimmtheit vorliege. Auch die Garage entspreche den Abstandsflächenvorschriften, weil innerhalb der Vorschrift des Art. 6 Abs. 9 Satz Nr. 1 BayBO nur maßgebend sei, dass kein Aufenthaltsraum und keine Feuerstätte vorhanden sei. Eine erdrückende Wirkung der Garage komme nicht in Betracht, weil es sich um ein gegenüber dem Gebäude des Antragstellers wesentlich kleineres Nebengebäude handle.
Der Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der vorgelegten Behördenakten, sowie des Verfahrens 9 CS 19.1983 verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt, weil die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Die angefochtene Baugenehmigung vom 3. April 2019 verstößt, worauf es hier allein ankommt, nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind. Die Interessenabwägung fällt damit zu Lasten des Antragstellers aus.
1. Die angefochtene Baugenehmigung ist hinreichend bestimmt.
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 9 CS 18.2610 – juris Rn. 10 m.w.N.). Danach ist die angefochtene Baugenehmigung nicht wegen unterschiedlicher Angaben zur Grundfläche und fehlender Maßangaben der Balkone im Spitzgiebel- und Dachgeschoss unbestimmt.
a) Soweit der Antragsteller vorbringt, dass die Grundfläche in der Baubeschreibung zum Bauantrag (auf Bl. 9 der Behördenakte) mit 210,60 m2 gegenüber der auf dem Beiblatt zur Berechnung der Grundflächenzahl (Bl. 20 der Behördenakte) mit 213 m2 angegebenen Grundfläche widersprüchlich sei, ist darauf hinzuweisen, dass sich die 213 m2 Grundfläche auch eindeutig aus den Maßangaben im genehmigten Plan „Grundriss + Schnitt“ (Bl. 54 der Behördenakte) entnehmen lassen. Unabhängig davon zeigt die Beschwerde nicht auf, inwieweit diese – geringe – Differenz den Kläger in nachbarrechtsrelevanter Weise beeinträchtigen könnte, zumal Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung regelmäßig keine drittschützende Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 16).
b) Zwar sind die Balkone im Spitzgiebel- und Dachgeschoss hinsichtlich der Breite im Plan „Grundriss + Schnitt“ tatsächlich nicht bemaßt. Unter Berücksichtigung von bestimmten Messungenauigkeiten bei Entnahme der Maßangaben aus dem mit dem Maßstab 1:100 versehenen, handgezeichneten Plan aufgrund immanenter geringer Zeichenungenauigkeiten, lässt sich die Breite der Balkone aber ohne Weiteres mit den Angaben in der Wohnflächenberechnung, die das Landratsamt seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat, in Einklang bringen. Die vom Antragsteller angeführten, dem Plan „Grundriss + Schnitt“ entnommenen 1,90 m beziehen sich zudem nicht auf die Balkone.
2. Das Bauvorhaben verstößt hinsichtlich der Balkone im Spitzgiebel- und Dachgeschoss sowie hinsichtlich der Garage mit Nebenraum nicht gegen die Abstandsflächenvorschriften.
a) Die Balkone bleiben hier gem. Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. a BayBO bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht, weil sie – entgegen der Ansicht des Antragstellers und unter Zugrundelegung der o.g. Maßangaben – nicht mehr als ein Drittel der Breite der Außenwand des jeweiligen Gebäudes in Anspruch nehmen und auch im Falle einer einheitlichen Betrachtung beider (aneinandergebauten) Balkone das Maximalmaß von insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der Außenwand des jeweiligen Gebäudes, höchstens jeweils 5 m, nicht überschritten wird. Dies ist bei einer Breite der Spitzgiebelbalkone mit 2 x 1,20 m und der Dachgeschossbalkone mit 2 x 2,00 m sowie einer Gesamtbreite der Außenwand von 12 m offensichtlich. Eine zwischen den Balkonen verlaufende Wand mit einer Stärke von 0,24 m lässt sich dem Plan „Grundriss + Schnitt“ nicht entnehmen.
b) Die Garage mit Nebenraum unterfällt der Regelung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO, wonach u.a. sowohl Garagen einschließlich deren Nebenräume als auch Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten abstandsflächenrechtlich privilegiert sind. Aus dem genehmigten Plan „Grundriss + Schnitt“ (Bl. 54 der Behördenakte) lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es sich bei dem als „Nebenraum“ bezeichneten Teil des Garagengebäudes um einen Aufenthaltsraum handeln könnte; eine Feuerstätte ist dort ebenfalls nicht ersichtlich. Da Gebäude ohne Aufenthaltsraum und ohne Feuerstätte ohne Weiteres mit Garagen zusammen gebaut werden dürfen (vgl. Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, a.a.O., Art. 6 Rn. 539), kommt es nicht darauf an, ob der als „Nebenraum“ bezeichnete Teil des Garagengebäudes gegenüber der Garage untergeordnet ist (vgl. Schönfeld in Spannovsky/Manssen, Beckscher Online-Kommentar BayBO, Stand 1.9.2019, Art. 6 Rn. 231; Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, Art. 6 Rn. 46).
3. Die Festsetzungen zur Traufhöhe und den Baugrenzen im Bebauungsplan „…“ der Stadt Miltenberg sind entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht drittschützend.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Umfang des Rechtsschutzes eines Nachbarn bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB davon abhängt, ob die Festsetzungen, von denen dem Bauherrn eine Befreiung erteilt wurde, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz hingegen lediglich nach den Grundsätzen des im Tatbestandsmerkmal „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ enthaltenen Rücksichtnahmegebots (§ 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung aus irgendeinem Grund rechtswidrig ist, sondern nur dann, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 9 CS 18.2638 – juris Rn. 19 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise auch für eventuell zu Unrecht nicht erteilte Befreiungen (vgl. BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14.87 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 27.6.2018 – 9 ZB 16.1012 – juris Rn. 12).
Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, hier zur Traufhöhe (§ 16 Abs. 2 Nr. 4, § 18 BauNVO), und zu den überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) sind grundsätzlich nicht drittschützend (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 9 CS 17.345 – juris Rn. 16 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht ist unter Bezugnahme auf die Begründung des Bebauungsplans sowie die sonstigen Umstände davon ausgegangen, dass sich ein vom Planungswillen der Gemeinde abhängiger ausnahmsweiser Drittschutz nicht aus den Festsetzungen des Bebauungsplans ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 26.9.2018 – 9 CS 17.361 – juris Rn. 13). Das Beschwerdevorbringen zeigt insoweit keine Anhaltspunkte aus den Planunterlagen auf, mit denen sich die entgegengesetzte Ansicht des Antragstellers begründen ließe. Der Hinweis auf die in der Planurkunde des Bebauungsplans enthaltene Angabe „3 m“ an der nordwestlichen Seite des Baugrundstücks reicht hierfür nicht aus. Zum einen ist die Angabe nicht unmittelbar zwischen Baugrenze und Grundstücksgrenze, sondern um einiges versetzt zum Baufenster des Baukörpers eingezeichnet; zum anderen spricht aufgrund der Erschließungssituation vieles dafür, dass mit der Angabe eine ausreichende Zufahrtsbereite zu dem im hinteren Grundstücksteil festgesetzten Baufenster für ein Nebengebäude sicher gestellt werden sollte.
4. Das Beschwerdevorbringen zeigt auch keine Anhaltspunkte dafür auf, dass das Landratsamt bei seiner Ermessensentscheidung im Rahmen der Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen nicht die gebotene Rücksicht auf die Interessen des Antragstellers genommen hat.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass dem Gebot der Rücksichtnahme drittschützende Wirkung zukommt, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen dabei wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 9 CS 18.2638 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Hinsichtlich des Spitzgiebelgeschosses ist – unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei um ein (weiteres) Vollgeschoss handelt oder nicht – eine Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen weder dargelegt noch ersichtlich. Für die Überschreitung der Traufhöhe des Quergiebels wurde eine Befreiung für den Quergiebel im Südwesten erteilt. Unabhängig von der Frage, wie die Traufhöhe zu berechnen ist, lassen sich sämtliche Maßangaben den Plänen „Grundriss + Schnitt“ (Bl. 54 der Behördenakte) sowie „Ansichten“ (Bl. 55 der Behördenakte) entnehmen; die vom Antragsteller angeführten 5,80 m sind nicht relevant, da sie sich ohne Weiteres der – durch Änderung gestrichenen – Balkonüberdachung auf der Südwestseite zuordnen lassen. Das Landratsamt hat im Rahmen der Würdigung nachbarlicher Interessen im Bescheid vom 3. April 2019 zutreffend darauf abgestellt, dass die Abstandsflächen insoweit eingehalten werden. Darüber hinausgehende nachbarliche Interessen sind weder ersichtlich noch dargelegt. Gleiches gilt für die Frage der Überschreitung der Baugrenzen, sowohl hinsichtlich der erteilten Befreiungen auf der Südost- und Nordwestseite, als auch hinsichtlich einer eventuellen Überschreitung durch die Balkone. Soweit der Antragsteller die Firsthöhe der „Garage mit Nebengebäude“ beanstandet, hat das Verwaltungsgericht eine erdrückende oder einmauernde Wirkung zu Recht verneint. Angesichts einer Dachneigung des Gebäudes von 50°, die deutlich unter dem Wert nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 letzter Halbsatz, wonach Dachneigungen bis 70° unberücksichtigt bleiben, zurück bleibt, ist eine bloße Berufung auf eine Beeinträchtigung der Belichtung und Nutzbarkeit des eigenen Grundstücks nicht ausreichend, zumal das Nebengebäude die Festsetzungen des Bebauungsplans sowie die Abstandsflächen einhält und der Baukörper nicht erheblich höher sein dürfte als der des Wohngebäudes des Antragstellers (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2018 – 9 CS 17.361 – juris Rn. 22). Darüber hinaus hat der Antragsteller im Südwesten seines eigenen Grundstücks eine erhebliche Freifläche.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da der Beigeladene im Beschwerdeverfahren keinen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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