Baurecht

Erhebung von Schmutzwassergebühren

Aktenzeichen  B 4 K 16.564

Datum:
13.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 149794
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 2, Art. 8
BayGO Art. 21 Abs. 1
AO § 162 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Nicht die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke, sondern der Einrichtungsträger bestimmt durch Widmungsakt die Bestandteile seiner öffentlichen Einrichtung.  (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Indizien für eine konkludente Widmung außerhalb des Satzungsrechts können die bisherige Benutzungspraxis, die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses und die Art und Weise der haushaltsrechtlichen Behandlung sein.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Gebührenbescheid vom 16.03.2016 in der Fassung des Widerspruchbescheids vom 22.07.2016 wird aufgehoben, soweit Schmutzwassergebühren von mehr als 13.525,99 Euro festgesetzt wurden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 87 Prozent, der Beklagte 13 Prozent. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 16.03.2016 in der Fassung des Widerspruchbescheids des Landratsamtes … vom 22.07.2016 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Höhe von 2.094,32 Euro aufzuheben, weil er in diesem Umfang rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Klage abzuweisen, weil die Festsetzung von Schmutzwassergebühren in Höhe von 13.525,99 Euro rechtmäßig ist.
1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) können die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben, wobei diese nach dem Ausmaß zu bemessen sind, in dem die Gebührenschuldner diese Einrichtung in Anspruch nehmen (Art. 8 Abs. 4 KAG). Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG erfolgt die Heranziehung der Benutzer zu Benutzungsgebühren aufgrund einer besonderen Abgabesatzung. Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte durch den Erlass seiner Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (GS-EWS) vom 12.08.2013 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 03.11.2014 Gebrauch gemacht. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Satzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Nach § 1 GS-EWS erhebt der Beklagte für die Benutzung der Entwässerungseinrichtung hinsichtlich der Schmutzwasserbeseitigung Grundgebühren und Schmutzwassergebühren, hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung Niederschlagswassergebühren. Mit streitgegenständlichem Gebührenbescheid vom 16.03.2016 wurden ausschließlich Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung festgesetzt.
1.1 Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GS-EWS wird die Schmutzwassergebühr nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 bis Abs. 5 GS-EWS nach der Menge der Abwässer berechnet, die der Entwässerungseinrichtung von den angeschlossenen Grundstücken zugeführt werden. Die Gebühr beträgt dabei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BGS-EWS ab dem 01.01.2015 pro Kubikmeter Abwasser 1,88 Euro.
Die Klägerin führte im streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum vom 04.08.2015 bis zum 31.12.2015 der gemeindlichen Entwässerungseinrichtung die Abwassermengen zu, die am Abwasserzähler auf dem Grundstück Fl. Nr. …, Gemarkung S … b. K … gemessen wurden, da nach Auffassung des Gerichts der …kanal sowie das Erdbecken keine Teile der gemeindlichen Entwässerungseinrichtung darstellen. Ob ein bestehender Kanal Teil einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung i.S.v. Art. 21 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) ist, beurteilt sich danach, ob er vom Einrichtungsbetreiber durch einen Widmungsakt der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden ist und im öffentlichen Interesse unterhalten wird. Da an die Form des Widmungsaktes bei kommunalen Entwässerungsanlagen keine besonderen gesetzlichen Anforderungen gestellt werden, ergibt sich eine Widmung häufig nur aus einer Betrachtung der Gesamtumstände (BayVGH, U.v. 21.03.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn. 22 m.w.N.). Auf die Eigentumsverhältnisse an den einzelnen Teilen der Anlage sowie deren Sonderrechtsfähigkeit nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kommt es hiernach grundsätzlich nicht an (BVerwG, B.v. 13.01.2016 – 7 B 3/15 – juris Rn. 7).
1.1.1 Ausgehend davon war der streitgegenständliche Kanal jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Errichtung kein Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der damaligen Gemeinde S … als Rechtsvorgängerin des Beklagten. Der …kanal wurde nach Überzeugung des Gerichts entgegen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in den Jahren 1973 bis 1975 errichtet. Dies ergibt sich zum einen aus den schriftlichen Angaben des Herrn …, der im Jahr 1973 als juristischer Staatsbeamter ans Landratsamt Kulmbach gekommen ist und mit der Problematik der Abwasserbeseitigung in der damaligen Gemeinde S … befasst war. Nach seiner Stellungnahme sei ihm von Mitarbeitern der Firma … der …bach gezeigt worden, der regelmäßig seine Farbe (rot, gelb, blau) gewechselt habe. Das Gericht geht daher davon aus, dass der …kanal zu diesem Zeitpunkt noch nicht errichtet bzw. funktionsfähig war. Zum anderen hat der Prozessbevollmächtige der Klägerin im Verfahren B 4 K 16.152 vorgetragen, dass 1975 ein Einleitungsrecht für 120.000,00 DM im Anlagevermögen der Klägerin aktiviert worden sei. Dies kann nur im unmittelbaren Anschluss an die Errichtung des …kanals erfolgt sein. Nach den Aufzeichnungen des Beklagten in seiner Vermögensbuchhaltung ist das Regenüberlaufbecken auf dem Grundstück Fl. Nr. …, Gemarkung S … b. K … ab dem Jahr 1975 errichtet worden. Es spricht viel dafür, dass dies im zeitlichen Zusammenhang mit dem Bau des …kanals entstanden ist. Schließlich hat im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung des …kanals die damalige Gemeinde S …als Betreiberin der öffentlichen Entwässerungseinrichtung am 11.06.1974 eine Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Gemeinde S … bei K … erlassen und in § 3 (Kanäle) folgende Regelung getroffen:
„Die Kanäle sind Mischwasserkanäle, d. h., die in § 2 aufgeführten Abwässer werden in gemeinsamen Kanälen abgeleitet. Ausgenommen ist die …, deren …abwässer über einen eigenen Kanal zum Pumpwerk abgeleitet werden.“
Damit hat die frühere Gemeinde S … den …kanal vom Anwendungsbereich der Satzung ausgenommen und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, ihn nicht als Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung zu behandeln. Vielmehr sollten über den streitgegenständlichen Kanal nur die …abwässer abgeleitet werden. Er wurde damit – was aber für eine öffentliche Einrichtung i.S.v. Art. 21 Abs. 1 GO notwendig wäre – gerade nicht im Wege einer Widmung der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht, sondern hatte ausschließlich die Funktion, das heiße und aggressive Abwasser aus der … ordnungsgemäß zu beseitigen. Aufgrund dieser eindeutigen Satzungsregelung kann dahingestellt bleiben, ob der Teil des …kanals vom Betriebsgelände bis zur Abwassermesseinrichtung – wie von der Klägerin vorgetragen – nicht von ihr, sondern von der Gemeinde S … errichtet worden ist. Das Gericht schließt nicht aus, dass im Zuge der erstmaligen Herstellung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung die Gemeinde S … aus Kostengründen möglicherweise auch den …kanal auf Kosten der Klägerin hat anlegen lassen. Herr … gab in seiner schriftlichen Stellungnahme an, das Wasserwirtschaftsamt habe für die Klägerin den Bau eines separaten Kanals gefordert, den die Klägerin auch alleine habe bezahlen müssen. Während der Kanalbauarbeiten habe ihn dann der damalige erste Bürgermeister der Gemeinde S … angerufen und um Rat gefragt, da der damalige Geschäftsführer der Klägerin mehrere Hunderttausend DM bezahlen wollte, obwohl der Kanal zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig hergestellt gewesen wäre. Nach diesen Angaben wären auch die Zahlungen der Klägerin an die Gemeinde S …, die diese als Argument für das Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung anführt, erklärbar. Im Übrigen hätte die Klägerin damals unabhängig von der Rechtsstellung des …kanals wohl auch Herstellungsbeiträge für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Entwässerungseinrichtung bezahlen müssen. Weshalb die Klägerin, wie vorgebracht wurde, den Kanal nicht als Anlagevermögen in ihren Bilanzen ausgewiesen, sondern vielmehr ein Einleitungsrecht aktiviert hat, kann für die Beurteilung der Frage, ob der …kanal einen Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung i.S.v. Art. 21 Abs. 1 GO darstellt, keine Rolle spielen. Schließlich bestimmt der Einrichtungsträger durch Widmungsakt die Bestandteile seiner öffentlichen Einrichtung, nicht die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke. Die Nichtberücksichtigung in der Bilanz der Klägerin könnte überdies auch darauf zurückzuführen sein, dass nicht die Klägerin selbst, sondern die ehemalige Gemeinde S … den Bau des …kanals übernommen hat. Für den Bau des …kanals durch die Gemeinde S … sprechen überdies die meist parallel verlaufenden Kanalstränge der öffentlichen Entwässerungsanlage und des …kanals sowie die Errichtung des Erdbeckens und des Regenrückhaltebeckens auf einem Grundstück des Beklagten. Auch wären dann die fehlende dingliche Sicherung entsprechender Leitungsrechte für die Klägerin sowie die fehlenden Genehmigungen für die Durchquerung von Bundesstraßen und Eisenbahnstrecken nachvollziehbar. Sofern als Bauträger die öffentliche Hand auftrat, wurde in den 1970iger Jahren beim Bau von leitungsgebundenen Einrichtungen nach Sachkenntnis des Gerichts häufig auf dingliche Sicherungsmaßnahmen verzichtet. All dies würde aber wegen der eindeutigen Satzungslage in § 3 der EWS 1974 nicht dazu führen, den …kanal als Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung zu begreifen.
1.1.2 Der …kanal wurde auch nicht später, nach der Gebietsreform, durch konkludente Widmung Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung des Beklagten, der diese von der Gemeinde S … übernommen hat. Eine solche konkludente Widmung ergibt sich vor allem nicht daraus, dass der Beklagte – bis zum Tag der mündlichen Verhandlung – in seinem Satzungsrecht den …kanal nicht wie die frühere Gemeinde S … vom Anwendungsbereich der Satzung ausgenommen hat. In der derzeit geltenden Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Marktes M … (EWS) vom 01.07.2013 wird in § 1 Abs. 2 lediglich geregelt, dass Art und Umfang der Entwässerungseinrichtung die Gemeinde bestimmt. Daraus folgt gerade nicht, dass damit auch der …kanal in die öffentliche Entwässerungseinrichtung einbezogen wurde. Wenn sich der Beklagte die Bestimmung der Art und des Umfanges der Entwässerungsanlage in der Satzung vorbehalten hat und weiterhin vorbehält, so macht er damit lediglich deutlich, dass er außerhalb der Satzung bestimmen will, was Bestandteil seiner Entwässerungsanlage sein soll und was nicht (BayVGH, U.v. 21.12.2000 – 23 B 00.2132 – juris Rn. 38). Das Gesetz stellt keine besonderen Anforderungen an die Form des Widmungsaktes. Dass und wieweit eine Widmung vorliegt, muss sich aus den gesamten Umständen ergeben. Indizien für eine – konkludente – Widmung außerhalb des Satzungsrechts des Beklagten sind insbesondere die bisherige Benutzungspraxis, die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses sowie die Art und Weise der haushaltsrechtlichen Behandlung. Bei der exakten Bestimmung des Umfangs eines zur Entwässerungsanlage gehörenden Kanalnetzes kommt den Kanalbestandsplänen der Gemeinde eine erhöhte Bedeutung zu. Nach diesen Plänen bestimmt sich, welche Grundstücke durch die öffentliche Entwässerungsanlage erschlossen sind, so dass die Eigentümer zu Beiträgen herangezogen und im Falle einer Bebauung zum Anschluss an die öffentliche Anlage verpflichtet werden können. Es kann daher angenommen werden, dass die Bestandspläne öffentlicher Entwässerungseinrichtungen in aller Regel mit besonderer Sorgfalt geführt werden (BayVGH, U.v. 21.03.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn. 22 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 21.12.2000 – 23 B 00.2132 – juris Rn. 39 ff.). Aus der vom Beklagten vorgelegten Bestandserfassung der Kanäle im Bereich des Gemeindeteiles S … ergibt sich, dass der …kanal explizit farblich hervorgehoben und als sog. „…Kanal“ ausgewiesen wurde. Damit hat der Beklagte zu erkennen gegeben, dass er diesen Teil des Kanalnetzes gerade nicht der öffentlichen Entwässerungseinrichtung zuschreibt. Soweit ersichtlich hat der Beklagte auch keine Unterhaltungsarbeiten an dem …kanal vorgenommen. Nach Auskunft des Kämmerers des Beklagten, der bereits seit 1982 im Rathaus des Beklagten tätig ist, sei der …kanal stets von der Klägerin betreut und unterhalten worden. Er sei haushaltsrechtlich oder in der Vermögensbuchführung des Beklagten nicht erfasst worden. Schon diese tatsächlichen Umstände sprechen dafür, dass der …kanal nicht als Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung des Beklagten anzusehen ist.
Auch aus den von der Klägerin vorgelegten Schreiben des Beklagten vom 14.10.1981 bzw. des Landratsamtes … vom 04.08.1981 ergeben sich keine Indizien für eine (nachträgliche) konkludente Widmung. In ersteren wird lediglich darauf hingewiesen, dass beim Bau der Kanalisation für S … für die Firma … ein gesondertes Abwassersammelbecken mit eigener Messvorrichtung gebaut worden sei, in das lediglich das in diesem Betrieb anfallende Abwasser eingeleitet und gemessen werde. Dies könnte ein weiteres Indiz dafür darstellen, dass die ehemalige Gemeinde S … den Bau des …kanals sowie den Bau des Erdbeckens für die Klägerin übernommen hat, reicht aber für die Annahme eines Bestandsteils der öffentlichen Einrichtung – wie oben dargelegt – nicht aus. Aus dem Widerspruchsbescheid vom 04.08.1981 ergibt sich lediglich, dass die Firma … an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen ist und ihre Abwässer aus dem Betriebsgelände in diese einleitet. Daraus kann aber nicht entnommen werden, wo die öffentliche Entwässerungseinrichtung beginnt.
Der Beklagte hat auch nicht auf andere Weise zu erkennen gegeben, dass er den …kanal und das Erdbecken als Teil seines öffentlichen Kanalnetzes betrachtet. Er hat zwar das Erdbecken auf dem Grundstück Fl. Nr. …, Gemarkung S … b. K … im Jahr 2006 saniert, da es aufgrund von Undichtigkeiten zu möglichen Grundwasserbeeinträchtigungen durch die …abwässer gekommen wäre. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich dabei um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, die für den eigentlichen Störer ausgeführt worden ist, der nicht gewillt oder in der Lage war, die Sanierung selbst durchzuführen. Nach Auskunft des Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung habe man auch versucht, sich die Kosten für die Instandsetzung von der Klägerin erstatten zu lassen. Aufgrund der damals schwierigen finanziellen Situation der Klägerin bzw. der … GmbH sei tatsächlich aber eine Erstattung nicht erfolgt.
Auch die nunmehr festgestellten Fremdanschlüsse rechtfertigen es nicht, den …kanal als Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung zu begreifen. Von den bei einer teilweisen Kamerabefahrung im Jahr 2013 bzw. 2015 festgestellten sechs Anschlüssen konnten drei den Betriebsgrundstücken der Klägerin zugeordnet werden. Bei den anderen drei Anschlüssen wurde zumindest keine Schmutzwassereinleitung durch die anliegenden Gebäude festgestellt. Selbst wenn im bisher nicht befahrenen Teil des Kanals weitere Fremdanschlüsse vorhanden wären, ließe sich daraus nicht auf eine konkludente Widmung des …kanals schließen. Ob ein Kanalstück Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung ist, kann sich zwar auch danach richten, ob es dazu bestimmt ist, Abwasser nur eines Einzelnen oder einer unbestimmten Anzahl nicht näher bezeichneter Einleiter aufzunehmen (BVerwG, B.v. 13.01.2016 – 7 B 3/15 – juris Rn. 8). Hier liegt aber eine solche Bestimmung durch den Beklagten nicht vor. Dessen Mitarbeiter haben für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass der Beklagte bisher keine Kenntnis von den Fremdanschlüssen hatte; vielmehr ist er davon ausgegangen, dass der …kanal eine Privatangelegenheit der Klägerin ist und das Abwasser aller anderen Anwesen in S … – mit Ausnahme des Abwassers der Firma … – über die öffentliche Kanalisation entsorgt wird. Nach Prüfung in der Bauverwaltung des Beklagten bestehen weder Erinnerungen noch Aufzeichnungen, dass durch den Beklagten Kanalanschlüsse an den …kanal hergestellt oder die Herstellung solcher Anschlüsse wissentlich geduldet worden wäre. Eine konkludente Widmung des …kanals wäre aber nur dann als wirksam anzusehen, wenn von einer zumindest stillschweigenden Billigung der Einleitungssituation durch das nach der Kommunalverfassung zuständige Organ ausgegangen werden kann (BayVGH, B.v. 04.01.2012 – 4 CE 11.3002 – juris Rn. 9). Eine entsprechende Billigung oder Bestimmung durch den Marktgemeinderat des Beklagten ist hier nicht erfolgt. Aufgrund dessen brauchte das Gericht dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung von Dritteinleitern in den …kanal nicht zu entsprechen.
Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass die Abwässer der Firma … mit Billigung des Beklagten über den …kanal abgeführt werden, ist darauf hinzuweisen, dass das Betriebsgelände der Firma … vormals ebenfalls der Klägerin gehört hatte. Erst durch die Insolvenz der … GmbH wurden die Grundstücke an die Firma … GmbH & Co. KG veräußert, die am 07.07.2015 ins Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen wurde. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass seither eine Billigung dieser Einleitungssituation durch den Marktgemeinderat des Beklagten erfolgt ist. Auch wenn dem Grunde nach eine konkludente Widmung durch eine entsprechende Billigung möglich ist, muss aus Gründen der Rechtssicherheit eine eindeutige Zuordnung eines bestimmten Kanalnetzes zu einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung erkennbar sein (vgl. BayVGH, B.v. 24.08.2004 – 4 CS 04.1120 – juris Rn. 21). Aus den Behördenakten ergibt sich, dass bereits bei Besprechungen zwischen dem Beklagten, der … O … N … GmbH, dem Landratsamt … und dem Wasserwirtschaftsamt … am 09.05.2014 und am 08.05.2015 die Einleitungssituation im Hinblick auf die Abführung des Abwassers vom Betriebsgelände der Firma … diskutiert wurde. Bei den Besprechungen wurde auch ein Anschluss des Firmengeländes der Firma … an die öffentliche Entwässerungseinrichtung diskutiert, da ein gemeindlicher Abwasserkanal in der am Firmengelände vorbeiführenden Kreisstraße vorhanden ist. Vertreter des Beklagten haben in den Besprechungen dem Verfüllen des von der Klägerin hergestellten Kanals zwischen dem Betriebsgelände der Firma … und dem Betriebsgelände der Klägerin zugestimmt und angeregt, die Grundstücke Fl. Nrn. … und … an die gemeindliche Entwässerungseinrichtung anzuschließen. Dieses Ziel wird seither seitens des Beklagten weiterverfolgt. Auch wenn eine Umsetzung dieses Ziels noch immer nicht erfolgt ist, kann nach Überzeugung des Gerichts nicht von einer nach der Rechtsprechung notwendigen eindeutigen Billigung der Einleitungssituation durch den Beklagten ausgegangen werden; er hat die Abwasserbeseitigung durch die Firma … über den …kanal vorübergehend geduldet, aber nicht gebilligt (vgl. OVG Münster, U.v. 16.09.1975 – III A 1279/75, NJW 1976, 820 [822]).
1.1.3 Nachdem gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GS-EWS die Schmutzwassergebühr nach der Menge der Abwässer berechnet wird, die der Entwässerungseinrichtung von den angeschlossenen Grundstücken zugeführt werden, ist im vorliegenden Fall die Abwassermenge relevant, die nach dem Abwasserzähler auf dem Grundstück Fl. Nr. …, Gemarkung S … b. K … ankommt, da erst dort die öffentliche Entwässerungseinrichtung beginnt. Das in den …kanal aufgrund von Schadstellen eindringende Fremdwasser wurde demzufolge rechtmäßig bei der Gebührenerhebung berücksichtigt. Die Klägerin hat es selbst in der Hand, durch Instandsetzung des Kanals das Eindringen von Fremdwasser zu vermeiden oder den …kanal vollständig aufzulösen und ihr Grundstücke an die gemeindliche Wasserversorgungs- und Entwässerungseinrichtung anzuschließen. Die Berechnung der Wassermenge erfolgt dabei nach § 2 Abs. 2 bis 5 GS-EWS. Nach § 2 Abs. 2 GS-EWS gelten als Abwassermenge die dem Grundstück aus der Wasserversorgungseinrichtung und aus der Eigengewinnungsanlage zugeführten Wassermengen abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen, soweit der Abzug nicht nach Absatz 4 ausgeschlossen ist. Die Wassermengen werden durch geeichte Wasserzähler ermittelt. Sie sind von der Gemeinde zu schätzen, wenn 1. ein Wasserzähler nicht vorhanden ist, oder 2. der Zutritt zum Wasserzähler oder dessen Ablesung nicht möglich ist, oder 3. sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein Wasserzähler den wirklichen Wasserverbrauch nicht angibt. Ausgehend von dieser Satzungslage kann das Gericht offenlassen, ob es sich bei den beiden Tiefbrunnen, die sich außerhalb des klägerischen Anwesens befinden und im Eigentum des Beklagten stehen, um eine Eigengewinnungsanlage der Klägerin handelt. Die von dort zugeflossenen Wassermengen werden nach übereinstimmenden Angaben der Parteien nicht durch geeichte Wasserzähler erfasst, weshalb der Beklagte berechtigt war, die der öffentlichen Entwässerungsanlage zugeführte Abwassermenge nach § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 GS-EWS zu schätzen. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) aa) KAG i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind bei einer Schätzung der Erhebungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Ziel einer Schätzung ist es, in einem Akt wertenden Schlussfolgerns aus Anhaltspunkten diejenigen Tatsachen zu ermitteln, die die größtmögliche erreichbare Wahrscheinlichkeit für sich haben. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich, vernünftig und plausibel sein (BayVGH, B.v. 21.5.2012 – 20 B 12.251 – juris Rn. 18; U.v. 14.07.2016 – 20 B 15.565 – juris Rn. 14 m.w.N). Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben ist es nicht zu beanstanden, die beim Abwasserzähler am Erdbecken gemessene Wassermenge als Abwassermenge heranzuziehen. Selbst wenn der genannte Abwasserzähler nicht geeicht sein sollte, liefert er brauchbare Anhaltspunkte für die der öffentlichen Entwässerungseinrichtung zugeführten Abwassermengen, die von den Beteiligten auch jahrelang akzeptiert wurden.
Nach dem streitgegenständlichen Bescheid wurde am besagten Abwasserzähler für den Zeitraum 04.08.2015 bis 31.12.2015 eine Abwassermenge von 10.939 m³ erfasst. Von dieser Menge ist jedoch der Anteil des Niederschlagswassers zu subtrahieren, da der Beklagte für die Benutzung der Entwässerungseinrichtung hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung Niederschlagswassergebühren erhebt (§ 1, § 2a GS-EWS). Mangels anderer Anhaltspunkte ist auch die Menge des in der vom Abwasserzähler erfassten Abwassermenge enthaltenen Niederschlagswassers gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) aa) KAG i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO zu schätzen. Dabei hat der Beklagte von der erfassten Abwassermenge für das Gericht in nachvollziehbarer und daher nicht zu beanstandender Weise 2.967 m³ für das am Betriebsgelände der Firma … anfallende Niederschlagswasser in Abzug gebracht. Zugrunde gelegt wurde eine durch Wetterstatistiken belegte Niederschlagswassermenge von 839,9 Liter/m² und eine befestigte Fläche gem. § 2a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a GS-EWS von 7.824 m². Daraus ergibt sich eine jährliche dem …kanal zugeführte Niederschlagswassermenge von 6.563 m³, anteilig für den Zeitraum 04.08.2015 bis 31.12.2015 die genannten 2.967 m³. Nach Auffassung des Gerichts ist zusätzlich auch für das Betriebsgelände der Klägerin ein Niederschlagswasserabzug vorzunehmen. Nach dem von der …O … N … GmbH im Verfahren B 4 K 16.152 vorgelegten Gutachten der I … GmbH wird Niederschlagswasser einer befestigten Fläche von 3.188 m² in den …kanal eingeleitet, was einer Niederschlagsmenge von 2.674 m³ jährlich entspricht. Das Gericht hat keine Bedenken, diese Angaben heranzuziehen. Dagegen sprechen auch nicht die vom Beklagten vorgelegten Erfassungsbögen, die im Zuge der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr verschickt und vom damaligen Geschäftsführer der Klägerin vorgelegt wurden. Dort wurde gerade nicht das Feld „Das Niederschlagswasser aller bebauten und befestigten Flächen des Grundstücks gelangt weder direkt noch indirekt in die Kanalisation“ angekreuzt. Dies wäre aber naheliegend gewesen, wenn sämtliches Niederschlagswasser in den …bach abgeführt worden wäre. Aufgrund dieser Unsicherheiten hätte zumindest Anlass für eine weitere Sachaufklärung bestanden, die der Beklagte aber nicht durchgeführt hat. Damit ergibt sich ein weiterer Abzug von Niederschlagswasser von 1.114 m³ (2.674 m³/12 Monate 7 Monate). Die so berechnete Schmutzwassermenge beträgt damit 7.128 m³ (10.939 m³ – 2.697 m³ – 1.114 m³). Bei einem Gebührensatz von 1,88 Euro pro m³ ergibt sich für den Zeitraum 04.08.2015 bis 31.12.2015 eine Schmutzwassergebühr in Höhe von 13.400,64 Euro.
1.2 Nach § 1a GS-EWS ist hierzu noch eine anteilige Grundgebühr von 125,35 Euro (jährlich 306,78 Euro) zu addieren, da diese auch anfällt, wenn keine Wasserzähler eingebaut sind. Daraus ergibt sich der im Tenor ausgesprochene Zahlbetrag von 13.525,99 Euro.
1.3 Als Eigentümerin des Betriebsgeländes war die Klägerin auch der richtige Gebührenschuldner (§ 5 Abs. 1 GS-EWS).
2. Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt. Denn der Klägerin war es wegen der Schwierigkeit der Sache auf dem Gebiet des Kommunalabgabenrechts nicht zuzumuten, das Vorverfahren selbst zu führen (vgl. BayVGH, B.v. 29.04.2016 – 5 C 16.574 – juris Rn. 7). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, § 709 ZPO.
3. Die Berufung war trotz der Anregung der Parteien nicht zuzulassen, weil Gründe für die Zulassung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben