Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen Mehrfamilienhaus wegen Verschattung von Gewächshäusern eines Gartenbaubetriebs

Aktenzeichen  AN 9 K 15.02491

Datum:
6.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 45839
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, § 113 Abs. 1 S.1
StPO § 244 Abs. 3 S. 1, S. 2
BauGB § 34 Abs. 2
BayBO Art. 59, Art. 68 Abs. 1, Art. 81 Abs. 1
BauNVO § 4, § 6 Abs. 2 Nr. 6, § 15 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
ZPO § 209

 

Leitsatz

1 Es genügt nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. (Rn. 26) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Die Grenzen der maßgeblichen näheren Umgebung iSd § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation, in die das Grundstück eingebettet ist, zu bestimmen. (Rn. 34 – 35) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Eine unbebaute Fläche unterbricht nicht den Bebauungszusammenhang, wenn sie von der umgebenden Bebauung so geprägt wird, dass aus ihr hinreichende Zulässigkeitsmerkmale für ihre Bebauung entnommen werden können. Daran fehlt es, wenn die Fläche wegen ihrer Größe einer von der Umgebung unabhängigen gesonderten städtebaulichen Entwicklung und Beplanung fähig ist. (Rn. 35) (red. LS Alexander Tauchert)
4 Vor dem Hintergrund der bodenrechtlichen Irrelevanz wirtschaftlicher Rentabilitätseinbußen war der vom Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag nach §§ 98, 86 VwGO in entsprechender Anwendung von § 244 Abs. 3 S. 1, 2 StPO abzulehnen. (Rn. 55) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Beklagten vom 4. Dezember 2015 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 68 Abs. 1 BayBO darf eine Baugenehmigung nur versagt werden, wenn das Vorhaben im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Der dem Bauvorhaben benachbarte Kläger kann die Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch dem nachbarlichen Schutz dienen, weil dieser in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 5/87 – BVerwGE 89, 69; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris m. w. N.). Es genügt somit nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren aber nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 – 4 B 244/96 -, NVwZ 1998, 58; BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08/2132 – juris Rn. 3).
Die Klage des Klägers bleibt ohne Erfolg, weil der angefochtene Bescheid nicht an einem derartigen Mangel leidet. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 4. Dezember 2015 nicht in seinen Rechten verletzt, so dass ihm kein Anspruch auf Aufhebung dieser Baugenehmigung zusteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die angefochtene Baugenehmigung wurde im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO erteilt. Prüfungsumfang ist insoweit die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO sowie beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayBO). Da die Prüfung der Abstandsflächenvorschriften im Prüfprogramm des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nicht enthalten ist, kann sich der Kläger nicht auf die Verletzung von Nachbarrechten wegen Nichteinhaltung von Abstandsflächen berufen (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 12.12.2013 – 2 ZB 12.1513 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 17.3.2014 – 15 CS 13.2648 – juris Rn. 14). Die Prüfung und Zulassung einer Abweichung von abstandsrechtlichen Vorschriften führt nicht zu einer Erweiterung des Prüfungsrahmens des Art. 59 BayBO (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – juris Rn. 15). Darüber hinaus kann jede Verkürzung einer Abstandsflächentiefe durch eine Abweichung nur den Nachbarn in seinen Rechten verletzen, dessen Grundstück der betreffenden Außenwand gegenüberliegt (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2000 – Gr.S. 1/1999 – 14 B 97.2901 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 29.10.2015 – 2 B 15.1431 -, juris Rn. 3).
Die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens ist anhand der Regelung des § 34 BauGB zu beurteilen, da für das maßgebliche Gebiet kein Bebauungsplan besteht und sich das Baugrundstück innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile befindet.
Eine Verletzung klägerischer Rechte durch die erteilte Baugenehmigung ist vorliegend nicht ersichtlich, da das Bauvorhaben der Beigeladenen sich nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und auch nicht das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.
Der Begriff des Einfügens hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ist nachbarschützend (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – DVBl, 1994, 284), weil die Eigentümer von Grundstücken in einem „faktischen“ Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB) das Recht haben, sich im Rahmen ihres Gebietsbewahrungsanspruches (Gebietserhaltungsanspruch) gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Der Anspruch beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) hat jeder Eigentümer – unabhängig davon, ob er tatsächlich beeinträchtigt ist – das Recht, sich gegen eine „schleichende Umwandlung“ des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen (BVerwG vom 16.9.1993, a. a. O.). In einem „faktischen“ Baugebiet ist der Anspruch in räumlicher Hinsicht auf die Grundstücke begrenzt, die zur näheren Umgebung (§ 34 Abs. 2 Satz 1 BauGB) des Baugrundstücks zählen (BVerwG, B.v. 20.8.1998 – 4 B 79/98 -, NVwZ-RR 1999, 105).
Als „nähere Umgebung“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB kommen nicht nur die unmittelbaren Nachbargrundstücke in Betracht, vielmehr muss die nähere Umgebung insoweit berücksichtigt werden, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, S. 369 ff. sowie zuletzt BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38/13 – juris Rn. 7 m.w.N;; B.v. 28.7.2004 – 2 B 03.54 – juris; B.v. 2.5.2006 – 2 B 05.787 – juris; B.v. 2.10.2014 – 15 ZB 13.819 – juris Rn. 6). Auch für die Beurteilung eines Bereichs als faktisches Baugebiet ist die nähere Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblich (BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 4 B 1/00 = juris Rn. 16). (BVerwGE 55, 369/380). Als ein derartiger Bereich gegenseitiger Beeinflussung und Prägung kann bei Wohnbauvorhaben in der Regel das betreffende Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite angesehen werden (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris; U.v. 10.7.1998 – 2 B 96.2819 – juris Rn. 25).
Abzustellen ist auf die tatsächlich vorhandene Bebauung der Umgebung. Die Grenzen der maßgeblichen näheren Umgebung sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation, in die das Grundstück eingebettet ist, zu bestimmen. Der Baubestand bestimmt den Maßstab für die weitere Bebauung mit (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 5/98 – NVwZ 1999, 523; BayVGH, U. v. 13.9.2012 – 2 B 12.109 – juris Rn. 26). Maßgeblich ist die im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung tatsächlich vorhandene Bebauung bzw. die tatsächlich ausgeübte Nutzung (BVerwG, U.v. 27.8. 1998 – a. a. O.). Unbebaute Grundstücke sind nicht deshalb wie bebaute zu behandeln, weil ihre Bebauung beabsichtigt und auch schon genehmigt ist (BVerwG U.v. 26.11. 1976 – 4 C 69.74 – juris Rn. 16). Eine eingestellte Nutzung behält ihre prägende Wirkung solange, wie nach der Verkehrsauffassung mit der Aufnahme einer gleichartigen Nutzung gerechnet werden kann (vgl. BVerwG U.v. 3.2.1984 – 4 C 25.82 – juris Rn. 25). Für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen unbebaute Flächen, die zwischen den bebauten Grundstücken liegen, den Zusammenhang unterbrechen, sind geographisch-mathematische Maßstäbe ungeeignet (vgl. BVerwG, B.v. 18.6.1997 – 4 B 328.96 – NVwZ-RR 1998, 157). Auch auf die Anzahl der unbebauten Grundstücke kommt es nicht entscheidend an. Ausschlaggebend ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zusammengehörigkeit vermittelt und die umgebende Bebauung das betreffende Grundstück in einer Weise prägt, dass hieraus die Merkmale für eine hinreichende Zulässigkeitsbeurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB entnommen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 9.9.2015 – 1 B 15.251 -, Rn. 15, juris; BVerwG, U.v. 1.12.1972 – 4 C 6.71 -; Urt. v. 26.5. 1978 – 4 C 9.77 -; Urt. v. 22.6. 1990 – 4 C 6.87-). Eine unbebaute Fläche unterbricht nicht den Bebauungszusammenhang, wenn sie von der umgebenden Bebauung so geprägt wird, dass aus ihr hinreichende Zulässigkeitsmerkmale für ihre Bebauung entnommen werden können. Daran fehlt es, wenn die Fläche wegen ihrer Größe einer von der Umgebung unabhängigen gesonderten städtebaulichen Entwicklung und Beplanung fähig ist.
Nach diesen Maßstäben ergibt sich aufgrund der Erkenntnisse im Augenschein für den vorliegenden Fall folgendes: Der maßgebliche Umgriff, der die Bebauung der Vorhabengrundstücke prägt, wird im Süden durch die …, im Westen durch die … Straße und im Norden und Osten durch den …weg und deren beiderseitige Bebauung gebildet. Die genehmigte aber noch nicht realisierte Wohnbebauung auf den Grundstücken FlNr. … und … der Gemarkung … kann unter Berücksichtigung dessen, dass auf die tatsächlich vorhandene Bebauung der Umgebung abzustellen ist, (noch) keine Berücksichtigung finden. Auch wenn sich die auf diesen Grundstücken befindliche, lang gezogene Freifläche bzw. Baustelle auf mehrere Grundstücke erstreckt, weisen die betreffenden Grundstücke nicht eine solche Größe auf, die auf einen entsprechenden Planungsbedarf hinweisen würde. Vielmehr nehmen die auf diesen Grundstücken derzeit bestehenden Freiflächen gleichwohl am Bebauungszusammenhang teil, zumal der Eindruck von der … und der … Straße eher für eine Baulücke spricht als für eine Unterbrechung des Bebauungszusammenhangs. Der insoweit bestehenden Baulücke kommt somit keine trennende Wirkung für die Umgebungsbebauung zu. Der nach § 34 Abs. 1 BauGB zu ziehende Rahmen lässt sich gerade bei den vorliegenden inhomogenen Bau- und Nutzungsstrukturen nicht nur auf die unmittelbar nördlich und südlich angrenzenden Grundstücke begrenzen.
Nach den Feststellungen im Augenschein hinsichtlich der tatsächlichen Nutzungen in dem so bestimmten Rahmen ist nach Auffassung der Kammer vom Vorliegen einer Gemengelage zwischen Wohnen und gewerblicher Nutzung auszugehen. Gegen die Annahme eines von Klägerseite angeführten faktischen Gewerbegebiets nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 8 BauNVO spricht jedenfalls der hohe Wohnanteil, der selbst bei Annahme einer trennenden Wirkung der zur Bebauung anstehenden Grundstücke FlNr. … und … der Gemarkung … mit den Wohnnutzungen auf den Grundstücken FlNr. … und … der Gemarkung … zu berücksichtigen wäre. Da (nicht betriebsbezogene) Wohnnutzungen im Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO sowohl allgemein als auch ausnahmsweise unzulässig sind, muss eine Gebietsqualifizierung als faktisches Gewerbegebiet mithin ausscheiden.
Als maßstabsprägend dürfte neben dem klägerischen Gartenbaubetrieb auch noch die vor kurzem eingestellte Nutzung der bestehenden Lagerhallen für den Bauhof der Beklagten auf dem Vorhabengrundstück selbst zu berücksichtigen sein. Deshalb und auch aufgrund der prägenden Wirkung des auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … benachbarten Zimmereibetriebes mit Sägewerk, der nach der gebotenen typisierenden Betrachtung gerade angesichts der vorhandenen Anlagen und Maschinen ungeachtet des derzeitigen Betriebsumfangs ebenso wie das Bauhoflager als wesentlich störender Gewerbebetrieb anzusehen ist, entspricht die Umgebungsbebauung auch nicht einem faktischen Mischgebiet i. S.v. § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 BauNVO. Da auch ein Wohngebiet wegen der gewerblichen Nutzungen ausscheidet, liegt hier eine Gemengelage vor, so dass ein Gebietserhaltungsanspruch nicht gegeben ist. Aber selbst bei Annahme eines faktischen Mischgebietes gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 BauNVO würde sich das streitgegenständliche Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 1 BauGB in die Umgebungsbebauung einfügen. Unter Berücksichtigung der vorhandenen und weiterhin maßstabsbildenden gewerblichen Nutzungen innerhalb der Umgebungsbebauung ist ein „Kippen“ des Gebietscharakters in ein faktisches allgemeines Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 BauNVO durch Zulassung des streitgegenständlichen Vorhabens und damit eine Verletzung eines möglichen faktischen Gebietsbewahrungsanspruches nicht gegeben.
Somit erweist sich die maßgebliche Umgebungsbebauung nach Auffassung der Kammer als Gemengelage zwischen erheblichen Wohnanteilen und verschiedenen z.T. großflächigen oder auch wesentlich störenden gewerblichen Einheiten. In diese Gemengelage fügt sich das streitgegenständliche Wohnbauvorhaben nach seiner Art gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ein. In derartigen städtebaulichen Gemengelagen, also in Gebieten mit aufeinanderprallenden, unterschiedlichen Nutzungen, sind spezifische Rücksichtnahmepflichten einzufordern (z. B. Mittelwertbildung der Richtwerte hinsichtlich der Lärm- und Geruchsimmissionen) (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2014 – 9 B 10.1979 – juris Rn. 21; BVerwG, B.v. 28.9.1993 – 4 B 151/93 – juris Rn. 12). Ob aufgrund des bedeutsamen Wohnanteils in der maßgeblichen Umgebungsbebauung unter Berücksichtigung der gegenseitigen spezifischen Rücksichtnahmepflichten in einer Gemengelage der südlich des Vorhabengrundstücks gelegene Betrieb der Zimmerei einem Einfügen des Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung entgegensteht, kann offen bleiben. Jedenfalls kann der Kläger nicht die Einhaltung des Rücksichtnahmegebotes gegenüber diesem Grundstückseigentümer beanspruchen.
Rechte des Klägers werden auch nicht hinsichtlich der Bauweise, der überbauten Grundstücksfläche und des Maßes der baulichen Nutzung, insbesondere der Gebäudehöhe des Vorhabens verletzt. Diese vermitteln grundsätzlich keinen Nachbarschutz, weil sie in aller Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und – anders als die Bestimmungen über die Art zulässiger Nutzungen – kein nachbarliches Austauschverhältnis der betroffenen Grundstücke begründen. Regelungen über das Maß baulicher Anlagen sind grundsätzlich ausschließlich im öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Fortentwicklung der städtebaulichen Ordnung erlassen und nicht (auch) dem Schutz der Nachbarn zu dienen bestimmt (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – NVwZ 1996, 888; BayVGH, B.v. 25.1.2013 – 15 ZB 13.68 – juris). Soweit der Kläger vorträgt, er habe aufgrund der bisherigen Bebauung des Vorhabengrundstückes und der Umgebungsbebauung nicht mit einer Bebauung in diesem Ausmaß rechnen müssen, kann dies mangels nachbarschützender Funktion der Bestimmungen über das Maß der baulichen Nutzung nicht durchgreifen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn durch ein Übermaß an baulicher Nutzung das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist.
Das Gebot der Rücksichtnahme findet im unbeplanten Innenbereich im Rahmen des § 34 BauGB über das Tatbestandsmerkmal des „Sich-Einfügens“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Beurteilung. Es soll dabei einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und vermittelt insofern Drittschutz, als die Baugenehmigungsbehörde hierdurch gezwungen wird, in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten. Die insofern vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist, was sich wiederum nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke beurteilt. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellungnahme des Rücknahmebegünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 40).
Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich das mit Baugenehmigung des Beklagten vom 4. Dezember 2015 genehmigte Bauvorhaben des Beigeladenen weder hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung noch hinsichtlich einer damit verbundenen Verschattungswirkung auf den Gartenbaubetrieb des Klägers als rücksichtslos.
Ein rücksichtsloses Übermaß an baulicher Nutzung ist vorliegend nach den Erkenntnissen des Augenscheins und des vorgefundenen Maßes der Umgebungsbebauung nicht ersichtlich. Nach den Ergebnissen des Ortsaugenscheins vom 6. April 2016 ist das maßgebliche Bauquartier auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung heterogen geprägt. Das Bauvorhaben der Beigeladenen erweist sich gerade hinsichtlich der geplanten Gebäudehöhe unter Berücksichtigung der auf dem Grundstück des Klägers vorhandenen Bebauung, die eine vergleichbare Höhe aufweist, nicht als rücksichtslos.
Das Bauvorhaben entfaltet auch unter Berücksichtigung der Länge des Baukörpers von Haus 1 gegenüber dem Kläger keine unzumutbare abriegelnde oder erdrückende Wirkung.
Eine unzumutbare „Riegelwirkung“, „Einmauerung“ oder „erdrückende Wirkung“ kommt – unabhängig von der Einhaltung der Abstandsflächen – vor allem bei übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu Nachbarwohnhäusern in Betracht (vgl. BayVGH, U.v. 11.5.2010 – 15 N 08.850 – juris Rn. 39 mit Verweis auf BVerwG vom 13.3.1981 DVBl. 1981, 928: zwölfgeschossiges Gebäude in Entfernung von 15 m zum Nachbarwohnhaus; vom 23.5.1986 DVBl. 1986, 1271: 11,50 m hohe Siloanlage in 6 m Abstand zu einem Wohnanwesen). Eine solche abriegelnde oder erdrückende Wirkung ist angesichts des Abstandes des Vorhabens zu dem Wohngebäude des Klägers von über 20 m nicht ersichtlich, zumal das Wohnhaus des Klägers selbst von der Höhe her mit dem Bauvorhaben vergleichbar ist.
Das streitgegenständliche Bauvorhaben der Beigeladenen verletzt auch hinsichtlich der Verschattungswirkung nicht das Gebot der Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Es löst insoweit keine unzumutbaren bodenrechtlichen Spannungen aus.
Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt eine Korrekturfunktion im Zulässigkeitsrecht des § 34 BauGB zu, es entspricht etwa dem des § 15 Abs. 1 BauNVO im Falle der bauplanungsrechtlichen Beurteilung von Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen. Insbesondere wenn sich in der unmittelbaren oder näheren Nachbarschaft eines Vorhabens gesteigert schutzwürdige Anlagen befinden, soll die Zulässigkeit des Vorhabens nicht ohne Rücksicht auf diese Schutzwürdigkeit der unmittelbaren Umgebung oder der Umgebung in einer bestimmten Richtung allein deswegen gegeben sein, weil es die insgesamt vorhandene Bebauung einhält (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Kom., Stand 11/2015, § 34 Rn. 48). Andererseits ist auf der Seite des Bauherren das ebenfalls berechtigte Interesse an der Ausführung des Bauvorhabens, insbesondere an der Bebaubarkeit des Grundstückes in Übereinstimmung mit der Umgebungsbebauung zu berücksichtigen. Im Rahmen der daraus folgenden Gegenseitigkeit des Gebots der Rücksichtnahme ist eine Interessenabwägung der beiderseitigen Belange erforderlich.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung zumindest aus tatsächlichen Gründen im Regelfall nicht verletzt sein wird, wenn die Abstandsvorschriften – wie hier – eingehalten sind (BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.99 – BayVBl 1999, 568; BayVGH, B.v. 12.12.2013 – 15 CS 13.1561 – juris Rn.15; B.v. 4.5.2011 – 15 ZB 10.201 – juris). Denn in Bezug auf eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung ist das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme vom Landesgesetzgeber in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften konkretisiert worden (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151 ff.). Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier hinsichtlich des 3-geschossigen Baukörpers – die regelgerechte Abstandsfläche von 1 H nach Art. 6 Abs. 5 S. 1 BayBO eingehalten wird.
Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn ebenso wenig das Recht, vor einer Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben wie vor jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung seines Grundstücks (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 14; B.v. 11.9.2012 – 15 ZB 12.1456 – juris Rn. 4). Als berechtigte Nachbarinteressen können nur solche Belange in Betracht kommen, die überhaupt städtebaulicher Art und im Hinblick auf die grundsätzliche Bebaubarkeit von Grundstücken von überwiegendem Gewicht sind. Von vornherein unbeachtlich sind mithin wettbewerbliche Gesichtspunkte, der Bestand eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes, Wertminderungen durch Umsatzeinbußen oder dass überhaupt auf dem Nachbargrundstück gebaut wird (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2016 – 15 CS 16.244 -, juris Rn. 24; B.v. 12.12.2013 – 15 CS 13.1561 – juris Rn. 15).
Zur Schutzwürdigkeit der Erwartung einer rentablen Betriebsführung führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 1. März 2016 (Az. 15 CS 16.244, juris Rn. 24, 27) folgendes aus:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 5/87 – BVerwGE 89, 69 = juris Rn. 40 unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Rechtsprechung; BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13/94 – BVerwGE 101, 364 = juris Rn. 40 ff.; BVerwG, U.v. 7.11.1997 – 4 C 7/97 – NVwZ 1998, 735 = juris Rn. 20 f.; siehe auch BayVGH, B.v. 23.2.2012 – 14 CS 11.2837 – juris Rn. 42 m. w. N.) kommt ein unmittelbarer Rückgriff auf Art. 14 GG zur Begründung des Nachbarrechtsschutzes wegen eines schweren und unerträglichen Eigentumseingriffs grundsätzlich nicht mehr in Betracht, weil der Gesetzgeber in Ausfüllung seines legislatorischen Gestaltungsspielraums aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nachbarliche Abwehrrechte verfassungskonform ausgestaltet hat und insofern unter Einschluss der Grundsätze des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots ein geschlossenes System des nachbarlichen Drittschutzes bereitstellt. Insbesondere Wertminderungen als Folge der Nutzung einer Baugenehmigung für das Nachbargrundstück bilden daher für sich genommen oder am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 GG bzw. über das Gebot der Rücksichtnahme hinaus keinen Maßstab für die Zulässigkeit eines Vorhabens (BayVGH, B.v. 14.1.2003 – 14 CS 02.2395 – juris Rn. 7, 8). Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden, gibt es nicht. Eine Schutzgewähr besteht insoweit nur nach Maßgabe des einschlägigen einfachgesetzlichen Rechts (vgl. BVerwG, B.v. 13.11.1997 – 4 B 195/97 – NVwZ-RR 1998, 540 = juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 1.12.2008 – 15 CS 08.2546 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 17.6.2010 – 15 ZB 09.2132 – juris Rn. 15). Soweit der Schutzbereich des Art. 14 GG überhaupt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erfassen sollte, wäre im Übrigen hiervon allein die „Substanz“ der Sach- und Rechtsgesamtheit erfasst, nicht jedoch künftige Verdienstmöglichkeiten, in der Zukunft liegende Chancen oder Absatzmöglichkeiten oder die Erwartung, dass ein Unternehmen auch in Zukunft rentabel betrieben werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 u. a. – BVerfGE 105, 252/278; HessVGH, U.v. 13.2.2014 – 3 C 833/13.N – NVwZ-RR 2014, 673 = juris Rn. 28, m. w. N.). Es gibt kein subjektives verfassungsmäßiges Recht auf Erhaltung des Geschäftsumfanges und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten (so bereits BVerfG, B.v. 16.10.1968 – 1 BvR 241/66 – BVerfGE 24, 236/251; BVerwG, U.v. 22.2.1972 – I C 24.69 – BVerwGE 39, 329/336 f.). (…)
Rücksicht zu nehmen ist allerdings nur auf solche Individualinteressen, die wehrfähig sind, weil sie nach der gesetzgeberischen Wertung, die im materiellen Recht ihren Niederschlag gefunden hat, schützenswert sind (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – NVwZ 2005, 328 = juris Rn. 11 m. w. N.). Der jeweils betroffene Nachbar kann sich dabei nur auf solche Interessen berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – NVwZ 1994, 686 = juris Rn. 18, 19). Nicht schutzwürdig in diesem Sinn ist das Interesse eines Grundeigentümers an der Erhaltung einer gegebenen Situation, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht (zur Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren: BVerwG, B.v. 2.8.2007 – 4 BN 29/07 – juris Rn. 6 m. w. N.). Ein Abwehranspruch kann daher allenfalls gegeben sein, wenn eine vorgetragene Wertminderung die Folge einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks ist (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.1992 – 4 B 60/92 – juris Rn. 6; BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13/94 – BVerwGE 101, 364 = juris Rn. 73 m. w. N.; BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 15 ZB 15.1404 – juris Rn. 15).“
Zur Frage der Relevanz von Wertminderungen im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2016 (Az. 9 ZB 12.839, juris Rn. 24) folgendes aus:
„Bloße Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung – hier also etwaige Ertragseinbußen im Fall einer dem Bauvorhaben nachfolgenden Erstaufforstung – bilden für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht. Denn einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden, gibt es nicht (vgl. BVerwG, B.v. 13.11.1997 – 4 B 195/97 – NVwZ-RR 1998, 540 = juris Rn. 6 m. w. N.).“
Allenfalls in Fällen, in denen das genehmigte Bauvorhaben eine unmittelbar gegenständliche Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes beispielsweise durch ein entstehendes Notwegerecht zur Folge hat, kann Art. 14 GG beim Nachbarrechtsschutz im öffentlichen Baurecht noch von Bedeutung sein. Eine solche oder vergleichbare Situation ist vorliegend aber nicht gegeben.
Dass seitens des Klägers aufgrund seines betrieblichen Interesses an optimaler Besonnung bodenrechtlich die Einhaltung weitergehender Abstandsflächen beansprucht werden könnte, ist nicht anzunehmen. Zur Verschattungswirkung einer baulichen Anlage auf eine Photovoltaikanlage hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2013 (Az. 15 CS 13.1561, juris Rn. 15) folgendes ausgeführt:
„Ein Ausnahmefall liegt nicht deswegen vor, weil die Antragstellerin auf dem Dach ihrer Halle eine Photovoltaikanlage aufgebracht hat und demgemäß nicht nur „ein bisschen weniger Sonne und Licht“, sondern „massive finanzielle Einbußen“ hinzunehmen seien. Denn Wertminderungen bilden für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinn des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, wie schutzwürdig die baurechtliche Stellung des Betroffenen ist. Je weniger der Nachbar in dieser Hinsicht an Rücksichtnahme verlangen kann, mit desto geringerem Gewicht schlägt der Gesichtspunkt von Wertminderungen bei der gebotenen Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu Buche. Der Nachbar, der sich seine Bauwünsche erfüllt hat, hat es nicht in der Hand, durch die Art und Weise seiner Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit anderer Grundstücke zu nehmen. Die Baugenehmigung schafft keine Grundlage dafür, weitere Vorhaben mit dem Argument abzuwehren, für das behördlich gebilligte eigene Baukonzept sei von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, dass der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks die Nutzungsmöglichkeiten, die das Baurecht an sich eröffnet, nicht voll ausschöpft (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – NVwZ-RR 1997, 516).“
Nach diesen Maßstäben vermögen die geltend gemachten Ertragseinbußen infolge einer Teilverschattung durch das Vorhaben in den Wintermonaten nicht eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens zu begründen. Vielmehr ist vorliegend schutzmindernd die bestehende Situationsbelastung des klägerischen Grundstückes zu berücksichtigen. Die Gewächshäuser des klägerischen Gartenbaubetriebes befinden sich in innerstädtischer Lage sehr nahe an der Grenze zum Vorhabengrundstück. Wenngleich die Errichtung der Gewächshäuser für den Erwerbsgartenbau in Abweichung von gesetzlichen Abstandsflächen nach Art. 7 Abs. 2 S. 1 BayBO 1998 ohne Einhaltung von Abstandsflächen ursprünglich zulässig gewesen sein mag, kann hieraus nicht ein Anspruch auf eine beschränkte Bebaubarkeit des Nachbargrundstückes resultieren. Unter Berücksichtigung dessen, dass Wertminderungen oder der Erhalt einer benachbarten Bebauung bodenrechtlich nicht als schutzwürdig anzusehen sind, reichen wirtschaftliche Einbußen allein nicht aus, um eine benachbarte Bebauung, die im Einklang mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht, abzuwehren. Vielmehr dürften dem Kläger unbeschadet einer verminderten Rentabilität insofern Maßnahmen der Selbsthilfe ggf. durch entsprechende Beleuchtungseinrichtungen zumutbar sein, zumal sich die Verschattung allenfalls in den Wintermonaten und insoweit nur für einen Teil der klägerischen Produktionsflächen ergibt.
Vor dem Hintergrund der bodenrechtlichen Irrelevanz wirtschaftlicher Rentabilitätseinbußen war der vom Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag nach §§ 98, 86 VwGO in entsprechender Anwendung von § 244 Abs. 3 S. 1, 2 StPO abzulehnen. Hinsichtlich des von Klägerseite beantragten Beweises einer Existenzgefährdung durch das Bauvorhaben fehlte substantiierter Sachvortrag des Klägers, insbesondere zum Umfang der Beeinträchtigung seiner Produktion im Hinblick auf den Lichtbedarf durch Schattenwurf, zur betrieblichen Notwendigkeit, gerade in den beschatteten Gewächshausanteilen zu produzieren und zu der Frage, ob und inwieweit durch betriebliche Veränderungen (z. B. veränderte Produktionsflächen oder Anbauten) eine unzumutbare Beeinträchtigung seines Betriebes vermeidbar wäre. Schlussfolgerungen aus nicht vorgetragenen Tatsachen sind als Wertungen einem Beweis jedoch nicht zugänglich. Es handelt sich insoweit bereits um einen Beweisermittlungsantrag „ins Blaue hinein“, der hinreichende tatsächliche Anknüpfungspunkte für die Formulierung einer konkreten, der sachverständigen Beurteilung zugänglichen konkreten Beweisfrage erst schaffen soll (vgl. VGH BW, U.v. 18.11.2010 – 5 S 2112/09 – juris Rn. 49). Selbst wenn man die Frage einer Existenzgefährdung als hinreichendes Beweisthema ansehen wollte, kommt es vorliegend aufgrund der bodenrechtlich nicht beachtlichen Schutzwürdigkeit von Wert- und Vermögenseinbußen im Verhältnis zur benachbarten baulichen Ausnutzung des Grundstückes nicht auf die beantragte Beweiserhebung an. Über das bereits vorgelegte Gutachten des Sachverständigen … hinsichtlich der Verschattungswirkung des Vorhabens und die sachverständigen Äußerungen des Amtes für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten waren weitere Beweiserhebungen über die Auswirkungen des Bauvorhabens auf den klägerischen Betrieb nicht angezeigt.
Mangels Verletzung nachbarschützender Rechte, auf die allein sich der Kläger berufen kann, war die Klage gegen die Baugenehmigung des Landratsamts … vom 4. Dezember 2014 daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch nicht einer möglichen Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf § 173 VwGO i. V. m. § 209 ZPO.


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