Baurecht

Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Windkraftanlagen – Vollständiger Antrag auf Genehmigung bei Anlagentypwechsel

Aktenzeichen  22 BV 17.2176

Datum:
24.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DVBl – 2019, 66
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 82 Abs. 1, Art. 83 Abs. 1
VwGO § 130a
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

1. Die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 1 BayBO zur Anwendbarkeit der sogenannten 10-H-Regelung in Art. 82 Abs. 1 BayBO ist antragsbezogen und bezieht sich wegen der Anforderungen der 9. BImSchV auf einen bestimmten, zum Stichtag beantragten Anlagentyp. (Rn. 33 – 37)
2. Ein Austausch von Antragsunterlagen, mit denen ein anderer Anlagentyp zur Genehmigung gestellt werden soll, kann die Anwendbarkeit der 10-H-Regelung auslösen. Ob die Genehmigungsbehörde dabei auch formal ein neues Genehmigungsverfahren einleitet, ist für die Prüfung des Art. 83 Abs. 1 BayBO unerheblich. (Rn. 41 – 43)

Verfahrensgang

Au 4 K 17.178, Au 4 K 17.179, Au 4 K 17.843 2017-10-11 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 11. Oktober 2017 (Au 4 K 17.178, Au 4 K 17.179 und Au 4 K 17.843) wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beigeladene zu tragen.
III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beigeladene darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 180.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2017 ist als unbegründet zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat auf die Klage der Standortgemeinde hin zu Recht die Genehmigungsbescheide für die streitgegenständlichen Windenergieanlagen aufgehoben. Wegen Eingreifens der sogenannten 10-H-Regelung des Art. 82 Abs. 1 BayBO (dazu 1.) sind die Anlagen nicht mehr privilegiert und unterfallen damit § 35 Abs. 2 BauGB (dazu 3.). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass ihnen damit öffentliche Belange entgegenstehen. Auf die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 1 BayBO kann sich die Beigeladene nicht berufen (dazu 2.).
Gemäß § 130a VwGO konnte der Verwaltungsgerichtshof nach zweimaliger Anhörung der Parteien über die Berufung der Beigeladenen durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält. Der Senat schließt sich dabei der Auffassung der Beigeladenen im Schriftsatz vom 27. Oktober 2017 an, wonach es bei der Entscheidung allein um die Reichweite von Art. 83 Abs. 1 BayBO gehe, also um eine klar abgegrenzte Rechtsfrage, zu deren Klärung die Beigeladene im Schriftsatz vom 4. Januar 2018 auch zunächst konsequent auf mündliche Verhandlung verzichtet hat. Die vorgebrachten Gründe für den Widerruf dieser Verzichtserklärung und die Ablehnung einer Entscheidung nach § 130a VwGO, die die Beigeladene nach Kenntnis von der Entscheidungstendenz des Senats vorgebracht hat, sind nicht von einem Gewicht, das eine Entscheidung im Beschlusswege ausschließen würde (dazu 4).
1. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigung der streitgegenständlichen Windkraftanlagen war Art. 82 Abs. 1 BayBO, der am 21. November 2014 in Kraft getreten ist, anwendbar. Diese Vorschrift bestimmt, dass § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf Vorhaben, die der Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn diese Vorhaben einen Mindestabstand vom 10-fachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen, innerhalb im Zusammenhang bebauten Ortsteile und im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB einhalten. Unstreitig unterschreiten alle drei streitgegenständlichen Windkraftanlagen diesen Mindestabstand zur nächstgelegenen maßgeblichen Wohnbebauung, der hier 2 km beträgt.
2. Die Übergangsregelung des Art. 83 Abs. 1 BayBO ist im vorliegenden Einzelfall nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift findet Art. 82 Abs. 1 BayBO nur dann keine Anwendung, soweit vor Ablauf des 4. Februar 2014 bei der zuständigen Behörde ein vollständiger Antrag auf Genehmigung von Anlagen zur Nutzung der Windenergie eingegangen ist. Ob der Genehmigungsantrag zum Stichtag vor allem unter artenschutzrechtlichen Gesichtspunkten vollständig war, was dem Verwaltungsgericht ausweislich der Rn. 55 seiner Entscheidung als zumindest nicht eindeutig erschien, kann vorliegend offenbleiben, weil jedenfalls der hier Ende 2016 vorgenommene Anlagentypwechsel die 10-H-Regelung zur Anwendung bringt:
a) Der Gesetzeshistorie ist zu entnehmen, dass Art. 82 Abs. 1 nach der Behandlung im Bayerischen Landtag und seiner Bekanntmachung (am 17. November 2014, GVBl 2014, 478) bis zum Datum seines In-Kraft-Tretens nur einen sehr geringen zeitlichen Vorlauf hatte. Der Gesetzgeber hat daher schon im Gesetzentwurf vom 27. Mai 2014 (LT Drs 17/2137) „aus Vertrauensschutzgründen für Investoren“ die Übergangsregelung des Art. 83 Abs. 1 BayBO eingefügt. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll den bisher im Vertrauen auf die gültige Rechtslage getätigten Investitionen ein besonderer Schutz gewährt werden, „sofern vor Ablauf des 4. Februar 2014 ein vollständiger Antrag (vgl. dazu § 9 BImSchV) auf bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung gestellt worden ist“. Die Verweisung in der Klammer ist ein Redaktionsversehen, gemeint ist offensichtlich die 9. BImSchV, die das Genehmigungsverfahren regelt und Vorschriften über die Antragstellung enthält (so auch Grünewald in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 7. Ed., Stand 15.4.2018, Art. 83 BayBO Rn. 13). Dabei ging der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung zu Nr. 4b) des Gesetzentwurfs (LT Drs 17/2137 Seite 9) davon aus, dass die betreffenden Genehmigungen „relativ rasch“ erteilt werden, was angesichts des gesetzlichen Idealbildes des § 20 Abs. 1 der 9. BImSchV idealtypisch angenommen werden kann. Es bestand damit offensichtlich ein Interesse an einer beschleunigten und möglichst einheitlichen Durchsetzung der Abstandsregelung des Art. 82 Abs. 1 BayBO (vgl. BayVerfGH, U.v. 9.5.2016 – Vf.14-VII-14 u. a. – NVwZ 2016, 999/1006 Rn. 155). Der Gesetzgeber wollte also ersichtlich zum einen Art. 82 Abs. 1 BayBO sehr rasch zur Anwendung bringen und andererseits nur Investoren schützen, die mit einem vollständigen Antrag zu einem bestimmten Stichtag schon alles zur Genehmigung durch die Behörde Notwendige veranlasst hatten, und die Verantwortlichkeit für die Genehmigung damit gleichsam nur noch in der Sphäre der zuständigen Behörde lag.
b) „Vollständig“ im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO heißt dabei aber nicht unveränderlich und gleich schon genehmigungsfähig. Angesichts des praktischen Befundes, dass es im Laufe eines Genehmigungsverfahrens etwa aufgrund fachlichen Nachhakens der Behörden immer wieder zu Nachträgen und Ergänzungen einzelner Unterlagen oder Gutachten kommen kann, hat der BayVGH schon mehrfach entschieden, dass ein vollständiger Antrag schon dann aber auch nur dann vorliegt, wenn er für die zuständige Behörde prüffähig ist (BayVGH, B.v. 16.9.2016 – 22 ZB 16.304 – juris Rn. 10; B.v. 29.11.2016 – 22 CS 16.2101 – juris Rn. 23). Prüffähig sind Unterlagen mit Blick auf die auch vom Landesgesetzgeber gesehene 9. BImSchV nur dann, wenn sie Aussagen zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen einer nach Art und Typ genau bezeichneten Anlage enthalten (vgl. § 3 Satz 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1, § 4a Abs. 1 Nr. 1 der 9. BImSchV). Ein Genehmigungsantrag für eine Windkraftanlage ohne genaue Typbezeichnung wäre wegen der Unklarheit über ihre konkreten Auswirkungen auf die Umwelt nicht prüffähig. Die Prüffähigkeit zum Stichtag ist damit nicht nur verfahrensbezogen, sondern auch konkret anlagenbezogen. Prüffähigkeit zum Stichtag wäre etwa ganz klar zu verneinen, wenn ein Antragsteller zur Genehmigung eines bestimmten Anlagentyps ein Schall- und Schattenwurfgutachten beilegt, das versehentlich mit den abweichenden Eingangsdaten eines anderen Anlagentyps erstellt worden ist.
aa) Wegen dieses Anlagenbezuges trägt die Rechtsauffassung der Beigeladenen nicht, die Art. 83 Abs. 1 BayBO rein „verfahrensbezogen“ ansehen will. Damit will sie jeden Antrag als prüffähig und damit vollständig ansehen – auch wenn er sich ursprünglich auf einen ganz anderen Anlagentyp bezogen hat –, solange nur die Genehmigungsbehörde bei einem Austausch des Anlagentyps das ursprüngliche Verfahren nicht formell beendet und ein neues Genehmigungsverfahren einleitet. Es erschließt sich nicht, welchen Sinn dann die Anforderung der Prüffähigkeit zum Stichtag überhaupt noch haben soll. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang indes zu Recht betont, dass der Gesetzgeber in Art. 83 Abs. 1 BayBO nicht nur von einem mit Bezug auf irgendeine Anlage eingeleiteten „Verfahren“, sondern von einem vollständigen „Antrag“ (mit Bezug zur 9. BImSchV und damit mit Bezug auf einen speziellen Anlagentyp) spricht. Es entspricht ersichtlich nicht der Intention des Gesetzgebers, schon bei Vorliegen eines vollständigen Antrages für irgendeine Anlage zum Stichtag die Überleitungsvorschrift für jedwede Typänderung offenzuhalten, was gleichsam auf eine bloße Standortsicherung hinauslaufen würde.
Das Abstellen auf die Tatsache, dass die Genehmigungsbehörde die Anlagentypänderung gleichsam unter dem Dach des früher eingeleiteten Verfahrens abgewickelt hat, greift zu kurz, weil für die Notwendigkeit eines Verfahrensabbruchs und darauf folgender Neueinleitung eines Verfahrens normative Maßstäbe fehlen. Es obliegt allein dem Ermessen der verfahrensführenden Behörde, ob sie ein Verfahren bezüglich eines geänderten Anlagentyps unter dem gleichen Aktenzeichen fortführt. Bezüglich der Prüffähigkeit von Unterlagen zum Stichtag sagt das aber nichts aus. Auch kommt es nach dem Wortlaut der Übergangsvorschrift nicht darauf an, ob und wie viele Verfahrensschritte durch die Änderung nunmehr erforderlich geworden sind. Bezogen auf die hier letztendlich genehmigten Anlagen, hinsichtlich derer das bauplanungsrechtliche Einvernehmen der Klägerin ersetzt worden ist, waren die zum Stichtag des 4. Februar 2014 vorliegenden Unterlagen jedenfalls nicht prüffähig, weil sich das damalige Schall- und Schattenwurfgutachten auf einen signifikant anderen Anlagentyp (geringerer Rotordurchmesser und dadurch erheblich geringere Schattenwurfauswirkung) bezog. Vor diesem Hintergrund ist es auch falsch, wenn die Beigeladene davon spricht, dass mit der Genehmigung der Anlagen über den ursprünglich gestellten Antrag entschieden worden sei. Der Antragsgegenstand wurde ausgewechselt.
Aus diesem Grund ist es auch unbehelflich, dass die Beigeladene den Ansatz des Verwaltungsgerichts angreift, wonach eine „völlig neue“ immissionsschutzrechtliche Prüfung stattgefunden habe. Es kommt nicht darauf an, ob man von einem geänderten oder von einem neuen Gutachten sprechen will. Es kommt nur darauf an, ob der Unterlagenbestand für den zur Genehmigung anstehenden Anlagentyp zum Stichtag prüffähig war oder eben nicht. Eine Entkoppelung der Vollständigkeitsprüfung zum Stichtag vom später tatsächlich genehmigten Genehmigungsergebnis macht keinen Sinn und kann vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein.
bb) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen widerspricht das Ergebnis des Verwaltungsgerichts auch nicht dem Sinn und Zweck der Regelung des Art. 83 BayBO, wonach „den bisher im Vertrauen auf die gültige Rechtslage getätigten Investitionen ein besonderer Schutz gewährt werden“ (vgl. LT Drs 17/2137, Seite 8 zu Nr. 3) soll. Denn das Gesetz gewährt diesen Schutz mit seiner bemerkenswert strengen Übergangsregelung nicht jedem Investor um jeden Preis. Fehlt etwa einem eingereichten Antrag eine Unterlage, und ist der Antrag dadurch nicht in jeder erforderlichen Hinsicht prüffähig, greift Art. 82 Abs. 1 BayBO unabhängig davon ein, wie hoch die bisher in einen Standort investierten Geldsummen sind und wie hoch etwa der Nachbesserungsaufwand in Bezug auf die bereits getätigten Investitionen wäre. Gleiches gälte, wenn etwa eine entscheidende Unterlage bei der Einreichung des Antrags versehentlich vergessen worden wäre. Eine weite Auslegung der Übergangsregelung ist nicht geboten (BayVGH, B.v. 31.7.2017 – 22 ZB 17.1033 – juris Rn. 12).
Es ist deshalb unbehelflich, dass die Beigeladene darauf verweist, ein Großteil ihrer Investitionen habe sich auf den Standort bezogen und nicht auf den konkreten ursprünglich beantragten Anlagentyp. Es ist unerheblich, für welchen Teil der bisherigen Antragsunterlagen welche Investitionen erforderlich waren und ob die Umplanung in erheblicher Weise neue Geldmittel oder neuen Aufwand erforderte. Art. 83 Abs. 1 BayBO ist keine allgemeine Standortsicherungsvorschrift, sondern berücksichtigt nur das, was zum Stichtag schon in prüffähiger Form bei der Behörde vorlag. Dass Art. 82 BayBO letztlich nur bei Änderungen des Standortes einer Anlage selbst anwendbar wäre und darüber hinaus der Austausch jeglicher Unterlagen unschädlich sein müsse, ist weder dem Wortlaut der Norm noch ihrem Regelungszweck zu entnehmen.
cc) Ein Wertungswiderspruch zu den Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes zu Änderungen nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens besteht nicht. Ob eine derartige Änderung der Anlage nach Genehmigungserteilung im Verfahren nach § 16 BImSchG überhaupt ohne Anwendung der 10-H-Regelung zulässig wäre, kann nicht ohne weiteres unterstellt werden. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass etwa § 16 BImSchG nur anwendbar ist, wenn eine genehmigungsbedürftige Anlage bereits immissionsschutzrechtlich genehmigt worden ist. Darauf hat die Beigeladene auch selbst hingewiesen. Ansonsten scheidet eine Änderungsgenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bereits begrifflich aus. Die Frage, ob für eine bereits genehmigte Windkraftanlage wegen beabsichtigter Typänderung eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG erforderlich ist, ist aber schon nach dem gesetzlichen Prüfprogramm eine andere Frage als die Problematik des Vorliegens eines vollständigen Genehmigungsantrags nach Art. 83 Abs. 1 BayBO. Deshalb taugt die Entscheidung des Senats vom 11. August 2016 – 22 CS 16.1052 u.a. – (juris) nicht als Argumentationsgrundlage für die vorliegend zu entscheidende Problematik aus Art. 83 Abs. 1 BayBO.
Gleiches gilt für den Anwendungshinweis des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 6. Februar 2017 (Az. IIB5-4112.79-015/16). Abgesehen davon, dass es sich dabei um eine geäußerte Rechtsauffassung einer Behörde des Beklagten handelt, die für den Senat ohnehin keine Bindungswirkung hat und zu der er sich nicht gleichsam gutachtlich äußern möchte, hat das Verwaltungsgericht zu Recht betont, dass das Schreiben sich zu Anlagen äußern will, die – anders als im vorliegenden Fall – bereits genehmigt sind und bei deren unwesentlicher Änderung eine Anzeige nach § 15 BImSchG vorgenommen wird. Zur Problematik des Art. 83 Abs. 1 BayBO und zur Reichweite des dort normierten und verfassungsrechtlich nicht unbedingt gebotenen Vertrauensschutzes in einem noch laufenden Genehmigungsverfahren sagt das Schreiben nichts aus. Ob die Verfasser des Schreibens alle denkbaren Einzelfälle, wie etwa auch eine erhebliche Vergrößerung der vom Rotor überstrichenen Fläche im Blick gehabt haben, bleibt ohnehin offen. Die Behauptung der Beigeladenen, dass wenn Art. 82 BayBO bei Baugenehmigungen nach immissionsschutzrechtlicher Änderungsanzeige unbeachtlich sei, dies gleichermaßen bei Änderungsgenehmigungen gelten müsse, ist in dieser Allgemeinheit nicht haltbar, weil bei Änderungsgenehmigungen die bauplanungsrechtliche Relevanz der vorgenommenen Änderungen erst einmal beleuchtet werden müsste.
Zu dem Argument der Beigeladenen, ein Antragsteller könne die Errichtung eines von ihm gewünschten anderen Anlagentyps auf die Weise erreichen, dass er zunächst das Verwaltungsverfahren durch Genehmigung des ursprünglich beantragten Anlagentyps unter Inanspruchnahme des Vertrauensschutzes des Art. 83 Abs. 1 BayBO abschließt, um dann anschließend die Errichtung eines anderen Anlagentyps lediglich gemäß § 15 BImSchG anzuzeigen, hat das Verwaltungsgericht unter Rn. 67 seiner Entscheidung zutreffend angemerkt, dass zum einen bei fehlender Realisierbarkeit eines bestimmten Anlagentyps schon das Sachbescheidungsinteresse für eine Genehmigung desselben zu verneinen ist. Dass ein Wechsel des Anlagentyps stets keine genehmigungsbedürftige wesentliche Änderung im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG darstellt, kann der Entscheidung des Senats vom 11.8.2016 (a.a.O.) nicht entnommen werden, weil dies voraussetzte, dass keine von der Typenänderung bei den geplanten Anlagen ausgehenden nachteiligen Auswirkungen im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zu erwarten wären. Im vorliegenden Fall wäre jedoch aufgrund der deutlichen Zunahme des astronomisch möglichen Schattenwurfes wohl von der Notwendigkeit einer Änderungsgenehmigung auszugehen. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die durch die Änderung hervorgerufenen nachteiligen Auswirkungen im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG offensichtlich gering sind.
3. Da somit Art. 82 Abs. 1 BayBO im Zeitpunkt der behördlichen Genehmigungsentscheidung Anwendung findet und die dort genannten Mindestabstände unstreitig nicht eingehalten sind, entfällt die Privilegierung für die Windkraftanlagen. Diese sind daher nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen und sind damit nicht genehmigungsfähig, weil sie den Darstellungen des Flächennutzungsplans widersprechen und die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen. Der Senat verweist insoweit gemäß § 130b Satz 2 VwGO (der auch auf Entscheidungen nach § 130a VwGO entsprechend anwendbar ist, vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130b Rn. 1) auf die Ausführungen in Rn. 71 des angegriffenen Urteils, denen er sich anschließt.
4. Das Bestehen der Beigeladenen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hindert den Senat nicht an einem Vorgehen nach § 130a VwGO. Soweit sie im Schriftsatz vom 2. Mai 2018 zunächst darauf hinweist, dass nur die Mitarbeiter des Landratsamts sagen könnten, ob eine „vollständig neue immissionsschutzrechtliche Prüfung“ stattgefunden habe, weswegen eine mündliche Verhandlung unter Ladung der Vertreter des Landratsamtes nötig sei und zudem das Verwaltungsgericht nicht den Arbeitsanteil ermittelt habe, der im Landratsamt für die Erstprüfung und dann für die Änderungsprüfung angefallen sei, zeigt das mit Blick auf die obigen Rechtsausführungen nicht die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung auf. Welche Unterlagen die Beigeladene eingereicht hat und wie das Landratsamt darauf reagiert hat, ergibt sich schon aus den einschlägigen Behördenakten. Die Beigeladene relativiert diesen Gesichtspunkt im genannten Schriftsatz auch selbst, wenn sie zutreffend ausführt, dass die Schädlichkeit eines Austausches von Unterlagen jedenfalls nicht an angefallenen Arbeitsstunden in der Genehmigungsbehörde zur Prüfung der Änderungen festzumachen sei. Für die Frage, ob ein Genehmigungsantrag im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO vollständig ist oder nicht, kommt es auf die Summe oder eine Relation der Arbeitszeit für eine Änderungsprüfung ersichtlich nicht an. Denn Art. 83 Abs. 1 BayBO dient nicht den Schutz der Behörden vor weiterer Arbeit, sondern ist das Ergebnis einer Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Investoren mit dem Interesse, die Regelungen des Art. 82 Abs. 1 BayBO schnell und gleichmäßig zur Anwendung zu bringen.
Dass die Beigeladene eine erhebliche Investition getätigt hat und eine ablehnende Entscheidung – wie bei anderen Anlagengenehmigungen auch – existenzvernichtende Wirkung haben kann, ist dem für verschiedene technische Großvorhaben zuständigen Senat nicht entgangen. Diese Umstände belegen jedoch nicht die Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne von § 130a VwGO.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO (zur Anwendbarkeit bei § 130a VwGO Heckmann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4 Aufl. 2014, § 167 Rn. 20) i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 19.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO nicht ersichtlich sind.
Gemäß § 130a Satz 2 VwGO i.V.m. § 125 Abs. 2 Sätze 4 und 5 VwGO ist gegen diesen Beschluss das Rechtsmittel eröffnet, das die Beteiligten hätten, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Es ergeht daher folgende


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