Baurecht

Erschließungsbeitrag für neue selbständige Erschließungsanlage (Anbaustraße)

Aktenzeichen  6 ZB 14.2404

Datum:
13.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 47752
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5a
BauGB § 132 Nr. 4, § 133 Abs. 2 S. 1
VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zu den durch Satzung zu regelnden Merkmalen der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage (§ 132 Nr. 4 BauGB) gehört die bautechnische Ausgestaltung der für die Erschließungsanlage vorgesehenen Teileinrichtungen. Einer Erwähnung der Tragschichten unterhalb der Oberflächenbefestigung (Unterbau) bedarf es jedoch nicht. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Merkmalsregelung, die hinsichtlich der Oberflächenbefestigung (oder gar des Unterbaus) auf in technischen Regelwerken vorgegebene Ausbaustandards Bezug nimmt, wäre für die beitragspflichtigen Anlieger intransparent und würde zu einer unangemessenen Risikoverlagerung zu ihren Lasten führen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird eine endgültig hergestellte Anbaustraße nachträglich verlängert oder fortgeführt, stellt das nachträglich angelegte Teilstück eine selbständige Erschließungsanlage dar, auch wenn eine natürliche Betrachtungsweise einen einheitlichen Straßenverlauf des vorhandenen wie des neu hergestellten Straßenteilstücks ergibt. (redaktioneller Leitsatz)
4. Sowohl im Straßenausbaubeitragsrecht als auch im Erschließungsbeitragsrecht ist grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Begriff des Grundstücks im Sinn des Grundbuchrechts auszugehen  (formeller Grundstücksbegriff). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 12.392 2014-09-16 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 16. September 2014 – B 4 K 12.392 – in seinem stattgebenden Teil wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.953,63 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts in seinem stattgebenden Teil zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Denn die von der Beklagten innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Die beklagte Gemeinde hat den Kläger mit Bescheid vom 18. Mai 2011 für den 2008 durchgeführten Ausbau der Bergstraße zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 10.192,47 € herangezogen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Bescheid (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2012) teilweise aufgehoben, nämlich soweit ein höherer Beitrag als 5.238,84 € festgesetzt worden ist. Es hat sein Urteil auf folgende Erwägungen gestützt: Maßgebliche Einrichtung sei die Bergstraße in einer geringeren Ausdehnung als sie die Beklagte ihrer Abrechnung zugrunde gelegt habe, nämlich lediglich auf einer Länge von ca. 190 m beginnend an der Einmündung „Am Angerbach“ (als natürlichem Beginn) bis zur östlichen Grenze des Grundstücks FlNr. 414/3 (als rechtlichem Ende). Jenseits dieser Grenze beginne eine neue selbstständige, bis zum Beginn des Außenbereichs reichende Erschließungsanlage. Denn dort sei die Straße anders als auf der maßgeblichen Strecke vor der in Rede stehenden Baumaßnahme noch nicht fertig gestellt, sondern nur lose geschottert gewesen und habe weder eine Entwässerung noch eine Beleuchtung aufgewiesen. Entsprechendes gelte für die 52 m lange Stichstraße „Höllberg“. Die an der maßgeblichen Strecke zeitgleich mit einer Kanalsanierung durchgeführte Baumaßnahme beurteile sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nach dem Erschließungsbeitragsrecht (Art. 5a KAG i. V. m. §§ 127 ff. BauGB), sondern nach dem Straßenausbaubeitragsrecht (Art. 5 KAG). Denn die Straße sei – anders als die sich östlich anschließende Teilstrecke – von der Beklagten bereits 1962/63 unter Geltung der Erschließungsbeitragssatzung vom 14. Juni 1961 endgültig hergestellt worden. Die damaligen satzungsmäßigen Herstellungsmerkmale seien erfüllt gewesen. Erst die Satzung aus dem Jahr 1978 habe als Herstellungsmerkmal eine zweilagige Trag- und Deckschicht sowie einen technisch notwendigen tragfähigen und frostsicheren Unterbau verlangt. Das führe zu einer Erhöhung des Gemeindeanteils. Der umlagefähige Aufwand sei zudem um einen weiteren Betrag zu kürzen, weil die Kostenersparnis berücksichtigt werden müsse, die durch die gemeinsame Durchführung von Straßenbaumaßnahme und Erneuerung der in der Straße verlegten Kanalisation erzielt worden sei („Quergräben“ für Hausanschlüsse). Schließlich müssten die Abrechnungsflächen gegenüber der Annahme der Beklagten vergrößert werden, was den Beitragssatz zugunsten des Klägers verringere.
Die Einwände der Beklagten begründen keine ernstlichen Zweifel, die der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen.
a) Nicht zu beanstanden ist die (Grund-)Annahme des Verwaltungsgerichts, die Bergstraße zwischen der Einmündung „Am Angerbach“ und der östlichen Grenze des Grundstücks FlNr. 414/3 sei – im Gegensatz zu dem sich östlich anschließenden Straßenstück und der Stichstraße „Höllberg“ – bereits 1962/63 als beitragsfähige Erschließungsanlage (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) erstmalig endgültig hergestellt (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) worden. Dem steht entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entgegen, dass „zweifelsfrei der notwendige Unterbau“ entsprechend den „anerkannten Regeln der Technik und des Straßenbaus“ gefehlt habe.
Die insoweit allein strittige Frage, ob die flächenmäßigen Teileinrichtungen damals die technischen Herstellungsmerkmale erfüllt oder noch keinen endgültigen Ausbauzustand erreicht haben, beurteilt sich nach der seinerzeit maßgeblichen Satzungslage der Beklagten. Denn die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage sind von der Gemeinde durch Satzung zu regeln (§ 132 Nr. 4 BauGB). Anders als die Flächeneinteilung einer Straße als solche, die von der Gemeinde gegebenenfalls formlos festgelegt werden darf, gehört die bautechnische Ausgestaltung der für die Erschließungsanlage vorgesehenen Teileinrichtungen zu dem zwingend in die Satzung aufzunehmenden Ausbauprogramm, soweit davon die endgültige Herstellung der Anlage abhängen soll (ständige Rechtsprechung, etwa BayVGH, B.v. 12.6.2014 – 6 CS 14.1077 – juris Rn. 10 ff.; BVerwG, U.v. 15.5.2013 – 9 C 3.12 – BayVBl 2014, 181 Rn. 14 m. w. N.).
In § 7 Abs. 1 Nr. 1 der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 14. Juni 1961 war hinsichtlich der bautechnischen Ausgestaltung bestimmt, dass Anbaustraßen endgültig hergestellt sind, wenn sie „eine Pflasterung, eine Asphalt-, Teer-, Beton- oder ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise“ aufweisen. Weitere Anforderungen namentlich zum Straßenaufbau stellt die Satzung nicht, was rechtlich nicht zu beanstanden ist. Denn einer Erwähnung der Tragschichten unterhalb der Oberflächenbefestigung (Unterbau) bedarf es in der Satzung nicht (BVerwG, B.v. 1.9.1997 – 8 B 144.97 – BayVBl 1998, 470/471). Wird der Unterbau gleichwohl in der Satzung genannt, wie in § 13 Abs. 1 Nr. 1 der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 16. November 1978 („technisch notwendiger, tragfähiger und frostsicherer Unterbau“), kommt dem keine eigenständige Bedeutung zu (BayVGH, B.v. 23.2.2015 – 6 ZB 13.978 – juris Rn. 18). Herstellungsmerkmale sollen es nach dem Gesetzeszweck den Beitragspflichtigen ermöglichen, durch einen Vergleich des satzungsmäßig festgelegten Bauprogramms mit dem tatsächlichen Zustand, in dem sich die gebaute Anlage befindet, ein Bild darüber zu verschaffen, ob die Anlage endgültig hergestellt ist oder nicht. Mit dieser auf Laien abstellenden Zielrichtung wäre es von vornherein nicht zu vereinbaren, das Merkmal „technisch notwendiger Unterbau“ in dem Sinn zu verstehen, dass es um die Beachtung technischer Regelwerke ginge. Entscheidend kann allenfalls sein, dass irgendein künstlich hergestellter Unterbau unterhalb der Oberflächenbefestigung vorhanden ist (BayVGH, B.v. 3.8.1999 – 6 ZB 99.1102 – juris Rn. 4). Eine Merkmalsregelung, die hinsichtlich der Oberflächenbefestigung oder gar des Unterbaus auf in technischen Regelwerken vorgegebene Ausbaustandards Bezug nimmt, würde demgegenüber erheblichen Bedenken begegnen; eine solche Einschränkung wäre für die beitragspflichtigen Anlieger intransparent und würde zu einer unangemessenen Risikoverlagerung zu ihren Lasten führen (vgl. BVerwG, U.v. 15.5.2013 – 9 C 3.12 – BayVBl 2014, 181 Rn. 17). Eine etwa mängelbehaftete Ausführung der technischen Baumaßnahme berührt nur Gewährleistungsansprüche der Gemeinde gegenüber dem Bauunternehmer und damit unter Umständen die Höhe des beitragsfähigen Erschließungsaufwands, nicht aber die Frage, ob die satzungsmäßigen Herstellungsmerkmale erfüllt sind. Die endgültige Herstellung wäre nur dann zu verneinen, wenn die Mängel die Gebrauchstauglichkeit der Erschließungsanlage ausschlössen (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.1999 – 6 ZB 99.1102 – juris Rn. 6; OVG NRW, U.v. 29.11.1996 – 3 A 2373/93 – NWVBl 1997, 424).
Aus den von der Beklagten angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs, insbesondere denjenigen des für Erschließungsbeitragsrecht zuständigen Senats, ergibt sich nichts anderes. Keine Anwendung findet schon im Ansatz die Rechtsprechung zur Frage, welche Merkmale eine Straße vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 aufweisen musste, um als vorhandene Straße im Sinn des § 242 Abs. 1 BauGB (nunmehr Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG) beurteilt zu werden. Diese Frage beantwortet sich nach den vor diesem Zeitpunkt geltenden landesrechtlichen und örtlichen straßenbaurechtlichen Vorschriften sowie städtebaulichen Regelungen, nach etwaigen Richtlinien für den Abschluss von Straßenkostensicherungsverträgen, nach einer erkennbar gewordenen Straßenplanung der Gemeinde und, falls es an dahingehenden Unterlagen fehlt, nach den örtlichen Verkehrsbedürfnissen (vgl. BayVGH, B.v. 5.6.2008 – 6 ZB 06.2721 – juris Rn. 5 m. w. N.); danach war jedenfalls seit 1936 in aller Regel auch in ländlichen Gemeinden ein kunstgerechter, frostsicherer Unterbau erforderlich. Unter Geltung des zunächst bundes-, später landesrechtlichen Erschließungsbeitragsrechts sind die Anforderungen an die bautechnische Ausgestaltung indes anders, nämlich in dem oben dargelegten Sinn in der Merkmalsregelung der Erschließungsbeitragssatzung normiert.
Gemessen an diesem Maßstab begegnet es keinen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht die technischen Herstellungsmerkmale als erfüllt angesehen hat. Der Straßenaufbau mag den damaligen üblichen technischen Regeln nicht entsprochen haben. Jedenfalls war unterhalb der – der Merkmalsregelung entsprechenden – Oberflächenbefestigung, wie der vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung angehörte Bauingenieur erläutert hat, eine Setzpacklage und damit ein künstlich hergestellter Unterbau vorhanden. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Gebrauchstauglichkeit der Straße ausgeschlossen gewesen sein könnte; diese hat im Gegenteil, wie das Verwaltungsrecht hervorgehoben hat, mehr als 40 Jahre standgehalten.
Da die weiteren (rechtlichen) Voraussetzungen der endgültigen Herstellung nicht in Frage stehen, ist die Bergstraße demnach von der Einmündung „Am Angerbach“ bis zur östlichen Grenze des Grundstücks FlNr. 414/3 infolge der 1962/63 durchgeführten Bauarbeiten als Erschließungsanlage endgültig hergestellt worden.
b) Auf dieser Grundlage begegnen auch die weiteren Folgerungen des Verwaltungsgerichts zum anwendbaren Recht und zum Einrichtungsbegriff keinen Zweifeln.
Waren die tatsächlichen und die rechtlichen Voraussetzungen für die endgültige Herstellung und – was die Beklagte ebenfalls nicht bezweifelt – das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten bereits in den 1960er Jahren unter Geltung der Erschließungsbeitragssatzung vom 14. Juni 1961 erfüllt, ist die Erschließungsanlage Bergstraße aus dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts (Art. 5a KAG i. V. m. §§ 127 ff. BauGB) entlassen. Das gilt auch dann, wenn damals – objektiv rechtswidrig – keine Erschließungsbeiträge erhoben worden sein sollten. Für spätere Baumaßnahmen, wie den in Rede stehenden Ausbau im Jahr 2008, ist der Anwendungsbereich des Straßenausbaubeitragsrechts (Art. 5 KAG) eröffnet.
Aus dem Blickwinkel des somit maßgeblichen Straßenausbaubeitragsrechts hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Bergstraße von der Einmündung „Am Angerbach“ (als natürlichen Beginn) bis zur östlichen Grenze des Grundstücks FlNr. 414/3 als die für die Aufwandsermittlung und -verteilung maßgebliche Einrichtung angesehen. Entgegen der Ansicht der Beklagten können trotz ihrer geringen Länge und Überschaubarkeit weder die Stichstraße „Höllberg“ noch die sich nach Osten bis zum Außenbereich anschließende Strecke einbezogen werden. Dem stehen zwingende rechtliche Hindernisse entgegen. Denn beide Straßenteile wurden erst durch die Baumaßnahme im Jahr 2008 in technischer Hinsicht erstmalig endgültig hergestellt und unterfallen mithin (noch) dem Erschließungsbeitragsrecht. Wird nämlich – wie hier – eine endgültig hergestellte Anbaustraße, für die die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten bereits entstanden sind, nachträglich verlängert oder fortgeführt, stellt das nachträglich angelegte Teilstück eine selbstständige Erschließungsanlage dar, auch wenn zu diesem späteren Zeitpunkt eine (grundsätzlich gebotene) natürliche Betrachtungsweise einen einheitlichen Straßenverlauf des vorhandenen wie des neu hergestellten Straßenteilstücks ergibt, weil die Beurteilungszeitpunkte insoweit voneinander abweichen (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, U.v. 22.7.2011 – 6 B 08.1935 – juris Rn. 16 m. w. N.).
c) Für die Bestimmung des beitragsfähigen Aufwands hat das Verwaltungsgericht folgerichtig auf die Herstellungskosten für die maßgebliche Einrichtung (Bergstraße zwischen der Einmündung „Am Angerbach“ und der östlichen Grenze des Grundstücks FlNr. 414/3) abgestellt.
Zu Recht hat es die angefallenen „reinen“ Straßenbaukosten (130.112,03 €) gemindert, weil die Beklagte die Straßenbaumaßnahme zugleich – unter „Ausnutzung“ der dafür erforderlichen Arbeiten – mit einer Kanalsanierung durchgeführt hat, die über das Anschlussbeitragsrecht abzurechnen ist. Durch eine solche Verbundmaßnahme werden Kosten erspart, die bei einer völlig getrennten Durchführung der beiden unterschiedlichen Maßnahmen durch die Wiederherstellung der Fahrbahn nach Abschluss der Kanalbauarbeiten anfallen würden. Die durch die Verbindung bewirkte Kostenersparnis muss sowohl der Kanal- als auch der Straßenbaumaßnahme zugutekommen. Deshalb mindert sich der beitragsfähige Aufwand (auch) für die Straßenbaumaßnahme um einen bestimmten Anteil der Kosten für die Ausbauarbeiten, die zugleich der Kanalbaumaßnahme, d. h. deren Abschluss durch Aufbringung der neuen Fahrbahn mit Unterbau, zugutegekommen sind, also zur Durchführung beider Maßnahmen erforderlich waren (näher Driehaus in Driehaus , Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 329 ff. m. w. N.). Bei der Bestimmung der Kostenersparnis, die in aller Regel nur im Wege der Schätzung aufgrund von Erfahrungswerten vorgenommen werden kann, sind deshalb im Ansatz auch die für die Neuverlegung der Hausanschlüsse erforderlichen Quergräben in der Straßentrasse zu berücksichtigen; denn in diesem Bereich haben sich beide Maßnahmen überschnitten. Das Verwaltungsgericht hat sie nachvollziehbar anhand der anteiligen Straßenbaukosten für die betroffenen Flächen beziffert (9.997,07 €) und hälftig beiden Maßnahmen gutgeschrieben. Die Beklagte hält dem nichts Stichhaltiges entgegen.
d) Ebenfalls nicht überzeugen können die Einwände der Beklagten gegen die Korrektur, die das Verwaltungsgericht bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands auf die bevorteilten Grundstücke zugunsten des Klägers gegenüber der von der Beklagten vorgelegten Vergleichsberechnung (VG-Akt im Parallelverfahren 6 ZB 14.2405 Bl. 290) vorgenommen hat.
Keinen Zweifeln begegnet zunächst die Annahme im angegriffenen Urteil, bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands auf die zu berücksichtigenden Grundstücke dürfe die in § 8 Abs. 13 Satz 1 der Ausbaubeitragssatzung (ABS) geregelte Vergünstigung bei Mehrfacherschließung entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zugunsten der Grundstücke FlNrn. 325, 329/4 und 329/59 Anwendung finden. Das Verwaltungsgericht hat die Versagung der Eckgrundstücksvergünstigung damit begründet, dass weder die Stichstraße „Höllberg“ noch die östliche Strecke der Bergstraße, an welche diese Grundstücke zusätzlich angrenzten, als – neben der maßgeblichen Teilstrecke der Bergstraße weitere – „Einrichtung“ im Sinn des § 8 Abs. 13 Satz 1 ABS anzusehen seien. Das entspricht der Rechtslage. Denn beide Verkehrsanlagen sind erst im Zuge der streitigen Baumaßnahme endgültig hergestellt worden, unterfielen also im Gegensatz zur abzurechnenden Einrichtung (noch) dem Erschließungsbeitragsrecht (vgl. BayVGH, U.v. 19.7.2005 – 6 B 01.1492 – juris Rn. 23).
Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht ferner mit Blick auf das im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück FlNr. 277 mit der – unstreitig – im beplanten Innenbereich gelegenen Teilfläche (6.248 m2) sowohl für die Bereiche „Lagerplatz Bauhof“ (1.025,75 m2 und 2.904,87 m2) als auch für den Bereich „Kleingärten“ (1.320 m2) einen Artzuschlag nach § 8 Abs. 11 Satz 1 ABS mit der Folge eines Ausschlusses der Mehrfachvergünstigung (§ 8 Abs. 13 Satz 2 ABS) angesetzt. Gemäß dieser Bestimmung sind bei erschlossenen Grundstücken, die zu mehr als einem Drittel gewerblich – oder in einer vergleichbaren Weise (§ 8 Abs. 12 ABS) – genutzt werden oder genutzt werden dürfen, die nach § 8 Abs. 2 zu ermittelnden Nutzungsfaktoren um je 50 v. H. zu erhöhen. Für den Lagerplatz zieht die Beklagte eine gewerbliche oder vergleichbare Nutzung selbst nicht in Zweifel. Für den als Kleingärten genutzten Bereich muss es entgegen ihrer Ansicht bei dieser Zuordnung bleiben. Zwar dürfte die Nutzung als Kleingarten für sich betrachtet die Auferlegung eines grundstücksbezogenen Artzuschlags kaum rechtfertigen. Entscheidend ist indes im vorliegenden Fall nicht die Nutzung dieses Bereichs, sondern der Grundsatz, dass im Straßenausbaubeitragsrecht – wie im Erschließungsbeitragsrecht – grundsätzlich vom bürgerlichrechtlichen Begriff des Grundstücks im Sinn des Grundbuchrechts auszugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.2.2015 – 6 ZB 14.2045 – juris Rn. 6). Eine Abweichung vom formellen Grundstücksbegriff ist insbesondere nicht veranlasst, wenn – wie hier – ein einheitlich nutzbares, großes Buchgrundstück unterschiedlich genutzt wird. Deshalb verbietet sich für die im unbeplanten Innenbereich gelegene, einheitlich nutzbare Fläche von 6.248 m2 eine Aufsplitterung nach Nutzungsbereichen. Sie ist vielmehr insgesamt zu betrachten und deshalb mit einem Artzuschlag nach § 8 Abs. 11 ABS zu belegen, weil sie auf 3.930,62 m2 und damit zu mehr als einem Drittel gewerblich oder vergleichbar genutzt wird.
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die aufgeworfenen Fragen lassen sich auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung in dem oben dargelegten Sinn beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
3. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen der behaupteten Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von den im Zulassungsantrag genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zuzulassen. Es fehlt bereits an der nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotenen substantiierten Darlegung, welcher Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die behauptete Abweichung liegt aber auch nicht vor; den genannten Entscheidungen lässt sich, wie oben ausgeführt, nicht entnehmen, die Tragschichten unterhalb der Oberflächenbefestigung müssten entsprechend den technischen Regeln ausgeführt sein, damit eine Anbaustraße entsprechend den satzungsrechtlichen Herstellungsmerkmalen endgültig hergestellt sei.
4. Das Urteil beruht schließlich auch nicht auf einem der Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofs unterliegenden Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die Rüge, das Verwaltungsgericht hätte im Rahmen der Überprüfung des beitragsfähigen Aufwands die Höhe der Kostenersparnis aufgrund der Durchführung einer Verbundmaßnahme (oben 1 c) mit Blick auf die zusätzlichen Grabenbereiche für Hausanschlüsse weiter aufklären müssen, kann nicht überzeugen.
Ein Gericht verletzt seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht ausdrücklich beantragt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, B.v. 16.4.2012 – 4 B 29.11 – BayVBl 2012, 640; BayVGH, B.v. 9.3.2016 – 6 ZB 15.622 – juris Rn. 15). Die anwaltlich vertretene Beklagte hätte in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) zu Protokoll stellen können (vgl. § 105 VwGO i. V. m. § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO); das ist jedoch ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 16. September 2014 nicht geschehen. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten zu kompensieren.
Die Tatsache‚ dass ein Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt wurde‚ wäre nur dann unerheblich‚ wenn sich dem Gericht auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge ist jedoch nur dann erfolgreich‚ wenn sie schlüssig aufzeigt‚ dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen müssen. Es muss ferner dargelegt werden‚ welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beteiligten günstigeren Entscheidung hätte führen können (BVerwG‚ B.v. 14.9.2007 – 4 B 37.07 – juris Rn. 2 f. m. w. N.; B.v. 10.2.2015 – 5 B 60.14 – juris Rn. 3). Diese Anforderungen erfüllt das Vorbringen der Beklagten nicht. Sie legt nicht dar, welche weiteren Angaben der in der mündlichen Verhandlung angehörte Bauingenieur K. zur Anzahl sowie zum Ausmaß der Quergräben, der sich daraus errechnenden Kostenersparnis und deren Verteilung auf die Straßen- und Kanalbaumaßnahmen gemacht hätte und inwiefern das zu einer für die Beklagte günstigeren Entscheidung hätte führen können.
Im Übrigen bestand für das Verwaltungsgericht kein Anlass zu einer weiteren Aufklärung, weil ihm mit den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen und den ergänzenden Angaben von Herrn K. eine ausreichende Tatsachengrundlage zur Verfügung stand, um – in Fortführung der von der Beklagten selbst vorgenommenen Berechnungen – die Kostenersparnis hinsichtlich der Quergräben zu bemessen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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