Baurecht

Festsetzung des Streitwerts bei Klage gegen Bauvorbescheid

Aktenzeichen  9 C 20.1865

Datum:
29.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26799
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 39, § 52 Abs. 1, § 68
RVG § 32 Abs. S. 1

 

Leitsatz

1. Auf Nachbarklagen gegen einen Bauvorbescheid ist Nr. 9.2 des Streitwertkatalogs 2013 nicht anwendbar. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs kommt es für die Bestimmung des Streitwerts weder auf die rechtliche Selbständigkeit mehrerer Anträge noch auf die Verfahrensdauer an, sondern allein auf einen selbständigen wirtschaftlichen Wert oder einen selbständigen materiellen Gehalt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Bauvorbescheid beinhaltet – mit Ausnahme der Baufreigabe – dieselbe Wirkung wie ein nachfolgende erteilte Baugenehmigung, so dass er insoweit keinen selbständigen materiellen Gehalt aufweist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 17 K 19.943 u.a. 2020-05-12 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. Mai 2020 wird der Streitwert im Verfahren AN 17. K 19.00943 bis zur Verbindung mit dem Verfahren AN 17 K 20.00022 auf 7.500,– Euro und ab Verbindung der beiden Verfahren auf insgesamt 7.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

Die von den Bevollmächtigten der Beigeladenen in eigenem Namen eingelegte Beschwerde (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 68 Abs. 1 GKG), mit der sie eine Heraufsetzung des Streitwerts für die Klage gegen den dem Beigeladenen vom Landratsamt Ansbach mit Genehmigung vom 4. April 2019 erteilten Bauvorbescheid für die Errichtung eines Einfamilienhauses begehren, ist zulässig und begründet.
1. Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat legt hierbei regelmäßig den jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde, derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013). In baurechtlichen Nachbarklagen geht der Senat üblicherweise vom unteren Wert des in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 vorgeschlagenen Streitwertrahmens aus und setzt regelmäßig einen Streitwert in Höhe von 7.500 Euro fest (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2019 – 9 C 19.1331 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dies gilt auch für Nachbarklagen gegen einen Bauvorbescheid (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1623 – juris Rn. 22; B.v. 6.11.2015 – 9 C 15.2337 – juris Rn. 3); Nr. 9.2 des Streitwertkatalogs 2013 ist in den Fällen einer solchen Nachbarklage nicht anwendbar. Dementsprechend ist der Streitwert sowohl für das Klageverfahren gegen die Baugenehmigung vom 25. November 2019 (AN 17 K 20.00022) als auch für das Klageverfahren gegen den Bauvorbescheid vom 4. April 2019 (AN 17 K 19.00943) bis zur Verbindung der beiden Verfahren mit jeweils 7.500,– Euro festzusetzen.
2. Nach Verbindung der beiden Verfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durch Beschluss desselben vom 12. Mai 2020 hat das Verwaltungsgericht den Streitwert zu hoch angesetzt. Insoweit erachtet der Senat nur einen Streitwert in Höhe von insgesamt 7.500,– Euro für angemessen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts konnte deshalb insoweit von Amts wegen geändert werden (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
Werden mehrere Anträge mit selbständiger Bedeutung gestellt, so werden die Werte nach Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs 2013 addiert, wenn die Streitgegenstände jeweils einen selbständigen wirtschaftlichen Wert oder einen selbständigen materiellen Gehalt haben (§ 39 GKG; vgl. BayVGH, B.v. 30.4.2015 – 9 C 15.489 – juris Rn. 4). Das Verwaltungsgericht hat unter Anerkennung der rechtlichen Selbständigkeit der beiden Klagegegenstände und der unterschiedlichen Verfahrensdauern ein zusätzliches Ansetzen in Höhe der Hälfte des Streitwerts des umfassenderen Baugenehmigungsverfahrens für angemessen erachtet. Dem ist nicht zu folgen, da es nach Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Bestimmung des Streitwerts weder auf die rechtliche Selbständigkeit der beiden Genehmigungen noch auf die Verfahrensdauer ankommt, sondern allein auf einen selbständigen wirtschaftlichen Wert oder einen selbständigen materiellen Gehalt. Beide Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.
Zwar entfaltet der Vorbescheid vom 4. April 2019 hier Bindungswirkung gegenüber dem Kläger und ist der Prüfungsumfang der Baugenehmigung insoweit eingeschränkt (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2018 – 15 C 18.795 – juris Rn. 31). Sowohl der Bauvorbescheid als auch die Baugenehmigung dienen aber der Verwirklichung des selben konkreten Bauvorhabens (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2020 – 9 C 20.215 – juris Rn. 4). Der Bauvorbescheid beinhaltet – mit Ausnahme der Baufreigabe – die selbe Wirkung wie die nachfolgend erteilte Baugenehmigung (vgl. BVerwG, U.v. 3.2.1984 – 4 C 89.83 – juris Rn. 10), so dass er insoweit keinen selbständigen materiellen Gehalt aufweist.
Mit den Klagen gegen den Bauvorbescheid vom 4. April 2019 und gegen die nachfolgend erteilte Baugenehmigung vom 25. November 2019 verfolgt der Kläger auch das gleiche Ziel, nämlich die Verhinderung des vom Beigeladenen geplanten Einfamilienhauses. Bauvorbescheid und Baugenehmigung werden hier vom Kläger zudem mit derselben Argumentation einer Beeinflussung der Hochwassersituation des klägerischen Grundstücks durch die Errichtung des Bauvorhabens angegriffen, so dass sich auch kein selbständiger wirtschaftlicher Wert ergibt (vgl. NdsOVG, B.v. 21.10.2004 – 1 LA 287/03 – juris Ls. 2; VGH BW, B.v. 12.2.2009 – 13 S 2863/08 – juris Rn. 6).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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