Baurecht

Grundstücksbezogene Wirkung der Stellplatzablösung

Aktenzeichen  2 B 20.301

Datum:
8.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2021, 236
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 47
BayBO 1998 Art. 53

 

Leitsatz

Die Stellplatzablösung wirkt nicht nur vorhabenbezogen, sondern grundstücksbezogen. (Rn. 42)
1. Die für einen vorhandenen Baubestand abgelösten Stellplätze sind wie tatsächlich vorhandene Stellplätze auf den Stellplatznachweis der an die Stelle des Altbestands tretenden Änderung oder des Neubaus anzurechnen. Abgelöste Stellplätze sind solange als nachgewiesen anzusehen als der Ablösevertrag nicht rückgängig gemacht wird. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rechtswirkungen der Ablösung bleiben auch bei einer späteren Nutzungsänderung, bei einem Eigentümerwechsel oder einem etwaigen Untergang der Anlage erhalten. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Stellplatzablösung wohnt kein Zeitelement in dem Sinne inne, dass eine sich an den Kosten für die einmalige Herstellung von Einstellplätzen orientierende Ablösezahlung etwa nach 30 oder weniger Jahren „verbraucht“ wäre. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Interesse der Gemeinde, bei bestimmten Nutzungen neu über die Stellplatzablöse zu entscheiden, ist nicht schutzwürdig, da dem Grundstück gegebenenfalls der abgelöste Vorteil wieder genommen und der Ablösebetrag gegebenenfalls mehrmals kassiert würde. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 8 K 16.2312 2018-01-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. Januar 2018 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 18. April 2016 die mit Bauantrag vom 9. Juni 2015 begehrte Baugenehmigung zu erteilen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin gemäß § 124 Abs. 1 VwGO ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Klägerin begehrt die beantragte Baugenehmigung im Verfahren nach Art. 59 BayBO für eine Nutzungsänderung von Ladenflächen in ein Wettbüro. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Erteilung der Baugenehmigung das Fehlen von Stellplätzen im Sinn von Art. 47 BayBO entgegensteht. Die Beklagte hat eine Stellplatzsatzung vom 19. Dezember 2007 (StPIS) nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO erlassen, die gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO zum Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gehört.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts kann die Klägerin vorliegend die notwendige Anzahl von Stellplätzen für ihr Vorhaben nachweisen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht als stellplatzrelevante Flächen für das Wettbüro 128,60 m² angesehen, wie sie in der Stellplatzberechnung der Klägerin vom 3. Juni 2015 angeführt sind. Stellplatzrelevant sind hiernach die Wettannahme und die Theke. Die restlichen Flächen, wie Lager, Büro usw., sind nach der Stellplatzsatzung der Beklagten nicht relevant (Ziffer 10.1 i.V.m. Ziffern 3 und 9.2 der Anlage 1 zur StPIS). Bei einer anzurechnenden Nutzfläche von 128,60 m² ergibt sich hiernach eine Zahl von 6,43, abgerundet sechs Stellplätzen (§ 2 Abs. 6 Satz 1 StPIS). Nachdem das Vorhaben der Klägerin unstreitig (s. Sitzungsprotokoll v. 1.10.2020 S. 2) in der Zone I nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a StPIS liegt, ermäßigt sich diese Zahl auf drei notwendige Stellplätze.
Für den bisherigen genehmigten Laden 3, der durch das Änderungsvorhaben betroffen ist, war demgegenüber eine Verkaufsnutzfläche von 139,14 m² laut der Baugenehmigung vom 4. Dezember 2009 anzusetzen. Daraus errechnen sich 2,78 Stellplätze, aufgerundet drei Stellplätze (Ziffer 3.1 der Anlage 1 zur StPIS, § 2 Abs. 6 Satz 1 StPIS). Diese Zahl ermäßigt sich gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a StPIS auf 1,5 Stellplätze, aufgerundet zwei notwendige Stellplätze (§ 3 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 StPIS).
Noch zutreffend ist das Erstgericht insoweit davon ausgegangen, dass dieser Sollbedarf des baurechtlich genehmigten Ladens 3 von dem Sollbedarf für das Wettbüro im Rahmen der Frage nach (fiktiv) vorhandenen Stellplätzen abzuziehen ist. Bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen sind Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können (Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO). Danach ergibt sich ein Mehrbedarf für die beantragte Nutzungsänderung zu einem Wettbüro von einem Stellplatz.
Dieser Mehrbedarf ist jedoch entgegen der Auffassung des Erstgerichts aufgrund des Stellplatzablösevertrags vom 19. Februar 2003 gedeckt. Damals wurden von den für eine Bankfiliale notwendigen sieben Stellplätzen insgesamt drei Stellplätze abgelöst. Dabei kommt es zu keiner doppelten Berücksichtigung von (fiktiv) vorhandenen und abgelösten Stellplätzen. Nachdem dieser Ablösevertrag nach der Rechtsprechung des Senats auch Geltung für das vorliegende Vorhaben beansprucht, ist damit der Mehrbedarf von einem Stellplatz gedeckt, unabhängig davon, welcher konkrete Stellplatzbedarf für den Laden 2 besteht. Dieser beläuft sich nach dessen Baugenehmigung vom 4. Dezember 2009 ohnehin nur auf einen Stellplatz. Damit wäre selbst ein Mehrbedarf von zwei Stellplätzen für die Nutzungsänderung des Ladens 3 zu einem Wettbüro durch den Ablösevertrag gedeckt.
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, U.v. 14.8.2008 – 2 BV 06.540 – juris) sind die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Jahr 2003 abgelösten drei Stellplätze auf die für das Vorhaben erforderlichen notwendigen Stellplätze anzurechnen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur vertretene Rechtsauffassung, dass die für einen vorhandenen Baubestand abgelösten Stellplätze wie tatsächlich vorhandene Stellplätze auf den Stellpatznachweis der an die Stelle des Altbestands tretenden Änderung oder des Neubaus anzurechnen sind (vgl. Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Erl. 4.2.2. und 7.4. zu Art. 52 BayBO 1998, Erl. 9.2 zu Art. 47 BayBO; OVG Lüneburg vom 26.1.1987 BauR 91, 439 = BRS 47, Nr. 114; OVG Münster vom 26.2.1991 BauR 91, 439). Derartige abgelöste Stellplätze sind solange als nachgewiesen anzusehen als der Ablösevertrag nicht rückgängig gemacht wird. Dies ergibt sich für den Vertrag aus dem Jahr 2003 aus Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998, wonach durch eine Ablösung die Stellplatzpflicht „erfüllt“ ist (so auch BayVGH vom 25.3.1988 Az. 2 B 86.1667 zum damaligen Art. 56 Abs. 1 BayBO).
Maßgebend ist, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin den durch das seinerzeitige Bauvorhaben hervorgerufenen Stellplatzbedarf im Sinn des Art. 53 BayBO 1998 „erfüllt“ hat. Die von einem Bauherrn übernommene Verpflichtung, zur Erfüllung der Stellplatzpflicht Ablösungsbeträge für die anderweitige Einrichtung von Stellplätzen zu zahlen, ist als Surrogat anzusehen (vgl. BVerwG vom 30.8.1985 Az. 4 C 10/81, juris RdNrn. 17 und 20 = NJW 1986, 600). Dieser Surrogatscharakter beschränkt sich auch nicht nur auf das seinerzeitige Bauvorhaben oder auf den Fall späterer Änderungen oder Nutzungsänderungen. Bei der Stellplatzablösung handelt es sich um eine Sonderabgabe, mit der die Vorteile bei dem Bauherrn abgeschöpft werden, der durch die Errichtung/Änderung baulicher Anlagen selbst einen Stellplatzbedarf auslöst, diesen aber nicht erfüllt (BayVGH vom 11.3.2004 Az. 2 BV 02.3044 BauR 2004, 1051; vom 29.1.2004 Az. 2 B 02.1445; BVerwG vom 30.8.1985 NJW 1986, 600). Wie schon das OVG Lüneburg in seiner Entscheidung vom 26. Januar 1987 (BRS 47, 114 = BauR 1987, 670) zu Recht betont, hat die Gemeinde den ihr zufließenden Ablösungsbetrag „für die Herstellung zusätzlicher Parkplätze oder Parkhäuser zu verwenden“ oder jedenfalls für damit im Zusammenhang stehende andere Maßnahmen zur Entlastung des Straßenverkehrs anzulegen. Deshalb ist jedenfalls nach der Intention des Gesetzgebers davon auszugehen, dass mit den Ablösebeträgen auch tatsächlich zusätzliche Stellplätze geschaffen werden und dies (auch) dem ablösenden Grundstück zu Gute kommt. Es ist nicht ersichtlich, warum sich durch eine spätere Änderung oder einen Abriss des Gebäudes die Frage der Zahlung von Ablösebeträgen in voller Höhe neu stellen sollte. Denn die Stellplatzfrage für das Bauvorhaben und damit auch für das Grundstück ist in dem Umfang der abgelösten Stellplätze bereits in der Vergangenheit geregelt worden. Diese – verbindliche – Regelung wird durch die Änderung oder den Abriss eines Gebäudes nicht berührt. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat für das Baugrundstück einen Ablösebetrag für drei Stellplätze gezahlt. Das Grundstück gilt daher als mit drei Stellplätzen durch Ablöse ausgestattet. Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin kann die insoweit als vorhanden anzusehende Ausstattung mit notwendigen Stellplätzen für das genehmigte Vorhaben zur Anrechnung bringen. Das bedeutet, dass die Rechtswirkungen der Ablösung auch bei einer späteren Nutzungsänderung, bei einem Eigentümerwechsel oder einem etwaigen Untergang der Anlage erhalten bleiben (vgl. OVG Lüneburg vom 26.1.1987 a.a.O.; OVG Münster vom 26.2.1991 BauR 1991, 439; OVG Saarland vom 8.9.1999 Az. 2 Q 32.99, juris RdNr. 8). In diesem Sinn wirkt die Stellplatzablösung nicht nur vorhabenbezogen, sondern grundstücksbezogen. Die Stellplatzablösung überdauert daher im vorliegenden Fall auch die vohergehenden Nutzungsänderungen in den Jahren 2005 und 2009.
Im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts wohnt der Stellplatzablösung kein Zeitelement inne in dem Sinn, dass eine sich an den Kosten für die einmalige Herstellung von Einstellplätzen orientierende Ablösezahlung etwa nach 30 oder weniger Jahren „verbraucht“ wäre. Für eine derartige Beschränkung der rechtlichen Wirkung einer Stellplatzablösung bietet das Gesetz keine Handhabe. Es ist rechtlich auch nicht geboten, die im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen verschiedenen Möglichkeiten der Erfüllung der Stellplatzpflicht – in Form der „Primärverpflichtung“ durch Realherstellung auf dem Baugrundstück oder mit dinglicher Sicherung auf einem geeigneten Grundstück in der Nähe oder die sich als Surrogat darstellende Stellplatzablösung – in ihren finanziellen Auswirkungen für den Bauherrn in jedem Fall gleich zu stellen. Der Bauherr, der seiner Stellplatzpflicht durch Ablösung genügt, entledigt sich insoweit auch der Verpflichtung, Stellplätze auf Dauer vorzuhalten. Auf die bestimmungsgemäße Verwendung des Ablösebetrags durch die Gemeinde hat er keinen Einfluss (vgl. BayVGH vom 11.3.2004 – 2 BV 02.3044 – BauR 2004, 1051).
Zu Recht weist die Landesanwaltschaft Bayern mit Schriftsatz vom 22. April 2020 darauf hin, dass dies nach der Neufassung der Bayerischen Bauordnung mit dem Änderungsgesetz 2008 erst Recht gilt, weil damit die vollständige Gleichstellung der Ablöse von Stellplätzen mit der Realherstellung von Stellplätzen hergestellt werden sollte (s. LT-Drs. 15/7161 S. 56). Wenn in der Gesetzesbegründung weiter ausgeführt wird, die gemeindliche Entscheidung, ob und zu welchen näheren Bedingungen die Gemeinde den Bauherrn die notwendigen Stellplätze ganz oder teilweise ablösen lässt, indem sie einen Ablösungsvertrag schließt, stehe – nach wie vor – im gemeindlichen Ermessen, dessen Betätigung die Gemeinde im Rahmen einer örtlichen Bauvorschrift näher ausgestalten kann, so ist dies vor dem Hintergrund der Gleichstellung mit der Realherstellung bzw. dem früheren Surrogatcharakter nicht so zu verstehen, dass es im Ermessen der Gemeinde stehen soll, eine Bindung der Ablöse an ein ganz konkretes Bauvorhaben zu vereinbaren.
Es ist vielmehr eine Grundstücksbezogenheit der Stellplatzablöse anzunehmen (vgl. BayVGH, U.v. 14.8.2008 – 2 BV 06.540 – juris). Dies zeigt auch ein Vergleich mit der Realherstellung eines Stellplatzes in der Form, dass er auch bei der Neuerrichtung bzw. bei der baulichen Änderung oder Nutzungsänderung existent bleibt. Dass für die Ablösung eines Stellplatzes anderes gelten sollte, obwohl der Gesetzgeber eine gleichwertige Alternative bzw. ein Surrogat schaffen wollte, wäre inkonsequent, zumal die Gemeinde im Vorfeld des Vertragsschlusses Gelegenheit hatte, ihre städtebaulichen Ziele zur Geltung zu bringen. Zu beachten ist ferner, dass gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 BayBO 1998 bzw. Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO bei Änderungen und Nutzungsänderungen von Anlagen nur der dadurch hervorgerufene Mehrbedarf an Stellplätzen nachzuweisen ist. Über den Nachweis des durch frühere Vorhaben hervorgerufenen Stellplatzbedarfs wird im Zug des die Änderung oder Nutzungsänderung betreffenden Baugenehmigungsverfahrens ohnehin nicht erneut entschieden.
Das Interesse der Gemeinde, bei bestimmten Nutzungen neu über die Stellplatzablöse zu entscheiden, ist nicht schutzwürdig, da dem Grundstück gegebenenfalls der abgelöste Vorteil wieder genommen und der Ablösebetrag gegebenenfalls mehrmals kassiert würde. Zudem greift der Gedanke zur „Perpetuierung“ ungünstiger Parkplatzsituationen nicht durch, da der Abschluss des Ablösevertrags im Ermessen der Gemeinde steht. Diese kann damit also steuern. Zudem muss die Ablöse gerade gemäß Art. 53 Abs. 1 Satz 3 und 4 BayBO 1998 bzw. Art. 47 Abs. 4 BayBO zweckgebunden für die Entlastung des Verkehrs verwendet werden. Darüber hinaus kann die Gemeinde die städtebauliche Entwicklung durch ihre Bauleitplanung steuern und zum Beispiel in bestimmten Kerngebieten die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten ausschließen. Insoweit ist es jedoch fraglich, ob die Gemeinde pauschal den Abschluss eines Ablösevertrags für bestimmte Nutzungsarten ausschließen kann. Sie dürfte vielmehr gehalten sein, anhand der konkreten örtlichen Situation in der maßgeblichen Umgebung des Bauvorhabens ihr Ermessen hinsichtlich des Abschlusses eines Ablösevertrags auszuüben.
Demnach ist § 3 des Stellplatz-Sofortablösevertrags vom 19. Februar 2003 gemäß Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig, weil er gegen Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998 verstößt, der die Beklagte in ihrem Verwaltungshandeln bindet. Denn der Surrogatcharakter der Stellplatzablöse beschränkt sich nicht auf das seinerzeitige Bauvorhaben. Hieran ändert nichts, dass in § 3 Satz 2 des Stellplatz-Sofortablösevertrags aus dem Jahr 2003 Modalitäten beschrieben werden, unter denen die abgelösten Stellplätze auf zukünftige Nutzungsänderungs- bzw. Umbauvorhaben auf dem Grundstück, nicht jedoch Neubauvorhaben, angerechnet werden können. Denn diese Anrechnung wird unter einen Zustimmungsvorbehalt der Beklagten gestellt. Dies widerspricht der gesetzlichen Vorgabe, dass auch durch eine Stellplatzablöse die Stellplatzpflicht „erfüllt“ ist. Die Behörde verstößt daher mit § 3 des Stellplatz-Sofortablösevertrags aus dem Jahr 2003 gegen das gesetzliche Verbot, den Surrogatcharakter der Stellplatzablösung vorhabenbezogen bzw. zeitlich zu beschränken. Damit kommt es nicht auf das Argument an, der Bauherr werde nicht unangemessen benachteiligt, da er die vertragliche Bindung in Kenntnis dessen eingehe, dass seine Ablösezahlung möglicherweise nur in Bezug auf die aktuelle Nutzung Bestand habe. Wie die Landesanwaltschaft Bayern zutreffend anführt, würde dies im Übrigen zu unbilligen Ergebnissen führen.
Aus der Unwirksamkeit des § 3 des Stellplatz-Sofortablösevertrags vom 19. Februar 2003 kann nicht auf eine Gesamtnichtigkeit des Stellplatzablösevertrags geschlossen werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Beklagte diesen Vertrag auch ohne den nichtigen Teil abgeschlossen hätte (Art. 59 Abs. 3 BayVwVfG). Denn die Beklagte hat sich an ihre damalige Praxis gehalten und sich für das damalige Vorhaben für den Abschluss eines Stellplatzablösevertrags entschlossen. Hat die Beklagte ab einem gewissen Zeitpunkt in ihren Stellplatzablöseverträgen stets eine solche Vorhabensbindung aufgenommen, dann kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie in Kenntnis der fehlenden Realisierbarkeit der angestrebten Vorhabensbindung überhaupt keine Stellplatzablöseverträge abgeschlossen hätte. Denn dann wäre zumindest im Innenstadtbereich der Landeshauptstadt das Scheitern einer Vielzahl von Bauvorhaben vorprogrammiert gewesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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