Baurecht

Isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans

Aktenzeichen  9 ZB 18.2199

Datum:
10.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24827
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 63
BauGB § 31 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1. Die bloße Darlegung der eigenen Rechtsauffassung genügt nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unter bauplanerischen Aspekten sind Hecken keine baulichen Anlagen; unter bauordnungsrechtlichen Aspekten ist eine Differenzierung zwischen baulichen und nicht baulichen Einfriedungen für die Frage, ob die Höhe von Einfriedungen einen Grundzug der Planung darstellt, irrelevant. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 17.832 2018-07-24 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger, die um ihr Grundstück FlNr. … Gemarkung K* … einen 1,80 m hohen Gitterstabzaun mit Lamellensichtschutz errichtet haben, begehren die Erteilung einer isolierten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Flurscheide – Mittelgewann“ des Beklagten, der für Einfriedungen eine Höhe von 1,30 m festsetzt. Den entsprechenden Antrag der Kläger lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Juli 2017 ab, die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. Juli 2018 ab. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Befreiung hätten, da die Grundzüge der Planung berührt seien. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Kläger berufen sich allein auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Kläger auf Erteilung der beantragten isolierten Befreiung nach Art. 63 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 BayBO i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB verneint, weil durch die Höhe des Zaunes mit 1,80 m gegenüber den im Bebauungsplan festgesetzten 1,30 m die Grundzüge der Planung berührt seien. Es ist dabei aus einer Gesamtschau verschiedener Festsetzungen im Bebauungsplan „Flurscheide – Mittelgewann“ vom 7. Februar 1973 in der Fassung vom 9. Juli 1997 (offene Bauweise, Mindestgebäudeabstände und Höhe der Einfriedungen) und unter Berücksichtigung der Feststellungen beim verwaltungsgerichtlichen Augenscheinstermin vom 19. Juni 2018 zu der Einschätzung gelangt, dass der planerische Wille des Beklagten darauf gerichtet ist, im Plangebiet eine möglichst offene und unverbaute Grundstücksgestaltung zu schaffen. Dies ist nicht ernstlich zweifelhaft. Das Zulassungsvorbringen führt hiergegen lediglich an, dass offene Bauweise in einem allgemeinen Wohngebiet bedeute, dass Gebäude mit seitlichem Grenzabstand errichtet werden. Mit den übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans, der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Gesamtschau und den Feststellungen des Verwaltungsgerichts anlässlich des verwaltungsgerichtlichen Augenscheinstermins setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Die bloße Darstellung der eigenen Rechtsauffassung genügt zudem nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 27.5.2020 – 15 ZB 19.2305 – juris Rn. 27).
Soweit das Zulassungsvorbringen beanstandet, der Umstand, dass ein nicht baulicher Sichtschutz durch höhere Hecken möglich bleiben solle, da diese eine ästhetischere Wirkung auf Menschen hätten, könne kein tragendes Begründungsmerkmal sein, verfängt dies nicht. Die Kläger stellen insoweit auf einen Vortrag des Beklagten ab, der sich aber weder dem Tatbestand noch den Entscheidungsgründen des Urteils entnehmen lässt. Selbst wenn man die Bezugnahme des Verwaltungsgerichts auf den Vortrag des Beklagten hierfür zur Begründung anführen wollte, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls – wie sich den obigen Ausführungen entnehmen lässt – auf den diesbezüglichen Vortrag nicht (tragend) abgestellt. Das Zulassungsvorbringen berücksichtigt zudem nicht, dass unter bauplanerischen Aspekten Hecken keine baulichen Anlagen sind (vgl. Dürr in Brügelmann, BauGB, Stand April 2020, § 29 Rn. 27; Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2020, § 29 Rn. 31), während unter bauordnungsrechtlichen Aspekten eine Differenzierung zwischen baulichen und nicht baulichen Einfriedungen für die Frage, ob die Höhe von Einfriedungen einen Grundzug der Planung darstellt, irrelevant ist.
Das bloße Vorbringen, die Zaunanlage habe keine mauerähnliche Wirkung, genügt nicht, die dahingehenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts in den Urteilsgründen, die es mit den Eindrücken beim verwaltungsgerichtlichen Augenscheinstermin vom 19. Juni 2018 und unter Verweis auf die dort gefertigten Lichtbilder nachvollziehbar begründet, in Zweifel zu ziehen. Abgesehen davon ist eine mauerähnliche Wirkung für die Frage, ob die Höhe der Einfriedung einen Grundzug der Planung darstellt, unerheblich.
Das Verwaltungsgericht stellt zudem darauf ab, dass für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung von Bedeutung sein können (vgl. BayVGH, U.v. 8.12.2015 – 15 B 14.1480 – juris Rn. 18 m.w.N.). Es führt dazu aus, dass die Befreiung eine negative Vorbildwirkung hätte, zumal die Kläger keinen überzeugenden Grund für die Erforderlichkeit der Errichtung des Zaunes in der ausgeführten Höhe vorbringen könnten. Dem wird durch das Zulassungsvorbringen nicht entgegengetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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