Baurecht

Fachplanungsvorbehalt der Bahn

Aktenzeichen  M 8 K 15.3329

Datum:
24.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 118259
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 38
BauNVO § 8 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Die Festsetzung eines gemeindlichen Grünordnungsplans über eine Fläche mit zu erhaltender Vegetation verstößt gegen den bahnrechtlichen Fachplanungsvorbehalt, wenn sie nicht lediglich eine Einschränkung bahnfremder Nutzungen enthält, sondern auch deswegen potentiell geeignet ist, die Zweckbestimmung als Bahnanlage anzutasten, weil sie nicht zwischen bahnbetriebsbezogenen und bahnfremden Nutzungen unterscheidet. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
II. Unter Aufhebung des negativen Vorbescheids vom 7. Juli 2015 wird die Beklagte verpflichtet, die mit dem Vorbescheidsantrag vom 19. Dezember 2014 gestellten Vorbescheidsfragen mit Ausnahme der Frage 2.1 positiv zu beantworten.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Zwar sieht das Gesetz insoweit eine Einstellung durch Beschluss vor. Bei einer nur teilweisen Erledigung der Hauptsache bzw. einer nur teilweisen Rücknahme kann diese Entscheidung aber auch im Urteil getroffen werden (vgl. BVerwG v. 6.2.1963 – NJW 1963, 923).
II.
Die Klage ist – soweit sie aufrechterhalten wurde – zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Insbesondere bestehen an der Zulässigkeit der Klage keine rechtlichen Bedenken, da die Klägerin geltend machen kann, durch die ablehnende Entscheidung der Beklagten in ihrem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt zu sein und eine solche Rechtsverletzung vorliegend nicht von vornherein ausgeschlossen ist.
Die Klage ist auch begründet, da der Klägerin vorliegend ein Anspruch auf positive Beantwortung der Vorbescheidsfragen gemäß dem Vorbescheidsantrag vom 19. Dezember 2014 – soweit er aufrecht erhalten wurde – zusteht und sie durch die ablehnende Entscheidung der Beklagten in ihren Rechten verletzt ist, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
1. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des abgefragten Vorhabens beurteilt sich hier nach § 34 BauGB, da die Festsetzungen des Bebauungsplans und des Grünordnungsplans Nr. … jedenfalls hinsichtlich der streitgegenständlichen Fläche der Vorhabengrundstücke unwirksam sind und die Grundstücke sich im planungsrechtlichen Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB befinden.
1.1 Der Bereich der streitgegenständlichen Grundstücke, sowie der Bereich weiter südlich des Vorhabens gehörten ursprünglich – jedenfalls zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans Nr. … – zu den Flächen, die den Rechtscharakter und die Eigenschaft einer Betriebsanlage bzw. eines Betriebsgeländes der ehemaligen Bundesbahn hatten. Dementsprechend wurden diese Flächen nachrichtlich als Flächen des Eisenbahngeländes in den Bebauungsplan Nr. … übernommen.
Der Grünordnungsplan zu dem Bebauungsplan Nr. … setzt für den Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks Fl.Nr. … eine „Fläche mit zu erhaltender Vegetation“ fest. Darüber hinaus regelt § 12 Abs. 7 der Bebauungsplansatzung, dass der vorhandene Gehölzbestand auf Grünflächen und sonstigen Freiflächen erhalten werden soll, soweit nach den vorstehenden Vorschriften des Bebauungsplans eine Bepflanzung verlangt werden kann und der Gehölzbestand sich in das neue Bepflanzungskonzept einfügt. § 12 Abs. 1 der Satzung bestimmt, dass die nicht überbauten Flächen der Baugebiete, mit Ausnahme der Flächen für Stellplätze und der für den Betriebsablauf benötigten Flächen, zu begrünen und zu bepflanzen sind. Nach § 14 des Bebauungsplans gelten Regelungen des § 12 auch für die Flächen des …werkes der Deutschen Bahn – zu denen auch die streitgegenständlichen Grundstücke gehören – und der Versuchsanstalt.
Daraus folgt, dass die auf den streitgegenständlichen Grundstücken vorhandene Bepflanzung erhalten werden soll, sodass die Bebaubarkeit dieser Grundstücke nach den oben genannten Festsetzungen erheblich eingeschränkt bzw. ausgeschlossen ist (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB).
1.2 Dennoch können die Festsetzungen des Grünordnungsplans i.V.m. § 12 Abs. 7 der Satzung dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegen gehalten werden, da sie gegen den Fachplanungsvorbehalt der Bahn nach § 38 BauGB verstoßen und daher unwirksam sind.
1.2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt der Fachplanungsvorbehalt auch für alte Bahnanlagen, die nicht durch einen förmlichen Planfeststellungsbeschluss gewidmet worden sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1988 – 4 C 48/86 – juris Rn. 21). Da die streitgegenständlichen Grundstücke und das Gelände südlich der …straße zum Zeitpunkt der Bauleitplanung und insbesondere auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans mit Grünordnung Nr. … im Eigentum der Deutschen Bundesbahn standen und für deren Zwecke bestimmt waren, galt für diese Flächen grundsätzlich der Fachplanungsvorbehalt.
Hat eine Fläche den rechtlichen Charakter einer Anlage der Bahn, so ist sie der – prinzipiell das gesamte Gemeindegebiet umfassenden – gemeindlichen Bauplanungshoheit zwar nicht – nach Art eines exterritorialen Gebietes – völlig entzogen. Sie ist planerischen Aussagen der Gemeinde aber nur insoweit zugänglich, als diese der besonderen Zweckbestimmung der Anlage, dem Betrieb der Bahn zu dienen, nicht widersprechen. Gemeindliche Bauleitplanung und bahnrechtliche Fachplanung sind hiernach sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht aufeinander abzustimmen (BVerwG, U.v. 16.12.1988 – 4 C 48/86 – juris Rn. 27). Das bedeutet, dass eine Gemeinde von ihrer Befugnis zur Bauleitplanung in Bezug auf bestehende Anlagen und Flächen der Bahn insoweit Gebrauch machen darf, als ihre Planung inhaltlich keinen Konflikt mit dem besonderen Charakter der Bahnanlage auslöst, d.h. deren Zweckbestimmung, uneingeschränkt dem Bahnbetrieb zur Verfügung zu stehen, unangetastet lässt (VG München, U.v. 3.12.2007 – M 8 K 07.1368 – juris). So kann insbesondere die Zulässigkeit bestimmter Arten von Nutzungen oder Arten von baulichen Anlagen modifiziert werden, z.B. Spielhallen oder andere Vergnügungsstätten können ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (BayVGH, U.v. 9.12.2010 – 2 B 09.1500 – juris Rn. 27).
Danach sind Regelungen über die Zulässigkeit von „bahnfremden“ Nutzungen und insbesondere auch Einschränkungen solcher Nutzungen im Rahmen der gemeindlichen Bauleitplanung grundsätzlich möglich.
1.2.2 Im vorliegenden Fall begründen jedoch die Festsetzungen in § 12 bzw. § 14 i.V.m. dem Grünordnungsplan des Bebauungsplans Nr. … einen Konflikt mit dem besonderen Charakter der Bahnanlage, da sie nicht lediglich eine Einschränkung bahnfremder Nutzung enthalten, sondern auch potentiell geeignet sind, die Zweckbestimmung als Bahnanlage anzutasten (vgl. VG München, U.v. 3.12.2007 – M 8 K 07.1368; BayVGH, U.v. 9.12.2010 – 2 B 09.1500 – juris).
Die oben genannten Festsetzungen unterscheiden nicht zwischen bahnbetriebsbezogenen und bahnfremden Nutzungen, was dazu führt, dass durch die Festsetzung der „Fläche mit zu erhaltender Vegetation“ in dem Grünordnungsplan i.V.m. §§ 12 Abs. 7, 14 des Bebauungsplans Nr. … die Bebaubarkeit des von diesen Festsetzungen erfassten Flächen pauschal ausgeschlossen wird, ohne Rücksicht darauf, ob es sich dabei um Errichtung von Anlagen handelt, die der Zweckbestimmung als Bahnanlage dienen oder dieser widersprechen.
Diese Festsetzungen können auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass vorhandene Vegetation nur auf den zum Betriebsablauf der Bahn nicht notwendigen Flächen erhalten bzw. nur diese Flächen bepflanzt werden müssen. Eine solche Auslegung würde zum einen der Zweckbestimmung dieser Festsetzungen zuwiderlaufen. Es ergibt sich aus der Begründung des Bebauungsplans Nr. …, dass die Festsetzung der „Fläche mit zu erhaltender Vegetation“ vornehmlich dem Schutz und Erhaltung des sich in diesem Bereich befindlichen Biotops dienen sollte (vgl. Seite 61 der Begründung). Die Errichtung von bahnfremden, ebenso wie bahnbetriebsbezogenen baulichen Anlagen würde dieser Zielsetzung widersprechen, da es in jedem Fall zur Zerstörung des vorhandenen Baum- und Pflanzenbestandes kommen würde. Die Festsetzung schließt sowohl eine bahnbetriebsbezogene, als auch eine bahnfremde Nutzung des Geländes aus und kommt damit einem absoluten Bauverbot nahe. Sie widerspricht damit der Zweckbestimmung der Bahnanlage und somit auch dem Fachplanungsvorbehalt des § 38 BauGB (zu einem Bauverbot im Bereich der Bundesbahnanlage vgl. BVerwG, B.v. 17.11.1989 – 4 B 207/89 – NVwZ-RR 1990, 292).
Zum anderen begegnet eine solche Auslegung auch insoweit erheblichen rechtlichen Bedenken, als die Bahn im Konfliktfall – im Widerspruch zum Fachplanungskompetenz – gegebenenfalls für das Vorliegen einer bahnbezogenen Nutzung bestimmter Flächen darlegungspflichtig wäre (vgl. auch U.v. 3.12.2007 – M 8 K 07.1368 – juris Rn. 32).
Nach alldem ist festzuhalten, dass der Beklagten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans Nr. … am 28. August 1987 die Planungshoheit für die Festsetzungen in § 12 Abs. 7 und § 14 i.V.m. Grünordnungsplan für den Bereich der streitgegenständlichen Grundstücke fehlte, sodass diese dem verfahrensgegenständlichen Vorhaben nicht entgegen gehalten werden können (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1988 – 4 C 48/86 – juris Rn. 43).
Ein nachträgliches Wirksamwerden der mangels Planungshoheit ungültigen Festsetzungen eines Bebauungsplans ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann ausgeschlossen, wenn die betroffenen Flächen in der Folgezeit durch Entwidmung aus der Planungshoheit der Bahn entlassen wurden (BVerwG, U.v. 16.12.1988 a.a.O.).
1.2.3 Die fehlende Planungshoheit der Beklagten konnte vorliegend nicht durch etwaige vertragliche Vereinbarungen bzw. Abstimmungen mit der Bahn ausgeräumt werden.
(1) Ein Wechsel der Planungshoheit von der Bahn als privilegierter anlagenbezogener Planungsträgerin zur Gemeinde als Trägerin der umfassenden gebietsbezogenen Bauplanungshoheit muss schon wegen der rechtsstaatlich gebotenen Eindeutigkeit öffentlich-sachenrechtlicher Rechtsverhältnisse durch einen hoheitlichen Akt erfolgen, der für jedermann klare Verhältnisse darüber schafft, ob und welche bisher als Bahnanlagen dienende Flächen künftig wieder für andere Arten von Nutzungen offenstehen. Einfache Freigabeerklärungen der Deutschen Bundesbahn als (bisheriger) Planungsträgerin gegenüber einem Bauwilligen, wonach die Anlage oder ein bestimmter Teil derselben für Bahnbetriebszwecke nicht mehr benötigt werde, genügen regelmäßig nicht, um einer bestehenden Bahnanlage ihren besonderen Rechtscharakter zu nehmen. Das hiernach gebotene Mindestmaß an Publizität setzt vielmehr voraus, dass der Wechsel der Planungshoheit jedenfalls in einer geeigneten Weise bekanntgemacht wird (BVerwG, U.v. 16.12.1988 – 4 C 48/86 – juris Rn. 31).
(2) Nach diesen Grundsätzen ist eine interne vertragliche Vereinbarung der Beklagten mit der Bundesbahn für den Übergang der Planungskompetenz nicht ausreichend. Erst Recht kann eine bloße Billigung der Bebauungsplanaufstellung seitens der Deutschen Bundesbahn keine Planungshoheit der Beklagten begründen.
(3) Im Übrigen – ohne, dass es streitentscheidend darauf ankommt – kann den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht entnommen werden, dass die Deutsche Bundesbahn ihre Zustimmung für die Festsetzung einer zu bepflanzenden bzw. zu erhaltenden Fläche mit den damit verbundenen Einschränkungen der Bebaubarkeit der Bahnbetriebsflächen erteilt bzw. die Planungshoheit an die Beklagte übertragen hat.
Unter Ziffer 1 des Aufschließungsvertrages mit der Beklagten vom 17. April 1985 verpflichtete sich die Deutsche Bundesbahn die im Bebauungsplan Nr. … als öffentliche Grünflächen (einschließlich der Sondergrünflächen) sowie als öffentliche Verkehrsflächen festgesetzten Flächen der Beklagten nach Inkrafttreten des Bebauungsplans unentgeltlich zu übereignen. Diese Vertragsbestimmung spricht allerdings ausdrücklich von den „im Bebauungsplan Nr. … festgesetzten Grünflächen“, sodass die streitgegenständlichen Grundstücke – die gerade nicht als öffentliche Grünfläche, sondern als eine Eisenbahnfläche festgesetzt sind – von dieser Vereinbarung unberührt sind.
Ferner ist den seitens der Deutschen Bundesbahn im Rahmen der Erörterung im Bebauungsplanverfahren vorgetragenen Einwendungen zu entnehmen, dass gerade die Regelung im § 12 Abs. 7 des Bebauungsplans nicht uneingeschränkt auf Zustimmung der Deutschen Bundesbahn gestoßen ist.
Seite 2 des Schreibens der Deutschen Bundesbahn an das Planungsreferat der Beklagten vom 3. Dezember 1985 enthält u.a. folgende Ausführungen:
„Wie bereits bei der Flächennutzungsplanänderung erläutert, sind die beiden DB-Betriebsanlagen (AW … und VersA) sowie deren Zuführungsgleise als Bahnanlage im Sinne § 36 BbG anzusehen. Die Planungshoheit liegt für diese Bereiche bei der Bundesbahn.“
Damit hat die Deutsche Bundesbahn die Beklagte auf die fehlende Planungshoheit hinsichtlich der Betriebsanlagen „…werk …“ und der Versuchsanstalt der Deutschen Bundebahn ausdrücklich hingewiesen, sodass weder von ihrem Einverständnis mit einer dem Betriebszweck der Bundesbahn widersprechenden Festsetzung, noch von einem Übertragungswillen hinsichtlich der Planungshoheit auszugehen ist.
1.2.4 Da das streitgegenständliche Grundstück Fl.Nr. … mit Bescheid des Eisenbahn-Bundesamtes vom 20. April 2005 durch Entwidmung aus der Fachplanungshoheit des Eisenbahn-Bundesamtes entlassen wurde, widerspricht das abgefragte Bauvorhaben nicht der fachplanerischen Zweckbestimmung des Bahnbetriebsgeländes.
2. Die streitgegenständlichen Grundstücke liegen in dem planungsrechtlichen Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB, sodass sich die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens vorliegend nach dieser Vorschrift beurteilt.
Auf Grundlage der im Augenschein vom 24. Oktober 2016 gemachten Feststellungen sowie der Auswertung der dem Gericht vorliegenden Luftbilder und Lagepläne (BayernAtlas; www.google.de/maps) gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass die streitgegenständlichen Baugrundstücke Bestandteil eines Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB sind. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegen sie nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB).
2.1 Die Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB setzt einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Die Tatbestandsmerkmale „im Zusammenhang bebaut“ und „Ortsteil“ sind dabei kumulativer Natur (vgl. aktuell BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – juris Rn. 11). „Ortsteil“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Ein „Bebauungszusammenhang“ ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (vgl. rechtsgrundsätzlich BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 2.66 – BVerwGE 31, 20, 21 f.).
In der Rechtsprechung ist geklärt, nach welchen Kriterien die Abgrenzung des Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zum Außenbereich (§ 35 BauGB) zu erfolgen hat. Danach ist – wie ausgeführt – für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ausschlaggebend, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandenen Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 a.a.O.). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist einzelfallbezogen zu entscheiden. Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu befinden (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – juris Rn. 11 m.w.N.). Das Vorliegen einer Baulücke wird umso unwahrscheinlicher, je größer die unbebaute Fläche ist. Eine Baulücke wird in der Regel dabei angenommen, wenn die freie Fläche den Umfang von bis zu drei Bauplätzen aufweist, wobei die in der Umgebung vorhandene Bebauung auch zu einem größeren Maßstab führen kann (VGH Baden-Württemberg, U. v. 8.7.1986 – 8 S 2815/85 – juris).
Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper (vgl. aktuell BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris Rn. 5 f.). Dabei sind die Gründe für die Genehmigung des Bestands – ebenso wie Darstellungen des Flächennutzungsplans – unerheblich. Zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils können gegebenenfalls nur tatsächlich existente Gebäude, mit deren Vorhandensein sich die Bauaufsichtsbehörde zweifelfrei und dauerhaft abgefunden hat, beitragen (vgl. BVerwG, B.v. 9.11.2005 – 4 B 67.05 – juris Rn. 2). Es kommt dabei regelmäßig weder auf die Zweckbestimmung noch die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung an (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2007 – 4 B 7.07 – juris Rn. 4).
Nach diesen Maßstäben nehmen die streitgegenständlichen Vorhabengrundstücke an dem Bebauungszusammenhang teil und sind planungsrechtlichem Innenbereich zuzuordnen.
Die streitbefangenen Grundstücke sind zwar nicht von allen Seiten von Bebauung umgeben. Westlich und südlich der Vorhabengrundstücke befinden sich allerdings massive Gewerbebauten, die zum Teil die Grundfläche des geplanten Gebäudes bei weitem übersteigen. Zwar wurde der Bestand auf dem unmittelbar südlich angrenzenden Grundstück zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits nahezu komplett abgerissen. Es ist jedoch nach den Umständen des Falles nicht damit zu rechnen, dass dieses Grundstück, das zweifelsohne bebaubar ist, dauerhaft unbebaut bleiben wird. Daher gehört auch das südlich angrenzende Grundstück zum Bebauungszusammenhang.
Südlich daran anschließend befindet sich das massive Gebäude des ehemaligen …werkes der Deutschen Bundesbahn mit Abmessungen von ca. 150 x 150 m. Von der Zuwegung östlich des Vorhabengrundstücks Fl.Nr. … besteht eine deutliche Blickbeziehung zu den südlich liegenden Gewerbebauten. Auch der südwestlich dieses Vorhabengrundstückes liegende Gebäudekomplex kann von dem südlichen Bereich des Grundstücks eingesehen werden. Schließlich besteht auch eine Sichtbeziehung zu dem östlich der …alle liegenden, massiven Gebäudekomplex der … Messe.
Insgesamt ist die nähere Umgebung der Vorhabengrundstücke durch äußerst großzügige Grundstückszuschnitte mit sehr dichter Bebauung geprägt, sodass die Grundfläche der benachbarten Gebäude die der streitgegenständlichen Grundstücke übersteigt. Im Vergleich zu der umliegenden Bebauung stellt sich das streitgegenständliche Grundstück Fl.Nr. … verhältnismäßig klein dar. Aufgrund seiner vergleichsmäßig geringen Fläche, stellt sich das Vorhabengrundstück als Baulücke dar und nimmt an dem Bebauungszusammenhang der westlich und südlich liegenden Grundstücke teil.
Da das Grundstück Fl.Nr. … im Norden unmittelbar an die …straße angrenzt, die ein natürliches Abschlusselement für den Ortsteil südlich der Straße bildet, kann der Argumentation der Beklagten, der etwa bestehende Bebauungszusammenhang ende jedenfalls auf der Höhe der nördlichen Außenwand des westlichen Gebäudekomplexes auf der Fl.Nr. …, nicht gefolgt werden.
An dieser Beurteilung ändert auch die Tatsache nichts, dass östlich und südöstlich des Vorhabengrundstücks Fl.Nr. … zwei unbebaute Grundstücke liegen. Zum einen schließt sich das Vorhabengrundstück nicht unmittelbar an das benachbarte unbebaute Grundstück an, sondern ist durch die Zuwegung des Hammergrundstücks Fl.Nr. … getrennt und eingezäunt. Während das östlich liegende Grundstück sich in einer Ecksituation – angrenzend an die …straße und …alle – befindet und von keiner Seite von Bebauung umgeben ist, ist das Vorhabengrundstück in die westlich und südlich bestehende Bebauungsstruktur eingebettet, sodass eine gemeinsame Betrachtung beider Grundstücke ohnehin zweifelhaft ist.
Im Übrigen stellt sich die sowohl die Fläche des Vorhabengrundstücks als auch des östlich liegenden Eckgrundstücks im Vergleich zu den in der Umgebung vorherrschenden großzügigen Grundstückszuschnitten und Gebäudegrundflächen als verhältnismäßig gering dar, sodass eher der Eindruck einer Baulücke, als einer Außenbereichsfläche entsteht.
3. Zu der Beantwortung der einzelnen Vorbescheidsfragen ist folgendes auszuführen:
3.1 Die Beklagte war zu einer positiven Beantwortung der Frage 1.1 zu verpflichten, da das abgefragte Bauvorhaben betreffend seine dargestellte Grundfläche planungsrechtlich zulässig ist.
Mit dieser Frage ist die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens nach dem Maß der baulichen Nutzung abgefragt. Das streitgegenständliche Gebäude unterschreitet die in der näheren Umgebung – die sich zumindest aus der unmittelbar westlich und südlich angrenzenden Bebauung zusammensetzt – vorhandenen Grundflächen, sodass die mit dem Vorbescheidsantrag abgefragte Grundfläche von 36,39 x 53,30 m sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und daher planungsrechtlich zulässig ist.
3.2 Auch die abgefragte Wandhöhe (Frage 1.2) von 11,60 m fügt sich nach dem Ergebnis des Augenscheins vom 24. Oktober 2016 in die nähere Umgebung ein und ist planungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig.
3.3. Es sind vorliegend keine Gründe ersichtlich, die einer wegemäßigen Erschließung des abgefragten Vorhabens über die …straße entgegenstehen würden (Frage 1.3), sodass diese planungsrechtlich zulässig ist.
3.4 Auch gegen die planungsrechtliche Zulässigkeit der geplanten Tiefgarage bestehen keine rechtlichen Bedenken (Frage 1.4).
3.5 Da eine Fällung der durch die Baumschutzverordnung der Beklagten geschützten Bäume für die Realisierung des baurechtlich zulässigen Bauvorhabens erforderlich ist, kann eine Fällungsgenehmigung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumSchV erteilt werden (Frage 1.5). Gründe, die trotz bestehenden Baugenehmigungsanspruchs gegen die Erteilung einer Fällungsgenehmigung sprechen würden, sind seitens der Beklagten weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich. Den abgefragten Baumfällungen ist zuzustimmen.
3.6 Die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Überdachung der Tiefgaragenrampe (Frage 2.2) ist ebenfalls zu bejahen.
3.7 Schließlich sind auch die mit Fragen 3.1 und 3.2 abgefragten Nutzungsarten des geplanten Gebäudes planungsrechtlich zulässig und positiv zu beantworten.
Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht nach Überzeugung der Kammer einem Gewerbegebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO, sodass sowohl eine Verwaltungsnutzung, als auch eine Büronutzung des Vorhabengebäudes nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO planungsrechtlich zulässig sind.
III.
Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge gemäß § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
IV.
Die Nummerierung der Vorbescheidsfrage, die seitens der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung zurückgezogen wurde, war im Ziffer II des Tenors der Entscheidung gemäß § 118 Abs. 1 VwGO wegen offenbarer Unrichtigkeit von Amts wegen von „1.2“ in „2.1“ zu berichtigen, da in dem handschriftlich niedergelegten Tenor ein Fehler enthalten war, der offensichtlich auf einem Zahlendreher beruhte.


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