Baurecht

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Baugenehmigung für Errichtung eines Doppelhauses

Aktenzeichen  M 9 SN 17.4122

Datum:
12.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 57631
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30 Abs. 3, § 34 Abs. 1
BauNVO § 22 Abs. 2 S. 1
BayBO Art. 6 Abs. 5 S. 4
BGB § 242

 

Leitsatz

Ein Nachbar kann sich nach Treu und Glauben gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 27.7.2017 – 1 CS 17.918 -; BVerwG, Beschl. v. 14.10.2014 – 4 B 51.14 -). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird EUR 3750,– festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Doppelhauses auf dem Grundstück FlNr. X der Gemarkung S.
Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. 6 der Gemeinde S. und war bisher mit einem Einfamilienhaus bebaut. Es grenzt an die nördlich gelegene M.str. und an die Westseite des Grundstücks FlNr. X Gemarkung S., das im Eigentum der Antragsteller steht, an; das Grundstück der Antragsteller ist mit einer Doppelhaushälfte bebaut.
Mit Bauantrag vom 18. April 2017 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für das Vorhaben Errichtung eines unterkellerten Doppelhauses mit 2 Garagen und 2 Carports auf dem o.g. Grundstück. Außerdem wurden Befreiungen von den Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans beantragt, nämlich die Errichtung der Garagen und Carports außerhalb des Bauraums und die Überschreitung der festgesetzten Wandhöhe von 6,00 m auf 6,30 m. Die Gemeinde erteilte mit Beschluss des Bau- und Umweltausschusses vom 23. Mai 2017 ihr Einvernehmen. In der technischen Prüfung des Bauantrags stellte sich außerdem die Notwendigkeit einer Befreiung wegen einer Bauraumüberschreitung des Wohngebäudes über eine Länge von 5,00 m und eine Tiefe von bis zu 0,20 m heraus (Bl. 41f. der Behördenakten). Der erforderlichen Befreiung, die zum Zeitpunkt der Einvernehmensentscheidung der Gemeinde noch nicht bekannt war, wurde nachträglich zugestimmt (Bl. 68 der Behördenakten).
Mit Schreiben vom 3. August 2017 äußerte sich der Bevollmächtigte der Antragsteller zu dem Bauantrag.
Das Landratsamt München (im Folgenden: Landratsamt) erteilte mit Bescheid vom 21. August 2017 die beantragte Baugenehmigung mit den oben dargestellten Befreiungen, jeweils auf der Grundlage von § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen. Eine Ausfertigung der Baugenehmigung wurde den Antragstellern laut Postzustellungsurkunde am 23. August 2017 zugestellt.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten ebenfalls vom 23. August 2017, bei Gericht eingegangen am 25. August 2017 ließen die Antragsteller Klage erheben (Az.: M 9 K 17.4026) mit dem Antrag, die erteilte Baugenehmigung aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 30. August 2017 ließen die Antragsteller Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az.: M 9 E 17.4123) und den gegenständlichen Antrag gemäß §§ 80, 80a VwGO stellen. Mit letzterem wird beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 21. August 2017 anzuordnen.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass auf dem Grundstück der Antragsteller an der Grenze zum Baugrundstück ein seit dem 30. September 1976 genehmigter Anbau stehe. Dieser sei ca. 16 m lang, 2,75 m hoch, auf der gesamten Länge unterkellert und an das Nebengebäude auf dem Baugrundstück angebaut. Die beiden aneinandergebauten Gebäude verfügten über ein einheitliches (Flach-)Dach. Zwischen den beiden Gebäuden verlaufe eine Mauer, an die der Anbau auf dem Grundstück der Antragsteller angebaut sei. Es sei noch nicht geklärt, ob es sich bei dieser Mauer um eine gemeinsame Grenzeinrichtung (§ 921 BGB) handelt, mit der Konsequenz, dass auch die Antragsteller mindestens Miteigentümer wären. Die Beigeladene habe mit Schreiben vom 27. Juli 2017 die Gemeinde gebeten, den Rückbau des Grenzgebäudes auf dem Grundstück der Antragsteller einzufordern. Im Hinblick auf die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ergebe sich aus der zeichnerischen Festsetzung des Bebauungsplans eine offene Bauweise mit einem seitlichen Grenzabstand der Gebäude von einheitlich 5 m (§ 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Die Festsetzung einer offenen Bauweise sei nachbarschützend. Durch das streitgegenständliche Vorhaben werde dieser Abstand nicht mehr eingehalten. Bei der Beurteilung des Einfügens sei der Altbestand in die Betrachtung einzubeziehen. Der Altbestand halte den wegen der festgesetzten offenen Bauweise einzuhaltenden Grenzabstand von 5 Meter, was im Ergebnis nichts anderes als eine einheitlich abweichende Abstandsflächentiefe aus der umgebenden Bebauung sei (Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO), ein. Der Neubau werde diesen Grenzabstand nicht mehr einhalten, der Abstand solle auf ca. 3,7 Meter verkürzt werden. Diese Nichtbeachtung der Gebäudeabstände in der offenen Bauweise verletze das Rücksichtnahmegebot. Im Übrigen wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
Der Antragsgegner beantragt
Antragsablehnung.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsteller durch die Baugenehmigung nicht in ihren Rechten verletzt würden. Das Vorhaben füge sich insbesondere hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ein, in der Umgebung seien Baukörper mit vergleichbaren Ausdehnungen und Höhenentwicklungen vorhanden. Die zugelassenen Befreiungen seien rechtmäßig. Eine Verletzung der Antragsteller aufgrund eines vorgeblichen Verstoßes gegen die offene Bauweise sei nicht anzunehmen. Nach § 22 Abs. 2 BauNVO würden Gebäude in der offenen Bauweise mit seitlichem Grenzabstand errichtet. Welches Maß der seitliche Grenzabstand haben müsse, ergebe sich aus der Regelung zur Abstandsflächentiefe der Bauordnung. Aufgrund der mangelnden Feststellungswirkung in Bezug auf die Abstandsflächen sei insofern eine Rechtsverletzung auszuschließen. Unabhängig davon seien die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten. Auf den Schriftsatz im Übrigen wird Bezug genommen.
Die Beigeladene äußerte sich dahingehend, dass der Antrag unbegründet sei. Zwar gebe es einen genehmigten Anbau auf dem Grundstück der Antragsteller, diese Genehmigung sei jedoch nur für einen „Anbau eines Windfangs mit Zufahrts- und Eingangsüberdachung am bestehenden Wohnhaus“, nicht an der Nachbargarage. Der Anbau sei auch nicht nur, wie genehmigt, 16 m, sondern 18,40 m lang; die verlängerte Mauer und die verlängerte Überdachung Richtung Süden seien vielmehr Schwarzbauten. Bei den Dächern der Garage auf dem Anwesen M.str. Nr. 16 und der Zufahrtsüberdachung beim Gebäude Nr. 14 handele es sich nicht um ein einheitliches Dach, sondern um zwei selbständige Konstruktionen. Die so genannte Zwischenmauer sei keine Mauer zwischen zwei Gebäuden, sondern die genehmigte Garagenmauer auf dem Anwesen Nr. 16, es handele sich nicht um eine gemeinsame Grenzeinrichtung. Im Übrigen wird auf das Schreiben der Beigeladenen sowie auf die Erwiderung des Bevollmächtigten der Antragsteller hierauf Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem, im dazugehörigen Klageverfahren (Az. M 9 K 17.4026) und im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf bauaufsichtliches Einschreiten (Az. M 9 E 17.4123) sowie auf die vorgelegten Behördenakten einschließlich der genehmigten Bauvorlagen und des Bebauungsplans Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 80a Abs. 1 Nr. 2, §§ 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Nach § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) hat die Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung anordnen. Hierbei kommt es auf eine Abwägung der Interessen des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung mit den Interessen des Nachbarn, keine vollendeten, nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen entstehen zu lassen, an. Im Regelfall ist es unbillig, einem Bauwilligen die Nutzung seines Eigentums durch den Gebrauch der ihm erteilten Baugenehmigung zu verwehren, wenn eine dem summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechende vorläufige Prüfung der Klage ergibt, dass diese sachlich nicht gerechtfertigt ist und letztlich erfolglos bleiben wird. Ist demgegenüber der Rechtsbehelf offensichtlich begründet, so überwiegt das Interesse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich schon jetzt so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei.
Im vorliegenden Fall der Anfechtung einer Baugenehmigung durch Nachbarn besteht zudem die Besonderheit, dass die Klagen in der Hauptsache jeweils nur auf die Verletzung solcher Normen gestützt werden können, die den jeweiligen Nachbarn schützen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nach summarischer Prüfung wird die Hauptsacheklage der Antragsteller voraussichtlich keinen Erfolg haben. Denn die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten. Das Interesse der Beigeladenen, von der Baugenehmigung vorläufig Gebrauch machen zu können, ist daher höher zu bewerten als das Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
Die vom Bevollmächtigten der Antragsteller geltend gemachte drittschützende Wirkung der offenen Bauweise führt ebenso wenig zum Erfolg des Antrags wie die Abstandsflächenvorschriften (nachfolgend unter 1.). Auch die übrigen Einwände gegen die Baugenehmigung werden aller Voraussicht nach nicht zu einem Obsiegen der Antragsteller im Hauptsacheverfahren führen (nachfolgend unter 2.).
1. Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt nicht deswegen gegen subjektiv-öffentliche Rechte der Antragsteller, weil das genehmigte Gebäude näher an das Grundstück der Antragsteller heranrückt als das abgebrochene Bestandsgebäude.
Ein Verstoß gegen Abstandsflächenrecht, Art. 6 BayBO, kommt von vornherein nicht in Betracht, weil die Abstandsflächenvorschriften im Prüfungsumfang der im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, Art. 59 Satz 1 BayBO, erteilten Baugenehmigung gar nicht enthalten und somit nicht Teil der Feststellungs- bzw. Regelungswirkung der Baugenehmigung sind. Unabhängig davon sind die Abstandsflächenvorschriften auch materiell eingehalten; insofern wird auf die entsprechenden Ausführungen im Beschluss im Verfahren Az. M 9 E 17.4123, ebenfalls vom heutigen Tag, Bezug genommen.
Aber auch ein für die Antragsteller als Nachbarn relevanter Verstoß gegen Bauplanungsrecht liegt nicht vor. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des genehmigten Vorhabens richtet sich nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. den Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans und im Übrigen nach § 34 BauGB. Allerdings können die Antragsteller als Nachbarn nur drittschützende Merkmale des Einfügens geltend machen; von den in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Einfügensmerkmalen kommt hier von vorneherein nur die Bauweise in Betracht. Insofern entspricht es zwar der überwiegenden Auffassung, dass bei der geltend gemachten Festsetzung der offenen Bauweise der Einhaltung des seitlichen Grenzabstandes nachbarschützende Wirkung zuzuerkennen ist (vgl. Blechschmidt in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, § 22 Rn. 49 m.w.N., auch zur Gegenauffassung). Das bedeutet aber (nur), dass dieses Nachbarrecht dann verletzt wird, wenn einseitig an die Grenze gebaut wird (vgl. Blechschmidt a.a.O. m.w.N.), was hier unstreitig nicht der Fall ist. Die vom Bevollmächtigten der Antragsteller dagegen geltend gemachte Einhaltung eines bestimmten Grenzabstandes bzw. einer bestimmten Abstandsflächentiefe – hier von 5 Metern – führt aus mehreren Gründen nicht zur Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Zunächst bestimmt sich jedenfalls im Regelfall der einzuhaltende Grenzabstand, wenn nicht an die Grenze gebaut wird, bzw. die Abstandsflächentiefe nach den Abstandsvorschriften des Landesbauordnungsrechts. Im vorliegenden Fall ist zudem nichts dafür ersichtlich, dass es einen Grenzabstand bzw. eine Abstandsflächentiefe von „einheitlich 5 Metern“ gäbe, weshalb hier auch Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO nicht gilt; wo sich solches aus den zeichnerischen Festsetzungen ergeben soll, wie der Bevollmächtigte der Antragsteller ausdrücklich meint, bleibt im Dunkeln. Aus den zeichnerischen Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans ergibt sich das nicht; herausgemessen aus dem vorgelegten einfachen Bebauungsplan sind die seitlichen Grenzabstände nicht einheitlich, sondern differieren untereinander, außerdem sind sie bei fast allen Grundstücken deutlich größer als 5 Meter (z.B. Grundstück FlNr. X oder beim damals noch ungeteilten Grundstück FlNr. 394/6 oder auch beim jetzigen Grundstück der Antragsteller, der damals noch ungeteilten FlNr. X (jetzt X und X), wo der zeichnerische seitliche Grenzabstand jeweils sieben Meter beträgt). Möglicherweise meint der Bevollmächtigte der Antragsteller aber auch den jetzigen Lageplan, der wegen der vom Bebauungsplan abweichenden tatsächlichen Entwicklungen andere seitliche Grenzabstände aufweist. Das führt aber schon deswegen nicht zum vom Bevollmächtigten behaupteten Ergebnis, weil die tatsächliche, von den Festsetzungen abweichende Entwicklung nicht einheitlich ist: Die tatsächlichen seitlichen Grenzabstände betragen keineswegs „einheitlich 5 Meter“, sondern sind uneinheitlich (vgl. im Einzelnen die Aufstellung des Landratsamts auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 9.11.2017, Bl. 83 der Gerichtsakte in diesem Verfahren, die sich insoweit mit dem Lageplan und auch mit der Darstellung im BayernAtlas Plus deckt).
Unabhängig davon könnten sich die Antragsteller hierauf ohnehin nicht berufen, weil ihnen dieser Einwand wegen unzulässiger Rechtsausübung, § 242 BGB, abgeschnitten wäre. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung kann sich ein Nachbar nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 27.7.2017 – 1 CS 17.918 – juris Rn. 10 m.w.N.; BVerwG, B.v. 14.10.2014 – 4 B 51.14 – juris zur Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der gesamten Rechtsordnung). Denn wie sich sowohl aus dem bei den Bauvorlagen befindlichen Lageplan als auch herausgemessen aus dem BayernAtlas Plus ergibt, beträgt der seitliche Grenzabstand des Gebäudes der Antragsteller nach Westen, also zum Vorhabengrundstück, deutlich weniger als die vom Antragstellerbevollmächtigten behaupteten 5 Meter, nämlich ca. 3,70 Meter; nach der Stellungnahme des Landratsamts geht aus den genehmigten Bauvorlagen für das Gebäude der Antragsteller ein seitlicher Grenzabstand von 3,75 Meter hervor. Damit ist der seitliche Grenzabstand des Gebäudes der Antragsteller in jedem Fall nicht nur geringer als die ohnehin nicht zutreffenden 5 Meter, sondern auch geringer als der seitliche Grenzabstand des Vorhabens nach Osten, also zu den Antragstellern. Dieser beträgt, gemessen aus den genehmigten Bauvorlagen, 3,77 Meter. Die Antragsteller können aber von der Beigeladenen nicht mehr verlangen, als sie selbst einhalten.
Schließlich ist auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass die Baugenehmigung die Antragsteller in dem auch subjektive Rechte vermittelnden Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Das gilt insbesondere für den noch im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Verstoß wegen Überschreitung des Maßes der baulichen Nutzung. Das Maß der baulichen Nutzung ist als solches bereits nicht drittschützend (vgl. nur VG München, U.v. 7.12.2016 – M 9 K 16.3410 – juris Rn. 19 m.w.N.). Außerdem ist die insofern erteilte Befreiung nicht zu beanstanden, weder bezogen auf den Nachbarschutz noch sonst; das gilt auch für die übrigen Befreiungen.
2. Auch die übrigen Einwände, welche die Antragsteller geltend machen lassen, gehen fehl. Das gilt namentlich für den gesamten Vortrag in Zusammenhang mit dem Nebengebäude auf dem Grundstück der Antragsteller. Die erteilte Baugenehmigung kann die Antragsteller insofern von vorneherein nicht in ihren Rechten verletzen, weil diese Baugenehmigung nicht den Abbruch des Nebengebäudes der Antragsteller erlaubt. Außerdem wird die Baugenehmigung ohnehin gemäß Art. 68 Abs. 4 BayBO unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt. Schließlich sind die Vorschriften in Zusammenhang mit dem Abbruch des Nebengebäudes auf dem Vorhabengrundstück an der Grenze zum Grundstück der Antragsteller ebenso nicht Bestandteil des Genehmigungsverfahrens für die streitgegenständliche Baugenehmigung zur Neuerrichtung. Im Übrigen wird auf die entsprechenden Ausführungen im Beschluss im Verfahren Az. M 9 E 17.4123 Bezug genommen.
Nach alledem wird der Antrag abgelehnt. Die Kostenfolge ergibt sich aus
§ 154 Abs. 1 VwGO; die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, weil sie keinen Antrag gestellt und sich somit selbst keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2013, Beilage 2.


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