Baurecht

Funktionsloswerden eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes: Nutzungsänderung eines ehemaligen Kasernengebäudes in Lagerflächen im Außenbereich

Aktenzeichen  M 11 K 19.1067

Datum:
25.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34673
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 3, § 12, § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

1. Eine bauplanerische Festsetzung tritt dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Entscheidend ist, ob die jeweilige Festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten. (Rn. 26) (red. LS Alexander Tauchert)
2. Handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude um ein eingetragenes Baudenkmal, spricht allein dies für das Vorliegen eines erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäudes im Sinne von § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 BauGB. (Rn. 30 – 32) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide vom 18. Juli 2016, Az: … …, Az: … …, Az: … …, Az: … … sowie … … verpflichtet, die beantragten Baugenehmigungen zu erteilen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat Erfolg, da sie zulässig und begründet ist.
I.
Die Bescheide vom 18. Juli 2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, da sie einen Anspruch auf die begehrten Baugenehmigungen hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Bauvorhaben stehen keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Insbesondere steht den Vorhaben nicht der vorhabenbezogene Bebauungsplan entgegen, weil er jedenfalls für das streitgegenständliche Grundstück funktionslos geworden ist. Die Vorhaben liegen vielmehr im Außenbereich und sind dort als teilprivilegierte Vorhaben zulässig.
1. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist jedenfalls für das streitgegenständliche Grundstück funktionslos geworden.
Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB unterliegt ebenso wie andere Bebauungspläne der Inzidentkontrolle (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 12 Rn. 165). Auch ein vorhabenbezogener Bebauungsplan kann funktionslos werden (vgl. etwa VGH Mannheim, U.v. 14.11.2002 – 5 S 1635/00 – NVwZ-RR 2003, 407 = juris Rn. 29 ff.) Eine bauplanerische Festsetzung tritt dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Entscheidend ist, ob die jeweilige Festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird dagegen nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 3.12.1998 – 4 CN 3/97 – BVerwGE 108, 71 = juris Rn. 22 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans funktionslos geworden. Der durchgeführte Augenschein hat ergeben, dass keine der Festsetzungen im Bebauungsplangebiet bislang verwirklicht worden ist. Keines der Gebäude auf dem Areal ist bislang einer Nutzung zugeführt, wie sie die Beigeladene in dem 2012 abgeschlossenen und 2014 ergänzten Durchführungsvertrag mit der Projektträgerin vereinbart hat. Vielmehr hat die Projektträgerin bereits 2014 das streitgegenständliche Grundstück an die Klägerin verkauft. Alle weiteren Grundstücke verkaufte sie Ende 2015 an die Beigeladene. Es kann offenbleiben, ob der vorhabenbezogene Bebauungsplan allein deshalb funktionslos geworden ist, weil die Beigeladene – wie die Klägerin meint – mit dem Kauf der Grundstücke zugleich Berechtigte und Verpflichtete aus dem Durchführungsvertrag geworden sei. Die Beigeladene erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 18. Dezember 2015 lediglich das Eigentum an den Grundstücken zurück. In dem Vertrag findet sich keine Klausel, mit der die Projektträgerin die Verpflichtungen aus dem Durchführungsvertrag mit Weitergabeverpflichtung an die Beigeladene als Rechtsnachfolgerin weitergibt. Eine solche wäre nach § 2 Nr. 1 Satz 2 des Durchführungsvertrages vorgeschrieben gewesen. Der Vorhabenträger wird erst von seinen Verpflichtungen frei, wenn der Rechtsnachfolger diese ausdrücklich gegenüber der Gemeinde übernommen hat (§ 2 Nr. 1 Satz 3 des Durchführungsvertrages). Das Verhalten der Vorhabenträgerin wie auch der Beigeladenen spricht aber insgesamt nicht für eine Realisierung des Projekts. Sie ist nicht zuletzt durch den Verkauf der Grundstücke unwahrscheinlich geworden. Die Beigeladene bestätigte in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts, dass in den letzten drei Jahren keinerlei Realisierungsaktivitäten der Projektträgerin zu verzeichnen gewesen seien. Eine Verwirklichung des Projekts ist daher auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen. Zwar ist die im Durchführungsvertrag vereinbarte Frist formal noch nicht abgelaufen. Dort wird als letzte Bezugsfertigkeit der 31. Dezember 2020 festgelegt (vgl. § 3 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 des Durchführungsvertrages). Dies ist jedoch angesichts der Tatsache, dass mit dem Projekt noch nicht einmal begonnen worden ist, unrealistisch. Die tatsächlichen Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans sind – nicht zuletzt durch die Presseberichterstattung – auch so offensichtlich, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Folglich ist der vorhabenbezogene Bebauungsplan funktionslos geworden. Es kann daher letztlich offenbleiben, inwieweit für die Beigeladene eine Pflicht aus § 12 Abs. 6 Satz 1 BauGB zur Aufhebung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans besteht. Ebenso bedarf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob das Vorhaben den Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans entsprochen oder die Voraussetzungen einer Befreiung vorgelegen hätten, keiner Entscheidung.
2. Der Vorhabenstandort liegt im Außenbereich.
Das streitgegenständliche Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 2 BauGB), weil dieser funktionslos ist (s.o.). Es liegt auch sonst nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, weil sich der Bebauungsplan Nr. … noch in der Aufstellung befindet. Das Vorhabengrundstück liegt auch nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Wird die militärische Nutzung eines Kasernengeländes aufgegeben, hat dessen Bebauung grundsätzlich keine prägende Kraft hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, so dass sie mangels organischer Siedlungsstruktur einen Ortsteil nicht bilden kann (BVerwG, U.v. 23.11.2016 – 4 CN 2/16 – BVerwGE 156, 336 = juris Rn. 16). Die zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich auf einen Teilbereich desselben ehemaligen Kasernengeländes, sodass sie ohne weiteres auf das streitgegenständliche Grundstück übertragbar ist.
3. Die Vorhaben sind im Außenbereich als teilprivilegierte Vorhaben gem. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB zulässig.
Nach dieser Bestimmung können bestimmte öffentliche Belange einem Vorhaben nicht entgegengehalten werden, soweit es im Übrigen außenbereichsverträglich ist und die Nutzungsänderung einer zweckmäßigen Verwendung von Gebäuden und der Erhaltung des Gestaltwerts von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden dient, auch wenn sie aufgegeben worden sind. Voraussetzung ist, dass das Gebäude selbst das Bild der Kulturlandschaft (mit-)prägt (BVerwG, B.v. 17.1.1991 – 4 B 186/90 – NVwZ-RR 1991, 339 = juris Rn. 3), das heißt es muss eine spezifische Beziehung zur Landschaft und der sich aus der Gesamtheit ergebenden Kulturlandschaft haben (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 155). In der Regel sind diese Voraussetzungen erfüllt, wenn das Gebäude unter Denkmalschutz steht. Die Denkmaleigenschaft ist zwar nicht zwingend (vgl. OVG Koblenz, U.v. 24.2.1983 – 1 A 166/81 – NVwZ 1983, 682), aber ein wichtiges Indiz (Söfker, a.a.O.).
Bei dem streitgegenständlichen Gebäude handelt es sich um ein eingetragenes Baudenkmal, sodass allein dies für das Vorliegen eines erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäudes spricht. Aus der Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege vom 14. Juni 2011 (Blatt 95 ff. der Gerichtsakte M 11 K 16.3324) geht zudem hervor, dass die Heeresbauverwaltung die …kaserne zwischen 1935 und 1936 mit der erklärten Absicht habe errichten lassen, eine qualitätsvolle Kaserne zu realisieren, die sich in die Landschaft und die regionale Bautradition habe einfügen sollen (Seite 3 der Stellungnahme). Die Kaserne sei in den einschlägigen Baufachzeitschriften der Zeit als besonders gelungenes Beispiel des landschaftsgebundenen Bauens hervorgehoben worden (Seite 7 der Stellungnahme). Der Architekt habe bei der Gestaltung besonders auf die Einbindung der Kaserne in die Landschaft und die Ausführung im „Heimatsstil“ achten sollen, wobei die alpenländische Bauweise habe aufgegriffen werden sollen. Bei dem streitgegenständlichen Gebäude, den damaligen Mulistallungen, handle es sich um ein Gebäude mit rustikal verputztem Untergeschoss, Bundwerkobergeschoss und weitem Dachüberstand, das in der Tradition des alpenländischen Bauens stehe (Seite 6 der Stellungnahme). Mulis seien ein wichtiges Transportmittel der … gewesen, da sich diese im Gebirge sicher bewegen und große Lasten tragen konnten. In Verbindung mit den weiteren Baudenkmälern – zu denen in der Stellungnahme ebenfalls nähere Ausführungen gemacht werden – zeichne sich die Kaserne insgesamt durch die aufwändige Gestaltung in streng reduzierten Formen des Heimatsstils und der weitgehenden Vollständigkeit der historischen Funktionsbauten aus, sodass sie ein ansehnliches bauliches Zeugnis für die …architektur ablege (Seite 8 f. der Stellungnahme).
Nach dem Ergebnis des Augenscheins stellt sich die Außenansicht des streitgegenständlichen Gebäudes im Wesentlichen so dar, wie aus den Fotos ersichtlich (Blatt 117 ff. der Gerichtsakte M 11 K 16.3324). Das Gebäude hat folglich den in der Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege beschriebenen Charakter unverändert beibehalten. Damit ist es als erhaltenswert einzustufen. Zusammen mit den übrigen Gebäuden prägt die …kaserne aufgrund ihrer exponierten topographischen Lage auf der Hangterrasse seit über 80 Jahren die voralpenländische Umgebung der Gemeinde … Dabei greift es die alpenländische Bauweise der umgebenden Kulturlandschaft auf. Die prägende Wirkung der ehemaligen Mulistallungen wird wiederum besonders hervorgehoben durch ihre exponierte Lage am Rand des Areals und ihr dadurch bedingtes Erscheinungsbild. Sie ist auch im Gebäude selbst erkennbar. Insbesondere ist nach den Feststellungen des Augenscheins von der westlich anschließenden offenen Landschaft her deutlich das Bundwerkobergeschoss wahrnehmbar. Dieser optische Eindruck wird durch einen kleinen Hang entlang der westlichen Grundstücksgrenze, der zu dem Gebäude hin abfällt, noch verstärkt.
An dieser Einschätzung ändert auch das vom Landratsamt in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument nichts, dass das streitgegenständliche Gebäude die Kulturlandschaft nicht präge, weil für das Tölzer Land Einfirsthöfe typisch seien. Zu den von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB erfassten Gebäuden gehören zwar landschaftstypische Gebäude wie alte Bauernhöfe, die für die Landschaft kennzeichnend sind. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist hierauf jedoch nicht beschränkt. Er kann auch in der Vergangenheit mit Bezug zur Landschaft errichtete sonstige Gebäude des ländlichen Raums wie etwa Wind- und Wassermühlen, Siedlungen aus früherer Zeit (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 155) oder ein Bahnwärterhaus (vgl. BayVGH, U.v. 20.12.2000 – 2 B 99.2118 – juris Rn. 21; im Einzelfall jedoch abgelehnt BVerwG, B.v. 17.1.1991 – 4 B 186/90 – NVwZ-RR 1991, 339) erfassen. Auch Burgen, Türme oder Fachwerkhäuser kommen in Betracht (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 35 Rn. 153). Vorliegend ergibt sich der Bezug zur umgebenden Kulturlandschaft, wie eben dargelegt, aus der Nutzung der Kaserne als typischer …standort im Voralpenland.
Unerheblich ist, dass das streitgegenständliche Gebäude derzeit nicht genutzt wird. Ein Gebäude darf nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB auch „aufgegeben“ sein. Das heißt im Zeitpunkt der Bauantragstellung ist nicht erforderlich, dass das Gebäude entsprechend dem ursprünglichen oder anderen Zwecken genutzt wird (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 155).
Entsprechend dem Zweck der Vorschrift, dem drohenden Verfall von Baudenkmälern und anderen kulturell bedeutsamen Bauwerken vorzubeugen (vgl. BVerwG, B.v. 18.10.1993 – 4 B 160/93 – NVwZ-RR 1994, 307 = juris Rn. 5), ist weitere Voraussetzung, dass das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung des Gebäudes und der Erhaltung seines Gestaltwerts dient (näher hierzu Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 156). Auch dies ist vorliegend erfüllt, nachdem die Klägerin das Gebäude lediglich im Erdgeschoss als Lager nutzen und die äußere Gestalt unangetastet lassen möchte.
Die Beeinträchtigung anderer öffentlicher Belange ist nicht ersichtlich, sodass die Vorhaben auch im Übrigen gemäß Art. 35 Abs. 4 BauGB außenbereichsverträglich sind.
4. Die Erteilung der begehrten Baugenehmigungen scheitert nicht an der bauplanungswie bauordnungsrechtlich notwendigen Erschließung.
Für ein sonstiges Vorhaben im Außenbereich muss bauplanungsrechtlich nach § 35 Abs. 2 BauGB die Erschließung gesichert sein. Dies gilt auch für die begünstigten Vorhaben nach § 35 Abs. 4 BauGB. Dazu gehört, dass eine den Bedürfnissen des konkreten Gebäudes entsprechende Zufahrt vorhanden ist oder geschaffen wird. Das gesamte Areal wird von Nordosten über die …straße und eine öffentlich gewidmete Straße entlang der Kaserne erschlossen. Die Erschließung des Vorhabengrundstücks innerhalb der Kaserne erfolgt über die schon bestehenden versiegelten Verkehrsflächen. Das Gericht hat beim Augenschein festgestellt, dass an der östlichen Grundstücksgrenze des streitgegenständlichen Grundstücks eine geteerte Straße verläuft. Entlang der nördlichen Grenze des Grundstücks Fl.Nr. … verläuft über die gesamte Länge des Grundstücks hinweg eine befestigte Straße. Sie ist breit genug, sodass zwei Lkw aneinander vorbeifahren können. Zwar handelt es sich bei diesen Straßen nicht um gewidmete öffentliche Verkehrsflächen. Die Klägerin hat jedoch einen Grundbuchauszug vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass ein Geh- und Fahrtrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers des streitgegenständlichen Grundstücks eingetragen ist. Aus bundesrechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken, eine gesicherte Erschließung anzunehmen, wenn die Zufahrt zum öffentlichen Straßennetz dinglich durch eine Grunddienstbarkeit gesichert ist (BVerwG, U.v. 3.5.1988 – 4 C 54/85 – NVwZ 1989, 353). Zudem wurde zugunsten des Beklagten ein Zu- und Abfahrtsrecht im Wege einer Grunddienstbarkeit bestellt (Blatt 378 ff. der Gerichtsakte M 11 K 19.1067). Die in Aussicht genommene Erschließung entspricht damit auch den bauordnungsrechtlichen Anforderungen an eine wegemäßige Erschließung. Im Außenbereich genügt nach Art. 4 Abs. 3 BayBO eine befahrbare, gegenüber dem Rechtsträger der Bauaufsichtsbehörde rechtlich gesicherte Zufahrt zu einem befahrbaren öffentlichen Weg. Unerheblich ist, dass die zu den streitgegenständlichen Vorhaben führenden Verkehrsflächen innerhalb der Geltungsbereiche der beiden östlich angrenzenden rechtsverbindlichen Bebauungspläne Nr. … „Gewerbegebiet …“ und Nr. … „Gewerbegebiet … II“ liegen. Vorhaben im Geltungsbereich dieser Bebauungspläne müssen sich zwar an deren Festsetzungen orientieren und deren Anforderungen an die Erschließungsanlagen erfüllen. Das streitgegenständliche Grundstück liegt aber gerade nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und auch nicht im Innenbereich, sondern im Außenbereich (s.o.). Für die Anforderungen an die bauordnungsrechtliche Erschließung kann demnach nur Art. 4 Abs. 3 BayBO gelten.
5. Den Vorhaben steht schließlich nicht die Veränderungssperre vom 17. Juli 2017 entgegen.
Nach § 14 Abs. 2 BauGB kann die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde eine Ausnahme von einer Veränderungssperre zulassen, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nicht entgegen, wenn es bereits nach § 33 zulässig ist. Wenn also die durch die Veränderungssperre gesicherte Planung die entsprechende Planreife erreicht hat, wird trotz Ermessenseröffnung regelmäßig eine Ausnahme zuzulassen sein (Hornmann in BeckOK BauGB, § 14 Rn. 78). Die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Vorhaben bemisst sich zwar nicht nach § 33 BauGB, weil der in Aufstellung befindliche Bebauungsplan Nr. … noch keine Planreife erlangt hat. Überwiegende öffentliche Belange stehen den Vorhaben aber dennoch nicht entgegen, weil nicht zu befürchten ist, dass durch die Zulassung die Durchführung der Planung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird und die städtebauliche Zielkonzeption der Gemeinde nicht berührt wird. Der Bebauungsplan Nr. … sieht eine gewerbliche Nutzung vor, wobei wegen der Lage des Grundstücks an der Peripherie der Gemeinde kontakt- und kundenintensive wie auch belebende Nutzungen vermieden werden sollen (Seite 11 des Entwurfs der Bebauungsplanbegründung, Blatt 355 ff. der Gerichtsakte M 11 K 19.1067). Diesen Vorgaben entspricht die beabsichtigte Nutzung als Lager. Dementsprechend hat die Beigeladene mit Beschluss des Gemeinderats vom 23. Oktober 2017 ihre Zustimmung zu einer Ausnahme erteilt.
Offenbleiben kann dagegen die zwischen den Beteiligten ursprünglich umstrittene Frage, ob dem Vorhaben die Veränderungssperre vom 18. April 2016 entgegenstand. Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Art. 68 Rn. 653) war sie durch Gemeinderatsbeschluss vom 17. Juli 2017 bereits aufgehoben worden. Daher kommt es nicht auf den ursprünglichen Vortrag der Beteiligten zu der Veränderungssperre vom 18. April 2016 an.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie keine Anträge gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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