Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen Verwaltungsgebäude und Parkhaus

Aktenzeichen  15 ZB 18.948

Datum:
8.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 252
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34

 

Leitsatz

Ein Bauvorhaben, das die aufgrund der Vorbelastung durch bestehende umliegende Gewerbenutzungen zugunsten des Nachbarn reduzierten Immissionsrichtwerte einhält, kann als eine das Wohnen nicht wesentlich störende Gewerbenutzung gewertet werden. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 17.354 2018-03-01 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich als Grundstücksnachbar gegen einen der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid (Bescheid vom 20.2.2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11.9.2017) zu Fragen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des geplanten Neubaus eines Verwaltungsgebäudes, einer Parkgarage (Großgarage = Parkhaus) und der Erweiterung eines Laborgebäudes sowie der Einhaltung hierfür bauordnungsrechtlich erforderlicher Abstandsflächen.
Das Verwaltungsgericht Augsburg hat die auf Aufhebung des genannten Bauvorbescheids gerichtete Klage mit Urteil vom 1. März 2018 abgewiesen. Der Bauvorbescheid verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die beabsichtigte gewerbliche Nutzung des geplanten Neubaus halte sich „innerhalb der in der näheren Umgebung vorzufindenden Variationsbreite prägender Nutzungen“, wobei offen bleiben könne, ob es sich bei dem in der näheren Umgebung vorzufindenden „Nebeneinander von tatsächlicher Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung“ um eine „bloße Gemengelage“ handele oder „bereits der Gebietscharakter eines Mischgebiets im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO erreicht“ werde. Das streitgegenständliche Vorhaben sei jedenfalls ein das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb und auch in einem (faktischen) Mischgebiet seiner Art nach bauplanungsrechtlich allgemein zulässig (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO). Der Zulässigkeit des Bauvorhabens stehe nicht das vom Kläger geltend gemachte Erfordernis der Aufstellung eines Bebauungsplans entgegen. Das Bauvorhaben der Beigeladenen verstoße ferner nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Die aufgrund der (Lärm-) Vorbelastung durch bestehende umliegende Gewerbenutzungen reduzierten Immissionsrichtwerte (für ein Mischgebiet) würden tagsüber als auch nachts deutlich unterschritten. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass das Parkhaus an der Nordseite – zum Kläger hin – lediglich das Maß H/2 wahre, weil der Kläger mit seinem Gebäude (genehmigt als Betriebsleiterwohnung) an seiner Südseite insoweit ebenfalls lediglich das Maß H/2 einhalte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger im Wesentlichen unter Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Für die Zulässigkeit des Bauvorhabens sei ein Bebauungsplan erforderlich, welcher die im Baugebiet bestehende „Gemengelage“ mit dem Ziel regle, ein verträgliches Nebeneinander der bestehenden Wohnsowie Gewerbenutzungen zu gewährleisten. Es handele sich bei dem Bauvorhaben im Hinblick auf die Lärmbelastung um eine das Wohnen wesentlich störende Gewerbenutzung, welche den Gebietserhaltungsanspruch des Klägers verletze. Die von der Beigeladenen im behördlichen Verfahren vorgelegte Schalltechnische Untersuchung des Bauvorhabens vom 31. Oktober 2016 sei „unvollständig und fehlerhaft“. Das Bauvorhaben verstoße in Bezug auf die Lärmbelastung sowie die „erdrückende“ Wirkung der Gebäude ferner gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das Bauvorhaben halte im Übrigen mit seiner geplanten Parkgarage zum Grundstück des Klägers hin nicht die abstandsflächenrechtlich gebotene Tiefe von 1 H ein. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 11. Mai 2018 verwiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene widersetzen sich dem Zulassungsantrag des Klägers.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht stellt zu Recht fest, dass der Kläger durch den streitgegenständlichen Bauvorbescheid nicht in seinen Rechten verletzt wird. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Der Kläger setzt sich im Zulassungsverfahren mit den Gründen des angefochtenen Urteils nicht hinreichend auseinander und legt damit nicht substantiiert dar, weshalb ernstliche Zweifel hieran bestehen sollen.
a) Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass für die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens weder ein Bebauungsplan erforderlich ist, noch es sich bei dem Bauvorhaben im Hinblick auf die Lärmbelastung um eine das Wohnen wesentlich störende Gewerbenutzung handelt oder das Bauvorhaben gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass sich die beabsichtigte gewerbliche Nutzung des Bauvorhabens „innerhalb der in der näheren Umgebung vorzufindenden Variationsbreite prägender Nutzungen“ hält, ist aus Sicht des Senats nicht ernstlich zweifelhaft. Das Verwaltungsgericht musste in diesem Zusammenhang auch nicht entscheiden, ob es sich bei dem in der näheren Umgebung vorzufindenden „Nebeneinander von tatsächlicher Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung“ um eine „bloße Gemengelage“ handele oder ob „bereits der Gebietscharakter eines Mischgebiets im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO erreicht“ wird, weil das Bauvorhaben das Wohnen nicht wesentlich stört und deshalb planungsrechtlich auch in einem Mischgebiet (allgemein) zulässig ist. Die rechtliche Wertung des Bauvorhabens als ein das Wohnen nicht wesentlich störendes Gewerbe, welches die aufgrund der Vorbelastung durch bestehende umliegende Gewerbenutzungen bereits zugunsten des Klägers reduzierten Immissionsrichtwerte (für ein Mischgebiet) sowohl tagsüber als auch nachts deutlich unterschreitet, ist vom Kläger nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden. Der Senat hat ebenso wie das Verwaltungsgericht keine Bedenken gegen die Richtigkeit der von der Beigeladenen im behördlichen Verfahren vorgelegten Schalltechnischen Untersuchung des Bauvorhabens vom 31. Oktober 2016, die erstinstanzlich erörtert und gerichtlich gewürdigt worden ist.
b) Zu Recht geht das Verwaltungsgericht ferner davon aus, dass das Bauvorhaben gegenüber dem Kläger auch sonst das Gebot der Rücksichtnahme beachtet. Der Einwand, das Bauvorhaben habe eine „erdrückende“ (und verschattende) Wirkung, setzt lediglich die klägerische subjektive Wertung an die Stelle der gerichtlichen Würdigung, ohne letztere damit ernstlich in Zweifel ziehen zu können. Der Kläger, dessen Wohnung selbst (nur) als Betriebsleiterwohnung genehmigt ist, konnte nicht erwarten, dass die bisherige große Freifläche vor seinem Grundstück weiterhin erhalten bleibt und die gewerbliche Bebauung nicht höher und näher an sein Gebäude heranrückt als bisher.
c) Der Kläger wiederholt schließlich im Zulassungsverfahren lediglich seinen erstinstanzlichen Einwand, das Bauvorhaben halte mit seiner geplanten Parkgarage zum Grundstück des Klägers hin nicht die abstandsflächenrechtlich gebotene Tiefe von 1 H ein. Das Verwaltungsgericht führt demgegenüber aus, dass das Parkhaus an der Nordseite – zum Kläger hin – das Maß H/2 wahre und der Kläger – „aufgrund der gebotenen wechselseitigen Betrachtung der Wahrung der Abstandsflächen“ kein höheres Schutzniveau für sich beanspruchen könne, weil er selbst mit dem Gebäude an seiner Südseite ebenfalls lediglich das Maß H/2 einhalte. Mit dieser rechtlichen Würdigung setzt sich der Kläger nicht auseinander. Zu Recht weist die Beigeladene im Zulassungsverfahren demgegenüber auch darauf hin, dass sich die Abstandsflächen der beiden betroffenen Gebäude – wegen ihrer Situierung – nicht bezüglich der südlichen klägerischen Fassadenseite, sondern allenfalls bezüglich der westlichen klägerischen Fassadenseite überdecken; eine Überdeckung ist insoweit jedoch zulässig, weil die Außenwände in einem Winkel von mehr als 75 Grad zueinander stehen (vgl. Art. 6 Abs. 3 Nr. 1 BayBO). Auf eine Verletzung des Abstandsflächenrechts zu seinem Nachteil kann sich der Kläger daher vorliegend nicht berufen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Kläger trägt billigerweise auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, weil jene zum klägerischen Vorbringen im Zulassungsverfahren Stellung genommen und das gerichtliche Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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