Baurecht

Genehmigung für Gartenhaus

Aktenzeichen  15 ZB 18.2264

Datum:
25.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1032
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Abs. 9, Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1, Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 4
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4
BauGB § 29 S. 1

 

Leitsatz

1 Hat nur der dem Willen des Bauherrn entspringende Umfang des Bauantrags einen Zusammenhang zwischen einem genehmigungspflichtigen Umbau des Hauses und einem für sich gesehen verfahrensfreien Teil (Bau einer Gartenhütte) hergestellt, sollte man dem Bauherrn zugestehen, diese Verbindung nachträglich durch einseitige Erklärung wie einen ausdrücklichen Verzicht auf die Verwirklichung des verfahrensfreien Teils der einst erteilten Genehmigung wieder aufzulösen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Soll eine genehmigungsfreie Gartenhütte an einem anderen als dem ursprünglich beantragten Standort errichtet werden, bedarf es, wenn ein ausdrücklicher Verzicht auf die ursprünglich geplante Verwirklichung vorliegt, keines Änderungsbauantrags. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 2 K 16.1622 2018-09-13 Ent VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beklagte erteilte den Beigeladenen mit Bescheid vom 22. März 2016 die Genehmigung für die Sanierung und den Umbau ihres Reihenmittelhauses. Gegenstand des zugrundeliegenden Bauantrags war neben den Maßnahmen am Wohnhaus auch die Neuerrichtung eines im Grundriss 6,30 m x 2,80 m großen Gartenhauses mit einem seitlich jeweils überstehenden Flachdach, das an der Grenze zum südlich benachbarten Grundstück 2,60 m und auf der Nordseite des Gebäudes 2,65 m hoch werden sollte.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2016 teilten die Bauherren der Beklagten mit, dass die Errichtung eines Gartenhauses in der genehmigten Größe nicht an der Südseite sondern an der Nordgrenze des Baugrundstücks geplant sei, „sobald das Gartenhaus aus der bestehenden Baumaßnahme per Änderungsantrag entfernt wurde.“ Nachdem die Beklagte auf die Genehmigungspflicht dieser Änderung als Teil der Gesamtmaßnahme hingewiesen hatte, reichten die Beigeladenen am 29. Juli 2016 eine entsprechende Bauvorlage ein. Diese zeigt ein Gartenhaus mit demselben Grundriss wie zuvor. Das Flachdach ist an der Grenze zum Grundstück der Klägerin nun mit einer Höhe von 2,80 m vermaßt, es steht auf der Westseite 1,20 m und auf der Ostseite 0,80 m über. Die von der Beklagten anschließend erteilte Änderungsgenehmigung trägt das Datum vom 16. September 2016.
Mit Urteil vom 13. September 2018 wies das Verwaltungsgericht die gegen die Änderungsgenehmigung gerichtete Nachbarklage mangels Rechtschutzbedürfnis als unzulässig ab. Das Gartenhaus könne ohne eine Änderungsgenehmigung am vorgesehenen Ort aufgebaut werden, weil es sowohl verfahrensfrei errichtet werden dürfe als auch materiell rechtmäßig sei.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel. Wegen der weiteren Einzelheiten und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgetragenen Berufungsgründe setzen sich nicht mit wesentlichen, die erstinstanzliche Entscheidung tragenden rechtlichen Argumenten auseinander. Sie entsprechen daher nicht den Anforderungen, die das Gesetz an den Inhalt der Zulassungsbegründung stellt (vgl. dazu näher Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 50 bis 71 sowie nachfolgend 1. und 2.).
1. Das Erstgericht hat die Klage deswegen als unzulässig angesehen, weil auch die begehrte Aufhebung der Baugenehmigung für die Errichtung des Gartenhauses an der Nordgrenze des Baugrundstücks die rechtliche Situation der Klägerin nicht verbessern könne, da dieses Vorhaben auch ohne diese verfahrensfrei errichtet werden darf und materiell rechtmäßig ist.
Demgegenüber beschränkt sich die Zulassungsbegründung auf die Behauptung, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden, weil „die zulässige Klage nämlich begründet“ sei. Zu dem Argument, dass der Nachbarklage das Rechtsschutzbedürfnis fehle, äußert sich die Klägerin an keiner Stelle ihrer gesamten Ausführungen.
Ebenso fehlt in der Zulassungsbegründung jegliche Auseinandersetzung mit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass das im Streit stehende Vorhaben materiell rechtmäßig ist, weil die – einzig zu prüfenden – öffentlich-rechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO für die Abstandsflächen nicht einhaltende Errichtung eines Gebäudes ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten (mittlere Wandhöhe bis zu 3 m, Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m) eingehalten seien. Dies ist nach Aktenlage offenkundig auch der Fall.
Soweit die Klägerin meint, ohne erneute Zustimmung der Klägerin zu den neuen Plänen hätten diese Änderung nicht genehmigt werden dürfen, entspricht auch das nicht der Rechtslage. Nach Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO ist einem Nachbarn, der nicht zugestimmt hat oder dessen Einwendungen nicht entsprochen wurde, eine Ausfertigung der Baugenehmigung zuzustellen. Verfahrensfehler alleine machen eine Baugenehmigung nicht nachbarrechtswidrig, siehe dazu weiter unter Punkt 3 am Ende. Nach Art. 68 Abs. 4 BayBO wird die Baugenehmigung im Übrigen unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt.
2. Hinsichtlich der von ihr weiter behaupteten tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO verweist die Klägerin inhaltlich nur auf die zuvor zu den ernstlichen Zweifeln dargelegten, aber in jeder Hinsicht unbeachtlichen Gründe. Mit der daran geknüpften bloßen Behauptung entsprechender Schwierigkeiten werden die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung des Zulassungsgrundes verfehlt.
3. Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, ob das Erstgericht zu Recht zu der Annahme gelangt ist, dass die Änderungsgenehmigung objektiv rechtswidrig sei, weil auch der Erstgenehmigung kein Gesamtbauvorhaben zugrunde gelegen habe, da zwischen dem Anbau an das Wohnhaus und der Errichtung des Gartenhauses keinerlei baurechtliche oder tatsächliche Verknüpfung bestanden habe. Es bestehe auch keine Pflicht der Beigeladenen, die einzelnen Teile der ersten Baugenehmigung auszunutzen.
Ob dieser nur auf objektive Umstände abstellenden Auffassung uneingeschränkt zu folgen wäre, muss hier nicht entschieden werden. Vor dem Hintergrund der obergerichtlichen Rechtsprechung ergeben sich jedoch gewisse Bedenken:
Innerhalb der Grenzen, die einer Zusammenfassung oder Trennung objektiv gesetzt sind, ist es Sache des Antragstellers, durch seinen Genehmigungsantrag festzulegen, was „das Vorhaben“ im Sinn von § 29 Satz 1 BauGB ist. Ob bei einer technisch teilbaren Anlage die einzelnen Teile zur Genehmigung gestellt sind und daher jeder für sich ein „Vorhaben“ ist oder ob die gesamte Anlage als ein einziges „Vorhaben“ Gegenstand der Beurteilung zu sein hat, bestimmt sich grundsätzlich nach dem erkennbaren Willen des Antragstellers (BVerwG, B.v. 21.8.1991 – 4 B 20/91 – DVBl 1992, 40 = juris Rn. 4). Entsprechende Maßstäbe gelten grundsätzlich auch für ein mehrere Baumaßnahmen, die objektiv betrachtet jeweils getrennt beurteilt werden könnten, umfassendes „Gesamtvorhaben“. Wenn für die einzelnen Teile eines solchen „Gesamtvorhabens“ unterschiedliche Verfahrensregime einschlägig wären (sog. „gemischtes Vorhaben“), ist die jeweils strengere verfahrensrechtliche Anforderung für das gesamte Vorhaben maßgeblich. Somit ist bei einem als Ganzes zur Überprüfung gestellten Gesamtvorhaben auch eine Maßnahme genehmigungspflichtig, die bei isolierter Beurteilung verfahrensfrei wäre (König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 55 Rn. 13 unter Hinweis auf BayVGH, B.v. 28.3.2007 – 1 CS 06.3006 – BayVBl 2008, 541 = juris Rn. 21). Ein nach dem Willen des Bauherrn bestehender oder von der Sache her gegebener Zusammenhang der einzelnen Teile eines Gesamtvorhabens bleibt bestehen, bis dieses insgesamt fertig gestellt ist (König in Schwarzer/König a.a.O. Rn. 13 unter Hinweis auf BayVGH, U.v. 18.5.2001 – 2 B 00.1347 – juris, die Entscheidung betraf allerdings die Abweichung von einem seinerzeit noch gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 11 BauVorlV a.F. – und damit aus Rechtsgründen und unabhängig vom Willen des Bauherrn – zum Bestandteil der notwendigen Bauvorlagen zählenden Freiflächengestaltungsplan; vgl. insoweit jetzt freilich § 7 Abs. 3 Nr. 15 BauVorlV vom 10.11.2007, GVBl S. 792; BayRS 2132-1-2-I, zuletzt geändert durch § 1 V vom 7.8.2018, GVBl S. 694). Hat allerdings – wie hier – nur der dem Willen der Bauherren entspringende Umfang ihres Bauantrags den Zusammenhang zwischen dem nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtigen und dem für sich gesehen verfahrensfreien (vgl. Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a) BayBO) Teil hergestellt, sollte man den Bauantragstellern – zumal, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgehalten hat, die Genehmigung keine Pflicht zum Bauen begründet – auch zugestehen, diese Verbindung nachträglich durch eindeutige einseitige Erklärung wie einen ausdrücklichen Verzicht auf die Verwirklichung des verfahrensfreien Teils der einst erteilten Genehmigung wieder auflösen zu können. Das ist hier bei verständiger Würdigung dessen Inhalts mit dem von beiden Bauherren unterzeichneten Schreiben vom 13. Juni 2016 an die Bauaufsichtsbehörde geschehen. Bei dieser Sichtweise wäre der vom Bauordnungsamt der Beklagten unter dem 15. Juni 2016 angeforderte Änderungs-Bauantrag nicht nötig gewesen. Auf die rechtliche Situation für die Nachbarin hätte diese Verfahrensweise keine Auswirkungen gehabt, da die Vorschrift des Art. 55 Abs. 1 BayBO über die Genehmigungspflicht und ihre Ausnahmen sowie die Vorschriften über das Genehmigungsverfahren (Art. 59, 60 BayBO) nur dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Verfahren dienen und grundsätzlich nicht drittschützend sind. Drittbetroffene haben kein subjektives Recht auf Durchführung des „richtigen“ Verwaltungsverfahrens. Der Anspruch des Nachbarn auf Aufhebung der Genehmigung hängt vielmehr davon ab, dass ein Verstoß der Baugenehmigung gegen nachbarschützendes materielles Recht tatsächlich konkret festgestellt wird (vgl. dazu statt aller: Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand 1.10.2018, Art. 55 Rn. 4/4d m.zahlr.w.N.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladenen haben sich am Zulassungsverfahren nicht beteiligt, sie tragen ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, § 163 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang).
5. Mit diesem unanfechtbaren (§ 152 Abs. 1 VwGO) Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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