Baurecht

Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung im Hinblick auf eine faktische hintere Baugrenze

Aktenzeichen  M 11 K 16.4869

Datum:
15.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8130
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1

 

Leitsatz

Für die Frage, ob es sich bei einem Vorhaben um eine unzulässige Hinterlandbebauung handelt, ist entscheidend, ob hierdurch ein Baukörper geschaffen wird, der bei absoluter Betrachtung erstmalig über eine gedachte Flucht der bisher vorhandenen Bebauung hinausspringt. Hingegen ist nicht entscheidend, in wievielter Bauzeile ein Vorhaben formal zum Liegen kommt, wenn es angesichts der in der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung in einem Bereich platziert ist, in dem auf in etwa gleicher Höhe einer gedachten Flucht bereits Hinterlandbebauung vorhanden ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts … vom 05.10.2016, Az.: …, verpflichtet, der Klägerin einen Vorbescheid gemäß Antrag vom 18.07.2016 zu erteilen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
1. Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Landratsamts vom 5. Oktober 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Vorbescheids hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die beim Augenschein getroffenen Feststellungen haben ergeben, dass der Vorhabenstandort dem Innenbereich gemäß § 34 BauGB zuzuordnen ist. Ob der westlich verlaufende Bach bzw. die unmittelbar westlich des Bachs verlaufende … Straße eine topographische Grenze darstellt, wofür jedenfalls im Falle letzterer einiges spricht, braucht letztlich nicht entschieden zu werden, da bereits die unmittelbar entlang der östlichen Grenze des Grundstücks FlNr. … bzw. der westlichen Grenze des Vorhabengrundstücks verlaufende Hangkante eine topographische Grenze und mithin die Grenze zwischen dem Innenbereich – in dem der Vorhabenstandort liegt – und dem Außenbereich darstellt. Aufgrund des in jedem Einzelfall maßgeblichen optischen Eindrucks erscheint der Bereich des Vorhabenstandorts aufgrund des unmittelbar dahinter zum westlich davon verlaufenden Bach abfallenden Geländes als bloße Baulücke und natürlicher Abschluss des östlich gelegenen Ortsteils. Die westlich der Hangkante, auf dem Geländeniveau des Baches auf FlNr. … liegende, einige Meter breite Wiese, ist dem in diesem Bereich verlaufenden Bach zuzuordnen, da sie dem optischen Eindruck nach einem gelegentlich überschwemmten Uferstreifen bzw. einer Au gleichkommt. Die östlich hiervon gelegene Bebauung befindet sich hingegen größtenteils erhöht, östlich der Hangkante.
Auch fügt sich das Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Insbesondere besteht keine faktische Baugrenze bzw. eine unzulässige Hinterlandbebauung, da – wie vom Beklagten vorgetragen – durch das Vorhaben eine dritte Bauzeile eröffnet werde. Zwar geht die Kammer ebenfalls davon aus, dass Hinterlandbebauung in den Fällen unzulässig ist, in denen erstmalig Bebauung in hintere, bisher in der näheren Umgebung nicht überbaute, Grundstücksteile getragen wird und damit erstmalig neue Bauzeilen eröffnet werden. Dies folgt daraus, dass im unbeplanten Innenbereich eine unkontrollierte Nachverdichtung jedenfalls dort vermieden werden soll, wo Grundstücke noch locker bebaut und allgemein hintere Grundstücksbereiche noch frei von Bebauung mit Hauptanlagen sind. Diese Rechtsprechung, der sich die Kammer grundsätzlich ausdrücklich anschließt, kommt im vorliegenden Fall allerdings nicht zum Tragen. Unabhängig von der Frage nämlich, ob das Vorhaben vorliegend in dritter, wie vom Beklagten vorgetragen, oder aufgrund der Erschließung des bereits auf dem Vorhabengrundstück vorhanden Wohngebäudes mit einem kleinen, nach Westen verlaufenden Straßenstichs in zweiter Reihe liegt, sind vorliegend in der näheren Umgebung Hauptanlagen vorhanden, die im hinteren Grundstücksbereich in etwa auf Höhe des klägerischen Vorhabens liegen, insbesondere das Wohngebäude im westlichen Bereich der FlNr. … Aus Sicht der Kammer ist für die Frage, ob es sich bei einem Vorhaben um eine unzulässige Hinterlandbebauung handelt, entscheidend, ob hierdurch erstmalig ein Baukörper geschaffen wird, der bei absoluter Betrachtung erstmalig über eine gedachte Flucht der bisher vorhandenen Bebauung hinausspringt. Hingegen ist nicht entscheidend, in wievielter Bauzeile ein Vorhaben formal zum Liegen kommt, wenn es angesichts der in der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung in einem Bereich platziert ist, in dem auf in etwa gleicher Höhe einer gedachten Flucht bereits Hinterlandbebauung vorhanden ist. So liegt der Fall hier. Auf dem Grundstück FlNr. … ist im westlichen Bereich ein Gebäude vorhanden, das in einer gedachten Flucht in Nord-Süd-Richtung in etwa auf Höhe des Vorhabenstandorts liegt. Mithin war bereits durch dieses Gebäude eine Bauzeile auf Höhe des Vorhabenstandorts eröffnet worden und also bereits hierdurch eine Nachverdichtung in diesen Bereichen eingeleitet worden.
Der Klage war mithin antragsgemäß stattzugeben.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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