Baurecht

Festsetzung von Schmutzwassergebühren

Aktenzeichen  W 2 K 18.443

Datum:
28.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40109
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 8 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b
BayVwVfG Art. 38

 

Leitsatz

Werden Wassermengen nicht vollständig durch Wasserzähler erfasst, kann die dem Grundstück aus einer Eigengewinnungsanlage pauschal neben der tatsächlich aus der öffentlichen Wasserversorgung abgenommene Wassermenge angesetzt werden, die allerdings pro Jahr und Einwohner zu begrenzen ist. Der Gebührenpflichtige kann den Nachweis eines niedrigeren Wasserverbrauchs hinsichtlich der Eigengewinnungsanlage durch geeichte und verplombte Wasserzähler führen, die er auf eigene Kosten zu installieren hat.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2015 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. Juli 2016 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 1. März 2018 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
1.1. Gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. d. Bek. vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juni 2018 (GVBl. S. 449), können Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen auf Grund einer besonderen Abgabensatzung, welche die Schuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab, den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und Fälligkeit der Abgabenschuld bestimmen muss, Benutzungsgebühren erheben. Zu diesen Einrichtungen zählt auch die als öffentliche Einrichtung betriebene Entwässerungseinrichtung des Beklagten.
Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte durch den Erlass der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Markts Zellingen für die Ortsteile Retzbach und Zellingen vom 15. September 2010 Gebrauch gemacht. Diese wurde einschließlich der späteren 2. Änderungssatzung vom 19. Mai 2016 ordnungsgemäß gem. Art. 26 Abs. 2 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) i.d.F. d. Bek. vom 22. August 1998 (GVBl S. 796; BayRS 2020-1-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Mai 2018 (GVBl. S. 260), jeweils im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft bekannt gemacht.
1.2. Im Streit steht vorliegend die Ermittlung der Schmutzwassermenge gem. § 10 Abs. 3 BGS-EWS R/Z. Nach dieser Norm werden – sofern die Wassermengen nicht vollständig durch Wasserzähler erfasst werden – als dem Grundstück aus der Eigengewinnungsanlage zugeführte Wassermenge pauschal 11 m³ pro Jahr und Einwohner, der zum Stichtag 31. Oktober mit Wohnsitz auf dem heranzuziehenden Grundstück gemeldet ist, neben der tatsächlich aus der öffentlichen Wasserversorgung abgenommenen Wassermenge angesetzt, insgesamt aber nicht weniger als 32 m³ pro Jahr und Einwohner (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BGS-EWS R/Z). Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 BGS-EWS R/Z steht es dem Gebührenpflichtigen frei, den Nachweis eines niedrigeren Wasserverbrauchs zu führen. Dabei gilt § 10 Abs. 4 Satz 2 BGS-EBS R/Z entsprechend. Danach ist der Nachweis der verbrauchten und der zurückgehaltenen Wassermengen grundsätzlich durch geeichte und verplombte Wasserzähler zu führen, die der Gebührenpflichtige auf eigene Kosten fest zu installieren hat.
Diese Regelung ist nicht zu beanstanden.
Eine Pauschalierung bei Eigenwassergewinnungsanlagen, wonach im ländlichen Bereich ein Abwasseranfall von 30 bis 60 m³ pro Person als sachgerecht angesehen werden kann, hat die Rechtsprechung akzeptiert (BayVGH, B.v. 26.6.2017 – 20 CS 17.346 – juris). Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn durch Satzungsregelungen der Abzug von auf dem Grundstück verbrauchten Wassermengen dadurch begrenzt wird, dass gleichzeitig ein bestimmter Wasserverbrauch pro Person und Jahr unterstellt wird. Dabei handelt es sich nicht um eine unzulässige Mindestgebühr, sondern um eine der Lebenserfahrung entsprechende und statistisch untermauerte (zulässige) Beschränkung nachgewiesener Abzugsmengen (BayVGH, B.v. 26.6.2017 – 20 CS 17.346 – juris). Angesichts eines Durchschnittswasserverbrauchs in Deutschland von 44,7 m³ (vgl. Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht Teil IV Frage 35, 4.5) begegnet die hier angesetzte „Mindestabwassermenge“ von 32 m³ keinen Bedenken. Zudem steht es dem Gebührenpflichtigen gem. § 10 Abs. 3 Satz 3 BGS-EWS R/Z frei, durch den Einbau geeichter und verplombter Wasserzähler den Nachweis eines niedrigeren Wasserverbrauchs zu führen. Es handelt sich insoweit um ein typisches abgabenrechtliches Gefüge, wonach zur Vereinfachung eine typisierende Regelung greift, gleichwohl aber eine konkrete Ermittlung im Einzelfall ermöglicht wird (VG Regensburg, B.v. 6.2.2017 – RN 11 S 16.1977 – juris). Ein Grundstückseigentümer, der – wie die Klägerin – eine Anwendung der pauschalen Mengenansätze aufgrund der individuellen Anschluss- und Nutzungsverhältnisse auf dem Grundstück als unbillig erachtet, kann auf diese Weise eine Behandlung nach den konkreten Einleitungsmengen erreichen. Vor diesem Hintergrund dringen die Bedenken der Klägerin gegen die Pauschalierungsregelung nicht durch.
Sonstige Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.3. Da hinsichtlich des (lediglich) von der Tochter der Klägerin bewohnten Untergeschosses kein grundbuchrechtliches Sondereigentum vorliegt, kommt eine Berücksichtigung nur eines Einwohners im Rahmen der Pauschalierungsregelung des § 10 Abs. 3 Satz 1 BGS-EWS R/Z nicht in Betracht.
1.4. Die Klägerin kann auch nicht gem. § 10 Abs. 3 Satz 3 BGS-EWS R/Z den Nachweis eines niedrigeren tatsächlichen Wasserverbrauchs führen. Die Messergebnisse des erst nach dem streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum (Oktober 2010 bis September 2015) am 8. März 2017 eingebauten Wasserzählers liefern keinen Nachweis für die vor dem Einbau aus der Zisterne eingeleiteten Wassermengen im maßgeblichen Abrechnungszeitraum.
1.5. Ebenso wenig kann sich die Klägerin mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen. Eine schriftliche Zusicherung des Beklagten i.S.v. Art. 38 BayVwVfG, von einer Gebührennacherhebung abzusehen, liegt – unabhängig von der Frage der Wirksamkeit eines solchen Abgabenverzichts – nicht vor. Dass der Klägerin seitens des Beklagten tatsächlich mündlich geraten wurde, mit dem Einbau eines Wasserzählers vorerst abzuwarten, da „unklar sei, ob überhaupt Gebühren (nach-)erhoben würden“, konnte sie nicht belegen. Daher kann offenbleiben, inwieweit sich hierdurch ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand ergeben würde.
1.5. Die Festsetzung erfolgte auch noch innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b KAG, die vier Jahre beträgt und mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist, beginnt, § 170 Abs. 1 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b KAG. Dass für die jeweiligen Verbrauchsjahre zuvor bereits bestandskräftige Gebührenbescheide ergangen waren, steht der streitigen Gebührennacherhebung nicht entgegen, denn diese beinhalten keine Aussage dahingehend, dass die Abgabe nicht noch höher festgelegt werden könne (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2017 – 20 CS 17.346 – juris).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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