Baurecht

Erschließung eines Wohnbauvorhabens im Innenbereich

Aktenzeichen  M 11 K 18.5289

Datum:
12.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7949
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 36 Abs. 2
BauNVO § 12
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1
BayStrWG Art. 6 Abs. 2 S. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
RDGEG § 3, § 5
StVG § 1 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Dient eine Tiefgarage dem Abstellen von Oldtimern,handelt es sich insoweit um eine Garage im Sinne des § 12 Abs. 1 BauNVO. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei dem Erfordernis der Kenntlichmachung in Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayStrWG handelt es sich nicht lediglich um eine Ordnungsvorschrift, sondern um eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für die Widmungsbeschränkung. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
I.
Sie ist unbegründet, weil der streitgegenständliche Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Vorhaben des Beigeladenen ist bauplanungsrechtlich zulässig. Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens war daher rechtmäßig, sodass der Kläger nicht in seiner Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 BV und § 36 BauGB verletzt wird.
1. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, weil es innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt und ein Bebauungsplan nicht besteht. Ein Vorhaben ist danach zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Zwischen den Beteiligten ist im Wesentlichen umstritten, ob sich das Vorhaben – insbesondere im Hinblick auf die Tiefgarage -seiner Art nach einfügt und die Erschließung gesichert ist. Beides ist der Fall.
a) Das Vorhaben fügt sich nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
Bei der näheren Umgebung handelt es sich nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten um ein faktisches Mischgebiet. Dort sind Wohngebäude allgemein zulässig (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). Stellplätze und Garagen sind in allen (faktischen) Baugebieten zulässig, soweit sich keine Einschränkung aus § 12 Abs. 2 bis 6 BauNVO ergibt (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 BauNVO). Dies gilt auch für Tiefgaragen (vgl. BayVGH, B.v. 7.5.2019 – 9 ZB 17.53 – juris Rn. 4 ff.). Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich auch bei der streitgegenständlichen Tiefgarage um eine Garage im Sinne des § 12 Abs. 1 BauNVO. Das Bundesrecht enthält hierfür zwar keine Legaldefinition. Es gebraucht aber die Bezeichnung „Stellplätze und Garagen“ als Sammelbegriff für vom Bauherrn nachzuweisende oder zu schaffende Gelegenheiten zur Unterbringung von Kraftfahrzeugen im sog. ruhenden Verkehr (BVerwG, B.v. 09.10.2003 – 4 B 81/03 – BauR 2004, 1266 = juris Rn. 3). Greift man ergänzend auf die landesrechtliche Definition zurück, so sind Garagen nach Art. 2 Abs. 8 Satz 2 BayBO Gebäude oder Gebäudeteile zum Abstellen von Kraftfahrzeugen. Kraftfahrzeuge wiederum sind Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein (§ 1 Abs. 2 StVG). Demnach handelt es sich bei Oldtimern um Kraftfahrzeuge. Die Tiefgarage dient dem Abstellen von Oldtimern. Folglich handelt es sich bei der Tiefgarage um eine Garage.
Dem Einwand des Klägers, vorliegend handle es sich in Wirklichkeit um einen Lager- oder Werkraum, weil der Beigeladene beabsichtige, selten zu bewegende Oldtimer abzustellen oder in größerem Umfang Reparaturarbeiten durchzuführen, ist nicht zu folgen. Es ist zwar richtig, dass Ausstellungs-, Verkaufs-, Werk- und Lagerräume für Kraftfahrzeuge keine Stellplätze oder Garagen sind (Art. 8 Abs. 8 Satz 3 BayBO). Auch mag es sein, dass die Variationsbreite einer Garagennutzung im Einzelfall durch Reparatur- und Pflegearbeiten überschritten werden kann (vgl. z.B. VG Regensburg, U.v. 24.7.2012 – RO 6 K 12.428 – juris Rn. 39 für Arbeiten an 13 Oldtimern in einer Garage in einem allgemeinen Wohngebiet). Vorliegend soll die Tiefgarage allerdings nicht nur den Oldtimern des Beigeladenen dienen, sondern auch „normalen“ Kraftfahrzeugen. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Beigeladenen vom 2. Juli 2018 hinreichend deutlich, auch wenn diese „Betriebsbeschreibung“ nicht ausdrücklich, etwa durch das Anbringen eines Genehmigungsvermerks, zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht worden ist. Wie oft der Beigeladene seine zugelassenen und verkehrstauglichen Oldtimer letztlich ausfährt, bleibt seine Sache (vgl. bereits VG München, B.v. 10.1.2019 – M 11 SN 18.5724 – juris Rn. 27). Eine „Werkstätte“ ist nicht genehmigt und nach Angaben des Beigeladenen auch nicht beabsichtigt. Sofern die Variationsbreite einer Garagennutzung durch die tatsächlich ausgeübte Nutzung überschritten würde, könnte dagegen mit den Mitteln des Bauordnungsrechts vorgegangen werden.
Eine Einschränkung ergibt sich schließlich auch nicht aus § 12 Abs. 2 BauNVO. Zum einen handelt es sich bei der näheren Umgebung nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten um ein faktisches Mischgebiet, sodass die Regelung bereits nicht einschlägig ist. Zum anderen ergäbe sich selbst für den Fall, dass es sich um ein allgemeines Wohngebiet handeln würde, aus Art. 12 Abs. 2 BauNVO keine Kontingentierung des Stellplatzbedarfs, der auf dem Baugrundstück durch die zugelassene Hauptnutzung entsteht (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 136. EL Oktober 2019, § 12 BauNVO Rn. 43, Rn. 57 m.w.N.). Vorliegend wird die Garage von dem Beigeladenen selbst zur Unterstellung seiner vorhandenen Fahrzeuge genutzt und damit als „Zubehör“ zum Wohnen benötigt.
b) Die Erschließung ist gesichert.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist für ein Wohnbauvorhaben im Innenbereich in der Regel eine Wegbreite von mindestens 3 m erforderlich, um die Anfahrbarkeit des Baugrundstücks für Kraftfahrzeuge zu ermöglichen (vgl. BayVGH, B.v. 8.4.2019 – 1 CS 19.261 – juris Rn. 17; zustimmend Hirsch, IBR 2019, 396). An dem Grundstück Fl.Nr. … ist durch notarielle Urkunde vom 15. April 2011 entlang der nordöstlichen Grundstücksgrenze zwar nur auf einem ca. 2 m breiten Streifen ein Geh- und Fahrtrecht zugunsten des Baugrundstücks bestellt. Zusätzlich kann jedoch das gemeindliche Grundstück Fl.Nr. … ausnahmsweise in Anspruch genommen werden. Zwar hat das Beschwerdegericht im Eilverfahren zu Recht darauf hingewiesen, dass für die Sicherung der wegemäßigen Erschließung grundsätzlich nicht auf einen als Fußweg gewidmeten beschränkt-öffentlichen Weg zurückgegriffen werden kann, weil der Gemeingebrauch durch die Widmung auf die Nutzung durch Fußgänger beschränkt ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.4.2019 – 1 CS 19.261 – juris Rn. 17). Der Umfang des Gemeingebrauchs (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG) richtet sich nach der Widmung (BayVGH, B.v. 27.2.2014 – 8 B 12.2268 – BayVBl 2014, 565 = juris Rn. 39; Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand: 29. EL März 2019, Art. 14 Rn. 4). Dies schließt ein regelmäßiges Befahren einer als Fußweg gewidmeten Fläche durch Kraftfahrzeuge aus (BayVGH, B.v. 8.4.2019 – 1 CS 19.261 – juris Rn. 17; im Unterschied zum „Überfahren“ vgl. VGH BW, U.v. 9.4.1992 – 5 S 1233/90 – ZfBR 1992, 239 = juris Rn. 22). Die Durchführung des Hauptsacheverfahrens hat jedoch ergeben, dass die Widmungsbeschränkung jedenfalls bezüglich der nördlichen Teilfläche des Wegegrundstücks Fl.Nr. … auf der Höhe der Grundstücke Fl.Nr. … und Fl.Nr. … (Baugrundstück) nicht hinreichend kenntlich gemacht und folglich unwirksam ist (s. nachfolgend aa)). Dies war bislang aus den Akten nicht ersichtlich. Aber selbst im Falle der Wirksamkeit wäre die Widmung – und damit auch die Widmungsbeschränkung – wegen Unbestimmtheit nichtig (s. nachfolgend bb)). Daher kann der Beigeladene die nördliche Teilfläche des im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücks Fl.Nr. … für die Erschließung seines Bauvorhabens in Anspruch nehmen (s. nachfolgend cc)).
aa) Die Widmungsbeschränkung ist jedenfalls bezüglich der nördlichen Teilfläche des Wegegrundstücks Fl.Nr. … nicht hinreichend kenntlich gemacht und folglich unwirksam.
Beschränkungen der Widmung auf bestimmte Benutzungsarten sind nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayStrWG in der Widmungsverfügung festzulegen und vom Träger der Straßenbaulast kenntlich zu machen. Über die Art der Kennzeichnung enthält das Gesetz – wie auch bei Art. 15 Satz 3 BayStrWG (vgl. Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand: 29. EL März 2019, Art. 15 Rn. 13) – keine Vorgaben (Häußler in Zeitler, BayStrWG, Stand: 29. EL März 2019, Art. 6 Rn. 52; Schwabe, NVwZ 1994, 629/630). Die Kennzeichnung kann sich schon aus der Art und dem Zustand eines Weges oder der äußerlich erkennbaren Beschaffenheit des Wegekörpers unter Berücksichtigung der örtlichen Verkehrsverhältnisse ergeben (Häußler in Zeitler, BayStrWG, Stand: 29. EL März 2019, Art. 6 Rn. 52 m.w.N.). Darüber hinaus kann ohne weiteres das übliche Sperrgerät wie z. B. Pfosten, Planken, Schranken, Barrieren etc. verwendet werden (Häußler, a.a.O.). Auch deutlich wahrnehmbare Schilder sind zulässig und ausreichend (Schwabe, NVwZ 1994, 629/630).
Vorliegend ist zwar die Widmungsbeschränkung auf Fußgänger in der Widmungsverfügung vom 29. Juli 1986 festgelegt worden. Der gerichtliche Augenschein hat jedoch ergeben, dass weder an der Einmündung der Gemeinde straße von der …straße her noch bei dem Übergang der Gemeinde straße in den Fußgängerweg ein Schild angebracht ist, dass es sich hierbei um einen Fußgängerweg handelt, der mit Fahrzeugen nicht befahren werden darf. Vielmehr ist der Fußgängerweg im nördlichen Teil auf der Höhe der Grundstücke Fl.Nr. … und … seinem optischen Erscheinungsbild nach geeignet, mit Fahrzeugen befahren werden zu können. Er stellt sich dort als durchgehender Schotterweg dar, der Fahrspuren von Kraftfahrzeugen aufweist und zu vier Parkplätzen im südlichen Bereich des Grundstücks Fl.Nr. 110 führt. Erst im hinteren (südlichen) Bereich ab der Engstelle zwischen der südöstlichen Grundstücksecke der Fl.Nr. … und der Fl.Nr. … ist er offensichtlich zu schmal, um mit einem Pkw befahren werden zu können. Da dieser Bereich aber bereits nicht mehr an das Baugrundstück angrenzt, kann offenbleiben, ob hier bereits die äußerlich erkennbare Beschaffenheit des Wegekörpers ausreicht, die Widmungsbeschränkung hinreichend deutlich zu machen. Jedenfalls im nördlichen Bereich bis zum Baugrundstück macht der Zustand des Weges eine gesonderte Kennzeichnung der Widmungsbeschränkung offensichtlich erforderlich, weil er sich – anders als die Widmungsbeschränkung vermuten lässt – optisch als mit Kraftfahrzeugen befahrbar darstellt. Allerdings findet sich in diesem Bereich keinerlei Kenntlichmachung in Form von Schildern oder Absperrungen. Die Widmungsbeschränkung ist folglich in diesem Bereich nicht hinreichend kenntlich gemacht.
Fraglich ist, welche Rechtsfolge die fehlende Kenntlichmachung nach sich zieht. Nach Überzeugung der Kammer handelt es sich bei dem Erfordernis der Kenntlichmachung in Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayStrWG nicht lediglich um eine Ordnungsvorschrift, sondern um eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für die Widmungsbeschränkung. Die Norm bestimmt nach ihrem Wortlaut ausdrücklich, dass Beschränkungen der Widmung festzulegen und kenntlich zu machen sind. Es handelt sich demnach um gleichwertige Tatbestandsvoraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen. Anders als andere Straßengesetze enthält zwar nur Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayStrWG explizit die Anordnung, dass Widmungsbeschränkungen kenntlich zu machen sind. Die Norm regelt damit aber etwas selbstverständliches und allgemeingültiges, weil ein verborgener Rechtsakt keine Wirkungen haben kann (vgl. Schwabe, NVwZ 1994, 629/630). Auch bei Art. 15 Satz 3 BayStrWG wird angenommen, dass die Teilnehmer am Gemeingebrauch vor der Kenntlichmachung – d.h. der Aufstellung der Verkehrszeichen – nicht gehalten sind, der Anordnung nachzukommen (vgl. Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand: 29. EL März 2019, Art. 15 Rn. 14). Ähnliches gilt auch für die Funktion der Bekanntgabe von Verwaltungsakten, weil die Beachtung von Normen und Imperativen die Kenntnis des rechtlich Gebotenen oder Verbotenen voraussetzt (vgl. Tiedemann in BeckOK VwVfG, Stand: 1.1.2020, § 41 Rn. 1). Dies ist auch Ausprägung des Rechtstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG). Vorliegend ist die Widmungsbeschränkung zwar zusammen mit der Widmung bekanntgemacht worden. Dies ist ebenso eine notwendige Voraussetzung (vgl. Häußler in Zeitler, BayStrWG, Stand: 29. EL März 2019, Art. 6 Rn. 52), deren Fehlen die Unwirksamkeit der gesamten Widmung zur Folge hätte (vgl. OVG NRW, B.v. 29.7.1988 – 3 B 1205/87 – NWVBl 1989, 26 = juris Rn. 8). Allein die Bekanntgabe der Widmungsbeschränkung reicht aber eben nicht, weil sie nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayStrWG zusätzlich kenntlich zu machen ist. Fehlt es – wie hier – an letzterem, ist die Widmungsbeschränkung ebenso unwirksam, wie im Falle der fehlenden Bekanntgabe.
Offenbleiben kann, ob die Kenntlichmachung bei Indienstnahme einer Straße zu erfolgen hat (so jedenfalls die Formulierung bei Häußler in Zeitler, BayStrWG, Stand: 29. EL März 2019, Art. 6 Rn. 52) oder dieser Fehler nachträglich „geheilt“ werden kann. Da eine Kenntlichmachung jedenfalls bislang nicht erfolgt ist, kann die Widmungsbeschränkung dem Beigeladenen nicht entgegengehalten werden.
bb) Aber selbst im Falle der Wirksamkeit der Widmungsbeschränkung wäre die Widmung nicht hinreichend bestimmt und folglich nichtig.
Die straßenrechtliche Widmung muss als Verwaltungsakt dem Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG genügen. Dieses verlangt, dass die getroffene Regelung vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 37 Rn. 5). Dabei ist davon auszugehen, dass nicht jeder Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot die Nichtigkeit des Verwaltungsakts zur Folge hat (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 17). Dies ist nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nur dann der Fall, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Dies schließt es aus, für jede Unklarheit oder Unschärfe hinsichtlich des Verlaufs eines Weges die Rechtsfolge der Nichtigkeit herzuleiten. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Wegeverlauf in der Natur auf Grund der Angaben in der Eintragungsverfügung unbeschadet kleinerer Unklarheiten oder Unschärfen noch nachvollziehbar ist (BayVGH, U.v. 12.12.2000 – 8 B 99.3111 – BayVBl 2001, 468 = juris Rn. 54). Dabei ist für die Ermittlung des Inhalts der Eintragungen nicht am Wortlaut zu haften, sondern entsprechend §§ 133, 157 BGB der wahre Wille der widmenden Gemeinde zu erforschen (BayVGH, U.v. 28.2.2012 – 8 B 11.2934 – BayVBl 2013, 84 = juris Rn. 52). Die Nichtigkeit wird man aber in der Regel bejahen können, wenn unter Berücksichtigung der Angaben der Eintragungsverfügung die Unklarheiten oder Unschärfen zur Folge haben, dass mehr als unerhebliche Teile des Wegeverlaufs in der Natur nicht mehr nachvollzogen werden können. Bei der Eintragung in das Bestandsverzeichnis sind neben dem Namen des Weges die betroffenen Flurstücke, Anfangs- und Endpunkt sowie die Länge des Weges anzugeben. Dies dient vor allem der räumlichen Eingrenzung der Wegefläche. Weitere, noch genauere Angaben, z.B. eine Beschreibung des Verlaufs im Gelände, Angaben zur Breite oder Beschaffenheit oder etwa eine maßstabsgenaue Einzeichnung des Wegs in eine Flurkarte, sind dagegen nicht vorgeschrieben und deshalb für eine Nichtigkeitsprüfung auch nicht erheblich. Besonders schwerwiegende und offenkundige Mängel in der Beschreibung des Wegs, die die Nichtigkeit der Eintragung zur Folge haben, können demnach vorliegen, wenn mindestens eines der beschriebenen Merkmale fehlt oder in wesentlicher Beziehung fehlerhaft festgehalten ist und die dadurch ausfallenden Informationen auch nicht durch andere Feststellungen oder Anhaltspunkte ersetzt werden können. Verbleibende inhaltliche Missverständnisse oder Widersprüche der Eintragung als Allgemeinverfügung haben dabei allerdings zulasten der Straßenbaubehörde zu gehen (vgl. zum Ganzen BayVGH, U.v. 12.12.2000 – 8 B 99.3111 – BayVBl 2001, 468 = juris Rn. 56).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die mittlerweile bestandskräftige Eintragung in das Bestandsverzeichnis auf Grund der Eintragungsverfügung vom 29. Juli 1986 hinsichtlich des Wegeverlaufs unbestimmt und folglich nichtig.
Dabei kann offenbleiben, ob bereits die Angabe der Flurnummer in der Eintragungsverfügung mit „… Tfl“ zu unbestimmt ist. Teils wird es bereits als zu unbestimmt angesehen, wenn gewidmete Straßenparzellen nicht eindeutig bezeichnet werden, zum Beispiel bei parzellenscharfer Widmung mit „tlw.“ (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 36). Vorliegend sind in der streitgegenständlichen Eintragungsverfügung insgesamt drei Fußwege gewidmet worden, die mit Fl.Nr. „… Tfl“ bezeichnet sind. Dabei handelt es sich um den streitgegenständlichen Fußweg, die heutige Fl.Nr. …, sowie einen Fußweg ca. 18 m weiter östlich, die heutige Fl.Nr. …, und einen Fußweg etwa … m weiter westlich, die heutige Fl.Nr. … und … In dem der Eintragungsverfügung beiliegenden Lageplan trägt der streitgegenständliche Fußweg die Fl.Nr. … Welche Flurnummern die anderen beiden Fußwege tragen, ist nicht mehr erkennbar.
Hinsichtlich des streitgegenständlichen Fußwegs ist jedenfalls zwar der Anfangspunkt des Weges, der in der Eintragungsverfügung mit „…straße (Ortsstraße) bei Grundstück Fl.Nr. … (SW-Ecke)“ beschrieben wird, noch hinreichend konkret. Demgegenüber wird der Endpunkt in der Eintragungsverfügung mit „Verbindung zu …straße (Staatsstraße) bei Grundstück Fl.Nr. … (NO-Seite)“ weniger konkret beschrieben. Anders als bei den anderen Grundstücken in der Eintragungsverfügung wird nicht auf Grundstücksecken in einer bestimmten Himmelsrichtung verwiesen, sondern auf die gesamte Nordostseite des Grundstücks Fl.Nr. … Diese ist ca. 20 m lang. Der Punkt, der in dem der Eintragungsverfügung beiliegenden Lageplan als Endpunkt eingezeichnet ist, liegt zwar auf dieser Grundstücksgrenze. Er ergibt sich als Schnittpunkt aus einer gedachten Verlängerung der westlichen Hauswand des Gebäudes …straße 4 mit der Grenze des Grundstücks Fl.Nr. … Dass aber genau dieser Punkt als Endpunkt des Fußweges festgelegt werden sollte, geht aus der Formulierung „Verbindung zu …straße“ nicht hinreichend deutlich hervor. Dies kann nämlich auch dahingehend verstanden werden, dass der Endpunkt an der südöstlichen Ecke des Gebäudes …straße 6 liegen soll. Auch dieser Punkt liegt an der Nordostseite des Grundstücks Fl.Nr. … und besitzt eine (gedachte) Verbindung zur …straße. Für jeden anderen Punkt, der auf der nordöstlichen Grundstücksgrenze der Fl.Nr. … zwischen diesen beiden Punkten, die einen Abstand von 5 m zueinander haben, liegt, gilt dies gleichermaßen.
Auch die übrigen Angaben in der Eintragungsverfügung helfen nicht weiter. Darin wird die Länge des streitgegenständlichen Fußweges mit 63 m angegeben. Von dem Anfangspunkt des Weges bis zu dem in dem Lageplan eingezeichneten Endpunkt sind es aber nach einer Messung aus dem amtlichen Lageplan etwa 58 m.
Schließlich hilft es auch nicht weiter, den wirklichen Willen der damals widmenden Gemeinde heranzuziehen. Die Gemeinde hat mit Eintragungsverfügung ebenfalls vom 29. Juli 1986 den nördlichsten Teilbereich der Fl.Nr. … zwischen den Gebäuden …straße 4 und 6 als Gemeindestraße mit der Bezeichnung „…straße (Staatsstraße …) Verbindung zu Grundstück Fl.Nr. …“ gewidmet. Als Endpunkt dieser Verbindungsstraße hat die Gemeinde in der Eintragungsverfügung den „Fußweg an der …straße bei Grundstück Fl.Nr. … (NO-Seite)“ festgesetzt. Es liegt daher nahe, dass die Gemeinde mit der Formulierung „Verbindung zu …straße“ in der Eintragungsverfügung bezüglich des streitgegenständlichen Fußwegs als Endpunkt des Fußwegs die Verbindungsstraße festsetzen wollte. Einfach ausgedrückt: Das Ende des Fußwegs sollte durch die Verbindungsstraße markiert werden und umgekehrt das Ende der Verbindungsstraße durch den Fußweg. Diese wechselseitige Bezugnahme führt aber nicht zur Bestimmtheit, sondern verstärkt im Gegenteil die Unbestimmtheit. Der gerichtliche Augenschein hat nämlich ergeben, dass eine solche Grenze zwischen dem als Verbindungsstraße gewidmeten Teil und dem als Fußweg gewidmeten Teil in der Natur nicht ansatzweise erkennbar ist. Vielmehr führt von Norden her kommend betrachtet hinter den Gebäuden …straße 4 und 6 ein durchgehender Schotterweg, der Fahrspuren von Kraftfahrzeugen aufweist, am Gebäude …straße 4a vorbei zu den Parkplätzen im südlichen Bereich des Grundstücks Fl.Nr. …
Da sich der Endpunkt des streitgegenständlichen Fußweges aufgrund der Angaben in der Eintragungsverfügung nicht bestimmen und auch durch Auslegung nicht ermitteln lässt, fehlt es an einer notwendigen Mindestvoraussetzung für die Bestimmtheit der Widmung. Dies stellt einen besonders schweren Fehler dar, der im Ergebnis die Nichtigkeit der Widmung zur Folge hat.
cc) Der Beigeladene kann die nördliche Teilfläche des im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücks Fl.Nr. … für die Erschließung seines Bauvorhabens in Anspruch nehmen.
Die ausreichende Erschließung eines Vorhabens kann ausnahmsweise rechtlich gesichert sein, wenn trotz Fehlens einer Widmung eine tatsächlich vorhandene Verbindung mit dem öffentlichen Wegenetz über ein der Gemeinde gehöriges Wegegrundstück besteht und die Gemeinde aus Rechtsgründen dauernd gehindert ist, den Anliegerverkehr zum Baugrundstück zu untersagen (BVerwG, U.v. 31.10.1990 – 4 C 45.88 – BauR 1991, 55 = juris Rn. 19). Das Beschwerdegericht hat im Eilverfahren zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass dies nur dann in Betracht kommt, wenn keine Widmung der Fläche besteht (vgl. BayVGH, B.v. 8.4.2019 – 1 CS 19.261 – juris Rn. 17). Dies ist aber der Fall, weil die Widmungsbeschränkung unwirksam bzw. die Widmung nichtig ist (s.o.).
Der Kläger ist zudem aus Rechtsgründen dauernd gehindert, den Anliegerverkehr zum Baugrundstück zu untersagen. Eine Selbstbeschränkung kann sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergeben, wenn der Weg zum Beispiel auch dem Zugang zu anderen ähnlich bebauten und genutzten Grundstücken dient, oder aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) wegen des vorangegangenen Verhaltens der Gemeinde, etwa wenn sie der Bebauung in früherer Zeit vorbehaltlos zugestimmt hat (BVerwG, U.v. 31.10.1990 – 4 C 45.88 – BauR 1991, 55 = juris Rn. 19). Beides ist vorliegend der Fall. Der gerichtliche Augenschein hat bestätigt, was auf den Luftbildaufnahmen zu erkennen war, nämlich dass sich im südlichen Bereich des Grundstücks Fl.Nr. … vier befestigte Stellplätze befinden. Drei der Stellplätze sind mit Schildern versehen. Zwei Schilder tragen die Aufschrift „Praxis“, eines die Aufschrift „Privat“. Die Stellplätze sollen nach Auskunft des Landratsamtes zu einer Arztpraxis gehören, seien jedoch nicht genehmigt. Zum Zeitpunkt des Augenscheins waren die Stellplätze teilweise belegt. Die Stellplätze sind nur erreichbar, wenn der vermeintlich eigentlich als Fußweg gewidmete Teilbereich der Fl.Nr. … auf Höhe der Grundstücke Fl.Nr. … und … auf voller Länge befahren wird. Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass das gemeindliche Grundstück wohl unter Duldung aller Beteiligten seit geraumer Zeit faktisch mit Kraftfahrzeugen befahren und zu Erschließungszwecken in Anspruch genommen wird. Folglich kann der Kläger dem Beigeladenen unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht verwehren, das gemeindliche Grundstück für die Erschließung seines Bauvorhabens in Anspruch zu nehmen. Hierfür spricht auch sein vorangegangenes Verhalten. Mit Bescheid vom 18. August 2014 hat das Landratsamt für das streitgegenständliche Grundstück eine Baugenehmigung für den Neubau eines Zweifamilienwohnhauses mit einem Carport in der südöstlichen Grundstücksecke erteilt. Hierzu hatte der Kläger das gemeindliche Einvernehmen vorbehaltlos erteilt. Die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens zu dem nun streitgegenständlichen Bauvorhaben hat der Kläger letztlich mit Belangen der Denkmalpflege hinsichtlich des Gewölbekellers begründet, bezüglich der Erschließung aber im Wesentlichen keine Bedenken mehr angemeldet. Im Beschluss des Bau- und Umweltausschusses vom 20. August 2018 wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund der Erschließungssituation allenfalls das Verkehrsaufkommen für maximal zwei Wohneinheiten als vertretbar angesehen werde. In dem streitgegenständlichen Bauvorhaben sollen lediglich zwei Wohneinheiten verwirklicht werden.
Im Ergebnis steht für das Bauvorhaben wegen der ausnahmsweise zulässigen Inanspruchnahme des gemeindeeigenen Grundstücks eine rechtlich gesicherte Zufahrt zur Verfügung, welche die erforderliche Mindestbreite von 3 m erreicht, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für Wohnbauvorhaben im unbeplanten Innenbereich in der Regel fordert (vgl. oben Rn. 29). Daher kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, dass zugunsten des Beigeladenen an dem Grundstück Fl.Nr. … mit Ausnahme der Engstelle an der Hausecke mittlerweile ein Geh- und Fahrtrecht mit einer Breite von 3 m eingetragen ist. Dies wäre voraussichtlich ohnehin nicht zu berücksichtigen gewesen, weil maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt bei der Klage einer Gemeinde gegen eine Baugenehmigung, die unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilt worden ist, der Zeitpunkt des Bescheiderlasses ist (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2010 – 4 C 4/08 – BVerwGE 137, 247 = juris Rn. 17, Rn. 32; U.v. 9.8.2016 – 4 C 5/15 – BVerwGE 156, 1 = juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 27.11.2018 – 1 B 16.1879 – juris Rn. 17; U.v. 29.1.2019 – 1 BV 16.232 – BayVBl 2019, 562 = juris Rn. 16; B.v. 5.8.2019 – 9 CS 19.581 – juris Rn. 19 f.).
2. Ebenfalls unbeachtlich sind schließlich die Belange des Denkmalschutzes, mit denen der Kläger die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens in dem Beschluss vom 20. August 2018 begründet hat. Zum einen handelte es sich bei dem Gewölbekeller nicht um ein Baudenkmal. Zum anderen kann das gemeindliche Einvernehmen bei einem Vorhaben im Innenbereich gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB nur aus den sich aus § 34 BauGB ergebenden Gründen versagt werden. Belange des Denkmalschutzes sind in der Norm nicht genannt, so dass eine diesbezügliche Ersetzung des verweigerten Einvernehmens den Kläger auch nicht in seinen Rechten aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 BV und § 36 BauGB verletzen kann (vgl. VG Würzburg, B. v. 30.10.2013 – W 4 S 13.990 – juris Rn. 24; VG München, B.v. 10.1.2019 – M 11 SN 18.5724 – juris Rn. 35).
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. Es entspricht der Billigkeit, ihm auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, der begründete Anträge gestellt und sich somit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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