Baurecht

Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter privater Grundstücke für Kanalleitungen

Aktenzeichen  9 N 19.2169

Datum:
25.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2029
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 14 Abs. 1
BauGB § 1 Abs. 7
WHG § 92 S. 2, § 93 S. 2
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Bei der Frage, ob die Inanspruchnahme privater Grundstücke für im Bebauungsplan festgesetzte Regen- und Schmutzwasserleitungen verhältnismäßig ist, ist entsprechend der Wertung der § 93 Satz 2, § 92 Satz 2 WHG darauf abzustellen, ob das Vorhaben – hier die Festsetzung der Leitungsführung im Bebauungsplan über die Grundstücke des Antragstellers – nicht anders, nämlich unter Inanspruchnahme öffentlichen Grundes, ebenso zweckmäßig oder nur mit erheblichem Mehraufwand durchgeführt werden kann und der vom Vorhaben zu erwartende Nutzen erheblich größer als der Nachteil des Betroffenen ist. (Rn. 26)
1. Gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verstoßen, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nimmt die planende Gemeinde privates Grundeigentum in Anspruch, ist dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs als Element des Verhältnismäßigkeitsprinzips Geltung zu verschaffen, sodass stets geprüft werden muss, ob es ein milderes Mittel gibt, das zur Zweckerreichung gleich geeignet ist, den Eigentümer aber weniger belastet, wobei es als milderes Mittel anzusehen ist, wenn das Planvorhaben gleich gut auch auf Grundstücken der öffentlichen Hand, die angesichts des personalen Schutzzwecks der Eigentumsgarantie nicht Inhaber des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist, verwirklicht werden kann. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag, über den nach Übergang ins schriftliche Verfahren – trotz Wechsels in der Besetzung der Richterbank (vgl. BayVGH, U.v. 20.12.2019 – 9 B 12.940 – juris Rn. 17) – ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden kann, weil die Beteiligten hierauf in der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2021 gem. § 101 Abs. 2 VwGO verzichtet haben, ist unbegründet.
I. Der Normenkontrollantrag zulässig.
Als Eigentümer mehrerer im Plangebiet des angefochtenen Bebauungsplans W12 „Stadtnah im Grünen“ der Antragsgegnerin gelegenen Grundstücke, die von den Festsetzungen zum Verlauf von Regen- und Schmutzwasserkanalleitungen unmittelbar betroffen sind, ist der Antragsteller antragsbefugt i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2021 – 4 C 6.19 – juris Rn. 11). Die vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten W … in seiner Stellungnahme vom 30. Juni 2019 angeführte Hofübergabe des Antragstellers ist bislang grundbuchrechtlich nicht vollzogen und wäre im Folgenden nach Antragserhebung gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1, §§ 266, 325 ZPO ohne Einfluss auf den Prozess (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 90 Rn. 10 f.). Der Normenkontrollantrag wurde mit am 31. Oktober 2019 eingegangenem Schriftsatz innerhalb der Jahresfrist ab Bekanntmachung des Bebauungsplans am 3. November 2018 fristgerecht erhoben (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Bei bestehender Antragsbefugnis ist regelmäßig auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.2020 – 4 CN 3.19 – juris Rn. 17).
II. Der Normenkontrollantrag ist unbegründet.
Der angefochtene Bebauungsplan leidet nicht an einem zur Unwirksamkeit führenden Ermittlungs- und Bewertungsdefizit (§ 2 Abs. 3 i.V.m. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) bzw. an einem zur Unwirksamkeit führenden Abwägungsfehler (§ 1 Abs. 7 und § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB) hinsichtlich der zu den beiden Grundstücken FlNr. … Gemarkung W … und FlNr. … Gemarkung W … des Antragstellers getroffenen Festsetzungen für unterirdische Kanalleitungen.
Das Abwägungsgebot verpflichtet die Gemeinde, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Insgesamt unterliegt die Abwägung allerdings nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verstoßen, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet. Das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist die „elementare planerische Entschließung“ der Gemeinde über die städtebauliche Entwicklung und Ordnung und kein aufsichtlich oder gerichtlich nachvollziehbarer Vorgang (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2021 – 15 N 20.1649 – juris Rn. 39; BVerwG, U.v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 – juris Rn. 12 m.w.N.). Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
1. Soweit der Antragsteller die Erweiterungsabsichten seines landwirtschaftlichen Betriebs nicht ausreichend berücksichtigt sieht, führt dies nicht zum Erfolg.
Die Antragsgegnerin hat die mit Bauantrag des Antragstellers vom 31. Januar 2017 geplante Erweiterung seiner Tierhaltung von 175 auf 330 GV Rinder gesehen und in die Planung einbezogen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Abwägungsbeschluss vom 25. Oktober 2018 als auch aus der Planurkunde, die die geplanten Anlagen, insbesondere das Fahrsilo, den (neuen) Stall sowie die Güllegrübe, darstellt. Insoweit ist die Antragsgegnerin damit einer Berücksichtigung der Erweiterungsabsichten des Antragstellers ausreichend nachgekommen (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.2005 – 26 N 03.2404 – juris Rn. 38 f.). Für eine darüber hinausgehend zu berücksichtigende Entwicklung seines Betriebes ist im Hinblick auf die Grundstückssituation weder ersichtlich, dass ihm eine solche durch die angefochtene Planung unmöglich gemacht würde, noch vorgetragen, dass der Antragsteller über den Antrag vom 31. Januar 2017 hinaus überhaupt konkrete Erweiterungsabsichten hätte. Unkonkrete Planungen oder bloße Absichten brauchen jedoch im Rahmen der Abwägungsentscheidung nicht berücksichtigt zu werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.9.2000 – 4 B 56.00 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 26.11.2020 – 9 N 17.2367 – juris Rn. 31).
2. Aus dem Vortrag des Antragstellers, die Planung beeinträchtige Drainagen auf seinem Grundstück FlNr. … Gemarkung W …, ergibt sich kein Abwägungsfehler der Antragsgegnerin.
Im Aufstellungsverfahren haben sowohl der Antragsteller mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2018 (eingegangen bei der Antragsgegnerin am 11.9.2018) als auch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten W … mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2018 (eingegangen bei der Antragsgegnerin am 5.10.2018) auf die Notwendigkeit des Erhalts und der Funktionsfähigkeit der im Ackergrundstück FlNr. … Gemarkung W … liegenden Drainagen für deren Nutzbarkeit hingewiesen. Die Antragsgegnerin hat hierzu im Abwägungsbeschluss vom 25. Oktober 2018, mit der sich der Stadtrat zugleich sämtliche bisherigen Abwägungsentscheidungen zu Eigen gemacht hat, ausgeführt, dass auf die gewachsenen Bodenschichten durch entsprechend fachgerechten Bodenaushub und -wiedereinbau größtmögliche Rücksicht genommen werden und die Drainage durch entsprechende Maßnahmen beim Bau erhalten bleiben soll. Hierzu solle ein unabhängiger Gutachter den Zustand vor und nach Einbau der Leitungen dokumentieren sowie den Bau begleiten, um eine etwaige Verschlechterung des Bodenzustands zu vermeiden und zu dokumentieren. Anhaltspunkte dafür, dass diese Maßnahmen nicht ausreichten, um dem Anliegen des Antragstellers Rechnung zu tragen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Darüber hinaus hat der Antragsteller keinen Anspruch auf die für ihn optimale Lösung. Er kann nur verlangen, dass seine Belange bei der Abwägung mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen angemessen berücksichtigt werden und eine vertretbare Entscheidung getroffen wird (vgl. BayVGH, U.v. 4.8.2010 – 1 N 07.3044 – juris Rn. 21). Dem ist die Antragsgegnerin mit den obigen Ausführungen im Rahmen der Abwägungsentscheidung nachgekommen.
3. Die von der Antragsgegnerin festgesetzte Trassenführung der Regen- und Schmutzwasserkanalleitungen ist abwägungsfehlerfrei.
Eine generelle Alternativenprüfung bei der Bauleitplanung ist im Rahmen der Abwägung zwar nicht geboten (vgl. BVerwG, B.v. 10.4.2014 – 4 BN 49.13 – juris Rn. 12), gleichwohl muss die planende Gemeinde in Betracht kommende Alternativen zum Planentwurf oder zu Einzelfestsetzungen – hier den Regen- und Schmutzwasserkanalleitungstrassen – zumindest in Betracht ziehen (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.1987 – 4 N 1.86 – juris Rn. 20). Im Einzelfall kann eine Planungsentscheidung als Folge des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes defizitär sein und sich auf das Abwägungsergebnis auswirken, wenn sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen nicht erwogen worden sind (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.2015 – 4 BN 24.15 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 28.4.2017 – 9 N 14.404 – juris Rn. 35). Diesen Anforderungen ist die Antragsgegnerin hier – wie sich aus den vorgelegten Plänen und der Abwägungsvorlage zum Beschluss vom 25. Oktober 2018 ergibt – durch die Prüfung mehrerer unterschiedlicher Trassenführungen für die Regen- und Schmutzwasserkanalleitungen im Rahmen des Aufstellungsverfahrens nachgekommen. Sie hat sich dabei im Rahmen der Abwägung für eine Leitungsführung (u.a.) über die privaten Grundstücke des Antragstellers entschieden, wohingegen der Antragsteller der Ansicht ist, die Regen- und Schmutzwasserkanalleitungen seien zwingend auf öffentlichem Grund festzusetzen und eine Inanspruchnahme seines privaten Grundeigentums sei nicht gerechtfertigt.
Nimmt die planende Gemeinde privates Grundeigentum in Anspruch, ist dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs als Element des Verhältnismäßigkeitsprinzips Geltung zu verschaffen. Es muss daher stets geprüft werden, ob es ein milderes Mittel gibt, das zur Zweckerreichung gleich geeignet ist, den Eigentümer aber weniger belastet. Als milderes Mittel ist es anzusehen, wenn das Planvorhaben gleich gut auch auf Grundstücken der öffentlichen Hand, die angesichts des personalen Schutzzwecks der Eigentumsgarantie nicht Inhaber des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist, verwirklicht werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2002 – 4 CN 6.01 – juris Rn. 13 m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 10.6.2021 – OVG 2 A 15.19 – juris Rn. 59). Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind hier die Kosten der in Betracht kommenden alternativen Leitungstrassen unter Inanspruchnahme öffentlicher Grundstücke und unter Umgehung einer Inanspruchnahme der privaten Grundstücke des Antragstellers den festgesetzten Leitungstrassen über die Grundstücke des Antragstellers gegenüberzustellen. Soweit der Antragsteller hierbei darauf abstellt, die Erheblichkeitsgrenze für eine Inanspruchnahme privater Grundstücke habe sich in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Befreiung vom Benutzungszwang der örtlichen Wasserversorgung (vgl. BayVGH, U.v. 3.4.2014 – 4 B 13.2455 – juris) an den finanziellen Auswirkungen auf die Gebühren- und Beitragshöhe der im Plangebiet von Erschließungsbeiträgen Betroffenen zu orientieren, geht dies allerdings fehl. Denn abgesehen davon, dass sich aus den im Rahmen der Bauleitplanung abzuwägenden Alternativen keine unmittelbare Verbrauchskostensteigerung für Beitragszahler ergibt, sondern Planrealisierungs- und Herstellungskosten betroffen sind, haben etwaige Erschließungskosten sowie deren Umlegung im Rahmen der Bauleitplanung nur mittelbare Auswirkungen (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2021 – 15 N 20.1649 – juris Rn. 78 f. m.w.N.) und sind allenfalls im Rahmen der Finanzierbarkeit in groben Zügen abwägend zu bedenken (vgl. BVerwG, B.v. 30.8.2016 – 4 BN 10.16 – juris Rn. 13). Zudem beruht der Anspruch auf Befreiung von der Wasserversorgung auf der jeweiligen Wasserabgabesatzung und hängt von der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für die öffentliche Wasserversorgung ab (vgl. BayVGH, U.v. 3.4.2014 – 4 B 13.2455 – juris Rn. 21), während es hier um die Frage geht, ob die Inanspruchnahme privater Grundstücke bei einer alternativ möglichen Trassenführung über öffentliche Grundstücke verhältnismäßig ist. Im Rahmen dieser Abwägung kommt es somit – entsprechend der Wertung der § 93 Satz 2, § 92 Satz 2 WHG – darauf an, dass das Vorhaben – hier die Festsetzung der Leitungsführung im Bebauungsplan über die Grundstücke des Antragstellers – nicht anders, nämlich unter Inanspruchnahme öffentlichen Grundes, ebenso zweckmäßig oder nur mit erheblichem Mehraufwand durchgeführt werden kann und der vom Vorhaben zu erwartende Nutzen erheblich größer als der Nachteil des Betroffenen ist. Diesen Anforderungen wird die Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin hier gerecht.
a) Die Antragsgegnerin hat im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung darauf abgestellt, dass die Alternativtrassen gegenüber der festgesetzten Leitungsführung mit jeweils erheblichem finanziellen Mehraufwand verbunden sind. Dies ist ausweislich der vorliegenden Planunterlagen und Kostengegenüberstellungen nicht zu beanstanden. Die Alternativtrassen sind nicht in gleicher Weise geeignet und stellen kein milderes Mittel gegenüber einer Inanspruchnahme der privaten Grundstücke des Antragstellers dar.
Ein erheblicher Mehraufwand liegt vor, wenn die durch die Alternativtrassen verursachten Kosten bei der Gegenüberstellung des tatsächlich und wirtschaftlich entstehenden Aufwands im konkreten Fall nicht nur geringfügig, sondern spürbar höher ausfallen, als bei der geplanten Projektrealisierung der festgesetzten Leitungsführung über die Grundstücke des Antragstellers (vgl. Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, Stand Juli 2021, § 93 Rn. 65; Petersen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2021, § 92 WHG Rn. 28). Die Antragsgegnerin hat sich in der Begründung des Bebauungsplans (vgl. dort A.2.5, B.1.3) sowie im Rahmen der Abwägungsentscheidung vom 25. Oktober 2018 zu den Einwendungen des Antragstellers vom 10. Oktober 2018 (eingegangen am 11.9.2018) und des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 2. Oktober 2018 mit den alternativen Leitungsführungen für die Regen- und Schmutzwasserkanalleitungen befasst und ist bei einem Vergleich der Kosten-Mittelwerte auf Basis der Stellungnahmen des Tiefbauamts vom 11. Oktober 2018 und vom 21. Juni 2018, die u.a. auf Kanallängen, Einspareffekte und wirtschaftliche Vorteile abstellen, von Einsparungen im Bereich zwischen 614.000 Euro bis 749.000 Euro ausgegangen (vgl. Abwägungsvorlage zum Beschluss vom 25.10.2018). Auch aus den – im gerichtlichen Verfahren vorgelegten – Plänen und Kostengegenüberstellungen mit Preisniveau 2018 des Ingenieurbüros … zu den Planungsvarianten zeigt sich, dass die festgesetzte Leitungstrasse mit 1.859 m und Kosten im Mittelwert von 1.777.158,74 Euro gegenüber der Variante 2 mit 2.538 m / 2.433.323,88 Euro um 656.165,14 Euro (36,92 v.H) günstiger und gegenüber der Variante 3 (H.weg) mit 3.143 m / 3.232.985,91 Euro um 1.455.800,17 Euro (82,88 v.H.) günstiger ist. Diese Beträge sind nicht mehr nur geringfügig, sondern sowohl in der Summe als auch prozentual beträchtlich und belegen damit einen erheblichen finanziellen Mehraufwand der Alternativtrassen. Hinsichtlich der Variante 2 ist dabei zusätzlich zu berücksichtigen, dass diese nur in geringem Umfang westlich und nördlich des Grundstücks FlNr. … Gemarkung W … des Antragstellers auf öffentlichem Grund verläuft und im Übrigen – wie auch die festgesetzte Leitungstrasse – die Inanspruchnahme weiterer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke erfordert. Damit ist der o.g. Abwägungsmaßstab einer vorrangigen Inanspruchnahme öffentlichen Grundes nicht in gleichem Maß gegeben, wie bei der Variante 3 (H.weg), die demgegenüber vollständig auf öffentlichem Grund verläuft. Die festgesetzte Leitungstrasse ist darüber hinaus kürzer sowie im Verlauf geradliniger als Variante 2 und erfordert neben den Antragstellergrundstücken die Inanspruchnahme deutlich weniger weiterer, ebenfalls landwirtschaftlich genutzter Grundstücke.
Zu Recht hat die Antragsgegnerin auch die jeweilige Gesamtlänge der Leitungstrassen berücksichtigt. Denn maßgeblich sind die jeweiligen Gesamtkosten (vgl. Petersen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2021, § 92 WHG Rn. 29), die auch aus der Notwendigkeit verschiedener Leitungsführungen und Anschlüsse innerhalb des festgesetzten Baugebiets in Abhängigkeit von der gewählten Trassenführung zum Anschluss an das Kanalnetz und der Topografie resultieren können. Inhaltliche oder rechnerische Mängel sowie Mängel der fachlichen Plausibilität der Kostengegenüberstellungen hat der Antragsteller nicht aufgezeigt. Die lediglich pauschale Behauptung mangelnder Nachvollziehbarkeit ist angesichts der vorliegenden Unterlagen und Pläne sowie der umfangreichen Erläuterungen der Antragsgegnerin, insbesondere zum Rohrverlegeumfang, der Verlegetiefe, der Topografie, des notwendigen Gefälles für den Kanalverlauf, der Kanalrohrquerschnitte, der Streckenlängen und notwendiger Kurvenführungen nicht durchgreifend. Dass die vom Antragsteller bevorzugte „pinke“ Trassenführung (vgl. den vom Antragsteller vorgelegten Plan, Bl. 110 der Gerichtsakte) nach den o.g. Kriterien zu keinem erheblichen finanziellen Mehraufwand führt, ist im Hinblick auf die zwar geringere, aber gleichwohl nötige Inanspruchnahme des Grundstücks FlNr. … Gemarkung W … des Antragstellers sowie die Trassenführung mit mehreren Kurvenverläufen, Inanspruchnahme anderer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke sowie der Bauausführung teilweise unterhalb einer 110 kV-Freileitung weder dargetan noch ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat insoweit ausgeführt, dass diese Variante mit vergleichbaren Kosten wie die ausgeschiedenen Varianten anzusetzen wäre, was sich auch anhand der vorgelegten Pläne und Unterlagen nachvollziehen lässt. Zudem würden während der Baumaßnahme zusätzliche Kosten für die Abschaltung der 110 kV-Freileitung entstehen. Darüber hinaus verläuft die „pinke“ Trasse auf einem gegenüber der Variante 2 deutlich kürzeren Stück öffentlichen Straßengrundes, was den Abwägungsmaßstab berührt und auch deswegen keinen unverhältnismäßigen Eingriff gegenüber dem Antragsteller aufzeigt.
b) Die Antragsgegnerin hat schließlich im Rahmen der Abwägung fehlerfrei darauf abgestellt, dass die Inanspruchnahme der privaten Grundstücke des Antragstellers verhältnismäßig im engeren Sinne ist, d.h. die konkrete Abwägung von Nutzen und Nachteilen zu Lasten des Antragstellers ausfällt.
Für die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn sind Nutzen und Nachteile gegenüberzustellen, wobei der von den festgesetzten Leitungstrassen zu erwartende Nutzen erheblich größer sein muss als der planbedingte Nachteil für den betroffenen Antragsteller (vgl. Petersen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2021, § 92 WHG Rn. 30; Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, Stand Juli 2021, § 92 Rn. 23). Die Antragsgegnerin hat hier im Rahmen der Abwägung darauf abgestellt, dass in Folge der Leitungstrassen ein Überbauverbot lediglich für Gebäude, im Übrigen aber keine Bauverbotszone entstehe. Die vom Antragsteller mit Bauantrag vom 31. Januar 2017 beabsichtigte Betriebserweiterung liegt außerhalb der festgesetzten Trassenführung. Die Antragsgegnerin hat ferner ausgeführt, dass keine dauerhaften Einschränkungen für eine landwirtschaftliche Nutzung erfolgten und die Bewirtschaftung weiterhin möglich sei. Zudem werde für Ertragsausfälle während der Bauzeit oder bei späteren Wartungsarbeiten sowie für eine Verschlechterung der Ertragssituation eine Entschädigung gewährt (Abwägungsvorlage zum Beschluss vom 25.10.2018). Dem stehen die von der Antragsgegnerin angeführten Vorteile der Planung bei der festgesetzten Ausführung der unterirdisch verlegten Leitungstrassen, günstigerer Unterhaltskosten (vgl. die Stellungnahme des Tiefbauamts vom 21.6.2018) sowie der Miteinbeziehung der Erschließung des Wohngebiets „Am ehemaligen Umspannwerk“ und bei der geplanten nördlichen Erweiterung des Gewerbefelds Richterfeld (vgl. Begründung Nr. B.1.3) gegenüber. Im Hinblick darauf, dass sich eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende Maßnahme – wie die Bauleitplanung (vgl. Söfker/Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 1 Rn. 104) – gegen die Belange der betroffenen Eigentümer und Nutzungsberechtigten leichter durchsetzen kann, als ein Projekt, das lediglich den partikularen Interessen Privater dient (Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, Stand Juli 2021, § 92 Rn. 24) und die vom Antragsteller zu tragenden Nachteile – wie von der Antragsgegnerin im Abwägungsbeschluss angeführt – allenfalls vorübergehender Natur sind bzw. ausgeglichen werden, ergibt sich ohne Weiteres ein erheblich größerer Nutzen als der Nachteil des Antragstellers. Zudem sind Eingriffe in unbebaute landwirtschaftliche Flächen weniger gewichtig als solche in Haus- und Gartengrundstücke oder Betriebsflächen (vgl. Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, a.a.O., § 93 Rn. 30), so dass sich die Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin auch aus diesem Grund nicht als fehlerhaft darstellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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