Baurecht

Erfolglose Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags gem. § 123 VwGO zur Sicherung eines als unzulässig erklärten Bürgerbegehrens

Aktenzeichen  4 CE 21.2839

Datum:
16.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42465
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 18a Abs. 4 S. 1, Abs. 13 S. 2
BauGB § 1 Abs. 3
BayBO Art. 55 Abs. 1, Art. 58
VwGO § 123

 

Leitsatz

Zielt ein Bürgerbegehren auf eine ohne weitere Vollzugshandlung eintretende Rechtswirkung, so muss sich die Reichweite dieser angestrebten Regelung schon aus der Formulierung der Fragestellung klar erkennen lassen. (Rn. 28)

Verfahrensgang

M 7 E 21.4633 2021-10-27 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragsteller begehren als Vertreter eines von der Antragsgegnerin für unzulässig erklärten Bürgerbegehrens den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung ihres Zulassungsanspruchs.
Das bei der Antragsgegnerin eingereichte Bürgerbegehren „Stopp der Verstädterung“ hat folgenden Text:
„Sind Sie für die Grundsatzentscheidung, dass kein neues Wohnbaurecht für den freien Privatmarkt ermöglicht werden darf, solange das genehmigte nicht realisiert wurde und dass danach für diesen Markt höchstens 4.000 qm Geschossfläche pro Jahr ermöglicht werden dürfen mit mindestens 0,5 qm Grünfläche je 1 qm Geschossfläche?
Begründung
Das Rathaus irritiert mit einer nicht existenten ‚Verpflichtung, Wohnraum zu schaffen‘. Überdies lassen der Bürgermeister und eine große Ratsmehrheit offen, wer sich die Preise am Privatmarkt noch leisten kann und wer wirklich profitiert. Aber vor allem: Unsere Einwohnerzahl stieg von 1.500 um das Zwölffache auf über 18.000. …
Mit 4.500 Einwohnern plant das Rathaus einen enormen Zuwachs von 25% allein bis 2025. Diese Entwicklung führt zur gesichtslosen Vorstadt und zu weiterer Verkehrslast auf unseren dörflichen Straßen. …
Mit diesem Begehren bietet sich die vielleicht letzte Chance, den Lebenswert unserer mit Freiräumen durchzogenen Gemeinde zu wahren. Mit ca. 100 Einwohnern/Jahr in den 4.000 qm wachsen wir organisch und schränken die Anzahl der sozialen Wohnungsbauten nicht ein. …“
Die Unterschriftslisten enthalten unterhalb des Begründungstextes Angaben zu den Vertretern des Bürgerbegehrens und vier Leerzeilen für die Unterschriften. Danach folgt der Zusatz „Weitere Hinweise auf der Rückseite“. Dort finden sich zusätzliche Informationen insbesondere zur Entwicklung der Einwohnerzahlen und zu den laufenden Bebauungsplanungen im Gemeindegebiet.
2. Aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses vom 12. August 2021 wies die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. August 2021 das Bürgerbegehren wegen eines Verstoßes gegen das Koppelungsverbot als unzulässig zurück. Zwischen der Frage eines Planungsstopps und den zukünftigen Planinhalten bestehe kein enger sachlicher Zusammenhang; eine einheitliche Abstimmung über diese beiden Teilfragen führe zu einer Verfälschung des Bürgerwillens und sei damit unzulässig.
Über die dagegen von den Antragstellern erhobene Klage ist noch nicht entschieden.
Einen Eilantrag der Antragsteller mit dem Ziel, der Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung eine Bekanntmachung von Satzungsbeschlüssen zu Bebauungsplänen zu untersagen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Oktober 2021 ab. Ein Sicherungsanspruch bestehe nicht, da von der Unzulässigkeit der ersten Teilfrage des Bürgerbegehrens auszugehen sei. Gegen das Täuschungs- und Irreführungsverbot werde verstoßen, da die Begründung den Eindruck vermittle, dass es bei einem erfolgreichen Bürgerbegehren zu einem (stetigen) moderaten Einwohnerwachstum kommen werde. Dabei fehle ein Hinweis darauf, dass die Gemeinde erst einmal über einen längeren Zeitraum, möglicherweise jahre- oder jahrzehntelang, gar kein „neues Wohnbaurecht für den freien Privatmarkt“ mehr ermöglichen dürfte. Es sei davon auszugehen, dass sich diese tatsächliche Konsequenz der Bejahung der ersten Teilfrage für den baurechtlich nicht vorgebildeten Leser nicht unmittelbar aus der Fragestellung oder aus dem Gesamtzusammenhang ableiten lasse. Da auf den Unterschriftslisten keine Begründung zur ersten Teilfrage enthalten sei, liege insoweit auch ein Begründungsmangel vor. Dieser Teil der Fragestellung genüge überdies nicht den Anforderungen an eine ausreichende Bestimmtheit. Es bleibe unklar, was unter einem „genehmigtem“ Wohnbaurecht zu verstehen sei; nach dem Wortlaut könne es sich um bereits erteilte Baugenehmigungen oder um aus einem Bebauungsplan oder aus § 34 BauGB sich ergebende Baurechte handeln. Unbestimmt sei des Weiteren, ob mit der „Realisierung“ des Wohnbaurechts die Beantragung bzw. Erteilung von Baugenehmigungen oder die tatsächliche Fertigstellung von Gebäuden gemeint sei. Ohne dass es darauf noch entscheidungserheblich ankomme, sei die mit der ersten Teilfrage erstrebte Selbstbindung der Gemeinde wohl auch nach § 1 Abs. 3 BauGB unzulässig, da damit die Einleitung einer Bauleitplanung unter einer aufschiebenden Bedingung stünde, die unmittelbar nichts mit dem Erfordernis der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung zu tun habe und auf deren zeitlich völlig unbestimmten Eintritt die Gemeinde keinen Einfluss habe. Ob sich die zweite Teilfrage ebenfalls als unzulässig darstelle, könne dahinstehen; ein nachträglicher Verzicht auf die erste Teilfrage sei jedenfalls nicht mehr von der den Vertretern des Bürgerbegehrens auf den Unterschriftslisten erteilten Ermächtigung zu redaktionellen Änderungen gedeckt.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde. Es treffe nicht zu, dass die Begründung des Bürgerbegehrens auf den Inhalt der ersten Teilfrage und deren Konsequenzen an keiner Stelle eingehe. Um einem noch dichteren Wohnen und einer damit verbundenen Versiegelung vorzubeugen, sollten so lange keine neuen Bebauungsmöglichkeiten geschaffen werden, wie die genehmigten (bzw. genehmigungsfrei gestellten, Art. 55 ff. BayBO) Bebauungsmöglichkeiten nicht ausgenutzt bzw. realisiert worden seien. Die Gemeinde sei vor Aufstellung neuer Bebauungspläne nur gehalten zu prüfen, ob es genehmigte, aber noch nicht bebaute freie Bauräume gebe. Eine Planung, für die es keinen hinreichenden Bedarf gebe, sei nicht erforderlich; das Bürgerbegehren entspreche damit der Zielsetzung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und habe nichts mit einem Planungsstopp auf unabsehbare Dauer zu tun. Das „Ob“ einer Planung sei eine politische Grundsatzentscheidung; weder die Fragestellung noch die Begründung des Bürgerbegehrens verstoße daher gegen das Täuschungs- und Irreführungsverbot. Maximalvorgaben zum Maß der baulichen Nutzung könnten Gegenstand eines Bürgerentscheids sein. Das Bürgerbegehren sei auch dann nicht unzulässig, wenn mit der Forderung nach Beachtung des § 1 Abs. 3 BauGB in gewissem Umfang ein Planungsverzicht verbunden sein sollte. Eine auf Einstellung eines Bauleitplanverfahrens zielende Fragestellung sei grundsätzlich unproblematisch. Die Gemeinde dürfe diejenige Städtebaupolitik betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspreche; sie verfüge dabei über ein weites planerisches Ermessen. Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO verlange für das Bürgerbegehren, auch wenn es sich um eine zulässige Verbindung mehrerer sachlich zusammenhängender Materien handle, in formeller Hinsicht nur eine (einzige) Begründung. Diese müsse zwar alle in der Fragestellung aufgeführten Teilaspekte abdecken; zulässig sei aber auch eine substanzarme Begründung, wenn sie einen hinreichenden thematischen Bezug zur Entscheidungsfrage aufweise. Entsprechend diesen geringen Anforderungen habe sich die Begründung des Bürgerbegehrens vorrangig auf die grundsätzliche Frage der Begrenzung neuen (Wohn-)Baurechts für den freien Privatmarkt konzentrieren können. Die Fragestellungen seien auch nicht unbestimmt. Bauvorhaben würden grundsätzlich bauaufsichtlich genehmigt (Art. 55 Abs. 1 BayBO); die Genehmigungsfreistellung (Art. 58 BayBO) sei die Ausnahme. Mit „genehmigt“ sei somit die erteilte Baugenehmigung bzw. eine sonstige Bauerlaubnis, z. B. eine Genehmigungsfreistellung, gemeint. „Realisiert“ bedeute die Umsetzung des „genehmigten“ Vorhabens, d. h. die tatsächliche Errichtung von (Wohn-)Gebäuden. Das Bürgerbegehren sei nicht auf ein unzulässiges Ziel gerichtet. Es gehe nicht um eine unzulässige Selbstbindung der Antragsgegnerin, sondern um die Prüfung, ob es einen hinreichenden Bedarf für eine Planung gebe.
Die Antragsteller beantragen,
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 27. Oktober 2021 die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen (Hauptsache-)Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „Stopp der Verstädterung“ eine Bekanntmachung von Satzungsbeschlüssen […] zu unterlassen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, der Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung eine Bekanntmachung von Satzungsbeschlüssen zu Bebauungsplänen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu untersagen. Es fehlt an dem für den Erlass einer solchen Sicherungsanordnung erforderlichen Anordnungsanspruch der Antragsteller. Das von ihnen vertretene Bürgerbegehren erfüllt zumindest hinsichtlich der Teilfrage 1 nicht alle rechtlichen Mindestanforderungen, so dass es insgesamt unzulässig ist.
a) Entgegen den vom Verwaltungsgericht geäußerten Bedenken liegt allerdings in dem mit der Teilfrage 1 verfolgten Ziel, „für den freien Privatmarkt“ bis zur Realisierung des bereits genehmigten Wohnbaurechts „kein neues Wohnbaurecht“ zu ermöglichen, keine dem gemeindlichen Planungsauftrag des § 1 Abs. 3 BauGB widersprechende Selbstbindung in Form eines auf unabsehbare Zeit fortbestehenden völligen Planungsstopps. Einem erfolgreichen Bürgerentscheid kommt nach Art. 18a Abs. 13 Satz 2 Halbs. 1 BauGB eine rechtliche Bindungswirkung immer nur für die Dauer eines Jahres zu, mag auch die politische Wirkung regelmäßig über diesen Zeitpunkt hinausreichen. Der von dem Bürgerbegehren geforderte einstweilige Verzicht auf weitere Bauleitplanung wäre daher nur dann rechtswidrig, wenn die Antragsgegnerin dadurch an der Erfüllung einer bereits vor Ablauf der Jahresfrist bestehenden gesetzlichen Pflicht gehindert würde, zugunsten des freien Wohnungsmarkts von ihren Planungsbefugnissen Gebrauch zu machen. Für eine solche Planungspflicht ist aber nach derzeitigem Stand nichts ersichtlich.
aa) Die in § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BauGB normierte Verpflichtung zur Aufstellung von Bauleitplänen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist, setzt voraus, dass der Gemeinde mit der Planungsbefugnis zugleich ein Planungsfreiraum eingeräumt wird, der neben dem „Wie“ auch das „Ob“ und das „Wann“ planerischer Gestaltung umfasst. Grundsätzlich bleibt es daher der Einschätzung der einzelnen Gemeinde überlassen, ob sie einen Bebauungsplan aufstellt, ändert oder aufhebt; maßgebend sind ihre eigenen städtebaulichen Vorstellungen (BVerwG, U.v. 17.9.2003 – 4 C 14/01 – BVerwGE 119, 25/28 m.w.N.). Die Gemeinde darf auch planerische Selbstbeschränkung und Zurückhaltung üben und sich je nach den tatsächlichen Gegebenheiten darauf verlassen, dass die planersetzenden Vorschriften der §§ 34, 35 BauGB zur Steuerung der städtebaulichen Entwicklung in Teilbereichen ihres Gebiets ausreichen (BVerwG, a.a.O.). An dieser prinzipiellen Entschließungsfreiheit hat der seit dem 23. Juni 2021 geltende zweite Halbsatz des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nichts geändert, wonach die Aufstellung von Bauleitplänen insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau „in Betracht kommen“ kann. Diese Neuregelung besitzt, wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt, keinen zwingenden Regelungsgehalt, sondern einen rein appellativen Charakter. Mit ihr sollen die Gemeinden nach dem Willen des Gesetzgebers in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht nicht eingeschränkt, sondern im Gegenteil gestärkt werden (BT-Drs. 19/24838 S. 24). Die Vorschrift soll lediglich verdeutlichen, dass die Gemeinden zur Aufstellung von Bebauungsplänen für die Schaffung von Wohnraum „aufgerufen“ sind, wenn in ihrem Gebiet ein Bedarf an Flächen für den Wohnungsbau besteht (a.a.O.).
bb) Das planerische Ermessen einer Gemeinde kann sich allerdings nach allgemeiner Auffassung objektivrechtlich zu einer strikten (Erst-)Planungspflicht verdichten, wenn dafür qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht vorliegen. Ein solcher gesteigerter Planungsbedarf ist jedoch nur anzunehmen, wenn die Genehmigungspraxis auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB städtebauliche Konflikte auslöst oder auszulösen droht, die eine Gesamtkoordination der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange in einem förmlichen Planungsverfahren dringend erfordern. Die entsprechenden städtebaulichen Missstände oder Fehlentwicklungen müssen bereits eingetreten sein oder in naher Zukunft einzutreten drohen. Die Planungspflicht entsteht dagegen nicht schon dann, wenn ein planerisches Einschreiten einer geordneten städtebaulichen Entwicklung dienen würde und deshalb „vernünftigerweise geboten“ wäre. Sie setzt vielmehr besonders gewichtige Gründe voraus und besitzt daher Ausnahmecharakter (BVerwG, U.v. 17.9.2003 – 4 C 14/01 – BVerwGE 119, 25/32 m.w.N.).
Dass eine solche Sonderkonstellation gegenwärtig in ihrem Gemeindegebiet gegeben wäre, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen und ist auch aus den sonstigen Umständen nicht erkennbar. Es besteht daher keine strikte Verpflichtung zur Aufstellung von (weiteren) Bebauungsplänen für den freien Wohnungsmarkt, gegen die der mit dem Bürgerbegehren erstrebte Planungsstopp verstoßen könnte. Sollten die Voraussetzungen einer solchen Planungspflicht innerhalb der einjährigen Bindungsfrist nachträglich entstehen, läge darin eine wesentliche Änderung der Sachlage, die nach Art. 18a Abs. 13 Satz 2 Halbs. 2 BauGB die rechtliche Bindungswirkung des Bürgerentscheids entfallen ließe.
b) Die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens scheitert auch nicht schon daran, dass es für den mit der ersten Teilfrage geforderten vorläufigen Planungsstopp an der in Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO geforderten Begründung fehlen würde.
Die dem Bürgerbegehren beigefügte Begründung, die allein aus den von den Unterschriften gedeckten drei Absätzen auf der Vorderseite der Unterschriftenlisten und nicht auch aus den als „Weitere Hinweise“ bezeichneten Zusatzinformationen auf der Rückseite besteht, befasst sich mit der bisherigen und der künftigen Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsdichte in der Gemeinde sowie mit den damit verbundenen städtebaulichen Folgen. Sie kritisiert hierbei vor allem den vom Bürgermeister und einer Gemeinderatsmehrheit geplanten Einwohnerzuwachs. Für die Unterzeichner des Bürgerbegehrens wird aus diesen Darlegungen hinreichend deutlich, dass der mit der ersten Teilfrage geforderte einstweilige Verzicht auf die Ermöglichung weiteren privaten Wohnbaurechts dazu dienen soll, das Wachstum der Wohnbevölkerung im Ort zu begrenzen.
Diese allgemeine Zielsetzung des Bürgerbegehrens gilt zwar ersichtlich in gleicher Weise für die zweite Teilfrage, die für die Zeit nach Beendigung des Planungsstopps quantitative Obergrenzen für die künftige städtebauliche Planung vorsieht. In dieser fehlenden Differenzierung auf der Begründungsebene liegt nach der Rechtsprechung des Senats aber kein rechtlicher Mangel (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – VGH n.F. 70, 119 = BayVBl 2018, 22 Rn. 44 m.w.N.). Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO verlangt für das Bürgerbegehren, auch wenn es sich wie hier um eine zulässige Verbindung mehrerer sachlich eng zusammenhängender Einzelfragen handelt, in formeller Hinsicht nur eine (einzige) Begründung. Diese muss zwar ihrem Inhalt nach alle in der Fragestellung enthaltenen Entscheidungsvorschläge abdecken; sie muss aber nicht für alle diese Teile den gleichen Konkretisierungsgrad und das gleiche Argumentationsniveau aufweisen. Die Initiatoren dürfen Schwerpunkte bilden und nur zu einzelnen, aus ihrer Sicht besonders wichtigen Teilfragen detailliertere Erwägungen vortragen, während sie sich bezüglich der übrigen Aspekte auf pauschale Aussagen beschränken können. Für die Begründung des Bürgerbegehrens gelten somit über das Täuschungs- und Irreführungsverbot hinaus keine inhaltlichen Mindestvorgaben. Auch eine inhaltlich substanzarme, sich in allgemeinen Werturteilen oder Parolen erschöpfende Begründung ist zulässig, wenn sie noch einen thematischen Bezug zu der Entscheidungsfrage aufweist (BayVGH, a.a.O.). Dass im vorliegenden Fall als Begründung zur ersten Teilfrage lediglich auf das – aus Sicht der Initiatoren – zu starke Bevölkerungswachstum verwiesen und die Forderung nach einem zeitweiligen Planungsstopp nicht mit spezielleren Erwägungen begründet wurde, führt somit noch nicht zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens.
c) Das Verwaltungsgericht hat aber zu Recht angenommen, dass die in der ersten Teilfrage verwendeten Begriffe nicht die erforderliche inhaltliche Bestimmtheit aufweisen.
Ein Bürgerbegehren kann nur zugelassen werden, wenn die mit ihm unterbreitete Fragestellung ausreichend bestimmt ist (BayVGH, B.v. 8.4.2005 – 4 ZB 04.1264 – BayVBl 2005, 504 m.w.N.). Damit ist zwar nicht verlangt, dass es zur Umsetzung eines späteren Bürgerentscheids keiner weiteren Maßnahme bzw. nur noch des Vollzugs durch den Bürgermeister bedarf. Mit einem Bürgerentscheid können vielmehr auch Grundsatzentscheidungen getroffen werden, die erst noch durch Detailregelungen des Gemeinderates ausgefüllt werden müssen (BayVGH, U.v. 19.2.1997 – 4 B 96.2928 – VGH n.F. 50, 42/44 = BayVBl 1997, 276/277). Die Fragestellung muss aber jedenfalls so bestimmt sein, dass die Bürger erkennen können, wofür oder wogegen sie ihre Stimme abgeben und wie weit die Bindungswirkung des Bürgerentscheids nach dessen Entscheidungsinhalt reicht (BayVGH, B.v. 8.4.2005, a.a.O.; vgl. auch VerfGH, E.v. 13.4.2000 – Vf. 4-IX-00 – BayVBl 2000, 460/464 zum Volksentscheid).
Diesen Anforderungen wird das streitgegenständliche Bürgerbegehren jedenfalls hinsichtlich der ersten Teilfrage nicht gerecht. Das dort geforderte Verbot der Ermöglichung weiteren Wohnbaurechts stellt – entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung – nicht bloß eine ausfüllungsbedürftige Grundsatzentscheidung dar. Es ist vielmehr auf eine (nach einem erfolgreichen Bürgerentscheid) sogleich wirksam werdende, von keiner weiteren Vollzugshandlung abhängige abschließende Entscheidung in Form einer generellen Planungssperre gerichtet. Wegen dieser unmittelbar eintretenden Rechtswirkung genügt es zur Erfüllung der Bestimmtheitsanforderungen nicht, dass den für die Bauleitplanung zuständigen Gemeindeorganen wie bei einer plebiszitären Grundsatzentscheidung nur die allgemeine Richtung vorgegeben wird, an der sie sich bei nachfolgenden Detailentscheidungen zu orientieren haben. Schon aus der Formulierung des Bürgerbegehrens muss sich vielmehr klar ergeben, wie weit das angestrebte strikte Planungsverbot in sachlicher und zeitlicher Hinsicht reichen soll. An dieser Klarheit fehlt es, da sich die in der ersten Teilfrage verwendeten Begriffe auch bei wohlwollender Auslegung nicht bruchlos und widerspruchsfrei in baurechtliche Kategorien übersetzen lassen.
Schon die – nicht an die gängige Terminologie anknüpfende – Umschreibung des Regelungsgegenstands mit den Worten „Wohnbaurecht für den freien Privatmarkt“ eröffnet einen so weiten Auslegungsspielraum, dass damit einer künftigen Bauleitplanung keine wirksamen Grenzen gezogen werden können. Selbst wenn man den „freien Privatmarkt“ in Abgrenzung von den in der Begründung erwähnten „sozialen Wohnungsbauten“ dahingehend verstehen wollte, dass damit alle nicht von einer öffentlichen Stelle geförderten und entsprechenden Bindungen unterliegenden Wohnbauvorhaben gemeint sind, bliebe offen, was mit dem Begriff des „Wohnbaurechts“ gemeint ist. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht kann sich ein Recht zur Verwirklichung eines Wohnbauvorhabens für den jeweiligen Bauherrn aus den Bestimmungen der §§ 30 ff. BauGB ergeben. Ob von diesem Recht mit Hilfe der öffentlichen Wohnungsbauförderung Gebrauch gemacht werden soll, hängt dabei von der Person und dem Willen des Bauwerbers ab und steht zum Zeitpunkt der Entstehung des „Wohnbaurechts“ in der Regel noch nicht fest. Eine einheitliche Kategorie des „Wohnbaurechts für den freien Privatmarkt“ kann daher nicht gebildet werden.
Unklar ist auch, ab wann das bauplanungsrechtlich begründete „Wohnbaurecht“ im Sinne der ersten Teilfrage als ein „genehmigtes“ gelten kann. Denkbar wäre, in dieser Formulierung nur eine (sprachlich missglückte) Umschreibung der Tatsache zu sehen, dass jedes „Wohnbaurecht“ auf einer planungsrechtlichen Norm beruht und dadurch vom Gesetz- oder Satzungsgeber in abstrakt-genereller Weise „genehmigt“ wurde. Mit dem Halbsatz „solange das genehmigte (Wohnbaurecht) nicht realisiert wurde“ wäre dann nichts Anderes gemeint, als wenn er lauten würde „solange das bestehende (Wohnbaurecht) nicht realisiert wurde“. Dieser Deutung lässt sich aber entgegenhalten, dass der Begriff „genehmigen“ eine spezifisch bauordnungsrechtliche Bedeutung besitzt (vgl. Art. 55 Abs. 1, Art. 68 BayBO). Bei wörtlichem Verständnis müsste danach die mit der ersten Teilfrage erstrebte Planungssperre solange andauern, bis sämtliche zum Zeitpunkt des Bürgerentscheids bereits erteilten (vollziehbaren) Baugenehmigungen ausgenutzt worden sind. Dabei würde jedoch außer Betracht bleiben, dass im Geltungsbereich von Bebauungsplänen Wohnbauvorhaben in weitem Umfang nach Art. 58 BayBO genehmigungsfrei gestellt sind. Die Einbeziehung auch dieser Fallgruppe liegt von der Sache her nahe, lässt sich mit dem Text der ersten Teilfrage aber nicht begründen. Auch hängt es vom Willen der Gemeinde (Art. 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayBO) wie auch von der konkreten Ausgestaltung eines Wohnbauvorhabens ab, ob dieses am Ende tatsächlich im Freistellungsverfahren verwirklicht werden kann oder etwa wegen eines Widerspruchs zum Bebauungsplan oder zu örtlichen Bauvorschriften einer Baugenehmigung mit entsprechenden Ausnahmen, Befreiungen oder Abweichungen bedarf.
Nicht hinreichend klar ist in diesem Zusammenhang auch, was mit der „Realisierung“ eines genehmigten Wohnbaurechts gemeint ist. Sollte als „genehmigt“ im Sinne der oben genannten Auslegungsvariante schon die generelle planungsrechtliche Zulässigkeit von Wohnbauvorhaben nach den §§ 30 ff. BauGB angesehen werden, könnte dieses abstrakte Baurecht bereits mit der Erteilung einer wirksamen Baugenehmigung als „realisiert“ gelten. Würde hingegen als „genehmigtes“ Wohnbaurecht aufgrund des speziellen Wortlauts nur ein bauaufsichtlich ausdrücklich zugelassenes Vorhaben angesehen, hinge es von dem jeweiligen Baufortschritt ab, ab wann im Hinblick auf die genehmigten Pläne von einer vollständigen „Realisierung“ gesprochen werden könnte, wobei überdies offenbliebe, ob es dabei der tatsächlichen Fertigstellung allein des Wohngebäudes oder auch der zugehörigen Nebenanlagen bedürfte. Ein eindeutig feststehender Zeitpunkt, an dem ein privates Wohnbauprojekt endgültig abgeschlossen ist, lässt sich aus der Sicht eines Außenstehenden ohnehin kaum feststellen.
Jedenfalls wegen dieses Ineinandergreifens mehrerer unklarer Voraussetzungen fehlt es dem mit der ersten Teilfrage erstrebten vorläufigen Planungsstopp in sachlicher und zeitlicher Hinsicht an der erforderlichen Bestimmtheit, so dass das Bürgerbegehren insgesamt nicht zugelassen werden kann.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5, Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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