Baurecht

Einstweiliger Rechtsschutz des Nachbarn gegen genehmigungsfreigestelltes Vorhaben, Vorliegen eines Gebäudes ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätte i.S.v. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO auch bei Anbau an Hauptgebäude, Abbedingen der Vorgaben zur mittleren Wandhöhe von 3 m gem. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO durch Bebauungsplan, kein Verstoß gegen subjektiv-rechtliches Rücksichtnahmegebot

Aktenzeichen  W 4 E 22.755

Datum:
12.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11616
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayBO Art. 58
BayBO Art. 75
BayBO Art. 6 Abs. 7
BauNVO § 15
Bebauungsplan … des Marktes G …

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung, die Bauarbeiten zur Ausführung des Wohnvorhabens der Beigeladenen durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung vorläufig stillzulegen.
1. Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks mit der Fl.Nr. …0/4 der Gemarkung G … Die Beigeladenen sind Eigentümer des westlich angrenzenden Grundstücks mit der Fl.Nr. …0/3, auf dem ein Wohnhaus mit drei Wohneinheiten sowie sieben Stellplätzen errichtet werden soll (Baugrundstück). Die Baumaßnahmen haben bereits begonnen. Die Grundstücke liegen am Hang und fallen von der Erschließungsstraße, … …, Richtung Süden ab. Die beiden vorgenannten Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des am 21. Juni 2019 in Kraft getretenen Bebauungs- und Grünordnungsplan … (Zusammenfassung und Überarbeitung) des Marktes G … Wegen der zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans wird auf diesen Bezug genommen.
Unter dem 13. Oktober 2021 legten die Beigeladenen im Rahmen eines Genehmigungsfreistellungsverfahrens bezüglich eines Wohnhausneubaus mit drei Wohneinheiten auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. …0/3 der Gemarkung G … entsprechende Unterlagen beim Markt G …, dort eingegangen am 9. November 2021, vor und zeigten zugleich die Beseitigung des bis dahin auf dem Baugrundstück bestehenden Wohnhauses samt Grenzgarage an. Auf die Planunterlagen wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 9. November 2021 teilte der Markt G … den Beigeladenen mit, dass für das Vorhaben kein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden solle und eine Untersagung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht beantragt werde. Mit Schreiben vom 22. November 2021 teilte das Landratsamt Aschaffenburg den Beigeladenen mit, dass es die Vorlage im Genehmigungsfreistellungsverfahren erhalten habe und wies zudem darauf hin, dass vor Baubeginn eine entsprechende Anzeige vorzulegen sei. Am 17. Januar 2022 ging die entsprechende Baubeginnsanzeige beim Landratsamt Aschaffenburg ein.
Mit E-Mail vom 17. März 2022 bzw. Schreiben vom 5. April 2022 forderte der Bevollmächtigte des Antragstellers das Landratsamt Aschaffenburg auf, bauaufsichtlich gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen tätig zu werden, da es u.a. gegen Vorgaben des Abstandsflächenrechts verstoße. Das Landratsamt hat ein bauaufsichtliches Tätigwerden jedoch abgelehnt.
2. Daraufhin ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. April 2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, beantragen,
dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO aufzugeben, die Bauarbeiten zur Ausführung des Wohnbauvorhabens der Beigeladenen auf dem Grundstück … … …, … …, durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung vorläufig stillzulegen.
Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass nach den Planunterlagen unmittelbar an der Grenze zum Grundstück des Antragstellers Kellerräume errichtet würden, die abstandsflächenpflichtig seien. Teile dieses Gebäudes lägen oberhalb der Erdoberfläche, so dass auch für diesen Gebäudeteil das Abstandsflächenrecht einzuhalten sei. Zudem sei der grenzständige Anbau als Teil des Hauptgebäudes zu bewerten, da er weder optisch noch baulich vom Hauptgebäude abgegrenzt sei. Schon aus diesem Grund widerspreche das Vorhaben der Beigeladenen den Vorgaben des Bebauungsplans, so dass bauaufsichtliches Einschreiten geboten sei. Darüber hinaus beabsichtigten die Beigeladenen, sieben Stellplätze zu errichten. Damit wäre der notwendige Bedarf an Stellplätzen um einen überschritten. Durch die Stellplätze und deren Situierung würde der Antragsteller erheblich beeinträchtigt. Durch die Anordnung der Stellplätze unmittelbar angrenzend an die Erschließungsstraße, … …, würde zudem die Verkehrssicherheit beeinträchtigt. Des Weiteren durchbreche das Bauvorhaben sowohl im vorderen als auch im hinteren Bereich die durch den vorhandenen Baubestand vorgegebenen Baulinien. Aufgrund dieser Umstände sei eine einstweilige Anordnung nötig, da das Landratsamt Aschaffenburg als zuständige Bauaufsichtsbehörde wiederholt ein bauaufsichtliches Einschreiten abgelehnt habe und durch die Ausführung des Vorhabens die Verwirklichung der Abwehransprüche des Antragstellers wesentlich erschwert werde. Dabei sei das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO bei genehmigungsfreigestellten Vorhaben dem Rechtsschutz nach § 80, § 80a VwGO bei genehmigungspflichtigen Vorhaben anzupassen. Der Erlass einer Anordnung sei daher bereits dann geboten, wenn ernstzunehmende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Vorhabens in nachbarrechtlicher Hinsicht bestünden und nachbarliche Interessen mehr als geringfügig tangiert würden.
3. Mit Schriftsatz des Landratsamts Aschaffenburg vom 4. Mai 2022 beantragt der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten sei unbegründet, da bereits kein Anordnungsanspruch bestehe. Das genehmigungsfreigestellte Bauvorhaben verstoße nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorgaben und insbesondere nicht gegen subjektiv-öffentliche Rechte des Antragstellers. Das Bauvorhaben befinde sich innerhalb der festgesetzten Baugrenzen des einschlägigen Bebauungsplans. Ausführungen zu faktischen Baulinien seien daher rechtlich unerheblich. Weder Art. 47 BayBO noch der gemeindlichen Stellplatzsatzung komme nachbarschützende Wirkung zu. Auch ein Verstoß gegen § 12 Abs. 2 BauNVO sei nicht erkennbar. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht vor, da das grenzständige Gebäude nach Art. 6 Abs. 7 BayBO keine Abstandsflächen einhalten müsse. Laut Bebauungsplan sei zudem für grenzständige Garagen, Carports und Stellplätze auf der talseitig der Straße liegenden Bauzeile – wie vorliegend – eine Wandhöhe bis zu 6 m zulässig. Bereits eine Verletzung nachbarschützender Rechte sei damit zu verneinen.
4. Auch die Beigeladenen beantragten mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 5. Mai 2022, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass kein Rechtsgrund ersichtlich sei, der den Antragsgegner zum Erlass der beantragten Stilllegungsverfügung verpflichten könne. Das Grenznebengebäude löse keine Abstandsflächen aus, da die dort enthaltenen Kellerräume nur vom Garten her erreichbar seien. Nach dem Bebauungsplan sei das geplante Grenznebengebäude zulässig. Eine Überschreitung von Baugrenzen liege nicht vor, auch insoweit würden die Vorgaben des Bebauungsplans eingehalten. Die sieben Stellplätze entsprächen den rechtlichen Vorgaben. Insoweit sei keine Verschlechterung, sondern vielmehr eine Verbesserung der Verkehrssituation vor Ort zu erwarten. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei daher nicht geboten, da das Vorhaben nachbarliche Belange nicht, allenfalls geringfügig berühre.
5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden, oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind dabei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
1. Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. hierzu etwa BayVGH, Entscheidung vom 3.12.1993 – BayVBl 1994, 110; BayVGH, B.v. 23.1.2008 – 15 ZB 06.3020 – juris) setzt ein Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten (hier in Form des Art. 75 BayBO) voraus, dass die umstrittene bauliche Anlage öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt, die Rechte des Nachbarn schützen. Des Weiteren muss das der Bauaufsichtsbehörde eingeräumte Ermessen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zugunsten eines bauaufsichtlichen Einschreitens auf Null reduziert sein. Das ist dann der Fall, wenn die von der rechtswidrigen baulichen Anlage ausgehende Beeinträchtigung des Nachbarn einen erheblichen Grad erreicht hat und die Abwägung mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der nachbarlichen Interessen ergibt (vgl. hierzu BayVGH, Entscheidung vom 3.12.1993 – BayVBl 1994, 110; BayVGH, B.v. 23.1.2008 – 15 ZB 06.3020 – juris). Davon ist insbesondere auszugehen, wenn eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonstige unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2008 – 9 ZB 07.497 – juris).
Ob diese Voraussetzungen vollumfänglich auf die Glaubhaftmachung eines entsprechenden Anordnungsanspruchs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO gegen ein genehmigungsfreigestelltes Verfahren zu übertragen sind (vgl. zu dieser Streitfrage etwa Robl in BeckOK BayBO, Stand: 1.2.2022, Art. 58 Rn. 48 ff. m.w.N.), kann hier jedoch dahinstehen. Denn vorliegend ist schon kein Verstoß gegen nachbarsschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts erkennbar. Damit ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, unabhängig davon, welcher Ansicht man hinsichtlich der zu stellenden Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs im einstweiligen Rechtsschutz des Nachbarn gegen ein genehmigungsfreigestelltes Verfahren folgen möchte (vgl. hierzu etwa auch BayVGH, B.v. 15.7.2015 – 1 CE 15.1226 juris Rn. 10).
1.1. Einen Anordnungsanspruch im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts vermochte der Antragsteller nicht glaubhaft zu machen.
1.1.1. Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorgaben des Abstandsflächenrechts durch das Hauptgebäude der Beigeladenen behauptet der Antragsteller selbst nicht. Solche sind unter Berücksichtigung der Planunterlagen auch nicht erkennbar (vgl. hierzu auch Bl. 44 und Bl. 18 der Behördenakten).
1.1.2. Aber auch mit Blick auf das grenzständige Kellergebäude ist ein Verstoß gegen die Vorgaben des Abstandsflächenrechts nicht ersichtlich. Denn bei diesem handelt es sich um ein Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis 3 m und eine Gesamtlänge von unter 9 m im Sinne von Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO. Es muss daher keine Abstandsflächen einhalten.
Die gem. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO privilegierten Gebäude müssen nach der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 2 BayBO selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen sein, die von Menschen betreten werden können. Die privilegierten Gebäude im Sinne des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO können dabei frei stehen, sie können aber auch an ein anderes Gebäude angebaut sein. Selbst wenn wegen des Anbaus an ein vorhandenes Gebäude beide Gebäude optisch und bautechnisch eine geschlossene bauliche Einheit bilden, wird die selbständige Benutzbarkeit des privilegierten Gebäudes nicht in Frage gestellt. Ein privilegiertes Gebäude kann nach Art. 6 Abs. 7 BayBO somit auch an ein vorhandenes Wohn- und Geschäftsgebäude oder sonstiges Gebäude angebaut werden, das für sich die Abstandsflächen einhält, und kann auch in den Abstandsflächen dieses bereits bestehenden Gebäudes liegen (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 9.11.1977 – 4 XV 75, BayVBl. 1978, 118; Hahn in Busse/Kraus, BayBO, Stand: September 2021, Art. 6 Rn. 472 f.; Schönfeld in BeckOK BayBO, Stand: Februar 2022, Art. 6 Rn. 202 und Rn. 210). Für diese Sichtweise sprechen insbesondere der Wortlaut des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO, der in Bezug auf das Gebäude nur fordert, dass dieses ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten ist und bestimmte Längen- und Höchstmaße einhält. Aber auch Sinn und Zweck des Abstandsflächenrechts sprechen für diese Sichtweise, da es im Hinblick auf die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts, Belichtung, Belüftung und sozialer Frieden, keinen Unterschied macht, ob die privilegierten Anlagen des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO frei stehen oder an ein anderes Gebäude angebaut sind, solange nur das nicht privilegierte Gebäude seinerseits die Abstandsflächen einhält.
Damit ein Gebäude selbständig nutzbar i.S.v. Art. 2 Abs. 2 BayBO ist, muss die bauliche Anlage selbständig, d.h. für sich allein, zu dem bestimmten Zweck entsprechend zu stellenden Anforderungen genutzt werden können. Dies ist hier bei den im grenzständigen Gebäude geplanten Kellerräumen, die regelmäßig als Lagerräume genutzt werden, vorliegend über die nach Süden in den Garten führende Zugangstür gewährleistet. Zur selbständigen Benutzbarkeit gehört zudem das Erfordernis der funktionalen Selbständigkeit. An einer solchen funktionalen Selbständigkeit fehlte es bei einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang des grenzständigen Gebäudes mit anderen Anlagen, auch wenn unterschiedliche Eingänge vorhanden wären (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 14.7.1976 – 8 XIV 72 – BayVBl. 1977, 18; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand: September 2021, Art. 2 Rn. 242 und Rn. 244).
Aufgrund der Tatsache, dass das hier geplante grenzständige Gebäude im Kellergeschoss nach den aktuellen Plänen keinerlei Zugangsmöglichkeit zum Hauptgebäude aufweist, hat dieses Gebäude keinen untrennbaren funktionalen Zusammenhang mit dem Hauptgebäude und es ist somit als funktional selbständig zu sehen.
Demnach liegt bezüglich des grenzständigen Kellergebäudes ein Gebäude i.S.d. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO vor. Denn die Keller- bzw. Lagerräume sehen keine Aufenthaltsräume und keine Feuerstätte vor. Gegen einen Aufenthaltsraum spricht zudem, dass bis auf einen Lichtschacht im Norden keinerlei Fensteröffnungen vorhanden sind. Unter Berücksichtigung des natürlichen Geländeverlaufs an der Grundstücksgrenze zwischen Antragsteller und Beigeladenen (vgl. hierzu die Ostansicht in den Bauvorlagen, Bl. 43 der Behördenakte) weist dieses Gebäude eine mittlere Wandhöhe von deutlich unter 3 m auf, da dieses Gebäude größtenteils unterirdisch liegt. Da das Gebäude entlang der Grenze zum Antragsteller nur rund 5 m lang ist, ist auch die Höchstgrenze von 9 m i.S.d. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO deutlich unterschritten.
Eine Rechtsverletzung des Antragstellers durch das grenzständige Gebäude mit den Kellerräumen ist daher nicht anzunehmen. Ein entsprechender Anordnungsanspruch ist damit nicht glaubhaft gemacht.
1.1.3. Schließlich ist auch keine Verletzung des Abstandsflächenrechts im Hinblick auf den auf dem grenzständigen Gebäude geplanten Fahrradunterstellraum glaubhaft gemacht, unabhängig davon, dass sich der Antragsteller hierauf gar nicht berufen hat.
Denn diesbezüglich gilt es zu berücksichtigen, dass der hier streitgegenständliche Bebauungsplan für Garagen, Carports und Stellplätze auf Baugrundstücken, die talseitig der Straße liegen – wie im Falle des Baugrundstücks – auch bei deren Grenzbebauung eine talseitige Wandhöhe von bis zu 6 m zulässt (vgl. Ziffer 6 der Regelungen zu Stellplätzen, Garagen, Carports und Teifgaragen). Mit dieser Festsetzung im Bebauungsplan wird somit die Regelung des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO im Hinblick auf das Erfordernis der mittleren Wandhöhe bis zu 3 m abbedungen, was unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO (Argumentum a majore ad minus) rechtlich unbedenklich ist (vgl. hierzu etwa Hahn in Busse/Kraus, BayBO, Stand: 09/2021, Art. 6 Rn. 527; Molodowski/Famers/Waldmann, BayBO, Art. 6 Rn. 304).
Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts ist damit nicht anzunehmen, ein entsprechender Anordnungsanspruch ist damit nicht glaubhaft gemacht.
1.2. Aber auch ein Verstoß gegen das subjektiv-rechtliche Rücksichtnahmegebot (vgl. § 30 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) liegt aller Voraussicht nach nicht vor, so dass auch insoweit ein entsprechender Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist.
Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist.
Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich – umgekehrt – um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – juris Rn. 9 m.w.N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75, BVerwGE 52, 122 – juris Rn. 22; U.v. 28.10.1993 – 4 C 5.93, NVwZ 1994, 686 – juris Rn. 17; U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04, NVwZ 2005, 328 – juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11, BVerwGE 145, 145 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).
Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75, BVerwGE 52, 122 – juris Rn. 22). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt den Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist vielmehr erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17).
So ist in der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot anerkannt, dass eine Verletzung dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu 2,5-geschossigem Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85, NVwZ 1987, 34 – juris Rn. 15). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u.a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben und der konkreten Gegebenheiten vor Ort, wie sie anhand des Akteninhalts ersichtlich sind, spricht ganz Überwiegendes gegen die Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Die Grenzbebauung entlang des Grundstücks des Antragstellers beträgt lediglich 5 m. Das Gebäude mit den Kellerräumen liegt zudem größtenteils unterirdisch. Der Fahrradstellplatz samt Unterstellgebäude liegt westlich vom Wohnhaus des Antragstellers und zwischen dem geplanten Hauptgebäude der Beigeladenen, so dass mit einer erheblichen weitergehenden Verschattung allein durch das Fahrradunterstellgebäude nicht zu rechnen ist. Weiter gilt zu berücksichtigen, dass zwischen der Grundstücksgrenze und dem Wohnhaus des Antragstellers rund 9 m liegen. Insoweit ist eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots aller Voraussicht nach zu verneinen.
Gleiches gilt hinsichtlich der Anzahl und Lage der Stellplätze. Denn unmittelbar an der Grenze zum Grundstück des Antragstellers befindet sich nur ein Stellplatz. Die restlichen Stellplätze befinden sich im Anschluss daran in westliche Richtung. Dass durch die vier Stellplätze, die im Nordosten des Baugrundstücks angelegt werden sollen, der Antragsteller in unzumutbarer Weise beeinträchtig würde, ist nicht anzunehmen.
Ein Verstoß gegen das subjektiv-rechtliche Rücksichtnahmegebot ist daher aller Voraussicht nicht gegeben, ein entsprechender Anordnungsanspruch ist damit ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
1.3. Ein Verstoß des Vorhabens der Beigeladenen gegen sonstige nachbarschützende Vorschriften des Antragstellers ist ebenfalls nicht erkennbar. Insbesondere ist kein Verstoß gegen die im Bebauungsplan vorgesehenen Baugrenzen gegeben. Der einschlägige Bebauungsplan lässt Stellplätze in der Vorgartenzone gerade zu (vgl. Ziffer 7 der textlichen Festsetzungen zu Stellplätzen, Garagen, Carports und Tiefgaragen). Die Baugrenzen im hinteren Grundstücksbereich sind ebenfalls eingehalten. Ausführungen zu faktischen Baulinien sind somit unbehelflich, zumal ausweislich der Begründung zum hier einschlägigen Bebauungsplan die Baufenster durch die entsprechenden Baugrenzen großzügig dimensioniert wurden, um Erweiterungen, Umbauten und Neubauten im Planungsgebiet ausreichend Spielraum zu belassen (vgl. S. 13 der Begründung zum Bebauungs- und Grünordnungsplan Bebauungsplan … – Zusammenfassung und Überarbeitung – unter Ziffer 6.3).
1.4. Darüber hinaus kommt weder Art. 47 BayBO noch der Stellplatzsatzung des Marktes G … nachbarschützende Wirkung zu (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 172523 juris Rn. 36), so dass schon aus diesem Grund eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften ausscheidet.
1.5. Eine Verletzung sonstiger nachbarschützender Vorschriften ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Schon mangels eines Verstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts ist ein Anordnungsanspruch somit nicht glaubhaft gemacht.
Der Antrag war daher abzulehnen.
1.6. Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass es dem Antragsteller unbenommen bleibt, erneut einen Antrag nach § 123 VwGO zu stellen, sollten die Beigeladenen ihr Bauvorhaben abweichend von den eingereichten Unterlagen ausführen (vgl. in diesem Zusammenhang Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) BayBO), vorliegend also insbesondere das grenzständige Kellergebäude mit einem Zugang direkt zum Hauptgebäude herstellen. Denn dann spricht viel dafür, dass das grenzständige Kellergebäude im funktionalen Zusammenhang mit dem Hauptgebäude stünde, kein selbständiges Gebäude mehr wäre und damit abstandsflächenpflichtig würde.
Da sich im geplanten Hauptgebäude nach den aktuellen Plänen nur noch ein Kellerabteil befindet, und die als Kellerabteile 2 bis 4 gekennzeichneten Lagerräume im selbständigen Grenzgebäude nunmehr nur noch über den Garten zu erreichen sind, wobei nach dem Freiflächenplan (vgl. Blatt 41 der Behördenakten) ein Zugang zum Garten für Bewohner des Erd- und Dachgeschosses wohl nur über einen schmalen Streifen im Nordwesten des Baugrundstücks und dem dort abschüssigen Gelände möglich ist, hält es das Gericht für angezeigt, dass die Bauaufsichtsbehörde während der Errichtung des Kellergeschosses und nach Abschluss des Bauvorhabens kontrolliert, dass tatsächlich kein direkter Zugang vom grenzständigen Kellergebäude in das Hauptgebäude hergestellt wird bzw. wurde.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladenen einen eigenen Sachantrag gestellt haben, und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass der Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Ziffern 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2013, wobei vorliegend zu berücksichtigen war, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen drei Wohneinheiten umfasst und der Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig zu halbieren ist.


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