Baurecht

einstweilige Anordnung, Antragsbefugnis, allgemeines Rechtsschutzbedürfnis, Einsicht des (potentiellen) Nachbarn in die Bauvorlagen, kein Anspruch des Verfahrensbeteiligten auf Vorlage der Bauakten an das Gericht

Aktenzeichen  W 5 E 21.1671

Datum:
14.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2929
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
VwGO entsprechend § 42 Abs. 2
VwGO § 99
BayBO Art. 66 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, ihnen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung zur Verfügung zu stellen und dem Gericht die Bauakten vorzulegen.
1. Die Antragsteller sind Miteigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …2 der Gemarkung E …, A A … B …, in … E … Nordöstlich dieses Grundstücks liegt, nur durch die Erschließungsstraße „A A … B …“ getrennt, das Grundstück Fl.Nr. …8 der Gemarkung E … (Baugrundstück), für das das Landratsamt M. der Beigeladenen unter dem 29. September 2021 die Baugenehmigung zum Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses mit sechs Eigentumswohnungen und sieben Stellplätzen erteilt hat.
Bereits mit Schreiben vom 3. März 2021 hatte sich die Bevollmächtigte der Antragsteller an das Landratsamt M. gewandt, sich gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen ausgesprochen und um Akteneinsicht gebeten. Mit Schreiben des Landratsamts M. vom 15. März 2021 wurde der Antragstellerbevollmächtigten gegenüber erklärt, dass durch die Baumaßnahme auf dem Baugrundstück „keine rechtlichen Gesichtspunkte öffentlich-rechtlich geschützter Belange des Grundstückes Flurnummer …2 berührt werden“, „die Nachbarbeteiligung entsprechend als nicht erforderlich anzusehen“ sei und die Akteneinsicht somit nicht erteilt werde. Eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung wurde den Antragstellern nicht zur Kenntnis gebracht.
Mit Schreiben vom 3. November 2021 bat die Bevollmächtigte der Antragsteller das Landratsamt M. um einen Abdruck der Baugenehmigung, ohne dass von dessen Seite hierauf eine Antwort erfolgte.
Mit Schriftsatz vom 17. November 2021 ließen die Antragsteller durch ihre Bevollmächtigte gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 29. September 2021 beim Verwaltungsgericht Würzburg Klage erheben, mit dem Antrag, die Baugenehmigung des Landratsamts Main-Spessart vom 29. September 2021 aufzuheben (W 5 K 21.1483). Sie beantragten in diesem Verfahren weiterhin, die Baugenehmigung vom 29. September 2021 den Antragstellern zur Verfügung zu stellen.
Mit Schriftsatz der Antragstellerbevollmächtigten vom 26. November 2021, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, beantragten die Antragsteller, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 29. September 2021 anzuordnen (W 5 S 21.1524). Mit Schreiben des Gerichts vom 30. November 2021 wurde das Landratsamt M. um Vorlage der einschlägigen Akten und um umgehende Stellungnahme gebeten. Nachdem von Seiten des Landratsamtes hierauf bis zum 21. Dezember 2021 keine Reaktion erfolgt war, erinnerte das Gericht mit Schreiben vom gleichen Tag an die umgehende Erledigung des Schreibens vom 30. November 2021. Am 27. Dezember 2021 ging die Bauakte für das Bauvorhaben der Beigeladenen bei Gericht ein, was der Antragstellerbevollmächtigten am gleichen Tag mitgeteilt wurde.
2. Am 23. Dezember 2021 war bei Gericht ein Schriftsatz der Antragstellerbevollmächtigten eingegangen, mit dem diese im hiesigen Verfahren beantragte,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, den Antragstellern die Baugenehmigung vom 28. September 2021 zur Verfügung zu stellen und die kompletten Bauakten samt aller zugehörigen Sonderakten dem Gericht vorzulegen.
Zur Begründung wurde im Hauptsacheverfahren wie auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgetragen: Der Antragsgegner habe die Antragsteller über Monate hinweg immer wieder getäuscht und hingehalten und versucht, die Erteilung der Baugenehmigung selbst und den Inhalt der Baugenehmigung geheim zu halten. Letztlich sei noch nicht einmal der Name oder die Firma des Bauantragstellers bekannt. Es stehe zu vermuten, dass die Firma F … B eine juristische Person sei. Die Antragsteller sollten an einer effektiven Rechtsverfolgung gehindert werden, indem sie weder den genauen Namen des Bauherrn noch den Inhalt der Baugenehmigung erfahren. Diese Haltung des Landratsamts Main-Spessart entspreche den in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen, wonach die Bauaufsichtsbehörde Bauakten nicht übermittelt bzw. rechtliche Pflichten nicht eingehalten habe. Es liege ein Anordnungsanspruch vor. Mit der Vorlage der Baugenehmigung und der kompletten Bauakten werde die Hauptsache nicht vorweggenommen. Der Antrag auf Vorlage der kompletten Bauakten samt Sonderakten sei notwendig und begründet, da in anderen Fällen dem Gericht bis zu drei verschiedene Versionen der Bauakten vorgelegt worden seien. Durch den Wegfall des Widerspruchsverfahrens sei eine Dienstaufsicht nicht erkennbar. Ein neutrales Handeln, wie es von einer staatlichen Behörde erwartet werde, sei nicht zu erkennen. Insoweit seien die Antragsteller gezwungen, das Gericht zu bemühen, um Einsicht in sämtliche Bauakten zu erhalten. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor. Das Gericht könne ohne Kenntnis sämtlicher Bauakten und der Baugenehmigung keine Entscheidung treffen. Die Eilbedürftigkeit sei auch gegeben, da der Bauherr von der Baugenehmigung bereits Gebrauch mache. Als der Antrag nach § 123 VwGO bei Gericht gestellt worden sei, hätten die Baugenehmigung und die Bauakten noch nicht vorgelegen, diese seien erst am 27. Dezember 2021 bei Gericht eingegangen, seien also nicht unverzüglich vorgelegt worden.
3. Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2021 beantragte das Landratsamt M. für den Antragsgegner, den Antrag nach § 123 VwGO abzuweisen.
Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Antrag sei, soweit er auf die Vorlage der Akten gerichtet sei, bereits unzulässig, da es zumindest am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Antrag nach § 123 VwGO bringe den Antragstellern keinerlei Vorteile, da die Akten samt der erteilten Baugenehmigung im Verfahren W 5 S 21.1524 dem Gericht am 22. Dezember 2021 übersandt worden seien. Darüber hinaus seien die Anträge unbegründet. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die Antragsteller hätten keinen Anspruch darauf, dass ihnen die Baugenehmigung im Verwaltungsverfahren zur Verfügung gestellt werde. Derartige Ansprüche ergäben sich weder aus Art. 66 Abs. 1 Satz 4 BayBO noch aus Art. 29 BayVwVfG. Die Antragsteller seien keine Nachbarn im baurechtlichen Sinn und keine Beteiligten. Das Grundstück der Antragsteller grenze nicht unmittelbar an das Bauvorhaben an. Die Straße „A A … B …“ habe aufgrund ihrer Breite durchaus trennende Wirkung. Die im Bebauungsplan festgesetzte Gebietsart werde eingehalten. Maßgeblich sei der Einwirkungsbereich des Bauvorhabens, der nach Art und Intensität der vom Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen verschieden bemessen sein könne und dementsprechend flexibel den Kreis der Nachbarn bestimme. Im Regelfall seien nur die unmittelbar angrenzenden Grundstücke benachbart. Ob ein jenseits der Straße liegendes Grundstück benachbart sei, richte sich nach der Art des Gebiets, der Verkehrsbedeutung der Straße und nach Art und Auswirkung des Vorhabens. Dies sei regelmäßig bei Gewerbebetrieben oder anderen Vorhaben mit erheblichem Kraftfahrzeugverkehr der Fall. Breite oder verkehrsreiche Straßen könnten trennende Wirkung haben. Auch wenn im vorliegenden Fall sechs Wohneinheiten errichtet werden sollten, dürften keine anderweitigen Beeinträchtigungen von dem Vorhaben ausgehen.
4. Die Beigeladene äußerte sich im hiesigen Verfahren nicht.
Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte sowie auf die Gerichtsakten im Verfahren W 5 K 21.1483 und W 5 S 21.1524 Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO war als unzulässig abzuweisen.
1. Soweit der Antrag darauf gerichtet ist, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, dem Gericht die „kompletten Bauakten samt aller zugehörigen Sonderakten“ vorzulegen, fehlt es an der Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123 Rn. 20; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 41). Die Antragsteller haben hier kein subjektives Recht geltend gemacht, das infolge des Handelns bzw. Unterlassens des Antragsgegners verletzt sein könnte.
§ 42 Abs. 2 VwGO setzt nämlich voraus, dass der Kläger bzw. Antragsteller die Verletzung eines subjektiven Rechts geltend macht. Der Antragsteller ist also nur antragsbefugt, wenn die Rechtsordnung ein subjektives Recht kennt, das den geltend gemachten Anspruch in seiner Person tragen würde (Happ im Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 82). Zur Bejahung der Antragsbefugnis reicht es aus, dass nach dem substanziierten Vortrag des Antragstellers eine Verletzung seiner Rechte durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung möglich ist. Die Bejahung der Klage- bzw. Antragsbefugnis setzt voraus, dass es auf der Grundlage des Tatsachenvorbringens des Betroffenen zumindest möglich erscheint, dass dieser durch den angefochtenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt wird (sog. Möglichkeitstheorie, vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1993 – 4 B 206/92 – juris).
Aus den Darlegungen der Antragsteller ergibt sich aber nur eine Pflicht der Behörde zur Vorlage der Akten an das Gericht, nicht aber ein subjektives Recht der Antragsteller als Prozessbeteiligte auf Vorlage der Akten.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden u.a. zur Vorlage von Akten verpflichtet. Diese Vorlagepflicht wird (erst) durch eine Anforderung seitens des Gerichts begründet; die Anregung eines Beteiligten löst die Verpflichtung der Behörde noch nicht aus (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 99 Rn. 5 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 99 Rn. 5).
Die Vorschrift des § 99 VwGO regelt die Vorlage- und Auskunftspflicht der Behörden gegenüber dem – die Akten oder andere Unterlagen anfordernden bzw. die Auskunft verlangenden – Gericht, sie konkretisiert insoweit die Verpflichtung der Behörden zur Amtshilfe gegenüber dem Gericht und setzt deshalb eine entsprechende Anforderung oder ein entsprechendes Verlangen, ein Amtshilfeersuchen, des Gerichts voraus (OVG Schleswig-Holstein, B.v. 1.8.2002 – 1 O 21/01 – BeckRS 2001, 12005; Schübel-Pfister in Eyermann, 15. Aufl. 2019, § 99 Rn. 1; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand 41. EL Juli 2021, § 99 Rn. 6). Das ergibt sich bereits aus der systematischen Stellung des § 99 VwGO im Anschluss an die Vorschriften, die die Aufklärung des Sachverhalts und damit die Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung durch Maßnahmen nach § 87 VwGO, durch die Anordnung des persönlichen Erscheinens (§ 95 VwGO) und durch Beweisaufnahme (§§ 96 bis 98 VwGO) regeln (OVG Schleswig-Holstein, B.v. 1.8.2002 – 1 O 21/01 – BeckRS 2001, 12005). Die Entscheidung darüber, welche Akten vorzulegen sind, steht vorbehaltlich des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO im Ermessen des Gerichts (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 99 Rn. 2). Dieser Vorlagepflicht der Behörde gegenüber dem Gericht steht aber kein Rechtsanspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Vorlage der Behördenakten an das Gericht gegenüber.
Nach allem kann offenbleiben, ob es den Antragstellern darüber hinaus auch am Rechtsschutzbedürfnis mangelt, weil das Landratsamt M. die Bauakten am 27. Dezember 2021 dem Gericht vorgelegt hat und damit der Antragsgegner dem Begehren der Antragsteller nachgekommen ist, sie quasi „klaglos“ gestellt hat.
1.2. Soweit der Antrag darauf gerichtet ist, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, den Antragstellern die Baugenehmigung vom 29. September 2021 zur Verfügung zu stellen, ist zwar von der Antragsbefugnis auszugehen; allerdings fehlt es am (allgemeinen) Rechtsschutzbedürfnis.
Die Bevollmächtigte der Antragsteller hat zur Begründung ihres Antrags vorgebracht, dass ihr ein Recht auf Übermittlung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zustehe. Der Antragsgegner hat dies mit der Begründung, dass die Antragsteller nicht Nachbarn seien, abgelehnt. Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück Fl.Nr. …2 der Gemarkung E … grenzt zwar nicht unmittelbar an das Baugrundstück an, ist aber nur durch die Erschließungsstraße „A A … B …“ vom Baugrundstück getrennt, das hangaufwärts gelegen ist. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände handelt es sich bei den Antragstellern zumindest um potentielle Nachbarn.
Den Kreis der Personen, denen das Baurecht nachbarliche öffentliche Rechte einräumt, umgrenzt Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO mit den „Eigentümern benachbarter Grundstücke“. Bei der sachlichen Abgrenzung des Nachbarbegriffs wird darauf abgehoben, dass benachbart im baurechtlichen Sinne alle Grundstücke sind, die durch das Vorhaben in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Belangen berührt werden können. Der Nachbarbegriff im Baurecht ist relativ weit gefasst. Er erfasst im Regelfall die direkt – auch nur punktuell – an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke. Der Begriff des Nachbarn darf aber nicht allein nach den äußeren Merkmalen des Angrenzens im Sinne einer gemeinsamen Grundstücksgrenze bestimmt werden. Ob und welche Grundstücke benachbart sind, muss in jedem Einzelfall geprüft und entschieden werden. Hierfür kann kein allgemein geltendes Schema aufgestellt werden. Entscheidend sind jeweils die Lage des Vorhabens, die Art des Vorhabens und insbesondere die von ihm für die Umgebung zu erwartenden Auswirkungen, soweit sie öffentlich-rechtlich von Bedeutung sind (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand 144. Erg.Lief. Sept. 2021, Art. 66 Rn. 58 ff.). Die Nachbareigenschaft eines Grundstücks setzt jedoch eine bestimmte räumliche Beziehung zum Baugrundstück voraus. Maßgeblich ist der Einwirkungsbereich des Vorhabens, der nach Art und Intensität der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen verschieden bemessen sein kann und dementsprechend flexibel den Kreis der Nachbarn bestimmt.
Allerdings wird bereits potentiellen Nachbarn, d.h. Grundstücksberechtigten, deren Nachbareigenschaft zweifelhaft ist und die vom Bauherrn nicht als Nachbarn beteiligt worden sind, ein Recht auf Einsicht in die Bauvorlagen einzuräumen sein. Denn nur so können sie zuverlässig feststellen, ob ihre öffentlich-rechtlich geschützten Belange durch ein Vorhaben berührt werden. Ohne genaue Kenntnis und Nachprüfung der Pläne würden möglichen Nachbarn wesentliche Nachteile entstehen können, wenn erst nach Ausführung des Vorhabens oder nur „auf Verdacht“ nachbarliche Rechtsbehelfe erhoben werden können (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand 144. Erg.Lief. Sept. 2021, Art. 66 Rn. 75). Eine zu restriktive Sichtweise berücksichtigt die Interessen der von dem Vorhaben potentiell betroffenen Eigentümer der umliegenden Grundstücke nur unzureichend und ist auch nicht im Interesse des Bauherrn, der möglichst bald Klarheit darüber erhalten möchte, ob und inwiefern er mit Einwänden gegen sein Vorhaben zu rechnen hat (vgl. Edenharter in BeckOK BauordnungsR Bayern, 20. Edit. 1.8.2021, Art. 66 Rn. 29; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 66 Rn. Rn. 14). Die Abwägung der rechtlichen Interessen potentieller Nachbarn und der der Bauherren auf Geheimhaltung ihrer Pläne gegenüber Dritten kann ergeben, dass die Behörde ihr Ermessen so ausüben muss, dass sie verpflichtet ist, Einsicht in die Planunterlagen zu gewähren und diese Pflicht mit einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO durchgesetzt werden kann (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand 144. Erg.Lief. Sept. 2021, Art. 66 Rn. 75).
Nach allem ist zwar hinsichtlich diese Antrags von der Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO auszugehen, allerdings mangelt es vorliegend insoweit den Antragstellern am Rechtsschutzbedürfnis. Das (allgemeine) Rechtsschutzbedürfnis fehlt grundsätzlich, wenn die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht (mehr) erforderlich ist bzw. wenn der Kläger/Antragsteller sein Ziel auf andere Weise schneller oder effizienter, auf offensichtlich einfachere und näherliegende Weise erreichen kann (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, Vorb. § 40 Rn. 48). Hierbei ist die Frage, ob dem Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis zusteht, von Amts wegen in jeder Lage des Prozesses zu prüfen und es kann auch – wie hier – während des Prozesses entfallen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 34 und Rennert in Eyermann, VwGO, vor § 40 Rn. 11). Vorliegend haben die Antragsteller durch Ausübung ihres Rechts auf Akteneinsicht in die dem Gericht vorgelegten Behördenakten nach § 100 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine offensichtlich einfachere und näherliegende Möglichkeit, um zu einer Kenntnis des Inhalts der Baugenehmigung vom 29. September 2021 zu kommen. Somit fehlt es am allgemeines Rechtsschutzbedürfnis.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich die Beigeladene nicht durch eigene Antragstellung am Prozesskostenrisiko beteiligt hat, entsprach es nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Aufwendungen den Antragstellern aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 63 Abs. 2 GKG (Auffangstreitwert 5.000,00 EUR, Halbierung im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz).


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