Baurecht

Einfügen eines Bauvorhabens nach dem Nutzungsmaß – Verletzung der Planungshoheit

Aktenzeichen  1 CS 17.2496

Datum:
14.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2107
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 36 Abs. 1 S. 1, § 212a Abs. 1
BauVorlV § 7 Abs. 3 Nr. 10
GG Art. 28 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Auch ein Vorhaben, das sich nicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird, kann ausnahmsweise zulässig sein, wenn es trotz der Überschreitung keine städtebaulichen Spannungen hervorruft. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für das Einfügen eines Vorhabens nach dem Nutzungsmaß ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt. Das sind vor allem die (absolute) Grundfläche, die Anzahl der Geschosse und die Höhe des Gebäudes, bei offener Bauweise zudem das Verhältnis der Bebauung zur umgebenden Freifläche. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für das Maß der baulichen Nutzung ist bei einer offenen Bebauung ein Einfügen im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB nur dann gegeben, wenn nicht nur die Grundfläche des geplanten Baukörpers, die Geschosszahl und die Höhe sich im vorgegebenen Rahmen halten, sondern auch die Freiflächen im Verhältnis zu den Gebäudeflächen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 SN 17.4132 2017-11-20 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500‚- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung von drei Reihenhäusern mit einer Grundfläche von ca. 203 m² sowie drei Garagen mit einer Grundfläche von ca. 54 m² auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung U* … (im Folgenden: Baugrundstück). Das Einvernehmen der Antragstellerin wurde ersetzt. Die Antragstellerin erhob gegen den Bescheid vom 23. Juni 2017 Klage und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes. Mit Beschluss vom 20. November 2017 hat das Verwaltungsgericht München die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Zur Begründung führte es aus‚ die Antragstellerin werde durch die Baugenehmigung möglicherweise in ihrer Planungshoheit verletzt. Das nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Vorhaben füge sich mit gewisser Wahrscheinlichkeit nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein. Das Verhältnis der bebauten Grundfläche zur umgebenden Freifläche gehe über das hinaus, was in der näheren Umgebung vorhanden sei. Die geplante Kubatur des Gebäudes wirke zudem zu massiv. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung, was sich zu Lasten der Beigeladenen auswirke. Angesichts der unzureichenden Bauvorlagen bestehe eine Unsicherheit in der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit. Dies sei im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen.
Mit der Beschwerde wendet sich die Beigeladene gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Sie beantragt‚
den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 20. November 2017 und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage aufzuheben.
Das genehmigte Vorhaben füge sich in die maßgebliche Umgebung ein. Das Verwaltungsgericht habe den Umgriff der für das Einfügen maßgeblichen Umgebung zu eng gezogen. Das Baugrundstück liege inmitten einer homogenen Bebauung. Deshalb sei der gesamte Bereich beidseits der H* …straße‚ der H* …straße und der R* …straße im Süden bis zur L* … Straße sowie im Norden bis an die B* …straße maßgeblich. Hinsichtlich des Verhältnisses der bebauten Fläche zur umgebenden Freifläche befänden sich in diesem Gebiet acht vergleichbare Grundstücke‚ die eine ähnliche Bebauung wie die geplante aufwiesen. Soweit das Verwaltungsgericht eine herausgehobene Massivität der geplanten Bebauung erkenne, sei unklar‚ worin die Überschreitung des Rahmens liege. Ähnlich massive Bauten würden sich auch in der Umgebung finden lassen. Jedenfalls gingen von dem Vorhaben keine städtebaulichen Spannungen aus. Die vom Verwaltungsgericht bemängelte Unvollständigkeit der Bauvorlagen sei nicht gegeben. Die Vorlage der geforderten Unterlagen sei nicht üblich.
Die Antragstellerin beantragt‚
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht habe die nähere Umgebung zutreffend abgegrenzt. Die Beigeladene ziehe zur Beurteilung des Verhältnisses von Freiflächen zur bebauten Fläche Bereiche heran‚ die für das Maß der Umgebungsbebauung keine Bedeutung hätten. Nach den eigenen Ermittlungen übersteige das Vorhaben der Beigeladenen hinsichtlich der überbauten Grundfläche die in der Umgebung vorherrschende Bebauung erheblich.
Der Antragsgegner stellt keinen Antrag‚ tritt jedoch der Auffassung der Beigeladenen bei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Baugenehmigungsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht entsprochen. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Zugrundelegung des nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgebenden Beschwerdevorbringens sind die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage als offen einzuschätzen. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen fällt zu Gunsten der Antragstellerin aus.
Nach summarischer Prüfung an Hand der vorgelegten Akten lässt sich nicht abschließend klären‚ ob das nach § 34 BauGB zu beurteilende Bauvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist und die unter Ersetzung des Einvernehmens erteilte Baugenehmigung somit die Planungshoheit der Antragstellerin verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO‚ § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB).
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zulässig‚ wenn es sich hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung‚ der Bauweise und der Grundstücksfläche, die bebaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ein Vorhaben fügt sich im allgemeinen ein‚ wenn es sich hinsichtlich dieser vier Kriterien innerhalb des Rahmens hält‚ der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird. Auch ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben kann aber ausnahmsweise zulässig sein‚ wenn es trotz der Überschreitung keine städtebaulichen Spannungen hervorruft (BVerwG, U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 – NVwZ 1995, 698). Bei der Beurteilung des hier allein strittigen Einfügens nach dem Nutzungsmaß ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen‚ in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt. Das sind vor allem die (absolute) Grundfläche‚ die Anzahl der Geschosse und die Höhe des Gebäudes‚ bei offener Bauweise zudem das Verhältnis der Bebauung zur umgebenden Freifläche (vgl. BVerwG‚ B.v. 3.4.2014 – 4 B 12.14 – BauR 2014‚ 1126). Der für jedes Merkmal des Einfügens gesondert zu bestimmende Bereich‚ der als nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu beurteilen ist‚ ist nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen (vgl. BVerwG‚ B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2).
Bei Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann an Hand der dem Gericht zu Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht abschließend beurteilt werden, ob sich das Vorhaben aus dem mit der Beschwerde geltend gemachten Gründen voraussichtlich in die maßgebliche Umgebung einfügt. Der für diese Klärung erforderliche Augenschein wird regelmäßig nicht vorläufigen Rechtsschutzverfahren durchgeführt (vgl. BayVGH‚ B.v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 19).
Zweifel an der Zulässigkeit des geplanten Maßes der Nutzung ergeben sich aus folgenden Gesichtspunkten:
Der für die Beurteilung des zulässigen Nutzungsmaßes maßgebliche Umgriff lässt sich an Hand der zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht abschließend bestimmen. Das Verwaltungsgericht hat einen „größtmöglich denkbaren Umgriff“ südlich bis auf die Höhe der Anwesen H* …straße 5 und 6 und nördlich bis auf die Höhe der Anwesen H* …straße 14 und 19 begrenzt. Zugleich hat es auch die Bebauung bis zur Ostseite der H* …straße und beidseits der R* …straße als maßgeblich angesehen. Diese Gebietsabgrenzung ist allein an Hand des Lageplans ohne Kenntnis der Verhältnisse vor Ort nicht nachvollziehbar‚ da aus der Begründung des Beschlusses nicht deutlich wird, aufgrund welcher Umstände das Verwaltungsgericht die dargestellte Abgrenzung vornimmt. Gleiches gilt für die in der Beschwerdebegründung durch die Beigeladene vorgeschlagene Gebietsabgrenzung. Das dort skizzierte Gebiet umfasst einen so weitreichenden Bereich‚ dass schon aufgrund der räumlichen Ausdehnung eine Prägung des Baugrundstücks wenig wahrscheinlich ist. Dies gilt umso mehr als bei der Beurteilung des Nutzungsmaßes der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen ist als bei der Nutzungsart (vgl. BVerwG, B. v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246; BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 21).
Ausgangspunkt für die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs könnte im vorliegenden Fall‚ in dem eine weitgehend homogene Wohnbebauung gleichartiger Struktur vorzufinden ist, der Bereich des Straßengevierts und die dem Vorhaben gegenüberliegende Straßenseite sein (vgl. BayVGH‚ B.v. 18.10.2010 – 2 ZB 10.1800 – juris Rn. 8 m.w.N.). Das Straßengeviert würde hier durch die H* …straße im Westen und Norden sowie die R* …straße im Osten und die L* … Straße im Süden gebildet. Hinzu käme die Bebauung auf der dem Vorhaben gegenüberliegenden Seite der H* …straße beginnend ab dem Gebäude H* …straße 1 bis H* …straße 17. Ausgehend von dieser im Bereich einer homogenen Wohnbebauung naheliegenden Betrachtung wären sodann die tatsächlichen Besonderheiten im Einzelfall zu prüfen (vgl. BVerwG‚ B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014‚ 1246). Insbesondere topografische Zäsuren oder ein Wechsel der baulichen Struktur könnten dann eine abweichende Gebietsabgrenzung erfordern (vgl. BVerwG‚ B.v.28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2). Anhaltspunkte hierfür bieten der Akteninhalt sowie der Sachvortrag der Beteiligten bisher nicht. Derartige Abgrenzungskriterien, die den Bereich gegenseitiger Prägung verändern könnten, wären im Rahmen eines Augenscheins zu überprüfen.
Legt man vorläufig als maßgeblichen Umgriff für die Beurteilung des Einfügens hinsichtlich des Maßes der Nutzung das Geviert und die gegenüberliegende Straßenseite zugrunde, ist dem Verwaltungsgericht zuzustimmen‚ dass das Vorhaben hinsichtlich des Verhältnisses der bebauten Fläche zur umgebenden Freifläche wohl nicht mehr innerhalb des Rahmens der vorhandenen Bebauung liegt. Für das Maß der baulichen Nutzung ist bei einer offenen Bebauung ein Einfügen im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur dann gegeben, wenn nicht nur die Grundfläche des geplanten Baukörpers‚ die Geschosszahl und die Höhe sich im vorgegebenen Rahmen halten, sondern auch die Freiflächen im Verhältnis zu den Gebäudeflächen (BVerwG, B.v. 3.4.2014 – 4 B 12.14 – BauR 2014‚ 1126; BayVGH‚ U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 18). Dabei kommt es auf das Verhältnis der Gebäudeflächen zur umgebenden Freifläche an‚ entscheidend sind solche Maße, die nach Außen wahrnehmbar in Erscheinung treten (BVerwG‚ B.v. 3.4.2014‚ a.a.O.). Der Umfang der befestigten Flächen tritt demgegenüber in den Hintergrund, da diese trotz ihres Einflusses auf die Grundflächenzahl optisch nicht in dem Maße in Erscheinung treten wie Gebäude und somit nicht in dem Maße mit durch Gebäuden bebauten Flächen vergleichbar sind. Durch die hier geplante Bebauung würden sich die so definierten Freiflächen auf dem Baugrundstück deutlich reduzieren. Insbesondere rückt das geplante Gebäude näher an die H* …straße heran. An der Nord- und Westseite des geplanten Gebäudes besteht zum Teil nur noch ein Abstand von 3‚10 m bzw. 4‚60 m bis zur Grundstücksgrenze an der H* …straße. Durch die Vergrößerung des Baukörpers und den Anbau einer Garage an der Südseite des geplanten Gebäudes gehen überdies Freiflächen entlang der Grundstücksgrenzen in einem Maß verloren, wie es nach dem Lageplan in der Umgebung nicht zu finden ist. Der geplante Baukörper dominiert die gesamte Grundstücksfläche. Eine ähnliche Bebauungsdichte ist in dem angenommenen Umgriff nicht erkennbar.
Soweit die Beigeladene auf Bezugsfälle in der Umgebung verweist, befinden sich diese zum Teil nicht mehr in dem hier angenommenen Umgriff (H* …straße 14‚ H* …straße 19, H* …straße 10, 10a, 12‚ R* …straße 14 und R* …straße 12). Die übrigen genannten Vorhaben (R* …straße 11und H* …straße 1) mögen zwar eine überbaute Grundstücksfläche haben, die die des Bauvorhabens erreicht. Bei dem vorliegend zu prüfenden Maßkriterium ist diese Fläche indes ins Verhältnis zur umgebenden Freifläche zu setzen. Die Freiflächen in den als Bezugsfall genannten Nachbargrundstücken überschreiten die auf dem Baugrundstück bei der geplanten Bebauung verbleibenden Freiflächen. Gleichwohl bedarf es weiterer Unterlagen sowie eines Augenscheins um beurteilen zu können‚ ob eine Überschreitung des bisher vorhandenen Verhältnisses zwischen Gebäude und Freiflächen auch bei Berücksichtigung der tatsächlichen, vom Lageplan möglicherweise abweichenden Bebauung vorliegt. Darüber hinaus wäre in diesem Rahmen zu prüfen, ob eine solche Überschreitung zu bodenrechtlich beachtlichen Spannungen führt. Auch die bereits vom Verwaltungsgericht angemahnte Ergänzung der Bauvorlagen ist von Nöten. Insbesondere ist gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 10 BauVorlV die geplante bauliche Anlage unter Angabe der Außenmaße in einem Lageplan darzustellen‚ der auch die Umgebungsbebauung aufzeigt. Eine solche Darstellung ist regelmäßig in den Bauvorlagen enthalten und fehlt im vorliegenden Bauantrag.
Es kann offen bleiben‚ ob neben der Frage des Einfügens nach dem Verhältnis der bebauten Fläche zur umgebenden Freifläche auch das Einfügen hinsichtlich der Baukörpergröße zweifelhaft ist. Das Verwaltungsgericht hat seine Zweifel mit der massiven Wirkung des Baukörpers begründet. Zu Recht hat es grundlegend ausgeführt, dass es dabei auf die absolute Größe des Baukörpers nach dessen Grundfläche‚ Geschosszahl und Höhe ankommt (BA S. 10). Es wird im Rahmen eines Augenscheins zu prüfen sein‚ ob die genannten, kumulierend zu prüfenden Maßfaktoren (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – BVerwGE 157,1), die in der Umgebung vorhandenem Maße überschreiten.
Nachdem die Erfolgsaussichten der Hauptsache im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes nicht abschließend beurteilt werden können, ist im Rahmen der somit gebotenen Interessenabwägung das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung stärker zu gewichten als das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Verwirklichung des Bauvorhabens. Trotz der Gewichtungsvorgabe durch § 212a Abs. 1 BauGB (vgl. BayVGH‚ B.v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 33) ist das Verwaltungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gekommen‚ dass zum Schutz der Planungshoheit das Interesse der Antragstellerin höher zu werten ist als das Interesse der Beigeladenen. Würde das Bauvorhaben der Beigeladenen realisiert‚ die Baugenehmigung jedoch später im Hauptsacheverfahren aufgehoben‚ so hätte die Antragstellerin zu befürchten‚ dass die durch die Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) geschützte Planungshoheit dauerhaft beeinträchtigt bleibt. Nach Fertigstellung der baulichen Anlage, die drei Reihenhäuser umfasst und erhebliche Kosten verursacht, ließe sich die Begrenzung der Bebauung für den Fall‚ dass das Vorhaben den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreitet, schwer durchsetzen. Eine Reduzierung der Grundfläche der baulichen Anlage ließe sich nur durch den Abbruch oder Teilabbruch derselben erreichen. Nach der Fertigstellung des Bauvorhabens müsste deshalb aller Voraussicht nach eine Beseitigungsanordnung durch das Landratsamt ergehen. Hierauf hätte die Antragstellerin keinen Anspruch, sondern lediglich einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde. Im Zweifel wäre insofern auch eine erneute gerichtliche Klärung erforderlich (vgl. zur Interessenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten: BayVGH‚ B.v. 23.1.2013 – 1 CS 12.2625 – juris Rn. 15 f.). Weiter erschwert wäre die Durchsetzung einer Beseitigung auch durch die zu erwartende Teilung des Grundstücks und den Verkauf an drei unterschiedliche Eigentümer. Demgegenüber hat das Interesse der Beigeladenen, von der Baugenehmigung Gebrauch machen zu können, trotz der Verstärkung durch den gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ein geringeres Gewicht. Zwar kann die Beigeladene das Bauvorhaben bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsachverfahrens nicht verwirklichen. Die Nachteile, die sich dadurch ergeben, sind indes in erster Linie finanzieller Natur. Die Beigeladene hat zwar ausweislich der von ihr vorgelegten Luftbilder offenbar mittlerweile einen größeren Teil des Rohbaus errichtet. Diese Baumaßnahmen erfolgten jedoch in Kenntnis der Klageerhebung der Antragstellerin (Klageerhebung 11.7.2017; Baubeginnsanzeige: 10.7.2017) und damit auf eigenes Risiko. Angesichts der nicht von der Hand zu weisenden Möglichkeit‚ dass sich das Vorhaben nicht einfügt und die Beigeladene mit ihrer Klage Erfolg hat, werden die finanziellen Interessen der Beigeladenen auch durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung geschützt. Andernfalls wäre zu befürchten‚ dass diese weitere erhebliche Finanzmittel in die Fertigstellung der Anlage investiert‚ obwohl diese nicht genehmigungsfähig ist und möglicherweise beseitigt werden müsste.
Die Beigeladene hat gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen‚ da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 9.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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