Baurecht

Festsetzung einer Grünfläche im Bebauungsplan wegen der Sichtbeziehung zu denkmalgeschützter Kapelle

Aktenzeichen  M 9 K 17.2526

Datum:
31.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19513
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 15, § 31 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Festsetzung als Grünfläche ohne genaue Zweckbestimmung führt nicht zur Unbestimmtheit, sondern schließt nur die über den allgemeinen Nutzungszweck hinausgehenden speziellen Nutzungen aus. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 19. Mai 2017, mit dem der Antrag auf einen Vorbescheid für ein Einfamilienhaus abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung oder Neuverbescheidung, § 113 VwGO.
Das Vorhabengrundstück befindet sich im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans „Kapellenberg“ der beigeladenen Gemeinde, der für das Vorhabengrundstück planungsrechtlich zulässig eine private Grünfläche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB festsetzt. Ausweislich der Begründung erfolgte die Festsetzung als private Grünfläche, um das Grundstück wegen der denkmalgeschützten Antoniuskapelle von Bebauung freizuhalten und damit den öffentlichen Belangen denkmalschutzfachlicher und denkmalschutzrechtlicher Art Rechnung zu tragen. Zweifel daran, dass die fachliche Einschätzung des Landesamts für Denkmalpflege zutrifft, wonach eine Feldkapelle am Hang von ihrem Wesen her frei einsehbar sein soll, bestehen keine. Es entspricht auch an anderen Orten dem typischen Erscheinungsbild einer Feldkapelle am Hang, dass sie außerhalb der Ortschaften errichtet wird und zumindest hangaufwärts frei einsehbar ist. Gegen die Festsetzung im Bebauungsplan als private Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB bestehen daher keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist die Festsetzung nicht mangels der Angabe eines Nutzungszwecks wegen Unbestimmtheit unwirksam. Die Festsetzung als Grünfläche ohne genaue Zweckbestimmung führt nicht zur Unbestimmtheit, sondern schließt nur die über den allgemeinen Nutzungszweck hinausgehenden speziellen Nutzungen aus (Spannowsky in BeckOK BauGB § 9 Rn. 61 ff.). Da keine über die private Grünfläche hinausgehende planerische Absicht bestand, bedurfte es auch nicht der Angabe eines konkreten Nutzungszwecks, wie die Grünfläche im Einzelnen zu nutzen sei und was mit ihr zu geschehen habe.
Das Wohnbauvorhaben ist nach den Festsetzungen des Bebauungsplans planungsrechtlich unzulässig, § 30 Abs. 1, Abs. 3 BauGB. Ein Anspruch auf Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist ungeachtet eines fehlenden Antrags nicht ersichtlich. Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Erteilung einer auf Befreiung, auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen, mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Im vorliegenden Fall erfordern Gründe des Wohls der Allgemeinheit keine Befreiung von den im Interesse des Denkmalschutzes getroffenen Festsetzungen eines Bebauungsplans für ein privates Wohnvorhaben, § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Eine Abweichung ist auch nicht städtebaulich vertretbar, da nach dem Willen der Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit dieser Bereich bewusst wegen der Sichtbeziehung zur denkmalgeschützten Kapelle freigehalten werden soll, § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Eine offenbar nicht beabsichtigte Härte bei Durchführung des Bebauungsplans liegt ebenfalls nicht vor, § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB, da zum einen die Freihaltung dieser Fläche am Ortsrand bewusst so gewollt war und zum anderen keine Negativplanung bis zum Erlass des Bebauungsplans vorliegenden Außenbereich mit der Folge eines Entzugs von Bauerwartungsland vorlag. Bis zum Erlass des Bebauungsplans Nr. 5 gab es kein Baurecht. Demgemäß konnte auch kein Baurecht entzogen werden. Inwieweit eine Bebauung im Norden einen Bebauungszusammenhang zu unbebauten, südlich angrenzenden Grundstücken im Außenbereich herstellen sollte, ist nach dem Ergebnis des Augenscheins, der Aktenlage und der mündlichen Verhandlung nicht ersichtlich. Zweifel daran, dass einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB die Grundzüge der Planung entgegenstehen, bestehen nach der Begründung des Bebauungsplans nicht.
Eine Befreiung wäre mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Baugenehmigung erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigungen einschließt, sind Gründe des Denkmalschutzes öffentliche Belange, die im Rahmen der Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens zu berücksichtigen sind. Die freie Sicht auf ein Denkmal, zu dessen Wesen die Sichtbeziehung gehört ist ein öffentlicher Belang, der der Bebauung entgegensteht. Die Argumentation der Klägerseite, dass man beidseits des geplanten Wohnhauses noch ausreichend Blick auf die Kapelle hätte, übersieht die Zielsetzung der Festsetzung, die Gesamtwirkung der Antoniuskapelle als Feldkapelle am Hang mit freiem Blick zu erhalten. Der öffentliche Belang des Denkmalschutzes ist beeinträchtigt, wenn nach der Kapelle zwischen der Bebauung gesucht werden muss und nicht zumindest aus einer Richtung hangaufwärts die Kapelle freisteht.
Die Festsetzung als private Grünfläche ist auch nicht wegen der mittlerweile umgebenden Bebauung funktionslos geworden. Nach dem Ergebnis des Augenscheins besteht weiterhin eine freie Hanglage als Ziel der Bebauungsplanfestsetzung trotz der insbesondere südlich angrenzenden massiven Wohnbebauung im Bebauungsplangebiet „An der Flur“. Nach wie vor ist die Kapelle hangaufwärts nicht nur von der Straße, sondern auch von der an diese angrenzende freie Landschaft von weitem zu sehen, so dass der Charakter als Feldkapelle nach wie vor erkennbar ist. Der Umstand, dass an drei Seiten die Wohnbebauung heranrückt rechtfertigt es nicht, auch an der verbleibenden freien Seite hangabwärts eine Bebauung zuzulassen. Eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung, Art. 6 Abs. 2 DSchG, könnte deshalb zu Recht nicht erteilt werden.
Die Klage war insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen.
Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selber trägt, da diese sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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