Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen landwirtschaftliche Maschinenhalle

Aktenzeichen  W 4 K 16.833

Datum:
23.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 158738
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 5 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Durch die Bestimmung, dass die in § 5 Abs. 1 S. 1 BauNVO als Obersatz aufgeführten Nutzungsformen auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sowie deren Entwicklungsmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen haben (§ 5 Abs. 1 S. 2 BauNVO), ist das Wohnen infolge der ihm zumutbaren dorftypischen Immissionen hinsichtlich des Schutzes deutlich eingeschränkt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Emissionen, wie beispielsweise Maschinenlärm, sind in einem faktischen Dorfgebiet gebietstypisch und daher grundsätzlich nicht als unzulässige Störungen der in der Nachbarschaft vorhandenen Wohnnutzung anzusehen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Durchführung einer Ortsbesichtigung ist jedenfalls dann nicht notwendig, wenn für das Gericht aufgrund von Kartenmaterial, Fotos, Luftbildern oder auch von Schilderungen ortskundiger Verfahrensbeteiligter eine hinreichend sichere Beurteilungsgrundlage existiert. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Über die Klage konnte die Kammer vorliegend ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Parteien ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Baugenehmigung des Landratsamts M. vom 11. Juli 2016 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung können sich Dritte gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit auf der Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind, weil dieser in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (vgl. BVerwG v. 26.9.1991 – 4 C 5/87 – BVerwGE 89, 69; BayVGH v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris).
Solche schutzwürdigen Rechte hat der Kläger allerdings nicht, wie die Kammer in ihrem Beschluss vom 16. November 2016 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. W 4 S 16.1144), bestätigt durch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Februar 2017 (Az. 9 CS 16.2477), ausgeführt hat. Auf diese Beschlüsse wird ausdrücklich Bezug genommen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schriftsatz des Klägervertreters vom 29. März 2017, denn in diesem wird lediglich wiederholt, dass der Kläger nunmehr einer wesentlich höheren Lärmbelästigung in der Nähe seines Grundstücks und Wohnhauses ausgesetzt sei und die Wohnqualität durch die Maschinenhalle erheblich beeinträchtigt sei.
Der Klägervertreter verkennt bei diesem Vortrag, dass sich das Wohnhaus des Klägers, wie er selbst vorträgt, in einem faktischen Dorfgebiet am Rand des Außenbereichs befindet. Wie aber schon der Wortlaut des § 5 BauNVO zum Ausdruck bringt, ist in einem Dorfgebiet die Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe gegenüber dem Wohnen deutlich herausgehoben. Mit anderen Worten: Durch die Bestimmung, dass die in § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO als Obersatz aufgeführten Nutzungsformen auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sowie deren Entwicklungsmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen haben (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO), ist das Wohnen infolge der ihm zumutbaren dorftypischen Immissionen hinsichtlich des Schutzes deutlich eingeschränkt (so auch Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl., § 5, 1.1). Wenn der Klägervertreter demgegenüber in seinem Schriftsatz vom 29. März 2017 ausführt, derjenige, der sein Grundstück zum Wohnen nutze, genieße auch in einem Dorfgebiet gleichrangigen Schutz wie ein landwirtschaftliches Unternehmen, verkennt er diese Regelung des § 5 BauNVO.
Ebenso bestehen seitens des Gerichts keine Anhaltspunkte, dass der Kläger durch den Bau der Gerätehalle durch ihm nicht zumutbare Geräuschimmissionen belastet wird. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass in einem faktischen Dorfgebiet die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Emissionen, wie beispielsweise der Maschinenlärm, gebietstypisch sind und daher grundsätzlich nicht als unzulässige Störungen der in der Nachbarschaft vorhandenen Wohnnutzung anzusehen sind (vgl. BayVGH v. 12.7.2004 – 25 B 98.3351 – juris Rn. 30).
Soweit der Klägervertreter schließlich darauf hinweist, das Gebot der Rücksichtnahme sei durch den Neubau der Halle verletzt, weil diese den Kläger optisch unzumutbar beeinträchtige, wird auf den im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2016 (Az. 9 CS 16.2477) verwiesen, in dem der Senat überzeugend darlegt, dass dem Hallenbau vorliegend gerade keine erdrückende Wirkung zukommt. Weiterer Ausführungen hierzu bedarf es nicht.
Dem Antrag des Klägervertreters im Schriftsatz vom 29. März 2017 auf Durchführung eines Augenscheins, damit sich die Kammer selbst ein Bild über die tatsächlichen Verhältnisse mache, brauchte nicht nachgegangen zu werden. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass das Gericht Umfang und Art der Tatsachenermittlung nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen hat. Die Durchführung einer Ortsbesichtigung ist jedenfalls dann nicht notwendig, wenn für das Gericht aufgrund von Kartenmaterial, Fotos, Luftbildern oder auch von Schilderungen ortskundiger Verfahrensbeteiligter eine hinreichend sichere Beurteilungsgrundlage existiert (vgl. BVerwG v. 24.8.2015 – 9 B 34/15 – juris Rn. 4 m.w.N.). Das gilt nur dann nicht, wenn ein Beteiligter geltend macht, dass die Karten, Pläne und Lichtbilder in Bezug auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen und dies zutreffen kann (vgl. BVerwG v. 3.12.2008 – 4 BN 26/08 – juris). Dies ist vorliegend allerdings seitens des Klägers nicht vorgetragen worden.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus den vom Klägervertreter vorgelegten Bildern. Insbesondere lässt sich ihnen nicht die abriegelnde oder erdrückende Wirkung, die Voraussetzung dafür wäre, das Gebot der Rücksichtnahme zu bejahen, entnehmen.
Nachdem der Kläger durch die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung nicht in seinen Rechten verletzt ist, steht ihm auch kein Anspruch auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Da der Beigeladene sich nicht durch eigene Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Aufwendungen selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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