Baurecht

Erfolglose Drittwiderspruchsklage gegen Baugenehmigung – Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt

Aktenzeichen  AN 9 K 17.00735

Datum:
7.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4428
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1
BayBO Art. Art. 2 Abs. 4, Art. 59 Abs. 1
BauNVO § 15

 

Leitsatz

1 Im dicht bebauten Innenstadtbereich ist es üblich und unvermeidlich, dass von der mehrgeschossigen Bebauung auf den Nachbargrundstücken jeweils auf die anliegenden Grundstücke geblickt werden kann. (Rn. 24) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Im Regelfall ist es Sache jedes Grundstückseigentümers, sein Grundstück gegenüber unerwünschten Einblicken ab zu schirmen. (Rn. 24) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angefochtene Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger können die Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nach der Auffassung des Gerichts hier nicht der Fall.
Prüfungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Baugenehmigung vom 14. März 2017, Prüfungsmaßstab sind nach Art. 59 Abs. 1 BauBO die dort aufgeführten Normen. Das Vorhaben wurde zu Recht im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren behandelt, da es sich nicht um einen Sonderbau gemäß Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt.
Bauplanungsrechtlich liegt das Vorhaben in einem Gebiet, für das kein qualifizierter Bebauungsplan besteht, so dass sich die Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt. Einwände gegen die geplante Art der Nutzung haben die Kläger nicht erhoben, da sie selbst ihr Grundstück als Garten angrenzend an ihre private Wohnung nutzen und das Bauvorhaben ausschließlich wohngenutzt wird. Im Übrigen befinden sich in der Umgebung neben Bürogebäuden und gewerblich genutzten Gebäuden auch Wohnungen, so dass die geplante Wohnnutzung sowohl im Fall des Vorliegens eines Mischgebiets wie einer Gemengelage zulässig wäre.
Was das Maß der baulichen Nutzung angeht, insbesondere die Geschosszahl, die Kubatur des Bauvorhabens sowie die überbaute Grundstücksfläche, können sich die Kläger als Nachbarn nur auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen, da die genannten Kriterien an sich nicht nachbarschützend sind. Nach Auffassung des Gerichts, das sich auch auf die nach wie vor aktuellen Ergebnisse des im Jahr 2016 durchgeführten Augenscheins stützt, wird das Gebot der Rücksichtnahme durch das Bauvorhaben im Hinblick auf das Grundstück der Kläger nicht verletzt.
Das Bauvorhaben hält ersichtlich zum Grundstück FlNr. … der Kläger die volle Abstandsfläche H ein, so dass im Hinblick Besonnung, Belichtung und Belüftung eine unzumutbare Beeinträchtigung nicht gegeben ist. Hinzu kommt, dass sich das Bauvorhaben nördlich bzw. nordwestlich des Grundstücks der Kläger befindet, und dass nördlich und westlich des Bauvorhabens bereits hohe Gebäude mit grenzständiger Bauweise bestehen, so dass die Einbuße an Besonnung und Belichtung durch das Bauvorhaben für das Grundstück der Kläger FlNr. … sich allenfalls in geringfügigem Umfang an den späten Nachmittags- und Abendstunden auswirken dürfte. Nachdem das Gebäude im Osten zur Grundstücksgrenze einen Abstand einhält, ist sogar mit dem unbebauten Grundstück FlNr. … und dem unbebauten westlichen Teil des Grundstücks FlNr. … ein offener Raum in unmittelbarer Nachbarschaft erhalten geblieben.
Eine Beeinträchtigung der Kläger, insbesondere in ihrem Wohngrundstück FlNr. … durch das Bauvorhaben oder den dadurch ausgelösten Verkehr erscheint praktisch als ausgeschlossen, nachdem die Zufahrt zum Baugrundstück durch das Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … sowohl vom Grundstück FlNr. … wie vom Grundstück FlNr. … praktisch vollständig abgeschirmt wird. Bedenken insoweit haben die Kläger auch nicht vorgetragen, schließlich wäre nach § 12 BauNVO auch der von der zulässigen Wohnnutzung ausgelöste Verkehr im Regelfall von den Klägern als Nachbarn hinzunehmen.
Soweit sich die Kläger darauf berufen, dass durch das Bauvorhaben neue Einblicksmöglichkeiten in ihr Grundstück geschaffen würden, so liegt darin nach Auffassung des Gerichts keine unzumutbare Beeinträchtigung und damit auch kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Im dicht bebauten Innenstadtbereich – wie hier – ist es üblich und unvermeidlich, dass von der mehrgeschossigen Bebauung auf den Nachbargrundstücken jeweils auf die anliegenden Grundstücke geblickt werden kann. Beim vorliegenden Vorhaben ist durch die Zurückversetzung der Dachterrassen und der Wohnetagen ein je größerer Abstand zum Grundstück der Kläger gegeben, je höher der betreffende Gebäudeteil gelegen ist. Allein schon dadurch wird eine unzumutbare Beeinträchtigung verhindert, zumal es im Regelfall auch Sache jedes Grundstückseigentümers ist, sein Grundstück gegenüber unerwünschten Einblicken ab zu schirmen. Im Übrigen besteht an der nördlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks FlNr. … der Kläger durch die vorhandene Bebauung und die vorhandene Mauer bereits ein Sichtschutz, der durch die Begründung zumindest während der Vegetationszeit erheblich verstärkt wird. Unabhängig davon, ob einzelne Äste, die derzeit über die Grenze reichen, bestehen bleiben oder gekürzt werden müssen, bildet der vorhandene Bewuchs eine wirksame Abschirmung im Sommerhalbjahr, in dem der Aufenthalt im Freien besonders intensiv genutzt werden dürfte.
Damit steht für das Gericht fest, dass die Kläger kein abwehrfähiges Recht gegen das geplante Bauvorhaben für sich in Anspruch nehmen können, so dass die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren den Klägern aufzuerlegen, da die Beigeladene Anträge gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V.m. § 167 VwGO.
Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG, er war hier im Hinblick auf das anzunehmende wirtschaftliche Interesse der Kläger am Ausgang des Rechtsstreits gegenüber dem vorläufig festgesetzten auf den regelmäßig im Nachbarrechtsstreit verwendeten Streitwert von 7.500,00 EUR zu reduzieren.


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