Aktenzeichen AN 17 S 20.01811
Leitsatz
1. Bei einem Verzicht auf die Geltendmachung nachbarlicher Einwendungen handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Wirksamkeit erlangt er mithin erst dann, wenn er dem Gegner der ihm zugrundeliegenden Nachbarrechte, also der Bauaufsichtsbehörde gegenüber erklärt worden ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit der Fertigstellung des Rohbaus kann eine stattgebende gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren dem Baunachbarn regelmäßig keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil mehr verschaffen, so dass das Rechtschutzbedürfnis entfällt. Das Rechtsschutzbedürfnis kann ausnahmsweise fortbestehen, sofern daneben eine Verletzung in eigenen Rechten (auch) durch die Nutzung der genehmigten Anlage geltend gemacht wird. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgelegt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer von ihnen erhobenen Klage gegen von der Antragsgegnerin zugunsten des Beigeladenen erteilte Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes.
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks, …Straße …, … …, FlNr. …, Gemarkung … Der Beigeladene ist, gemeinsam mit seiner Ehefrau, Frau … …, Eigentümer des benachbarten Grundstücks, …Straße, … …, FlNr. …, Gemarkung … (Vorhabengrundstück). Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes … seiner 2. Änderung der Stadt … Laut den zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplanes i.d.F. seiner 2. Änderung ist im maßgeblichen Bereich des Vorhabengrundstückes und des Grundstücks der Antragsteller (Bereich B) die Errichtung eines Doppelhauses zulässig und offene Bauweise vorgeschrieben. Tatsächlich wurde, teilweise auch außerhalb der festgelegten Baugrenzen, ein Reihenhaus bestehend aus drei Wohneinheiten (FlNrn. …, …, …*) errichtet, wovon der Antragsteller das mittlere bewohnt.
Mit Antrag vom 29. Juni 2020 beantragte der Beigeladene die Erteilung von isolierten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich des Baus einer Einfriedung, eines Glasvordaches und eines Gartenhauses. Die Einfriedung sei ein Sichtschutz zum neu gebauten Carport auf dem Grundstück der Antragsteller. Außerdem liege das Glasvordach außerhalb der Baugrenzen, sei jedoch baulich untergeordnet. Das Gartenhaus liege ebenfalls außerhalb der Baugrenzen. Die Grundflächenzahl sei jedoch nicht überschritten. Nachbarunterschriften wurden nicht erteilt. Weiter wurde der Notarvertrag zum Grundstückstausch zwischen Antragstellern und Beigeladenem und dessen Ehefrau vom 5. August 2019 auszugsweise vorgelegt. Nach dessen Ziffer VIII stimmen die Antragsteller bereits heute der Errichtung von genehmigungspflichtigen Bauvorhaben auf dem Vorhabengrundstück, z. B. der Errichtung einer Garteneinfriedung oder eines Vordachs, zu. Diese Verpflichtung sei auch den Rechtsnachfolgern aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin erteilte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 30. Juli 2020 eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes …, 2. Änderung, für die Errichtung eines Gartenhauses mit den Abmessungen L x B x H 3,00 x 1,40 x 2,40 m im Südwesten des Vorhabengrundstücks hinsichtlich der Lage außerhalb der Baugrenzen (Ziffer 1). Ebenso wurde für die Errichtung einer Einfriedung aus Stahlstützen und horizontalen Holzrhombusleisten entlang der westlichen Grundstücksgrenze mit einer Länge von 5,09 m und einer maximalen Höhe von 1,88 m eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der zulässigen Höhe der Einfriedung erteilt (Ziffer 2).
Das geplante Vordach bedürfe aufgrund seiner Errichtung innerhalb der Baugrenzen keiner Befreiung. Das Gartengerätehaus sei verfahrensfrei, Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO. Da es vollständig außerhalb der im Bebauungsplan …, 2. Änderung, festgelegten Baugrenzen liege, sei eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nötig. Diese habe im Einzelfall erteilt werden können, da durch die Errichtung des Gartenhauses außerhalb der Baugrenzen die Grundkonzeption des Bebauungsplanes nicht berührt werde. Die Abweichung sei am gewählten Standort im rückwärtigen Bereich des Grundstücks auch städtebaulich vertretbar. Nachbarliche und sonstige öffentliche Belange würden nicht beeinträchtigt.
Auch die geplante Einfriedung sei verfahrensfrei, Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a BayBO. Sie widerspreche zwar den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes, wonach für seitliche und rückwärtige Einfriedungen zwischen Nachbargrundstücken Einfriedungen nur bis zu einer Höhe von maximal 1,00 m zulässig seien. Die Befreiung habe jedoch im Einzelfall erteilt werden können, da die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Einfriedung am gewählten Standort städtebaulich vertretbar sei. Die Einfriedung solle als Sichtschutz im Bereich eines auf dem Nachbaranwesen errichteten Carports dienen und trete städtebaulich ähnlich in Erscheinung wie ein Carport mit geschlossener Seitenwand. Die betroffenen Nachbarn hätten dem Vorhaben zugestimmt. Nachbarliche und sonstige öffentliche Belange würden nicht beeinträchtigt.
Die Antragsgegnerin übersandte den Antragstellern am 11. August 2020 einen Abdruck des Bescheides vom 30. Juli 2020 per Email. Die Antragsteller wandten sich in der Folge mit Emails vom 17. und 23. September 2020 an die Antragsgegnerin und teilten mit, dass die Einfriedung des Beigeladenen bereits errichtet sei. Ihnen selbst habe die Antragsgegnerin die seitliche Verkleidung des Carports seinerzeit untersagt. Die 1,88 m hohe Einfriedung des Beigeladenen sei eine hohe Gefahrenquelle, da den Antragstellern beim Ausfahren aus ihrem Carport jegliche Sicht genommen werde und auf der Straße insbesondere auch Kinder mit Rollern etc. unterwegs seien. Der Beigeladene habe die Antragsteller bis heute weder informiert noch die Zustimmung zum Vorhaben eingeholt. Es sei im Notarvertrag keine generelle Zustimmung zu allen Baumaßnahmen des Beigeladenen erteilt worden. Weiter wurde die mangelnde Einbindung der Antragsteller, sowohl seitens der Antragsgegnerin als auch seitens des Beigeladenen, beklagt, zumal sich die Antragsteller bereits im Mai 2020 bei der Antragsgegnerin nach dem Stand der Dinge erkundigt hätten.
Die Antragsteller erhoben mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 10. September 2020, beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen per EGVP am selben Tag, Klage gegen den Bescheid vom 30. Juli 2020 und stellten mit weiterem Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 10. September 2020, hier per EGVP eingegangen am selben Tag, einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage. Zur Begründung führten die Antragsteller im Wesentlichen aus, dass die Befreiungen nicht hätten erteilt werden dürfen. Die Genehmigung zur Errichtung des Gartenhauses sei weder städtebaulich vertretbar noch würden nachbarliche und sonstige öffentliche Belange nicht beeinträchtigt. Das Gartenhaus sei mit einer Höhe von 2,40 m ein Gebäude, dessen Abstandsflächen in vollem Umfang auf dem Grundstück der Antragsteller liegen würden. Zudem zeige der Lageplan der Baugenehmigung, dass nach dem Bebauungsplan auch im hinteren Bereich, d.h. auf der von der Gebäudezugangsseite abgewandten Seite der Gebäude, Hausnummern, … und, gerade keine geschlossene Bebauung zwischen den aufstehenden Häusern und den Nachbargrundstücken vorgesehen sei. Dieses aufgelockerte Bebauungsbild mit Freiflächen und der freie Blick würde völlig zunichtegemacht. Der Beigeladene habe bereits einen Mauervorsprung mit einer Höhe von 2,40 m, an die sich das Gartenhaus nahtlos anschließe. Zudem seien die nachbarlichen Belange der Antragsteller negativ betroffen, da die aufgelockerte Bebauung nicht nur reizvoll, sondern auch wertsteigernd wirke. Auch sei niemals das Einverständnis zu der Maßnahme erteilt worden.
Auch die Befreiung zum beantragten Sichtschutz hätte nicht erteilt werden dürfen. Dieser Sichtschutz mit einer Länge von 5,09 m und einer maximalen Höhe von 1,88 m wirke städtebaulich wie ein Carport mit geschlossener Seitenwand. Der Sichtschutz sei nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht vorgesehen und führe zu einer kleinteiligen Veränderung des städtebaulichen Gesamtkonzepts. Zu einem Sichtschutz sei niemals das Einverständnis der Antragsteller erteilt worden. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Antragsteller zwar selbst einen Carport beantragt hätten und hierfür auch eine Abweichung wegen der Länge des Stauraums/Zu- und Abfahrt vor dem Carport mit Baugenehmigung vom 16. Mai 2019 erteilt bekommen hätten, dieser Carport jedoch gerade nicht blickdicht sei. Bei der Baugenehmigung der Antragsteller habe die Antragsgegnerin auf die Gewährleistung der Sicht auf die öffentliche Verkehrsfläche zur fehlenden Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs abgestellt, wonach eine blickdichte Bebauung nicht vorgenommen werden dürfe, während bei der Genehmigung für den Beigeladenen die bauliche Anlage zu Sichtschutzzwecken genehmigt werde, ohne dass es auf die fehlende Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ankomme. Den Antragstellern werde zugemutet, bei der Einfahrt in die öffentliche Verkehrsfläche ein erhöhtes Risiko einzig für das Sichtschutzinteresse des Beigeladenen in Kauf zu nehmen. Auch für den Beigeladenen und dessen Ehefrau sei ein unüberwindbares Sichthindernis geschaffen worden. Die Antragsgegnerin wolle hier wohl einen Unfallschwerpunkt schaffen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die mit Bescheid vom 30. Juli 2020 erteilten isolierten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Errichtung eines Gartenhauses außerhalb der Baugrenzen sowie hinsichtlich der Höhe der Einfriedung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2020, den Antrag abzulehnen und legte im Wesentlichen dar, dass sowohl die Errichtung der Einfriedung als auch des Gartenhauses verfahrensfreie Vorhaben seien, für die eine isolierte Befreiung habe erteilt werden können. Durch die Errichtung des Gartenhauses außerhalb der Baugrenzen werde die Grundkonzeption der Planung nicht berührt. Eine Platzierung des Gartenhauses innerhalb der Baugrenzen für das Hauptgebäude wäre aufgrund der Größe und Lage gar nicht möglich. Standorte für Nebenanlagen würden im Bebauungsplan nicht gesondert festgesetzt. Die Lage im gewählten rückwärtigen Bereich des Grundstückes sei auch städtebaulich vertretbar, zumal durch die Errichtung des Gartenhauses die zulässige Grundflächenzahl nicht überschritten werde. Überdies sei die Errichtung des Gartenhauses gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO ohne eigene Abstandsflächen zulässig, weshalb keine Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze einzuhalten seien. Nachbarliche Belange würden nicht berührt. Der Einwand, dass gemäß Bebauungsplan im hinteren, von der Zugangsseite der Gebäude abgewandten Seite, keine geschlossene Bebauung vorgesehen sei, gehe fehl. Im Bebauungsplan seien Baugrenzen für die Hauptgebäude und die als „Umgrenzung von Flächen für Nebenanlagen, Stellplätze, Garten und Gemeinschaftsanlagen“ bezeichnete Flächen festgesetzt. Im Bereich der betreffenden Reihenhauszeile sei lediglich ein Baufenster für die Hauptgebäude und eine gemeinsame Fläche für die erforderlichen Stellplätze und Garagen festgesetzt worden. Auf den einzelnen Wohnhausgrundstücken seien jedoch keine Flächen für Nebenanlagen, wie z. B. Gartengerätehäuser, ausgewiesen. Da diese aufgrund ihrer dienenden Funktion in der Nähe der Hauptgebäude oder Gartenfläche benötigt würden, könnten diese im Wege der isolierten Befreiung genehmigt werden, wenn sie am gewählten Standort und in der gewählten Größe städtebaulich vertretbar seien. Dies sei vorliegend gegeben, denn die städtebauliche Konzeption von Grün- und Freiflächen in den rückwärtigen Grundstücksbereichen werde durch ein Gartenhaus mit einer Fläche von 4,20 m2 nicht berührt. Dieses sei auch in keinster Weise geeignet, eine geschlossene Bebauung, die durch eine Errichtung von Gebäudegruppen mit einer Gesamtlänge von mehr als 50 m gekennzeichnet sei, herbeizuführen. Bei einer Vororteinsicht sei zudem festgestellt worden, dass auch auf dem Grundstück der Antragsteller ein Gartenhaus direkt an der Grundstücksgrenze zur Hausnummer … der …Straße errichtet worden sei, welches sich ebenso im rückwärtigen Grundstücksbereich außerhalb der Baugrenzen befinde. Die Antragsteller seien daher zur Beantragung einer isolierten Befreiung aufgefordert worden. Da das beantragte Gartenhaus des Beigeladenen keine Abstandsflächen auslöse und zudem eine Befreiung von Baugrenzen keine nachbarschützende Festsetzung des Bebauungsplanes berühre, sei weder eine formelle Nachbarbeteiligung gemäß Art. 66 BayBO noch eine Zustimmung des Nachbarn nötig. Die Festsetzung der Baugrenzen habe ausschließlich eine städtebauliche, gestalterische und keine nachbarschützende Funktion.
Hinsichtlich der Einfriedung wurde ergänzend zur Bescheidsbegründung ausgeführt, dass der genehmigte Sichtschutz nur bis zum Stützposten des den Antragstellern genehmigten Carports reiche, so dass die Zufahrt weiterhin frei von einer Einfriedung bleibe, was auch als Auflage Nr. 3 im Baugenehmigungsbescheid vom 16. Mai 2019 der Antragsteller bereits gefordert gewesen sei. Die Sichtschutzeinrichtung bleibe deutlich hinter der Erschließungsstraße zurück. Das Zurückstoßen von Privatgrund in den öffentlichen Straßenraum der …Straße, die allein der Erschließung der direkten Anwohner diene und ein sehr geringes Verkehrsaufkommen habe, sei ohnehin mit erhöhter Vorsicht durchzuführen. Zudem befinde sich der Sichtschutz lediglich an der Ostseite des Carports. Die Westseite verfüge weiterhin über eine komplett uneingeschränkte Sicht. Auch gingen von einer Einfriedung mit einer Höhe von unter 2 m keine Abstandsflächen aus, Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO. Die Festsetzung zur Höhe der Einfriedung habe außerdem nur eine städtebauliche, gestalterische und keine nachbarschützende Funktion. Auch liege kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor. Erst der Beigeladene habe durch den Grundstückstausch die Errichtung eines Carports auf dem Grundstück der Antragsteller ermöglicht. In diesem Zusammenhang hätten die Antragsteller der Errichtung einer Garteneinfriedung und eines Vordachs auf dem Grundstück des Beigeladenen ihre ausdrückliche Zustimmung erteilt. Aufgrund dieser Zustimmung sei eine Nachbarbeteiligung nicht erfolgt. Ohnehin sei zumindest hinsichtlich der Einfriedung bereits fraglich, ob die Klage nicht bereits unzulässig sei, da die Antragsteller dem Bauvorhaben im Notarvertrag vom 5. August 2019 zugestimmt hätten. Ein Nachbar könne dem Bauvorhaben auch durch andere Weise als durch Unterschrift der Bauvorlagen zustimmen. Bei der Zustimmung sei „die Errichtung einer Garteneinfriedung“ sogar explizit genannt worden. Durch die zu einem konkreten Bauvorhaben abgegebene Zustimmungserklärung hätten die Antragsteller auf die sich potentiell aus der Errichtung der Einfriedung ergebenden öffentlich-rechtlichen Abwehransprüche verzichtet.
Der Beigeladene beantragt mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2. Oktober 2020, den Antrag abzulehnen und führte im Wesentlichen aus, dass es hinsichtlich des Sichtschutzes bereits am Rechtschutzbedürfnis für den Eilantrag fehle, da dieser bereits im August 2020 fertiggestellt worden sei. Das Vorgehen gegen die Baugenehmigung sei überdies unverständlich, da die Antragsteller gemäß notariellem Tauschvertrag vom 5. August 2019 ausdrücklich der Errichtung einer Einfriedung zugestimmt hätten. Der angebrachte Sichtschutz sei mit einer Höhe von sogar unter 1,90 m in keiner Weise rücksichtslos oder verletze Nachbarrechte. Es werde auch kein Unfallschwerpunkt geschaffen, wobei dieser Vorhalt ohnehin keine Nachbarrechte verletzen würde. Bezüglich des Gartenhauses hätten auch die Antragsteller ein solches, wie viele andere Nachbarn in der Siedlung auch, aufgestellt. Dies letztlich genau versetzt an der Stelle, an der sie dem Beigeladenen nunmehr sein Gartenhaus nicht gönnen würden. Auch sei unzutreffend, dass auf dem Grundstück des Beigeladenen insofern ein Mauervorsprung von 2,40 m an das Gartenhaus nahtlos anschließe. Es sei unzutreffend, dass das geplante Gartenhaus mit einem Sichtschutz „nahtlos ineinander übergehen würde“. Es sei weiter darauf hinzuweisen, dass es tatsächlich die Antragsteller seien, die sich baurechtswidrig verhalten würden. So sei der Carport der Antragsteller ohne erheblichen Dachüberstand genehmigt worden. Tatsächlich sei dieser jedoch mit erheblichem Überstand zur Straße errichtet worden.
Die Antragstellerseite trägt mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 16. November 2019 weiter vor, dass es, entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin falsch sei, dass es auf der …Straße im maßgeblichen Bereich nur Anwohnerverkehr gebe. In diesem Bereich befinde sich kein Gehweg, gegenüber liege ein Waldstück. Die Straße habe einen abknickenden Verlauf um das Grundstück des Beigeladenen herum. Auf der gegenüberliegenden Seite sei ein Spielplatz, der von einer Vielzahl von Anwohnern, die nicht nur in der …Straße wohnen würden, genutzt werde. Sowohl Kinder als auch Erwachsene würden mangels Gehweg auf der Fahrbahn laufen und diese auch befahren. Auch gäbe es nur im Bereich des weiteren abknickenden Verlaufs der …Straße Nr. … Parkraum für Autos. Besonders in den Sommermonaten sei ein spürbares Verkehrsaufkommen vorhanden. Eine Videoaufzeichnung zu einem Ausfahrvorgang des Beigeladenen zeige, dass die Kinder des Beigeladenen die Ausfahrtsituation überwachen müssten, um ein gefahrloses Einfahren in die …Straße zu ermöglichen. Es spreche zudem für sich, wenn die Antragsgegnerin bei völlig identischer Grundstücks- und Verkehrssituation im Bescheid vom 16. Mai 2019 der Antragsteller entgegengesetzte Feststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht treffe als im streitgegenständlichen Bescheid zugunsten des Beigeladenen, der als einer der maßgeblichen Entscheidungsträger der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft mit den zuständigen Mitarbeitern der Antragsgegnerin in ständigem engen Austausch stehe. Der Inhalt des Schreibens vom „1. Oktober 2020“ sei zwar zutreffend, jedoch solle hier wohl nur Stimmung gegen die Antragsteller gemacht werden.
Der Beigeladene erwidert hierzu mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. Dezember 2020, dass der Vortrag der Antragsteller nicht der Wahrheit entspreche, wie bereits ein Blick auf Google Maps zeige. Der Sichtschutz des Beigeladenen ende bereits 1,65 m von der Grundstücksgrenze entfernt. Ein normal abgestelltes Auto behindere die Sicht mehr als der Sichtschutz. Im weiteren Rundverlauf der …Straße befänden sich eine ganze Reihe von genehmigten und vorhandenen Garagen, die unmittelbar an die Straße angrenzen würden. Dort sei das Sichtfeld beim Ein- und Ausfahren wesentlich deutlicher eingeschränkt als bei dem Beigeladenen und den Antragstellern. Der Beigeladene benötige auch keine Hilfe beim Ausfahren. Es werde darauf hingewiesen, dass die Antragsteller im Übrigen dem Beigeladenen die Ausfahrt erschweren würden, indem sie ihr Fahrzeug gegenüber der Ausfahrt des Beigeladenen mit deutlichem Abstand zum Bordstein abstellen. Dennoch sei das Ein- und Ausparken weiter möglich.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten zum Bauvorhaben des Beigeladenen samt Notarurkunde vom 5. August 2019 sowie die beigezogenen Bebauungsplanunterlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt sowohl hinsichtlich der erteilten Befreiung zur Errichtung des Gartenhauses als auch in Bezug auf die Befreiung zum Bau der Einfriedung ohne Erfolg.
Der Antrag ist hinsichtlich der erteilten Befreiung zur Errichtung des Gartenhauses zulässig, aber unbegründet. Hinsichtlich des Dispenses zur Errichtung der Einfriedung ist die Zulässigkeit dagegen zu verneinen.
1. a) Der Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist hinsichtlich beider Befreiungen statthaft. Gemäß § 212a BauGB hat eine Nachbarklage gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Mit dem Antrag nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO kann diese jedoch gerichtlich angeordnet werden. Unter den Begriff „bauaufsichtliche Zulassung“ fällt nicht nur die Baugenehmigung, sondern auch für das Vorhaben erteilte (isolierte) Ausnahme- oder Befreiungsentscheidungen (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.1999 – 26 ZS 99.820 – juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 2.9.2009 – 10 S 24/09 – juris), so dass eine hiergegen erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
b) Auch die Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog, ist gegeben. Die im notariellen Tauschvertrag vom 5. August 2019 durch die Antragsteller erteilte Zustimmungserklärung zur Errichtung von genehmigungspflichtigen Bauvorhaben auf dem Vorhabengrundstück, z. B. der Errichtung einer Garteneinfriedung oder eines Vordachs, hat nicht das Entfallen der Antragsbefugnis hinsichtlich der erteilten Befreiungen zur Folge.
Zwar führt der in rechtswirksamer Form geäußerte Verzicht auf die Geltendmachung nachbarlicher Einwendungen (zum Ganzen: Schroer, Dziallas, Öffentlichrechtliche Nachbarvereinbarungen in der Praxis, NVwZ 2004, 134 ff.) gegen eine bestimmte Baumaßnahme anerkanntermaßen zum Verlust des in Bezug auf dieses Vorhaben bestehenden materiellen Abwehrrechts (vgl. OVG Saarl, B.v. 14.3.1983 – 2 R 14/82 – juris mit weiteren Nachweisen). Ebenso kann die Zustimmung nicht nur durch Unterschrift unter die Bauvorlagen geleistet werden. Auch eine andere Art der Erteilung, z. B. durch eine privatrechtliche Vereinbarung, ist denkbar (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2009 – 9 CS 09.2205 – juris Rn. 3, U.v. 14.4.1972 – 192 I 70 – BayVGHE 25, 57, BeckRS 1972, 10421 – juris, HessVGH, B.v. 7.12.1994 – 4 TH 3023/94 – NVwZ-RR 1995, 495, BeckRS 9998, 29311), so dass auch eine Erteilung in einem notariellen Tauschvertrag, wie hier, möglich ist.
Bei dem in Rede stehenden Einwendungsverzicht handelt es sich weiter um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Wirksamkeit erlangt er mithin nur und erst dann, wenn er dem Gegner der ihm zugrundeliegenden Nachbarrechte, also der Bauaufsichtsbehörde gegenüber erklärt worden ist (vgl. OVG Saarl, B.v. 14.3.1983 – 2 R 14/82 – NVwZ 1984, 657). Im Verfahren zur Erteilung der Dispense wurden der Antragsgegnerin die maßgeblichen Abschnitte des notariellen Tauschvertrages vom 5. August 2019 vorgelegt, so dass die Verzichtserklärung jedenfalls Wirksamkeit erlangte und nicht etwa durch die anschließenden Erklärungen der Antragsteller, der Baumaßnahme nicht zugestimmt zu haben, widerrufen werden konnte.
Jedoch fehlt es an den weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen. Wegen der mit dem Einwendungsverzicht verbundenen weitreichenden Wirkung ist darüber hinaus zu verlangen, dass der abwehrberechtigte Nachbar den Verzichtswillen eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat und dass sich seine Erklärung auf ein ganz konkretes Bauvorhaben bezieht. Davon kann nicht gesprochen werden, wenn im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung Umfang und Gestaltung der Baumaßnahme noch nicht im Einzelnen bekannt sind. Die Gültigkeit des Verzichts setzt vielmehr voraus, dass der Nachbar in genauer Kenntnis der Einzelheiten des Vorhabens gehandelt hat, was in der Regel nur dann der Fall sein wird, wenn ihm vor der Zustimmungserklärung die fertig ausgearbeiteten Bauvorlagen unterbreitet worden sind (vgl. OVG Saarl., B.v. 14.3.1983 – 2 R 14/82 – juris; OVG RhPf, B.v. 22.5.1981 – 1 B 26/81 – juris).
Die im Notarvertrag „bereits heute erteilte Zustimmung zu genehmigungspflichtigen Bauvorhaben auf dem Vorhabengrundstück, z. B. der Errichtung einer Garteneinfriedung oder eines Vordachs“ ist nicht auf ein konkretes Vorhaben bezogen. Zwar werden zwei Beispiele von Bauvorhaben genannt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass den Parteien zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung jedenfalls die Errichtung eines Vordachs und/oder einer Garteneinfriedung auf dem Grundstück des Beigeladenen vorschwebte, jedoch waren Umfang und Gestaltung der Baumaßnahmen im Einzelnen unbekannt. Ohnehin ist fraglich, ob eine „Garteneinfriedung“ nicht eher nur den hier von der Straße abgewandten, hinteren begrünten Teil des Vorhabengrundstücks meint, während die streitgegenständliche Befreiung die Errichtung einer Einfriedung im Einfahrtsbereich betrifft.
Ob die Antragsteller möglicherweise aufgrund der privatrechtlichen Vereinbarung verpflichtet sind, einem oder beiden streitgegenständlichen Bauvorhaben zuzustimmen, ist eine andere Frage und kann dahingestellt bleiben (vgl. hierzu auch: BayVGH, B.v. 23.9.2009 – 9 CS 09.2205 – juris Rn. 3).
c) Hinsichtlich des Dispenses zur Errichtung der Einfriedung fehlt es dem Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO jedoch am Rechtschutzbedürfnis.
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag des Baunachbarn nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entfällt bei einem Eilrechtsbehelf gegen die Baugenehmigung nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs regelmäßig mit der Fertigstellung des Rohbaus. Nach dem Vortrag der Beteiligten ist die Einfriedung bereits errichtet. Zwar ist unklar, ob die Fertigstellung der Einfriedung bereits im August 2020 und damit vor der Antragstellung erfolgte oder erst später. Letztlich kann dies offenbleiben, denn das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses wird als Prozessvoraussetzung von Amts wegen in jeder Lage des Prozesses geprüft (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2014 – 9 CS 14.1404 – juris Rn. 3, B.v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 – juris Rn. 20, B.v. 20.2.2013 – 15 CS 12.2425 – juris Rn. 19).
Mit der Fertigstellung des Rohbaus kann eine stattgebende gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren dem Baunachbarn regelmäßig keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil mehr verschaffen, so dass das Rechtschutzbedürfnis entfällt. Das mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung verfolgte Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, ist nach Fertigstellung der baulichen Anlage nicht mehr zu erreichen. Die behauptete Rechtsverletzung ist mit der Fertigstellung des Rohbaus dann bereits eingetreten und kann nicht mehr durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – verhindert werden (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 15 CS 19.1845 – juris Rn. 14, B.v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 – juris Rn. 18, B.v. 8.1.2004 – 14 CS 03.2852 – juris Rn. 15). Dies ist nur durch Beseitigung des Baukörpers zu erreichen, wofür ein neues Rechtschutzverfahren durchzuführen ist (vgl. OVG Berlin-Bdg, B.v. 28.8.2001 – 2 SN 11.01 – DÖV 2001, 1055). Zwar kann trotz Fertigstellung des Rohbaus des angegriffenen Vorhabens das Rechtsschutzbedürfnis des Nachbarn im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ausnahmsweise fortbestehen, sofern daneben eine Verletzung in eigenen Rechten (auch) durch die Nutzung der genehmigten Anlage geltend gemacht wird, denn diese Rechtsverletzung kann mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch nach Fertigstellung des Rohbaus noch vorläufig verhindert und somit auch die Rechtsstellung des Nachbarn noch verbessert werden (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 – juris Rn. 19; B.v. 8.4.2014 – 9 CS 13.2007 – juris Rn. 18).
Dem folgend ist den Antragstellern das Rechtschutzbedürfnis zu versagen. Diese wenden sich gegen die Höhe der errichteten Einfriedung und machen geltend, dass eine Einfriedung mit der genehmigten Höhe nach dem Bebauungsplan unzulässig sei. Damit wenden sie sich gegen die Errichtung der Einfriedung. Außerdem monieren sie, dass durch die allein zu Sichtschutzzwecken des Beigeladenen genehmigte Einfriedung ein erhöhtes Risiko bei der Einfahrt in die öffentliche Verkehrsfläche geschaffen wurde, welches sie hinzunehmen hätten. In gewissem Sinne wenden sie sich damit auch gegen die Nutzung als Sichtschutz. Anders als bei einem errichteten Lebensmittelmarkt, dessen Nutzung Lärmemissionen auslöst (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 14 CS 03.2852 – juris Rn. 15) oder bei durch Errichtung eines Bauwerks neu geschaffenen Einsichtsmöglichkeiten, bei denen die Beeinträchtigung mit der Nutzungseinstellung verhindert wird, kann im streitgegenständlichen Verfahren die Nutzung als Sichtschutz nur durch Beseitigung der Einfriedung erreicht werden. Die Beeinträchtigung durch die Nutzung ist mit der Beeinträchtigung durch die Errichtung identisch. Die monierte Verkehrsgefährdung ist letztlich der Errichtung der Einfriedung geschuldet und nicht der beabsichtigten Nutzung als Sichtschutz. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage verschafft den Antragstellern nach oben Gesagtem keinen Vorteil.
Die vorstehend zitierte Rechtsprechung beruht wohl (auch) auf dem Gedanken, dass im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht verlangt werden kann, eine bereits errichtete Bausubstanz „einstweilen“ wieder abzubrechen und dadurch das wirtschaftliche Ergebnis des bisherigen baulichen Tuns irreversibel zu vernichten. Es ist zwar fraglich, ob diese Grundsätze in jedem Fall und auch dann greifen, wenn das Vorhaben zwar schon fertiggestellt, jedoch ohne wesentlichen Substanzverlust wieder zurückgebaut werden kann und dem Antragsteller daher u.U. ein Folgenbeseitigungsanspruch entsprechend § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO (hierzu: NdsOVG, B.v. 6.12.2004 – 1 ME 256/04 – juris Rn. 10; OVG NW, B.v. 25.2.2003 – 10 B 2417/02 -juris Rn. 3 – beide hinsichtlich einer Mobilfunksendeanlage) bzw. § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO zustehen könnte. Es spricht viel dafür, dass im streitgegenständlichen Fall der errichtete Sichtschutzzaun ohne allzu großen Aufwand in einer Weise rückgebaut werden kann, die den Zaun nicht wesentlich beschädigt, so dass am Entfallen des Rechtschutzbedürfnisses hier durchaus gezweifelt werden könnte. Allerdings hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Rechtschutzbedürfnis auch in dem insoweit vergleichbaren Fall eines fertig errichten Gartenhäuschens als weggefallen erachtet (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.1999 – 26 ZS 99.820 – juris Rn. 9). Es wird damit deutlich, dass die Erwägungen zum Wegfall des Rechtschutzbedürfnisses vorwiegend auf dem Gedanken des erfolgten Vollzugs beruhen (so auch BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 12).
Selbst wenn man die Zulässigkeit des Antrages – entgegen der zitierten und insoweit gefestigten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichthofes zum Entfallen des Rechtschutzbedürfnisses – auch in Bezug auf die Einfriedung bejahen wollte, bliebe der Antrag diesbezüglich dennoch ohne Erfolg (siehe 2 b).
2. Der Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist hinsichtlich des Dispenses zur Errichtung des Gartenhauses unbegründet. Bezüglich der erteilten Befreiung zur Errichtung der Einfriedung wäre er ebenfalls unbegründet.
Die im Rahmen der Begründetheit nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzustellende gerichtliche Interessensabwägung ergibt ein Überwiegen der Vollzugsinteressen des Antragsgegners gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers bzw. ein Überwiegen des Interesses des Beigeladenen gegenüber dem Interesse des Antragstellers. Für die gerichtliche Abwägungsentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens eine maßgebliche Rolle. Erweist sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit als erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Umgekehrt kommt regelmäßig dem Vollzugsinteresse Vorrang zu, wenn die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Erscheinen die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei summarischer Prüfung im Eilverfahren als offen, ist eine von der Vorausbeurteilung der Hauptsache unabhängige Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris). Vorliegend erweist sich die Klage als voraussichtlich erfolglos. Die Antragsteller werden durch die erteilten Befreiungen nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a) Die erteilte Befreiung zur Errichtung des Gartenhauses außerhalb der im Bebauungsplan festgelegten Baugrenzen verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten.
Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes … i.d.F. seiner 2. Änderung der Stadt … Bauvorhaben müssen daher den Festsetzungen des Bebauungsplanes entsprechen, § 30 BauGB. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes … ist unter § 5 Bauweise 5.1 ausgeführt, dass die überbaubaren Grundstücksflächen durch Baugrenzen festgesetzt sind und in 5.2, dass bauliche Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 14 BauNVO und Garagen außerhalb der überbaubaren Flächen nicht errichtet werden dürfen. Ausgenommen hiervon sind nach mindestens zwei Seiten offene Pergolen in Leichtbauweise aus Holz oder Stahl und Wintergärten, soweit diese gestalterischen und nachbarrechtlichen Belangen nicht entgegenstehen. Die genannten Regelungen sind durch die weiteren Fassungen des Bebauungsplanes unberührt geblieben. In den zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplanes … i.d.F. seiner 2. Änderung sind wiederum die Baugrenzen eingetragen. Ebenso findet sich eine zeichnerische Darstellung von Flächen für Nebenanlagen, Stellplätze, Garagen und Gemeinschaftsanlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 und 22 BauGB), nach der nordwestlich der Grundstücke der Antragsteller und des Beigeladenen die Errichtung von Garagen vorgesehen ist. Das Gartenhaus befindet sich außerhalb der vorgesehenen Baugrenzen. Nach § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO können Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO (abgesehen von Garagen, welche unter § 12 BauNVO fallen) auch auf nicht überbaubaren Grundstücksflächen errichtet werden, sofern im Bebauungsplan nichts Abweichendes geregelt ist. Es kann im Bebauungsplan damit angeordnet werden, dass solche Anlagen auf nicht überbaubaren Flächen nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind. Da laut Bebauungsplan nur Pergolen in der dort beschriebenen Weise außerhalb der überbaubaren Flächen ausnahmsweise zulässig sind, im Übrigen damit die Unzulässigkeit von Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO sowie von Garagen außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen im Bebauungsplan festgelegt wurde, ist für die Errichtung des Gartenhauses richtigerweise die Erteilung einer Befreiung, § 31 Abs. 2 BauGB, nötig und die Zulässigkeit ergibt sich nicht bereits aus Art. 23 Abs. 5 BauNVO.
Die erteilte isolierte Befreiung von den festgelegten Baugrenzen verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zwar ist es denn Antragstellern nicht schon bereits deshalb verwehrt, sich auf die Verletzung der Baugrenzen zu berufen, weil sie selbst die festgelegten Baugrenzen mit dem von ihnen errichteten Gartenhaus überschreiten. Im Ergebnis scheidet eine Rechtsverletzung der Antragsteller jedoch aus. Die angefochtene Befreiung, die von nicht drittschützenden Festlegungen des Bebauungsplanes erteilt wurde, begründet hinsichtlich der Antragsteller keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
Auch die Antragsteller haben außerhalb der Baugrenzen an der Grundstücksgrenze zum nordwestlichen Nachbarn (FlNr. …*) ein Gartenhaus errichtet, wofür sie nun von der Antragsgegnerin zur Beantragung einer isolierten Befreiung aufgefordert wurden. Ein Nachbar kann sich auf die Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften dann nicht berufen, wenn auch die Bebauung auf dem eigenen Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2017 – 1 CS 17.918 – juris Rn. 10). Wer sich zur Abwehr eines Vorhabens auf dem Nachbargrundstück auf ein nachbarliches Austauschverhältnis beruft, muss auch seinerseits den Anforderungen genügen, die sich daraus für sein eigenes Grundstück ergeben, vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 15 CS 17.2549 – juris Rn. 4. Im Unterschied zu den genannten, vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen verletzen die Antragsteller die Festsetzung über die Baugrenzen nicht dem Beigeladenen gegenüber, sondern im Hinblick auf einen anderen Grundstücksnachbarn. Da es um die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem nachbarlichen Austauschverhältnis geht, die Antragsteller aber gegenüber dem Beigeladenen mit Errichtung des eigenen Gartenhauses die Vorgaben des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baugrenzen nicht verletzt haben, spricht einiges dafür, dass sich die Antragsteller gegenüber dem Beigeladenen dennoch auf die Verletzung von Vorschriften über die Baugrenzen berufen können, dies also nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist. Letztlich kann die Frage jedoch offenbleiben, denn selbst bei ihrer Bejahung erweist sich die Klage als unbegründet.
Bei Befreiungen von bauplanerischen Festsetzungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hängt der Umfang des Nachbarrechtsschutzes davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, Drittschutz vermitteln oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, richtet sich der Nachbarschutz hingegen nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots. Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 13). Alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.6.2018 – 9 ZB 16.1012 – juris Rn. 11; BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris Rn. 5; OVG NW, U.v. 9.5.2016 – 10 A 1611/14 – juris Rn. 49).
Die Festsetzungen eines Bebauungsplans entfalten mit Ausnahme der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung nicht generell und nicht schon kraft Gesetzes, sondern nur ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung, da ein Bebauungsplan grundsätzlich ausschließlich im öffentlichen Interesse liegende Festsetzungen zur städtebaulichen Ordnung trifft (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.1991 – 4 B 137/91 – juris; BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 13). Nur durch die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung wird schon kraft Gesetzes ein auf jeweils wechselseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen beruhendes Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zwischen den Eigentümerinnen und Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet begründet. Im Übrigen gilt, dass es die Gemeinde als Plangeber regelmäßig selbst entscheiden darf, ob eine bauplanerische Festsetzung jedenfalls auch dem Schutz Dritter dient. Anders als bei Gebietsartfestsetzungen sind Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche durch Baulinien oder Baugrenzen (§ 23 BauNVO) ebenso wie etwa auch Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nicht generell drittschützend. Ob eine solche Festsetzung auch darauf gerichtet ist, dem Schutz eines Nachbarn zu dienen, hängt vielmehr vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 16; BVerwG B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 – juris Rn. 3). Maßgebend ist, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wobei sich ein entsprechender Wille unmittelbar aus dem Bebauungsplan selbst (etwa kraft ausdrücklicher Regelung von Drittschutz), aus seiner Begründung, aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung oder aus einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs ergeben kann (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 16; B.v. 29.7.2014 – 9 CS 14.1171 – juris Rn. 15; B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 24 ff.; B.v. 18.12.2017 – 9 CS 17.345 – juris Rn. 16; B.v. 5.4.2018 – 1 ZB 16.2598 – juris Rn. 4; B.v. 10.4 2018 – 1 ZB 17.3 – juris Rn. 4). Außerdem muss ein etwa zu schützender Personenkreis ausreichend individualisierbar sein, vgl. BVerwG, B.v. 4 C 19/82 – juris Rn. 6. Eine nachbarschützende Festsetzung über die überbaubare Grundstücksfläche kann etwa angenommen werden, wenn der Plangeber über einzuhaltende Grenzabstände explizit denselben nachbarschützenden Zweck verfolgt wie die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen des Art. 6 BayBO (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 16, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 24 ff.).
Nach Auffassung der Kammer ist die Festsetzung der Baugrenzen im Bebauungsplan … nicht (auch) drittschützend. Sowohl die textlichen als auch die zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplanes geben in dieser Hinsicht nichts her, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Gemeinde mit den festgesetzten Baugrenzen denselben nachbarschützenden Zweck verfolgt wie die bauordnungsrechtlichen Abstandsregelungen des Art. 6 BayBO, nämlich die ausreichende Belüftung, Belichtung und den sozialen Wohnfrieden zu gewährleisten. Es ist nicht ersichtlich, warum es sich bei den festgesetzten Baugrenzen nicht nur um eine die Struktur und Ordnung des Baugebiets bestimmende Festsetzung aus städtebaulichen Gründen handeln soll. Zudem ist aus der planerischen Gestaltung des Baugebiets nicht ersichtlich, dass der Satzungsgeber im Sinn hatte, Nebengebäude etwa nur an das jeweilige Hauptgebäude anschließend zuzulassen, um die Grundstücksgrenzen nachbarschützend von Bebauung freizuhalten. Vielmehr finden sich in den zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplanes i.d.F. seiner 2. Änderung unterschiedliche Gestaltungen im Hinblick auf Garagen und Nebengebäude. Dabei finden sich festgesetzte Garagen und Nebengebäude sowohl unmittelbar anschließend an Hauptgebäude (z. B. im Bereich *) als auch davon losgelöst (z.B. im Bereich *), teilweise auch an seitlichen Grundstückgrenzen (z. B. im Bereich *). Dies wird auch durch die Regelung in 6.4 des Bebauungsplanes bestätigt, der bestimmte Gestaltungsregeln für an seitlichen Grenzen zusammengebaute Garagen und Nebengebäude festsetzt. Garagen und Nebengebäude an Grundstücksgrenzen sind also gerade nicht per se ausgeschlossen. Zu beachten ist auch, dass die vorhandene Bebauung mit einem Reihenhaus, dessen Mittelhaus die Antragsteller bewohnen, im Bebauungsplan nicht vorgesehen war. Im Rahmen einer wertenden Betrachtung des Festsetzungszusammenhangs kann zudem nicht außer Betracht bleiben, dass der Bebauungsplan der Antragsgegnerin das Instrument der Baugrenze nicht nur dort einsetzt, wo nachbarliche Interessengegensätze zumindest ansatzweise erkennbar sind; vielmehr werden die Baufenster flächendeckend und unabhängig vom Vorhandensein potenziell schutzbedürftiger Nachbarbebauung festgesetzt. Dies lässt eher auf das Ziel schließen, ein bestimmtes Ortsbild zu gestalten, als auf die Absicht, Nachbarinteressen zu wahren (vgl. auch: BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 9 CS 17.345 – juris Rn. 21; B.v. 7.3.2017 – 9 ZB 15.85 – juris Rn. 8ff.).
Die angefochtene isolierte Befreiung, § 31 Abs. 2 BauGB, von nicht drittschützenden Festsetzungen des Bebauungsplanes führt nicht zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme zu Lasten der Antragsteller. Dem Rücksichtnahmegebot kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 15 CS 20.1332 – juris Rn. 30 f., siehe auch: BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 23 m.w.N.; B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – juris Rn. 27).
Zwar wird antragstellerseits vorgetragen, die Abstandsflächen lägen auf dem Grundstück der Antragsteller, womit eine Verletzung der Vorschriften des Abstandsflächenrechts angedeutet wird. Eine Verletzung von Vorschriften des Abstandsflächenrechts führt schon nicht per se zur Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme, denn das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Grundstückseigentümer nicht das Recht, von jeder (auch ggf. rechtswidrigen) Veränderung auf dem Nachbargrundstück verschont zu bleiben. Vielmehr kommt es darauf an, inwieweit durch die Nichteinhaltung des erforderlichen Grenzabstands die Nutzung des Nachbargrundstücks tatsächlich unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BayVGH, B.v. 15 ZB 17.635 – juris Rn. 34 mit weiteren Nachweisen). Ohnehin sind vorliegend gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO für das Gartenhaus gerade keine Abstandsflächen einzuhalten, so dass schon kein Verstoß gegen die Abstandsflächen vorliegt. Die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften zum Abstandsflächenrecht bedeutet jedoch auch nicht, dass damit automatisch keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots vorliegt. Entscheidend sind vielmehr – auch und gerade mit Blick auf typische Belastungen wie Verschattung bzw. Einschränkung der Belichtungs- und Besonnungsverhältnisse, erdrückende oder abriegelnde Wirkungen – die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. BayVGH, B.v. 15 ZB 17.635 – juris Rn. 34 mit weiteren Nachweisen). Von dem Gartenhaus ausgehende unzumutbare Belastungen der Antragsteller sind allerdings weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine relevante Beeinträchtigung der Belichtungssituation ist nicht gegeben. Die vom Gartenhaus ausgehende Verschattung betrifft nur den Gartenbereich der Antragsteller und nicht etwa den Wohnbereich im Haus, wo sich erfahrungsgemäß oft aufgehalten wird und die Grenze des Zumutbaren u.U. schneller erreicht ist. Zudem sind die Ausmaße des Gartenhauses recht gering, so dass auch das Ausmaß der Verschattung nicht übermäßig ist. Auch relevante Auswirkungen auf die Belüftung sind weder vorgetragen noch ersichtlich, selbiges gilt für den sozialen Wohnfrieden. Schließlich ist auch die Annahme einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung fernliegend. Zwar tragen die Antragsteller vor, dass der Beigeladene bereits einen Mauervorsprung mit einer Höhe von 2,40 m habe, an die sich das Gartenhaus nahtlos anschließe. Bildmaterial wird hierzu jedoch nicht vorgelegt. Der Beigeladene wiederum bestreitet diesen Vortrag. Doch selbst bei Wahrunterstellung des Vortrages der Antragsteller kann von einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung (vgl. hierzu etwa BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12) nicht ausgegangen werden. Dies kann vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden anzunehmen sein (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12). Bejaht hat die Rechtsprechung eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots etwa für ein 12-geschossiges Gebäude in einer Entfernung von 15 Metern zum 2 ½-geschossigen Nachbarwohnhaus (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris Rn. 32 ff.) oder für drei 11,5 Meter hohe Düngekalksilos im Abstand von 6 Metern zu einem 2-geschossigen Wohnhaus (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – juris Rn. 12 ff.). Die geringe Höhe des Gartenhauses mit einer maximalen Höhe von 2,40 m, die sich nur auf den rückwärtigen Gartenbereich des Grundstücks der Antragsteller auswirkt, ist demnach nicht abriegelnd oder gar erdrückend.
Wenn weiter vorgetragen wird, dass die nachbarlichen Belange deshalb negativ betroffen seien, weil die aufgelockerte Bebauung nicht nur reizvoll, sondern auch wertsteigernd wirke, so kann auch dies eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht begründen. Die beigeladenenseits vorgelegte Aufnahme des rückwärtigen Gartenbereichs der Antragsteller samt deren Gartenhaus zeigt, dass auch die Antragsteller zum nordwestlich gelegenen Grundstücksnachbarn einen durchgängigen Sichtschutz bestehend aus Sichtschutzzaun, Hecke und Gartenhaus mit einer Höhe bis über die Fußbodenoberkante des 1. Obergeschosses errichtet haben, so dass sie bereits selbst zu einer Beeinträchtigung der vorgetragenen aufgelockerten Bebauung beigetragen haben. Ohnehin wird durch ein Gartenhaus mit den Maßen L x B x H 3,00 x 1,40 x 2,40 m die städtebauliche Konzeption von Grün- und Freiflächen im rückwärtigen Grundstücksbereich nicht berührt. Die Minderung des Verkehrswerts eines Grundstücks ist überdies für sich genommen kein Maßstab dafür, ob die mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen zumutbar sind oder nicht (vgl. BVerwG, B.v. 13.11.1997 – 4 B 195/97 – juris). Nach alledem ist eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots bereits nach dem bisher Ausgeführten schon nicht gegeben.
Hinzu kommt, dass die Antragsteller aufgrund des an der Grundstücksgrenze zum nordwestlich liegenden Grundstücksnachbarn errichteten Gartenhauses wenig schutzwürdig erscheinen. Wie bereits ausgeführt ist bei der Prüfung auch zu berücksichtigen, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Zwar liegt das Gartenhaus der Antragsteller nicht an der Grundstücksgrenze zum Beigeladenen. Dennoch nehmen die Antragsteller für sich das Recht in Anspruch außerhalb der Baugrenzen ein Gartenhaus zu errichten, wollen dies jedoch ihrem Nachbarn, dem Beigeladenen, nicht zugestehen. Ob auch das im Notarvertrag vom 5. August 2019 erklärte Einverständnis mit der Errichtung von genehmigungspflichtigen Bauvorhaben auf dem Grundstück des Beigeladenen zu einer geringeren Schutzwürdigkeit der Antragsteller führt und dies selbst dann, wenn – wie unter 1 b) festgestellt – das im Notarvertrag gegebene Einverständnis die Antragsbefugnis mangels Bestimmtheit nicht entfallen lässt, kann offenbleiben, da die Verletzung des Rücksichtnahmegebots – wie bereits dargelegt – auch ohne Zugrundelegung einer geringeren Schutzwürdigkeit der Antragsteller ausscheidet.
Wenn die Antragsteller weiter vortragen, dass nach dem Bebauungsplan auch im hinteren Bereich gerade keine geschlossene Bebauung zwischen den aufstehenden Häusern und den Nachbargrundstücken vorgesehen sei und dass dieses aufgelockerte Bebauungsbild mit Freiflächen und der freie Blick durch das Gartenhaus völlig zunichtegemacht würden, so können sie auch hiermit nicht durchdringen. Zwar wird in § 4 des Bebauungsplanes i.d.F. seiner 2. Änderung im maßgeblichen Bereich die offene Bauweise vorgeschrieben, was sich auch aus den zeichnerischen Festsetzungen im Bebauungsplan i.d.F. seiner 2. Änderung ergibt. Allerdings ist zu beachten, dass die Festsetzung der offenen Bauweise nur Gebäude der Hauptnutzung betrifft, andere bauliche Anlagen wie Garagen und Nebengebäude werden hiervon nicht erfasst (vgl. im Einzelnen: VGH RhPf, U.v. 15.2.2017 – 8 A 10688/16.OVG – juris Rn. 82; BayVGH, B.v. 29.6.2005 – 14 B 03.3161 – juris Rn. 19 ff.; B.v. 23.4.2004 – 20 B 03.3002 – juris; VGH BW, U.v. 29.1.1999 – 3 S 2662/98 – juris Rn. 32). Somit war schon keine Befreiung erforderlich und auch eine Verletzung der offenen Bauweise durch das geplante Gartenhaus des Beigeladenen scheidet aus.
b) Auch die erteilte Befreiung hinsichtlich der Einfriedung verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die streitgegenständliche Einfriedung hat eine maximale Höhe von 1,88 m. Nach der Ziffer 8.3 des Bebauungsplanes …, der von der 1. und 2. Änderung unberührt blieb, sind seitliche und rückwärtige Einfriedungen zwischen Nachbargrundstücken bis zu einer Höhe von maximal 1,00 m zulässig. Von dieser Regelung, die nach Auffassung des Gerichts nicht nachbarschützend ist, wurde dem Beigeladenen der streitgegenständliche Dispens erteilt.
Eine ausdrückliche Regelung, dass der getroffenen Festsetzung zur Höhe der Einfriedungen eine nachbarschützende Wirkung zukommt, findet sich weder in den textlichen noch den zeichnerischen Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplanes. Auch aus den Begründungen zum Bebauungsplan, und zwar weder in seiner Ursprungsfassung noch in der Fassung seiner 1. und 2. Änderung, ergeben sich keine Hinweise dahingehend, dass mit der Festsetzung Drittschutz beabsichtigt war. Schließlich lässt sich eine nachbarschützende Funktion der streitgegenständlichen Festsetzungen auch nicht aus einer Bewertung des Zusammenhanges, in dem die Festsetzungen stehen, ableiten. Zwar ist hinsichtlich seitlicher und rückwärtiger Einfriedungen eine maximale Höhe der Einfriedungen von 1,00 m erlaubt, während die Baugrundstücke entlang der öffentlichen Verkehrsflächen mit Einfriedungen in einer Gesamthöhe von 1,20 m versehen werden können (Ziffer 8.1 des Bebauungsplanes i.d.F. seiner 2. Änderung). Es sind indes keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass es dem Satzungsgeber nicht allein darum ging, eine gewisse optische Einheitlichkeit im Bebauungsplangebiet auch im Hinblick auf die Einfriedungen herzustellen, mithin einen städtebaulichen – und daher nicht drittschützenden – Gesichtspunkt umzusetzen. Hätte die Gemeinde mit der allgemeinen Festlegung einer zulässigen Höhe der Einfriedung im seitlichen und rückwärtigen Grundstücksbereich von maximal 1 m etwa die freie Sicht zwischen den Grundstücken als drittschützendes Recht festsetzen wollen, hätte sie dies deutlich gemacht. Gegen die Annahme eines Drittschutzes spricht zudem, dass die Anpflanzung von höheren und damit sichtversperrenden Büschen und Sträuchern weiter zulässig ist. Vielmehr spricht die pauschal niedrige Festsetzung der zulässigen Einfriedungshöhen – 1,20 m bei seitlichen und rückwärtigen Einfriedungen und 1 m bei Einfriedungen entlang der öffentlichen Verkehrsflächen – dafür, dass damit gestalterische und somit rein städtebauliche Ziele verfolgt wurden.
Da somit eine Befreiung von nicht nachbarschützenden Vorschriften erteilt wurde, kommt eine Rechtsverletzung der Antragsteller nur in Frage, wenn gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen wurde. Aus der Einfriedung, die nach dem Bauantrag Sichtschutzinteressen des Beigeladenen dient, ergeben sich keine unzumutbaren Folgen für die Antragsteller, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die geltend gemachten Gefahren im Hinblick auf den Straßenverkehr. Dies gilt selbst dann, wenn die …Straße in diesem Bereich, auch wegen des Spielplatzes und der Parkbuchten, nicht ausschließlich von Anwohnern frequentiert wird. Um eine vielbefahrene und damit sowohl für den fließenden als auch für den Fußgänger- und Anliegerverkehr gefährliche Straße, wie es etwa bei einer Durchfahrtsstraße der Fall wäre, handelt es sich jedenfalls nicht. Vielmehr dient die …Straße vornehmlich dem Zielverkehr mit erlaubter Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Auch der Vortrag der Antragsteller, dass sie durch den Sichtschutzzaun Haftungsrisiken ausgesetzt würden, da mit der Einfriedung der Einsichtsbereich in die Straße beeinträchtigt und so die Gefahr erhöht werde, dass beim Ausfahren aus dem Grundstück ein Unfall passiere, kann dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Die im Verfahren vorgelegten Lichtbilder zeigen, dass den Antragsteller eine Vorwärtsausfahrt unproblematisch möglich ist. Doch auch ein Zurückstoßen – Heck Richtung … Straße – mit anschließender Vorwärtsfahrt Richtung Spielplatz ist unbedenklich. Die freie Sicht ist diesbezüglich vorhanden. Sofern die Antragsteller in anderer Richtung rückwärts ausfahren wollen, so ist dies nur durch ein langsames und vorsichtiges Ausfahren möglich, da jedenfalls die Sicht Richtung Spielplatz erst in einem Abstand von 1,65 m zur Straße möglich ist. Ohnehin ist die Sicht durch ein auf dem Grundstück des Beigeladenen abgestelltes Fahrzeug – je nach Wagentyp und/oder Standort des Fahrzeuges – in gleicher Weise oder sogar noch mehr versperrt, so dass die Situation beim Ausparken dieselbe ist. Eine vergleichbare Sichtbeeinträchtigung findet sich im Übrigen bei vielen Parkbuchten. Auch wenn, insbesondere wegen des Spielplatzes, Kinder, auch auf Fahrzeugen, das Grundstück der Antragsteller passieren, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Unerheblich ist schließlich auch, ob der Verkehr auf dem Gehweg, oder wie hier mangels Gehweg, auf der Straße stattfindet, denn das Risiko beim Ausfahren bleibt gleich. Eine Beeinträchtigung beim rückwärtigen Ausfahren – Heck Richtung Spielplatz – mit anschließender Vorwärtsfahrt Richtung … Straße ist zwar vorhanden, jedoch nicht unzumutbar und kann zudem von den Antragstellern durch anderweitige Ausfahrt vollkommen vermieden werden. Das Rücksichtnahmegebot ist nicht verletzt.
Die vorgetragene Ungleichbehandlung im Hinblick auf den bei Erteilung des Dispenses auch zu berücksichtigenden Aspekt der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs führt nicht zum Erfolg des Antrages, denn wie bereits ausgeführt, kommt eine Rechtsverletzung bei Befreiungen von nicht drittschützenden Vorschriften nur infrage bei Verletzung des Rücksichtnahmegebots, die nicht gegeben ist. Doch ohnehin wurde auch eine etwaige Selbstbindung der Verwaltung infolge gleichmäßiger Ermessenspraxis weder substantiiert vorgetragen noch ist dies ersichtlich.
Aus den erteilten beiden Befreiungen folgt nicht – weder einzeln noch in der Gesamtbetrachtung – eine unzumutbare Betroffenheit der Antragsteller (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 6.3.2007 – 1 CS 06.2764 – BayVBl 2008, 84 = juris Rn. 32 f.).
c) Die antragstellerseits monierte fehlende Einbindung der Antragsteller in das Verwaltungsverfahren vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids führt nicht zum Erfolg des Antrages, denn die Verletzung von Verfahrensvorschriften hat nicht die Aufhebung eines Verwaltungsaktes auf die Klage eines in seinen materiellen Rechten nicht betroffenen Dritten (siehe die Ausführungen unter a) und b)) zur Folge (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 9 C 17.88 – juris Rn. 3; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 139. EL Oktober 2020, Art. 6 Rn. 294 ff.). Auch die fehlende Zustellung des Bescheides, soweit diese überhaupt gefordert war, führt nicht zu dessen Fehlerhaftigkeit und kann aus diesem Grunde Rechte des Nachbarn nicht verletzen (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 139. EL Oktober 2020, Art. 66 Rn. 228 zur fehlenden Zustellung einer Baugenehmigung an den Nachbarn).
3. Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nummern 1.5 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.