Baurecht

Gebietsprägungserhaltungsanspruch – Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans

Aktenzeichen  AN 3 S 16.01994

Datum:
14.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
BauGB BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2, § 172 Abs. 1, § 212a Abs. 1
BauNVO BauNVO § 4 Abs. 2, § 15 Abs. 1, § 16 Abs.2

 

Leitsatz

1 Im Hinblick auf den durch § 31 Abs. 2 BauGB vermittelten Nachbarschutz ist zu unterscheiden, ob von einer drittschützenden oder einer nicht drittschützenden Festsetzung des Bebauungsplanes befreit wird. (red. LS Andreas Decker)
2 Abweichungen von das Nutzungsmaß betreffenden Festsetzungen eines Bebauungsplanes lassen in der Regel den Gebietscharakter unberührt. Für einen Nachbarn besteht damit regelmäßig Rechtsschutz nur über das Gebot der Rücksichtnahme. (red. LS Andreas Decker)
3 Voraussetzung für einen sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruch ist bei der Gewährung umfangreicher, das Maß der baulichen Nutzung betreffender Befreiungen nicht nur ein hierdurch ausgelöster Widerspruch zur bisherigen Prägung des Baugebiets, sondern auch, dass durch die Dimensionierung der Anlage eine neue Art der baulichen Nutzung in das Baugebiet hineingetragen wird, also sozusagen “Quantität in Qualität” umschlägt. (red. LS Andreas Decker)
4 Eine Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 BauGB begründet grundsätzlich keine Rechtsposition für einen Nachbarn dergestalt, dass er die Beibehaltung des bisherigen Milieus im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme einfordern könnte. (red. LS Andreas Decker)

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Antragteller sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung … und des Grundstücks FlNr. … (Privatweg).
Mit Bescheid vom 5. Juli 2016, der den Antragstellern am 7. Juli 2016 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Wohnhäusern mit neun Wohneinheiten und einer Tiefgarage mit 18 Stellplätzen für die südlich an den Privatweg FlNr. … angrenzenden FlNrn. … und … (Baugrundstücke) sowie … (Privatweg) …, die im Eigentum der Beigeladenen stehen. Das Bauvorhaben soll drei Vollgeschosse haben und auf einer rund 3.500 qm großen Fläche entstehen.
Die Grundstücke liegen alle im Geltungsbereich des Bebauungsplans der Antragsgegnerin Nr. 191 aus dem Jahr 1979, geändert 1989, der ein allgemeines Wohngebiet und die offene Bauweise festsetzt. Für das streitgegenständliche Grundstück ist eine Bebauung mit maximal zwei Vollgeschossen festgesetzt bei einer GRZ von 0,20 und einer GFZ von 0,40. Die Grundfläche eines Gebäudes darf dabei 200 qm, die Geschossfläche 400 qm nicht überschreiten. 
Die Traufhöhe ist bis 6,00 m, Einfriedungen sind bis maximal 1,30 m zulässig.
Das Grundstück FlNr. … liegt wegen der Hanglage ca. 10 m tiefer als das Baugrundstück.
Die Tiefgaragenzufahrt zum streitgegenständlichen Bauvorhaben soll über die …, also von Süden her, erfolgen. Am Privatweg wurden drei Besucherparkplätze genehmigt. Auf den östlich an das Baugrundstück angrenzenden Flurnummern … und … wurden drei dreigeschossige Wohnhäuser errichtet …, auf der Flurnummer … (soweit aus den vorliegenden Plänen ersichtlich) zwei dreigeschossige Wohnhäuser ….
Die Baugenehmigung – wie auch schon der entsprechende Vorbescheid, der am 28. Januar 2016 erging und den Antragstellern am 3. Februar 2016 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt wurde – wurde unter anderem unter Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans bezüglich der Baugrenzen, der Errichtung von zwei Vollgeschossen, der GRZ (0,21) und GFZ (0,54), der Grund (400 qm je Gebäude) – und Geschossflächen (1020 qm je Gebäude), der Traufhöhe (9,70 m) und der Einfriedungshöhe (2 m) erteilt. Die Baugenehmigung wurde abweichend vom Vorbescheid mit einer veränderten Situierung der beiden Häuser erteilt, nachdem der Baukunstrat der Antragsgegnerin am 17. Dezember 2015 dies im Hinblick auf die „Erhaltungssatzung …“ der Beklagten vom 1. September 1989 i. d. F. vom 10. Dezember 2001 angeregt hatte.
Die gegen die Erteilung des Vorbescheides gerichtete Klage der Antragsteller vom 2. März 2016 ist unter dem Aktenzeichen AN 3 K 16.00353, die gegen die Erteilung der Baugenehmigung vom 8. August 2016 unter dem Aktenzeichen AN 3 K 16.01523 beim Verwaltungsgericht Ansbach anhängig.
Die Antragsteller machen im Wesentlichen geltend, das streitgegenständliche Bauvorhaben entspreche in einer Vielzahl an Parametern nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans, obwohl eine Einhaltung ohne weiteres üblich wäre. Beide Häuser befänden sich nicht im vorgesehenen Baufenster, sollten drei Vollgeschosse erhalten und sowohl das Höchstmaß der baulichen Nutzung bezüglich der Grundflächenzahl als auch der Geschossflächenzahl überschreiten. Die zulässige Traufhöhe solle durchgängig mehr als die Hälfte überschritten, an der den Antragstellern zugewandten Seite des Hauses zwei sogar fast verdoppelt werden. Die vorgesehenen Walmdächer sollten lediglich eine Dachneigung von 16° aufweisen, sowie abweichend von den Festsetzungen des Bebauungsplans eine Einfriedung in Höhe von 2 m möglich sein. Die Antragsteller hätten, wie viele andere Eigentümer in der Umgebung auch, bei ihren Planungen sich an die Festsetzungen des Bebauungsplans gehalten und davon Abstand genommen, ein über das festgesetzte Maß der baulichen Nutzung hinausgehendes Gebäude zu errichten und insoweit gebiete der Gleichheitsgrundsatz das Zuerkennen eines drittschützenden Charakters der maßgeblichen Festsetzungen des Bebauungsplans. Die festgesetzten Baugrenzen zeigten, dass nicht die Herstellung einer städtebaulichen Ordnung im Mittelpunkt der Planung gestanden habe. Vielmehr seien diese individuell und unterschiedlich in Lage und Größe festgesetzt worden. Diese Besonderheiten belegten, dass es bei der Aufstellung des Bebauungsplans auch um die Interessen der jeweiligen Grundstücksnachbarn gegangen sei.
Die Antragsteller verwiesen auf die „Erhaltungssatzung …“ der Antragsgegnerin vom 1. September 1989 in der Fassung vom 10. Dezember 2001. Dort sei für den gesamten …, jedenfalls aber für den räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 191 ein Erhaltungsgebot sowie eine Genehmigungspflicht festgesetzt worden. Als Gründe für deren Gebietsfestlegung seien eben nicht nur städtebauliche, sondern insbesondere auch geschichtliche, künstlerische und auch die Stadtgestalt und das Landschaftsbild prägende Gründe genannt. Auch hieraus ergebe sich ein drittschützender Charakter. Auf den Satzungstext wird Bezug genommen.
Im Rahmen der erteilten Befreiungen seien nachbarliche Interessen nicht ordnungsgemäß gewürdigt worden. In der streitgegenständlichen Baugenehmigung sei lediglich formelhaft ausgeführt, dass das Bauvorhaben auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei. Im Rahmen der erteilten Baugenehmigung sei so eklatant von den Festsetzungen des Bebauungsplans abgewichen worden, dass dies hier zu einer Verletzung nachbarlicher Interessen führen könne. Außerdem seien schon die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht gegeben. Insbesondere sei aber die besondere Höhenlage der Grundstücke zu berücksichtigen. Die Grundstücke der Beigeladenen befänden sich im Süden der Grundstücke der Antragsteller und lägen dabei deutlich höher. Die Baugenehmigung lege für die Gebäude des Beigeladenen 329,60 m über NN als Oberkante für den fertigen Fußboden im Erdgeschoss fest. Die Geländeoberkante der Grundstücke der Antragsteller liege 320 m über NN. Nachdem zusätzlich für die Bauvorhaben abweichend von dem Bebauungsplan die zulässige Traufhöhe von 6 m auf 9,70 m zugelassen worden sei, erhalte insbesondere das Haus zwei, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Gebäude der Antragsteller befinden werde, eine ganz massive und bedrängende Wirkung. Diese Wirkung werde dadurch verstärkt, dass das nahezu quadratische Gebäude in Abweichung zu den vorgesehenen Baufenstern des Bebauungsplans um ca. 40° gedreht werde und damit die gesamte Diagonale des Hauses optisch auf die Grundstücke der Antragsteller einwirke. Dabei entstehe trotz Einhaltung der Abstandsflächen eine unzumutbare Beeinträchtigung. Auch seien die Grundstücke der Antragsteller im Norden und Westen vollständig durch Waldflächen mit hohem Baumbestand eingegrenzt, so dass eine Belüftung und Belichtung der Grundstücke der Antragsteller von vornherein nur aus östlicher und vor allem südlicher Richtung möglich sei. Genau in der für die Belichtung der Grundstücke der Antragsteller wertvollen Himmelsrichtung Süden sollten die beiden Häuser der Beigeladenen auf einem ca. 10 m höher liegenden Grundstück mit einer Traufhöhe von weiteren fast 10 m errichtet werden. Hierdurch erfolge eine ganz erhebliche und unzumutbare Verschattung der Grundstücke der Antragsteller, insbesondere im Winter. Bei Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans wären die Wirkungen auf die Grundstücke der Antragsteller wesentlich geringer und ohne weiteres hinnehmbar. Hinzu komme, dass eine Tiefgarage mit 18 Stellplätzen sowie drei oberirdische Stellplätze geplant seien. Dadurch entstehe eine deutlich höhere Verkehrsbelastung der …. Versorgungsfahrten und/oder Rettungseinsätze würden durch diesen zusätzlichen Verkehr weiter erschwert. Die … sei bereits aufgrund der vorhandenen Bebauung ausreichend belastet. Auch sei in Anbetracht der außerordentlich großzügig geschnittenen Wohnungen mit durchschnittlicher Wohnfläche von mehr als 260 m² zu befürchten, dass sich hier für kaum ausreichende Interessenten auf dem Markt finden lassen würden. Daher sei zu befürchten, dass es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Aufteilung des Wohnraums kommen und dadurch die Verkehrsbelastung weiter ansteigen werde. Hierdurch entstehe eine unzumutbare zusätzliche Lärmbelastung für die Antragsteller. Aufgrund der bestehenden Kessellage, eingegrenzt durch hohen Baumbestand im Nordwesten der Grundstücke, wirkten Lärmimmissionen auf das Grundstück der Antragsteller in besonders starker Weise.
Seit dem 10. Oktober 2016 hat die Beigeladene mit den Bauarbeiten begonnen.
Daraufhin beantragten die Antragsteller mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 11. Oktober 2016, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen.
Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2016 führen die Antragsteller weiterhin aus, die Baugenehmigung vom 5. Juli 2016 sei gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig. Laut der Baugenehmigung sei der Bauantrag am 29. März 2016 bei der Beklagten eingegangen. Entscheidungsreife habe am 29. Juni 2016 vorgelegen. Dem Bauausschuss der Antragsgegnerin sei die Erledigung baurechtlicher Genehmigungen als beschließender Ausschuss übertragen worden. Die Antragsteller hätten trotz Prüfung sämtlicher Tagesordnungspunkte und Beschlussfassungen aller infrage kommenden Bauausschusssitzungen keine Befassung mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung finden können. Nachdem zwischen dem 29. Juni 2016 und dem 5. Juli 2016 keine Bauausschusssitzung stattgefunden habe, sei die Baugenehmigung nicht durch den zuständigen Bauausschuss der Antragsgegnerin bearbeitet und verbeschieden worden. Deshalb leide die streitgegenständliche Baugenehmigung an einem besonders schwerwiegenden Fehler und sei deshalb nichtig. Art. 44 Abs. 3 Ziffer 3 BayVwVfG komme vorliegend nicht zur Anwendung, da der Bauausschuss aufgrund der Übertragung der Entscheidungskompetenz konstitutiv tätig werden müsse. Auch eine Heilung nach Art. 45 VwVfG komme nicht in Betracht. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sich der Bauausschuss der Antragsgegnerin nachträglich mit der erteilten Baugenehmigung befasst habe. Es sei offensichtlich, dass die Verletzung von Vorschriften über das Verfahren beim Erlass der Baugenehmigung die Entscheidung in der Sache beeinflusst habe. Hätte der Bauausschuss über den Bauantrag ordnungsgemäß getagt und wäre eine Entscheidung innerhalb dieses Gremiums getroffen worden, wäre die Baugenehmigung versagt worden. Eine so umfangreiche Befreiung von sämtlichen Festsetzungen des Bebauungsplans wäre in diesem Fall nicht gewährt worden.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Festsetzungen im streitgegenständlichen Bebauungsplan zum Maß der baulichen Nutzung bzw. zur überbaubaren Grundstücksfläche erfolgten im allgemeinen aus städtebaulichen Gründen und seien in der Regel nicht nachbarschützend. Vorliegend fänden sich keinerlei Anhaltspunkte im Bebauungsplan oder in der Begründung hierzu bzw. sonst, dass die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung bzw. zur überbaubaren Grundstücksfläche, für die eine Befreiung erteilt wurden, zumindest auch den Schutz des Nachbarn bezweckten. Ebenso verhalte es sich hinsichtlich der im Bebauungsplan festgesetzten Dachform und -Neigung sowie der Höhe der Traufe und der Höhe der Einfriedungen. Die Erhaltungssatzung … verfolge ebenfalls keine nachbarlichen Schutzziele, sie diene vielmehr der Erhaltung der Gestaltung des …, so dass sich die Antragsteller hierauf nicht berufen könnten. Durch die Satzung solle sichergestellt werden, dass erhaltenswerte Bausubstanz nicht abgebrochen werde und dass sich neu errichtete Gebäude in die vorhandene Bebauung einfügten. Gerade um ein Einfügen der neuen Baukörper in diesem Bereich zu gewährleisten, sei das Bauvorhaben dem Baukunstbeirat der Stadt … vorgestellt worden. Auch eine Verletzung des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme durch die erteilten Befreiungen sei nicht erkenntlich. Soweit die Antragsteller vortrügen, dass aufgrund der Höhenlage und Himmelsrichtung der Grundstücke durch die Bebauung mit den geplanten Baukörpern eine massive und bedrängende Wirkung ausgehe, sei dies nicht zutreffend. Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer erdrückenden Wirkung könne zwar bei nach Höhe, Breite und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommen. Hierbei müsse es sich aber um völlig anders dimensionierte Vorhaben als das vorliegende handeln. Auch die von den Antragstellern angeführte Verkehrsbelastung könne keine Verletzung des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme begründen. Die Stellplatzsatzung der Stadt … lege fest, dass für jede Wohneinheit ein Stellplatz herzustellen sei. Beim streitgegenständlichen Bauvorhaben seien insgesamt 21 Stellplätze geplant. Diese Überschreitung habe den Vorteil, dass die Belastung durch ruhenden Verkehr nicht erhöht werde. Der Zu- und Abfahrtsverkehr durch Bewohner sei in einem Wohngebiet normal. Die aufgrund des Vorhabens geringfügig erhöhten Fahrzeugbewegungen in der … stellten keinesfalls eine Überlastung der Straße dar. Entgegen dem Vortrag der Antragsteller, die Baugenehmigung sei nichtig, weil sie gegen Verfahrensvorschriften verstoße, sei festzustellen, dass es sich bei dem Erlass einer Baugenehmigung in einer Stadt der Größe von … um eine laufende Angelegenheit handle, für die der Oberbürgermeister nach Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO zuständig sei. Dieser habe seine Befugnis nach Art. 39 Abs. 2 GO an das Bauaufsichtsamt delegiert. Dem Bauausschuss sei nicht die Erledigung baurechtlicher Genehmigungen als beschließender Ausschuss übertragen worden. § 12 Nr. 7 der Geschäftsordnung für den Stadtrat … lege nur fest, dass der Ausschuss erteilte Baugenehmigungen zur Kenntnis erhalte.
Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen führte mit Schriftsatz vom 19. September 2016 aus, vorliegend käme es zu keiner Nachbarrechtsverletzung der Antragsteller. Die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung halte das Vorhaben ein. Soweit Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB bzw. Zulassungen gemäß § 23 Abs. 5 BauNVO erteilt worden seien, ergäbe sich weder aus den zeichnerischen noch textlichen Festsetzungen und auch nicht aus der Begründung des Bebauungsplans Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin den Festsetzungen des Bebauungsplans nachbarschützende Wirkung habe zukommen lassen wollen. Das Vorhaben erweise sich nicht zulasten der Antragsteller als rücksichtslos. Insbesondere habe es keine erdrückende oder einmauernde Wirkung. Dies ergebe sich schon daraus, dass dem Anwesen der Antragsteller nur das nördliche der beiden Mehrfamilienhäuser gegenüber liege. Aber auch dieses halte die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen ein: zum Wegegrundstück FlNr. … mindestens etwa 1,5 H, zum Anwesen der Antragsteller sogar etwa 2H. Der Abstand zwischen dem Wohnhaus der Antragsteller und dem nördlichen Mehrfamilienhaus betrage an der geringsten Stelle etwa 59 m. Der Abstand des Wohnhauses der Antragsteller zur gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück der Beigeladenen betrage 31 m. Außerdem seien die streitgegenständlichen Wohnhäuser für die Antragsteller durch die gemäß Ziffer 7 der Auflagen der streitgegenständlichen Baugenehmigung zu erhaltenden dichten und hohen Bäume im nördlichen Bereich der Baugrundstücke optisch und tatsächlich abgeschirmt. Auch mit unzumutbaren Schallemissionen sei nicht zu rechnen, da insbesondere die Tiefgaragenausfahrt nach Süden zu … hin liege und damit auf der den Antragsteller abgewandten Seite. Höchst vorsorglich wurde darauf hingewiesen, dass das Anwesen der Antragsteller die Festsetzungen des Bebauungsplans Nummer 191 zu den Baugrenzen ebenfalls wohl nicht einhalten dürfte. Deswegen sei den Antragstellern aus diesem Grund gemäß § 242 BGB eine etwaige Rüge der Verletzung der Festsetzungen des Bebauungsplans zu den Baugrenzen verwehrt.
Die Beigeladene beantragt mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2016,
die Anträge abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Streitgegenstand der vorliegenden Anträge ist die Beseitigung der sofortigen Vollziehbarkeit der der Beigeladenen mit Bescheid vom 5. Juli 2016 erteilten Baugenehmigung.
Die zulässigen Anträge sind unbegründet. Die Antragsteller können sich voraussichtlich weder erfolgreich auf einen Gebietsprägungserhaltungsanspruch (siehe unten 1.) noch auf eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme (siehe unten 2.) berufen.
In Fällen, in denen die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO dem Grundsatz nach gegebene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wie vorliegend durch ein Bundesgesetz ausgeschlossen ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212a Abs. 1 BauGB), kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung der innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtzeitig erhobenen Klage anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht in einer dem Charakter des summarischen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechenden Weise die Interessen der Antragstellerseite und der Antragsgegnerin sowie der Beigeladenen gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 Rn. 152), wobei vorrangig die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind.
Nach diesen Grundsätzen müssen die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen der Antragsteller ohne Erfolg bleiben.
Nach Überzeugung der Kammer haben die Klagen gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung keine so hinreichende Aussicht auf Erfolg, dass das kraft Gesetzes nach § 212a Abs. 1 BauGB bereits bestehende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Baugenehmigung ausnahmsweise zurücktreten müsste.
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch sie zugleich in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies ist nur dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutze der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. z. B. BVerwG v. 6.10.1989 – 4 C 40.87 – juris).
Aufgrund der im vorliegenden Verfahren nur vorzunehmenden summarischen Überprüfung ist festzustellen, dass eine Rechtsverletzung der Antragsteller durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung aller Voraussicht nach nicht gegeben ist.
1. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB, denn das Baugrundstück liegt im Bereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 191 der Antragsgegnerin. Dieser setzt als Art der Nutzung ein allgemeines Wohngebiet fest, so dass das streitgegenständliche Wohnbauvorhaben nach § 4 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig ist.
Eine Verletzung des Anspruchs der Antragsteller auf Wahrung der Gebietsart scheidet demnach eindeutig aus.
Abweichungen von das Nutzungsmaß betreffenden Festsetzungen lassen in der Regel den Gebietscharakter unberührt und haben lediglich Auswirkungen auf das Baugrundstück und die sich unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke. Zum Schutze der Nachbarn ist damit grundsätzlich das drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichend. Ein darüber hinausgehender, von einer tatsächlichen Beeinträchtigung unabhängiger Anspruch auf Einhaltung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (§ 16 Abs. 2 BauNVO) ist regelmäßig nicht zu bejahen (vgl. BVerwG v. 23.6.1995 – 4 B 52.85 – juris).
Auch die der Beilgeladenen erteilten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Festsetzungen zu Grundflächenzahl, Geschoßflächenzahl, Traufhöhe und Anzahl der Vollgeschosse führen zu keiner anderen Beurteilung. Die Antragsteller machen geltend, die durch die erteilten Befreiungen (insbesondere durch die Befreiung von der Festsetzung „zwei Vollgeschosse“) ausgelösten räumlichen Ausmaße der geplanten Bauvorhaben widersprächen der Prägung des umliegenden Wohngebietes, die durch kleindimensionierte Einfamilienhäuser bestimmt werde. Der räumliche Umfang (Grundfläche und Höhe) der streitgegenständlichen Bauvorhaben führt vorliegend nicht dazu, dass den Antragstellern ein Abwehranspruch in Gestalt des sogenannten „speziellen Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ zur Seite steht, der – sofern seine Existenz angenommen wird (zweifelnd etwa BayVGH v. 9.10.2012 – 2 B 11.2653 – juris; offengelassen BayVGH v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris) – auf § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gestützt wird. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Gebietsart widersprechen.
Nach diesem speziellen Gebietsprägungserhaltungsanspruch (BVerwG, B.v. 13. Mai 2002 – 4 B 86.01 -, juris; VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.7.2001 – 5 S 1093.00 -, juris; VG Ansbach, B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436-, juris) könnte ein allgemein oder ausnahmsweise zulässiges, also im Einklang mit den Vorgaben der Baunutzungsverordnung zur Gebietsart stehendes Vorhaben dennoch unzulässig sein wegen Widerspruchs des Vorhabens zur allgemeinen Zweckbestimmung des maßgeblichen Baugebiets (vgl. Decker, JA 2007, 55/57). Ein an sich zulässiges, aber gebietsunverträgliches Vorhaben könnte damit vom Nachbarn ohne konkrete und individuelle Betroffenheit abgewehrt werden.
Voraussetzung für die Annahme eines derartigen Anspruchs wäre aber, dass nicht nur ein Widerspruch zur bisherigen Prägung des Baugebiets besteht, sondern dass durch die Dimension der Anlage eine neue Art der baulichen Nutzung ins Baugebiet hineingetragen wird. Dies kann dann der Fall sein, wenn – in Ansehung des in § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO genannten Kriteriums „Umfang“ – im Einzelfall „Quantität in Qualität“ umschlägt (vgl. VG München, B.v. 31.7.2014 – M 8 SN 14.2877-, juris Rn. 55), d. h., wenn die Größe der baulichen Anlage die Zulässigkeit der Nutzungsart erfassen und beeinflussen kann (BayVGH, B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327-, juris), was nur in seltenen Einzelfällen denkbar sein dürfte.
Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob und in welchen Konstellationen den Antragsstellern ein derartiger Abwehranspruch zustehen kann, weil dessen Voraussetzungen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vorliegen.
Die nähere Umgebung des Grundstücks der Antragsteller ist nicht mehr nur von Einfamilienhäusern geprägt. Den vorliegenden Behördenakten lässt sich entnehmen, dass auf den unmittelbar östlich an die streitgegenständlichen Grundstücke angrenzenden Flurnummern … und … drei dreigeschossige Mehrfamilienhäuser errichtet wurden. Auf der Flurnummer … … sind nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin zwei ebenfalls dreigeschossige Gebäude entstanden. Auch dieses Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 191. Von einer „Erstmaligkeit“ im o.g. Sinne kann deshalb nicht die Rede sein. Außerdem erreicht das Bauvorhaben nicht die für die Annahme eines „Gebietsprägungserhaltungsanspruchs“ erforderlichen Dimensionen.
2. Die Antragsteller werden durch das streitgegenständliche Vorhaben voraussichtlich auch nicht in dem drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme verletzt, welches hinsichtlich der erteilten Befreiungen in § 31 Abs. 2 BauNVO im Begriff der Würdigung nachbarlicher Interessen seinen Niederschlag gefunden hat, im Übrigen § 15 Abs. 1 BauNVO zu entnehmen ist.
a) Mit hoher Wahrscheinlichkeit verletzt die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans die Antragsteller nicht in ihren Rechten, weil diese Festsetzungen nicht nachbarschützend sind.
Grundsätzlich ist im Hinblick auf den im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB vermittelten Nachbarschutz zu unterscheiden, ob von einer drittschützenden oder einer nicht drittschützenden Bebauungsplanfestsetzung befreit wurde.
Handelt es sich um eine Befreiung von einer drittschützenden Festsetzung, so hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB, bei Erteilung einer Befreiung von einer nicht drittschützenden Festsetzung hat der Nachbar hingegen nur ein subjektivöffentliches Recht auf Würdigung seiner Interessen unter Zugrundlegung der für das Rücksichtnahmegebot entwickelten Maßstäbe (BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536-, juris).
Vorliegend hat die Antragsgegnerin von Festsetzungen bezüglich der Baugrenzen, der Errichtung von zwei Vollgeschossen, der GRZ (0,21) und GFZ (0,54), der Grund (400 qm je Gebäude) – und Geschossflächen (1020 qm je Gebäude), der Traufhöhe (9,70 m) und der Einfriedungshöhe (2 m) befreit.
Durch derartige Festsetzungen werden die Planbetroffenen nicht in gleicher Weise zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verbunden, wie dies das Bundesverwaltungsgericht für die die Art der baulichen Nutzung betreffenden Festsetzungen angenommen hat (vgl. dazu BVerwG v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 – juris).
Ein nachbarlicher Interessenausgleich und damit Schutz durch Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zur überbaubaren Grundstücksfläche ist nur ausnahmsweise bezweckt. Günstige Auswirkungen einer Festsetzung auf die Nachbargrundstücke reichen zur Annahme eines Nachbarschutzes nicht aus, vielmehr muss sich ein Wille der Gemeinde, solchen Festsetzungen (auch) nachbarschützende Wirkung zukommen zu lassen, mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bebauungsplan selbst, seiner Begründung oder aus sonstigen Unterlagen der planenden Gemeinde ergeben (vgl. z. B. BayVGH v. 19.11.2015 – 1 CS 15.2108 – juris, m. w. N.).
Ein solchermaßen eindeutig erkennbarer Wille der Antragsgegnerin (vgl. BayVGH v. 19.3.2013 – 2 B 13.99 – juris), dass die hier inmitten stehenden Festsetzungen dem Nachbarschutz dienen sollen, ist vorliegend nicht ersichtlich.
In Ziff. 1.3 der Begründung zum Bebauungsplan wird ausgeführt, Ziel des Bebauungsplans sei, einen Ausgleich zwischen der Erhaltung des … als „grüne Kulisse der Stadt“ für Erholung suchende Bürger und dem verstärkten Wunsch nach intensiverer Bebauung bei schwieriger Erschließungssituation wegen des Systems unterirdischer Kellergänge und steilen Geländes zu finden. Daraus wird deutlich, dass die Antragsgegnerin nicht beabsichtigte, den Festsetzungen nachbarschützende Wirkung beizumessen, sondern diese aus städtebaulichen Gründen vornahm. Auch die Begründung zu Deckblatt 2 des Bebauungsplans Nr. 191 aus dem Jahr 1989 bestätigt, dass sich der Plangeber bei den Festsetzungen zu Grund- und Geschoßflächen von städtebaulichen Gründen leiten ließ, da hierin ausdrücklich ausgeführt wird, dass mit der Änderung verhindert werden sollte, dass bei der Errichtung von Doppelhäusern „größere zusammenhängende Baumassen“ entstehen könnten als aus städtebaulicher Sicht wünschenswert.
Sowohl die Überschreitung der Grund- und der Geschoßflächenzahl als auch die Überschreitung der Traufhöhe durch die streitgegenständlichen Bauvorhaben werden letztlich durch die Erteilung der Befreiung von der Festsetzung von zwei Vollgeschossen begründet. Verneint man für die Festsetzung der Vollgeschosse vorliegend den drittschützenden Charakter, so können die Antragsteller wegen der (notwendigen) Folgen dieser Befreiung eine Verletzung in eigenen Rechten nicht mit Erfolg rügen, solange sich nicht aus dem Bebauungsplan ergibt, dass den Festsetzungen zu Geschoß- und Grundflächenzahl sowie zur Traufhöhe nachbarschützende Wirkung seitens des Plangebers beigemessen werden sollten.
Dass der Plangeber sich nun von anderen städtebaulichen Erwägungen (Nachverdichtung, Flächenschonung) leiten lässt und dabei nicht mehr an der Verwirklichung des Bebauungsplans festhalten will, könnten die Antragsteller nur bei einer eigenen Rechtsverletzung mit Erfolg geltend machen. Nachdem für drittschützenden Charakter der Festsetzungen nach summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte bestehen, bestehen für eine derartige Rechtsverletzung keine Anhaltspunkte.
b. Somit können sich die Antragsteller alleine auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme berufen.
Eine Verletzung dieses drittschützenden Rücksichtnahmegebots ist vorliegend aller Voraussicht nach nicht gegeben.
aa) Gegen eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens spricht zum einen bereits, dass – unbestritten – die bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen eingehalten sind und damit eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung, wie von Art. 6 BayBO gefordert, gewährleistet ist (vgl. z. B. BVerwG v. 11.1.1999, 4 B 128.98, BayVBl. 1999, 568).
Den durch das streitgegenständliche Bauvorhaben verwirklichten Größen- und Lageverhältnissen ist nach Auffassung der Kammer aufgrund der vorgenommenen summarischen Prüfung nichts für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit des Beigeladenenvorhabens gegenüber dem Antragstellergrundstück zu entnehmen.
Eine solche wäre gegebenenfalls dann zu bejahen, wenn vom Beigeladenenbauvorhaben für die Antragsteller eine unzumutbare Beeinträchtigung ausginge, welche insbesondere dann anzunehmen wäre, wenn nach den Umständen des konkreten Einzelfalles das geplante Bauvorhaben das Grundstück der Antragsteller „einmauern“ würde, wenn dem streitgegenständlichen Vorhaben „abriegelnde“ oder „erdrückende“ Wirkung zukäme, was vorliegend jedoch, so die Auffassung der Kammer nach Durchführung der im vorliegenden Eilverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung unter Zugrundelegung der genehmigten Pläne nicht der Fall ist.
Eine derartige Wirkung eines Bauvorhabens kann nur dann vorliegen, wenn ein durch seine Ausmaße und Gestaltung als außerordentlich zu qualifizierender Baukörper den Bewohnern des Nachbargrundstücks den Eindruck des „Eingemauertseins“ vermittelt (vgl. z. B. BVerwG v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris; BayVGH v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – juris). Dies kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BayVGH v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris m. w. N.). Dabei stellt, wie oben bereits ausgeführt, die – vorliegend gegebene – Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsflächen ein Indiz dafür dar, dass keine erdrückende Wirkung vorliegt (vgl. BayVGH v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris).
Im Urteil vom 13. März 1981, a. a. O., hat das Bundesverwaltungsgericht eine erdrückende Wirkung bejaht in einem Fall, in dem neben einem zweieinhalbgeschossigen Gebäude in ca. 15 m Entfernung ein zwölfgeschossiges Wohnhaus genehmigt worden war. Mit Urteil vom 23. Mai 1986, 4 C 34.85 – juris, hat das Bundesverwaltungsgericht eine erdrückende Wirkung gegenüber einem Wohngrundstück angenommen, bei welchem in einem Grenzabstand von 3 m drei auf Stahlstützen stehende Rundbehälter für Düngekalk in einer Höhe von 11,50 m über eine Länge von 13,31 m errichtet worden waren.
Unter Zugrundelegung der dargestellten Grundsätze werden die streitgegenständlichen Bauvorhaben aller Voraussicht nach nicht eine solche Wirkung auf das Grundstück und insbesondere auf das Wohnhaus der Antragsteller haben. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Das Wohnhaus befindet sich nach dem Akteninhalt rund 59 m von dem nördlicher gelegenen streitgegenständlichen Bauvorhaben entfernt, zur gemeinsamen Grundstücksgrenze sind es 31 m. Bei einem derartigen Abstand kann auch unter Berücksichtigung des räumlichen Umfangs der geplanten Wohnhäuser weder von einer erdrückenden bzw. abriegelnden Wirkung noch von einem „Einmauerungs-“ oder „Canyon-Effekt“ zulasten der Antragsteller gesprochen werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die baulichen Anlagen, insbesondere das nördlich situierte Wohnhaus, dem der Antragsteller förmlich „die Luft nimmt“, weil es derartig übermächtig wäre, dass das Nachbargebäude der Antragsteller nur noch oder überwiegend von einem herrschenden Gebäude „dominiert“ und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen würde (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 -, juris Rn. 30 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Hinzu kommt, dass der nördliche Teil des Baugrundstücks auf einer mit hohen Bäumen bewachsenen Böschung liegt, so dass das Bauvorhaben – obwohl es in Bezug auf das Wohnhaus der Antragsteller auf ca. 10 m höher liegenden Gelände errichtet wird – auch optisch abgeschirmt wird. Nachdem beide Grundstücke sich in Hanglage befinden, besteht wegen des gebietstypischen Gefälles zum Grundstück der Antragsteller kein erhöhtes Schutzbedürfnis.
Selbst für den Fall, dass es tatsächlich zu einer Einschränkung der Belichtung kommen sollte – was wegen des erheblichen Abstandes der Baukörper als unwahrscheinlich erscheint – wäre diese als typische Folge der Bebauung im innerstädtischen Bereich des Stadtgebiets der Antragsgegnerin bis zu einer im Einzelfall zu bestimmenden Unzumutbarkeitsgrenze hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 a. a. O. Rn. 31). Von einem solchen Ausnahmefall ist nach Aktenlage und nach dem Vorbringen der Beteiligten nicht auszugehen.
bb) Auch die Erhaltungssatzung der Antragsgegnerin vom 1. September 1989 in der Fassung vom 10. Dezember 2001 führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf unveränderte Beibehaltung der bisherigen Umgebungsbebauung, auch wenn für sie die eintretenden baulichen Veränderungen in unmittelbarer Nachbarschaft subjektiv beeinträchtigend wirken. Die genannte Satzung, die ihre Grundlage in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB findet, enthält keine Normen, die den Antragstellern subjektive einklagbare Rechte gewähren.
Die Antragsgegnerin hat die Satzung erlassen, weil sich in ihrem Geltungsbereich „bauliche Anlagen befinden, die allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägen oder von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung sind (§ 172 Abs. 3 Satz 1 BauGB) und die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die Errichtung baulicher Anlagen nicht beeinträchtigt werden soll (§ 172 Abs. 3 Satz 2 BauGB)“, vgl. § 2 der Satzung.
Schon nach dem Wortlaut des § 172 BauGB bestehen keine Anhaltspunkte für die Vermittlung einer Abwehrposition gegen Bauvorhaben. Grund des Erlasses einer Erhaltungssatzung ist das Vorliegen eines städtebaulichen Problems. Diese erlegt Grundstückseigentümers eine inhaltliche Beschränkung ihres Grundeigentums auf, das über die Anforderungen der Baugesetze hinausgehen kann, soweit dies durch Belange des Allgemeinwohls (die in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 BauGB abschließend aufgezählt sind) gerechtfertigt ist. Umgekehrt begründet eine solche Satzung aber keine Rechtspositionen von Nachbarn dergestalt, dass die Beibehaltung des bisherigen Milieus im Rahmen des Rücksichtnahmegebotes eingefordert werden kann. Insoweit handelt es sich beim Schutzzweck der Satzung lediglich um einen Rechtsreflex zugunsten von Grundstückseigentümern im Geltungsbereich der Satzung (OVG Mecklenburg-Vorpommern, U.v. 14.12.2000 – 3 K 25/99 – juris Rn. 18 f.; VGH München, U.v. 2.4.1996 – 1 N 92.1636 -, juris).
cc) Soweit die Antragsteller geltend machen, die … sei nicht geeignet, den neuen Anliegerverkehr aufzunehmen, stehen ihnen keine drittschutzbegründenden Normen zur Seite. Dasselbe gilt, sofern die Antragsteller befürchten sollten, durch den zu erwartenden Besucherverkehr belastet zu werden. Denn Anwohner- und Besucherverkehr ist grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (BayVGH B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 -, juris Rn. 15 m. w. N.).
dd) Auch dass sich die Antragsteller selbst an die Festsetzungen des Bebauungsplans – ausweislich der vorliegenden Behördenakten auch hinsichtlich des Baufensters – gehalten haben, kann nicht zu einem Abwehranspruch gegen das geplante Bauvorhaben führen, weil sich die geschützten Rechtspositionen im Rahmen der Nachbarrechte auf die oben dargestellten Grundsätze beschränken.
ee) Formale Fehler beim Erlass der Baugenehmigung sind – unabhängig von der Frage, inwieweit sich die Antragsteller überhaupt auf das Vorliegen solcher berufen könnten – nicht ersichtlich.
Nach alldem ist festzustellen, dass im Hinblick auf das Erfordernis einer Verletzung nachbarschützender Rechte, auf die allein sich die Antragsteller berufen könnten, nach summarischer Prüfung ein Erfolg ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Juli 2016 nicht wahrscheinlich scheint. Dies spricht für ein überwiegendes Interesse der Beigeladenen am Beibehalten der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der ihr erteilten Baugenehmigung. Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, das Antragstellerinteresse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen dennoch höher zu bewerten, sind nicht ersichtlich, so dass es bei der vom Gesetzgeber in § 212a Abs. 1 BauGB getroffenen Entscheidung bleibt.
Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen der Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Juli 2016 waren daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Da sich die Beigeladene durch eigene Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet bekommt, § 54 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziffern 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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