Baurecht

Geltungsdauer einer Zusicherung zur Erteilung einer Baugenehmigung

Aktenzeichen  2 ZB 19.1321

Datum:
8.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9560
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 Satz 4

 

Leitsatz

1. Dem Erfordernis zur Darlegung eines Berufungszulassungsgrundes wird nicht entsprochen, wenn in Verkennung des rechtssystematischen Unterschieds zwischen der Begründung eines Zulassungsantrags und der Begründung der Berufung die Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht angegriffen wird, ohne zwischen den einzelnen Zulassungsgründen zu unterscheiden. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Geltungsdauer einer Zusicherung geht in der Regel nicht weiter als die gesetzlich geregelte Geltungsdauer des zugesicherten Verwaltungsakts. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 9 K 18.184 2019-06-05 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 20.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag nach §§ 124,124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag entspricht nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof braucht nicht aus einem Darlegungs-„Gemenge“ das herauszusuchen, was bei wohlwollender Auslegung möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könne (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.1995 – 9 B 362.19 – NJW 1996, 1554; BayVGH, B.v. 17.5.2010 – 2 ZB 08.3197 – juris). Das innerhalb der Frist Dargelegte muss sich letztlich zweifelsfrei den einzelnen Zulassungsgründen zuordnen lassen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 58). Dem Darlegungserfordernis wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn in Verkennung des rechtssystematischen Unterschieds zwischen der Begründung eines Zulassungsantrags und der Begründung der Berufung die Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht angegriffen wird, ohne zwischen den einzelnen Zulassungsgründen zu unterscheiden (vgl. OVG Münster, B.v. 2.6.1997 – 18 B 576/97 -NVwZ 1998, 415).
Der Vortrag der Klägerin beschränkt sich auf eine Darstellung des Sachverhalts und bisherigen Sachverlaufs sowie einer rechtlichen Würdigung, ohne sich jedoch auch nur ansatzweise der Mühe zu unterziehen, einen der in § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 genannten Zulassungsgründe zu nennen oder gar den unterschiedlichen Darlegungsanforderungen dieser Zulassungsgründe Rechnung zu tragen.
2. Selbst wenn man bei wohlwollender Auslegung des Begründungsschriftsatzes vom 14. August 2019 davon ausgeht, dass die Klägerin Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rügt, bleibt ihr Antrag erfolglos. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung gemäß Ziffer 1 des Prozessvergleichs vom 10. Juni 1999 hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn die darin enthaltene Zusicherung entfaltet nicht länger Wirkungen als die Baugenehmigung selbst. Der Bindungswille der Behörde geht bei einer Zusicherung nicht weiter als die gesetzliche Frist des zugesicherten Verwaltungsakts. Hiervon muss auch der Empfänger der Zusage ausgehen.
Die Klägerin trägt vor, es finde sich in der protokollierten Willenserklärung des Beklagten kein Anhaltspunkt dafür, dass er sich mit der zugesagten Verpflichtung zur Erteilung der Baugenehmigung nur zeitlich befristet binden wollte. Außerdem habe das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. September 1997 (Az. M 8 K 96.4905) ihr eine auf die Dauer von 30 Jahren bestehende Rechtsposition vermittelt. Es fehle jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin in zeitlicher Hinsicht durch den Vergleich vom 10. Juni 1999 eine verkürzte Rechtsposition erhalten sollte.
Der Senat folgt der Rechtsprechung, wonach die Geltungsdauer einer Zusicherung im Hinblick auf bestehende gesetzliche Regelungen über die Geltungsdauer des zugesagten Verwaltungsakts zu bestimmen ist. Denn dem Begünstigten soll durch eine Zusage keine stärkere Rechtsposition eingeräumt werden als durch den zugesagten Verwaltungsakt selbst. Deshalb geht der Bindungswille der Behörde bei einer Zusicherung in der Regel nicht weiter als die gesetzlich geregelte Geltungsdauer des zugesicherten Verwaltungsakts (vgl. OVG Münster, B.v. 19.5.1998 – 10 A 4731/97 – juris; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 38 Rn. 26). Im vorliegenden Einzelfall sind keine Umstände erkennbar, die es rechtfertigen würden, davon abzugehen. Insbesondere hat das Erstgericht in nicht zu beanstandender Weise eine Einzelfallwürdigung vorgenommen (UA S. 10 f.). Die Baugenehmigung konnte vorliegend in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 1999 nicht erlassen werden, da sie unter anderem von entsprechenden Bauvorlagen abhing, die die Klägerseite erst noch einzureichen hatte. Wenn in dieser Situation eine unbefristete Zusicherung abgegeben worden wäre, hätte die Klägerseite einen Vorteil erhalten, der so im System der Bayerischen Bauordnung nicht angelegt ist. Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden.
Auch aus den sonstigen Umständen ergibt sich nicht, dass sich der Beklagte über einen Zeitraum von 30 Jahren oder unbefristet hatte binden wollen. Zutreffend ist, dass es zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ein rechtskräftiges Bescheidungsurteil gab. Dagegen wurde Vollstreckungsabwehrklage erhoben und die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt. Hintergrund der Vollstreckungsabwehrklage war, dass dem ursprünglichen Bescheidungsurteil eine Teilungsgenehmigung zugrunde lag und aufgrund deren Bindungswirkung eine Baugenehmigung nicht mehr aus bauplanungsrechtlichen Gründen versagt werden konnte. Diese Teilungsgenehmigung hatte der Beklagte zurückgenommen und Vollstreckungsabwehrklage erhoben. Weil die Rechtslage danach als unklar eingeschätzt wurde, haben die damaligen Beteiligten auf Anraten des Verwaltungsgerichts zur Gesamtbefriedung den Prozessvergleich vom 10. Juni 1999 geschlossen. Damit sollte die Rechtslage gänzlich neu geordnet werden. Der Vergleich vermittelte der Klägerin gegenüber dem Bescheidungsurteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. September 1997 eine völlig veränderte Rechtsposition. Ihr wurde die Erteilung einer Baugenehmigung unter den im Vergleich genannten Bedingungen zugesagt. Diese weichen von dem Bauantrag, auf den sich das Bescheidungsurteil bezieht, ab.
Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung besteht in diesem Zusammenhang nicht. Denn der Vergleich regelt die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten erschöpfend. Die Klägerin hätte bis spätestens vier Jahre nach Vergleichsschluss den Bauantrag beim Beklagten stellen müssen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2001 – 8 ZB 01.1789 – BayVBl 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.


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