Baurecht

Erfolgloser Eilantrag des Nachbarn gegen Baugenehmigung für Lebensmittelmarkt

Aktenzeichen  1 CS 16.2179

Datum:
31.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Einhaltung der landesrechtlichen Vorschriften über Abstandsflächen führt regelmäßig dazu, dass aus tatsächlichen Gründen das in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 SN 16.3852 2016-10-04 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde geltend gemachten Gründe‚ auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist‚ geben keine Veranlassung‚ die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern.
Der Begründung des Antragstellers‚ der sich als Nachbar gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Lebensmittelmarkts mit Tiefgarage wendet‚ sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen‚ dass die Baugenehmigung gegen Rechtsnormen verstößt‚ die seinem Schutz dienen. Das gilt auch für den Fall‚ dass der ein Sondergebiet festsetzende vorhabenbezogene Bebauungsplan, der der Baugenehmigung zugrunde liegt‚ unwirksam sein sollte und der frühere Bebauungsplan B … I „H.-straße“ wieder Gültigkeit erlangen würde. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat‚ kann der Antragsteller sich auch in diesem Fall nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen‚ weil sein Grundstück nicht zu dem Mischgebiet gehört‚ das der frühere Bebauungsplan für die Grundstücke festgesetzt hatte‚ auf denen der Lebensmittelmarkt errichtet wird.
Auch für einen Verstoß gegen das in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme liefert die Beschwerde‚ die das Schutzniveau eines allgemeinen Wohngebiets einfordert‚ keine Anhaltspunkte.
Der vom Betrieb des Lebensmittelmarkts auf das Grundstück des Antragstellers einwirkende Lärm liegt nach der durch den Antragsteller nicht substantiiert in Frage gestellten lärmtechnischen Stellungnahme vom 17. August 2015 bei einem Beurteilungspegel von 47 dB(A) tags und 33 dB(A) nachts und unterschreitet damit deutlich den für ein allgemeines Wohngebiet geltenden Immissionsrichtwert von 55 dB (A) und 40 dB(A). Zwischenzeitlich ist durch den Änderungsbescheid des Landratsamts vom 22. November 2016 auch entsprechend der lärmtechnischen Stellungnahme angeordnet‚ dass der Schallleistungspegel der Außenaggregate des Backshops 70 dB(A) nicht überschreiten darf.
Soweit der Antragsteller darauf verweist‚ dass die Errichtung des Lebensmittelmarkts in einem vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet zu einer Verschärfung der Hochwassergefahr für sein Grundstück führe‚ das 0‚80 m tiefer als das Baugrundstück liege‚ vermag er auch damit keine Verletzung des Rücksichtnamegebots zu begründen. Zwar scheidet das Baugrundstück nach seiner Bebauung als Rückhaltefläche aus. Jedoch liegt die rund 250 m³ fassende Ausgleichsmulde‚ die die Beigeladene nach dem wasserrechtlichen Bescheid des Landratsamts vom 27. Juni 216 noch vor der Errichtung der Decke des Untergeschosses des Lebensmittelmarkts fertig zu stellen hat‚ im Oberlauf des Überschwemmungsgebiets. Das hat zur Folge‚ dass die Wassermenge‚ die durch den Bau des Lebensmittelmarkts nicht mehr zurückgehalten werden kann‚ in die Ausgleichsfläche geleitet werden kann. Der Wasserstand auf den Nachbargrundstücken des Lebensmittelmarkts bleibt daher selbst bei einem hundertjährlichen Hochwasser unverändert. Im Baugenehmigungsverfahren ist auch geklärt worden‚ dass das auf dem Baugrundstück anfallende Niederschlagswasser genehmigungsfrei über die Rigolen- und Rohrsysteme versickert werden kann.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch eine erdrückende Wirkung durch das Bauvorhaben der Beigeladenen abgelehnt‚ weil die Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsvorschriften regelmäßig dazu führt‚ dass aus tatsächlichen Gründen das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt ist (vgl. BVerwG‚ B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – NVwZ 1999‚ 879). Da die 5 m hohe Einhausung der Anlieferzone von der südlichen‚ ca. 30 m langen Grundstücksgrenze des Antragstellers im westlichen Teilbereich mehr als 8 m entfernt liegt und lediglich im östlichen Drittel des Grenzverlaufs bis auf 5 m heranrückt‚ kann ernsthaft nicht die Rede davon sein‚ dass die Einhausung als übergroßer Baukörper das Grundstück des Antragstellers derart bedrängt‚ dass es nur noch als Annex des Baugrundstücks wahrgenommen wird (vgl. BVerwG‚ U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – NVwZ 1987‚ 34).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat‚ entspricht es der Billigkeit‚ ihre außergerichtlichen Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2‚ § 47 Abs. 1 GKG.


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