Baurecht

Gabionenwand und Auffüllung, Abgrenzung Außenbereich, Innenbereich, Beeinträchtigung öffentlicher Belange

Aktenzeichen  15 ZB 22.832

Datum:
17.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12075
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 6 K 19.1580 2022-02-01 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Gabionenwand und Geländeauffüllung auf seinem Grundstück FlNr. …3 Gemarkung D …
Die bereits errichtete Gabionenwand verläuft beginnend etwa ab der Grenze zum südlich gelegenen Grundstück FlNr. … Gemarkung D … ca. 30 m entlang der Südgrenze und anschließend etwa rechtwinklig ca. 28 m nach Norden und weitere ca. 16 m nach Nordosten. Das Vorhaben widerspricht dem zur Baugenehmigung vom 19. April 2011 genehmigten Freiflächengestaltungsplan und befindet sich teilweise in einem als Biotop kartierten und teilweise im Ökoflächenkataster als Ausgleichs- und Ersatzfläche erfassten Bereich des Grundstücks. Die untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt D … teilte mit Schriftsatz vom 7. Juni 2018 mit, dass sich im Bereich des Vorhabens geschützte Biotope und geschützte Gehölzbereiche befänden und das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei.
Mit Bescheid vom 20. November 2018 lehnte die Beklagte die beantragte Baugenehmigung ab. Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 1. Februar 2022 ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das Vorhaben im planungsrechtlichen Außenbereich liege und dem sonstigen Vorhaben mehrere öffentliche Belange entgegenstünden. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
1. Die vom Kläger gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich das Bauvorhaben im planungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB und nicht – wie vom Kläger angeführt – im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB befindet.
Die Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB setzt einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Die Tatbestandsmerkmale „im Zusammenhang bebaut“ und „Ortsteil“ gehen dabei nicht ineinander auf, sondern sind kumulativer Natur. „Ortsteil“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Ein „Bebauungszusammenhang“ ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Ein Grundstück fällt nicht bereits deshalb unter § 34 Abs. 1 BauGB, weil es von einer zusammenhängenden Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr, dass das Grundstück selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bildet, selbst also an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Fehlt es hieran, so liegt das Grundstück zwar geographisch, nicht jedoch auch im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB „innerhalb“ eines Bebauungszusammenhangs (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – juris Rn. 11, 13 m.w.N.). Maßgeblich sind die konkreten örtlichen Verhältnisse und deren Würdigung (BVerwG, B.v. 16.7.2018 – 4 B 51.17 – juris Rn. 7); die Annahme eines Bebauungszusammenhangs im Einzelfall ist stets das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Sachverhalts (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris Rn. 6). Hiervon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen (UA S. 6 f.).
Das Verwaltungsgericht kommt unter Berücksichtigung und Bewertung der beim verwaltungsgerichtlichen Augenschein am 24. Juli 2020 gewonnenen Erkenntnisse, der gefertigten Lichtbilder und der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu dem Ergebnis, dass das Bauvorhaben im bauplanungsrechtlichen Außenbereich ausgeführt werde und der im Zusammenhang bebaute Ortsteil unmittelbar hinter der westlichen Außenmauer und der Terrasse des Wohnhauses des Klägers ende (UA S. 7). Der Vortrag des Klägers, die Trennungslinie hinter dem letzten Haus bewirke nicht, dass rückwärtige Flächen mit auf das Hauptgebäude bezogenen Nutzungen bereits zum Außenbereich gehörten, sondern vielmehr ein nicht überplanter Innenbereich vorliege, zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf. Einen Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können vielmehr nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinn „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. BVerwG, B.v. 5.4.2017 – 4 B 46.16 – juris Rn. 6 f.; BayVGH, U.v. 17.11.2021 – 1 N 20.1182 – juris Rn. 18). Abgesehen davon, dass eine bloße auf das Hauptgebäude funktionsbezogene Nutzung, beispielsweise als Garten, dem erst Recht nicht genügt, lässt sich dem Zulassungsvorbringen auch nicht entnehmen, worin der Kläger die Zugehörigkeit des an das Wohngebäude als letzten Baukörper (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2016 – 4 B 28.15 – juris Rn. 6) anschließenden westlichen Grundstücksbereichs zum Innenbereich begründet sieht.
Das Verwaltungsgericht hat ferner darauf abgestellt, dass der Bereich, in dem sich das Bauvorhaben befindet, durch natürliche Landschaft, einschließlich eines Biotops, geprägt sei und es sich um einen ursprünglich – auch durch die Baugenehmigung vom 19. April 2011 ausdrücklich – naturbelassenen Bereich handle. Es befinde sich dort eine Extensivwiese mit offener Grabenmulde und seggenreicher Nasswiesenvegetation (UA S. 7). Mit dem im westlichen Grundstücksbereich angeführten Wald und dem Gefälle im Anschluss an sein Bauvorhaben zeigt der Kläger nicht auf, dass es sich hierbei um topographische oder geographische Umstände handelt, die – angesichts der Ausführungen des Verwaltungsgerichts – geeignet sind, den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit der Fläche zum Bebauungszusammenhang zu vermitteln (vgl. BVerwG, B.v. 24.2.2022 – 4 BN 49.21 – juris Rn. 7). Das Zulassungsvorbringen stellt vielmehr der Bewertung der tatsächlichen Umstände durch das Verwaltungsgericht lediglich die eigene – gegenteilige – Bewertung des Klägers gegenüber, ohne damit zugleich substantiierte Zweifel an den tatsächlichen Feststellungen oder der rechtlichen Bewertungen des Verwaltungsgerichts aufzuzeigen.
2. Ernstliche Zweifel ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, seinem Vorhaben stünden keine öffentlichen Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen.
Abgesehen davon, dass der Kläger schon nicht zutreffend zwischen einem Entgegenstehen öffentlicher Belange bei privilegierten Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB und einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange bei einem sonstigen Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB – wie hier – unterscheidet (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 35 Rn. 68), ist der Vortrag, die Beklagte sei ihrerseits bei einem Gespräch mit dem Oberbürgermeister von der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens ausgegangen, weil sie ihm sonst nicht geraten hätte, einen Landschaftsarchitekten mit der Abstimmung der unteren Naturschutzbehörde zu beauftragen, für die Frage, ob das Bauvorhaben öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtigt, irrelevant. Hierin ist – unabhängig von den fehlenden Voraussetzungen des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG – weder eine Zusicherung noch eine Vorwegnahme der Genehmigungsfähigkeit zu sehen, zumal die Beklagte in einer E-Mail vom 13. August 2018 an den vom Kläger bevollmächtigten Architekten in unmittelbarem Anschluss an das o.g. Gespräch darauf hingewiesen hat, dass dem Kläger vor einer Ablehnung des Bauantrags lediglich die „Möglichkeit eingeräumt“ wurde, „bei der unteren Naturschutzbehörde vorzusprechen und dort abzuklären, ob die vorgenommenen Eingriffe nicht im Rahmen eines Landschaftspflegerischen Begleitplans durch – mit der Behörde abgestimmte – Ausgleichsmaßnahmen wieder kompensiert werden können“. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die Beklagte „in Anbetracht der vorliegenden Stellungnahme“ vom 7. Juni 2018 „und ihrer deutlichen Formulierungen“ die Möglichkeit als „vermutlich eher wenig wahrscheinlich“ ansieht.
Das Verwaltungsgericht geht sodann davon aus, dass das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) widerspricht. Mit dem bloßen Vortrag, der Flächennutzungsplan sei funktionslos geworden, zeigt das Zulassungsvorbringen aber nicht auf, dass sich der Flächennutzungsplan im Bereich des Vorhabenstandorts – und nicht nur im Bereich des bestehenden Wohngebäudes – durch die tatsächliche Entwicklung endgültig überholt habe. Auf die Frage der Beeinträchtigung öffentlicher Belange des Naturschutzes sowie der natürlichen Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) kommt es nicht mehr an, zumal sich das Zulassungsvorbringen mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, das Vorhaben widerspreche auch den Darstellungen des Landschaftsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB), gar nicht auseinandersetzt. Dies wäre jedoch im Falle einer kumulativen Mehrfachbegründung – wie hier – erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2022 – 15 ZB 21.2602 – juris Rn. 19). Dass die betreffende Fläche hier nach wie vor zutreffend Teil der Biotopkartierung und des Ökoflächenkatasters ist, wird vom Kläger nicht in Frage gestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m Nr. 9.1.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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