Baurecht

Kein Anspruch auf Genehmigung für die Nutzungsänderung und den Umbau einer Maschinenhalle in einen Außenklimastall zur Schweinehaltung wegen unzumutbarer Immissionen.

Aktenzeichen  15 ZB 19.1863

Datum:
28.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14598
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1, § 117 Abs. 5, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5, § 124a Abs. 5 S. 2
BauGB § 34 Abs. 2, § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BauNVO § 5, § 15 Abs. 1 S. 2
GIRL Nr. 3 Tab. 1

 

Leitsatz

1. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Schweineställen verursachten Gerüche kann als Orientierungshilfe auf die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zurückgegriffen werden, wobei sich allerdings jede schematische Anwendung bestimmter Immissionswerte verbietet. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für Nachbarn, die keine Tiere mehr halten, aber weiterhin einen landwirtschaftlichen Betrieb führen, oder auf der früheren Hofstelle neu bauen und die Zulässigkeit des Vorhabens gerade vom Vorhandensein des emittierenden Betriebs auf dem Baugrundstück abhängt, können erhöhte Rücksichtnahmepflichten bestehen (sog. nachwirkende Pflicht zur besonderen Rücksichtnahme).(Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Gehörsrüge erfordert regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch weiter vorgetragen hätte und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs in der Sache geeignet gewesen wäre. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 17.1102 2019-08-06 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 20.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger ist im Haupterwerb Landwirt und betreibt eine Schweinehaltung mit 100 Zuchtsauen, 2 Ebern und 312 Ferkelaufzuchtplätzen. Er begehrt eine Genehmigung für die Nutzungsänderung und den Umbau einer im Jahr 1997 genehmigten Maschinenhalle in einen Außenklimastall mit zusätzlich 120 Wartesauen auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung L. in V. (Baugrundstück).
Gegenüber der Maschinenhalle und östlich der Straße „B.“ befand sich im Jahr 1997 auf FlNr. … Gemarkung L. ein landwirtschaftlicher Betrieb, in dem die Beigeladene mit etwa 20 Muttersauen Ferkel erzeugte, die mit einem Gewicht von etwa 30 kg versteigert wurden. Nach Aufgabe dieser Tierhaltung sind die Stallungen nach Angabe der Beigeladenen zu einer Garage und einer Werkstatt mit Lager umgebaut worden. Im Jahr 1998 wurde auf dem Grundstück der Beigeladenen der An- und Ausbau des Wohnhauses genehmigt. Dabei wurde auch Wohnnutzung im Anbau über der Garage direkt an der Straße genehmigt. Die Gemeinde ging damals davon aus, das Vorhaben liege innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und sei nach § 34 Abs. 1 BauGB genehmigungsfähig. Die Beigeladene hält nach ihren Angaben jetzt noch ca. zehn Hühner und einige Schafe und macht geltend, die Güllegrube auf ihrem Grundstück sei undicht und könne nicht reaktiviert werden.
Mit Klarstellungs- und Ergänzungssatzung vom 26. September 2014 legte die Verwaltungsgemeinschaft M.Gemeinde V. die Grenzen des im Zusammenhang bebauten Ortsteils „B.“ fest. Die Maschinenhalle des Klägers und das Wohnhaus der Beigeladenen mit Anbau liegen innerhalb des Geltungsbereichs der Satzung in einem Dorfgebiet.
Im Jahr 2015 beantragte der Kläger die streitgegenständliche Nutzungsänderung und den Umbau der Maschinenhalle. Das nach Aufforderung durch das Landratsamt K. (im Folgenden: Landratsamt) vorgelegte Lufthygienische Gutachten vom 24. März 2016 kommt beim Beurteilungspunkt 1 (Hauptwohnhaus der Beigeladenen auf FlNr. …*) zu einer Vorbelastung durch den derzeitigen Betrieb des Klägers von 15 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit und auf eine prognostizierte Belastung durch den beantragten Betrieb von 27 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit. Zur Reduzierung der Geruchsimmissionen werden verschiedene Auflagenvorschläge gemacht. Eine Aktualisierung des Gutachtens vom 25. Januar 2017 berücksichtigt das Wohnhaus der Beigeladenen nicht mehr als Beurteilungspunkt. Aus dem beigefügten Plan lässt sich entnehmen, dass an der südlichen Seite des Anbaus auf FlNr. … eine Geruchsstundenhäufigkeit von 36 Prozent erreicht wird.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2017 lehnte das Landratsamt den Antrag auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung ab (Nr. 1 des Bescheids) und untersagte dem Kläger unter Androhung eines Zwangsgelds (Nr. 3 des Bescheids), die Maschinenhalle als Schweinestall zu nutzen (Nr. 2 des Bescheids). Auf Basis der eingereichten immissionsschutzfachlichen Gutachten könne die beantragte Genehmigung nicht erteilt werden. U.a. sei der Beurteilungspunkt 1 falsch gesetzt, da auch im Anbau auf FlNr. … Wohnnutzung genehmigt sei. Die Geruchsrasterkarten seien zu ungenau und es seien Aussagen zum landwirtschaftlichen Betrieb auf FlNr. … zu machen. Da keine Genehmigung erteilt werden könne, werde auch eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. Mai 2019 hat das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids vom 30. Mai 2017 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Daraufhin änderte das Landratsamt mit Bescheid vom 10. Juli 2019 die Zwangsgeldandrohung. Mit Urteil vom 6. August 2019 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Das Vorhaben verstoße gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Das Vorhaben und das Wohngebäude der Beigeladenen lägen in einem Dorfgebiet. Ob das Baugrundstück schon vor Erlass der Klarstellungs- und Ergänzungssatzung zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil gehört oder im Außenbereich gelegen habe, könne dahinstehen, denn es ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der Satzung. Die Nutzungsänderung führe zu unzumutbaren Geruchsbelastungen in der Nachbarschaft. Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 GIRL sei im Dorfgebiet eine Geruchsbelastung von 15 Prozent der Geruchsjahresstunden zulässig. Dabei handele es sich nicht um eine Obergrenze. Bei benachbarten Tierhaltungsanlagen sei nach den Auslegungshinweisen zur GIRL eine besondere Einzelfallbetrachtung geboten. Die Beigeladene habe ihre Tierhaltung aber schon vor langer Zeit auf Hobbytierhaltung beschränkt. Zwar sei angesichts der Dorfrandlage des Anwesens der Beigeladenen eine erhöhte Geruchsbelastung von 20 Prozent der Jahresgeruchsstunden grundsätzlich zumutbar, eine darüber hinausgehende Erhöhung der Geruchsbelastung durch eine Erweiterung des klägerischen Betriebs müsse sie aber nicht hinnehmen. Auch die Nutzungsuntersagung sei rechtmäßig, da die Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig sei.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt. Er macht geltend, beide Grundstücke befänden sich im Außenbereich. Die Satzung finde sich weder auf der Internetpräsenz der Gemeinde noch bei den Verwaltungsakten. Im Außenbereich kenne die GIRL keinen Grenzwert für Geruchsimmissionen und erst Geruchsstundenhäufigkeiten von weit über 50 Prozent könnten im Einzelfall unzumutbar sein. Das Grundstück der Beigeladenen sei auch durch landwirtschaftliche Betriebsgebäude eingekesselt und die ehemalige Schweinehaltungsanlage dränge sich schon bei bloßer Sicht auf das Grundstück auf. Jauchegrube und Mistlagerstätte seien heute noch erkennbar. Der landwirtschaftliche Betrieb könne jederzeit wieder aufgenommen werden. Die Beigeladene betreibe auch heute noch Tierhaltung. Sie befände sich mit dem Kläger in einer nachwirkenden landwirtschaftlichen Schicksalsgemeinschaft und sei zu einer besonderen Rücksichtnahme auf den Betrieb des Klägers verpflichtet. Das Grundstück der Beigeladenen stelle deshalb nach der Begründung und den Auslegungshinweisen der GIRL keinen relevanten Beurteilungspunkt dar. All dies rechtfertige eine erhöhte Geruchsstundenhäufigkeit. Selbst wenn die streitgegenständlichen Grundstücke sich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils befinden würden, seien die Grundsätze der Schicksalsgemeinschaft anzuwenden und die Wohnnutzung der Beigeladenen sei nur sehr eingeschränkt schutzwürdig, da sie landwirtschaftsbezogen sei.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124a Rn. 54), ergeben sich die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO) nicht.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453.12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587.17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
Dabei kann offen bleiben, ob die Klarstellungs- und Ergänzungssatzung vom 26. September 2014, gegen die der Kläger mit seinem Berufungszulassungsantrag keine durchgreifenden Bedenken geltend gemacht hat, wirksam ist. Selbst wenn sich die Gebäude des Klägers und der Beigeladenen im Außenbereich befinden sollten, bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Beigeladene die erhöhten Immissionen durch die Erweiterung des klägerischen Betriebs nicht hinnehmen muss. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beigeladenen erst nach Aufgabe der Schweinehaltung mit Genehmigung vom 16. Juni 1998 die Umnutzung des Raums über der Garage, an dem die höchste Geruchsbelastung zu verzeichnen ist, zu Wohnzwecken genehmigt worden ist. Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB wurde zu diesem Zeitpunkt von der Gemeinde nicht angenommen.
Unabhängig davon, ob sich die Zulässigkeit des klägerischen Vorhabens nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO oder nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bemisst, muss das Vorhaben entweder dem bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO entsprechen oder darf keine schädlichen Umwelteinwirkungen nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hervorrufen. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Schweineställen verursachten Gerüche kann als Orientierungshilfe auf die Geruchsimmissions-Richtlinie vom 29. Februar 2008 (GIRL), zuletzt ergänzt am 10. September 2008, zurückgegriffen werden, wobei sich allerdings jede schematische Anwendung bestimmter Immissionswerte verbietet (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2017 – 4 C 3.16 – BVerwGE 159, 187 = juris Rn. 12). Der in Nr. 3 Tabelle 1 GIRL genannte Immissionswert für Dorfgebiete von 0,15 wäre nach den vom Kläger vorgelegten immissionsschutzrechtlichen Gutachten an den zum Wohnen genutzten Gebäuden auf dem Grundstück der Beigeladenen durch das streitgegenständliche Vorhaben erheblich überschritten, denn nach Plan 1 des Gutachtens vom 25. Januar 2017 werden am Wohngebäude der Beigeladenen zwischen 26 und 38 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit erreicht. Selbst der in den Anwendungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL genannte Wert von 25 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit, der nach den Auslegungshinweisen im Außenbereich im Einzelfall heranzuziehen sein kann, wäre nicht eingehalten.
Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Beigeladene diese erhöhten Immissionen nicht hinnehmen muss, denn es besteht keine sogenannte landwirtschaftliche Schicksalsgemeinschaft zwischen ihr und dem Kläger. Bei der geringfügigen Tierhaltung der Beigeladenen handelt es nicht um eine Tierhaltungsanlage im Sinne der Auslegungshinweise zu Nr. 1 GIRL. Dort wird unter der Überschrift „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“ ausgeführt, die Wohnhäuser benachbarter Tierhaltungsanlagen seien nicht in die Beurteilung der Geruchsimmissionssituation einzubeziehen, weil es messtechnisch äußerst aufwändig sei, zwischen den Gerüchen des eigenen Stalls und dem des Nachbarn zu unterscheiden. Diese Einschränkung zielt ersichtlich auf landwirtschaftliche Betriebe ab und nicht auf eine Tierhaltung in geringem Umfang, wie die Beigeladene sie betreibt. Aus welchen Gründen die untergeordnete Tierhaltung der Beigeladenen genauso behandelt werden sollte wie ein landwirtschaftlicher Betrieb, legt der Kläger nicht hinreichend dar. Darüber hinaus wird in den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 GIRL auch empfohlen, bei unterschiedlichen Tierarten, deren Geruchsqualitäten sich eindeutig unterscheiden lassen, die Wohnhäuser der benachbarten Tierhaltungsanlagen einzubeziehen. Es erscheint daher nachvollziehbar, auch die Wohnhäuser als Beurteilungspunkte bei der Geruchsbetrachtung zu berücksichtigen, bei denen nur in sehr geringem Umfang Tiere gehalten werden. Dass die Beigeladene jederzeit wieder eine Tierhaltung aufnehmen könnte, obwohl sie selbst angibt, ihre Güllegrube sei undicht und damit unbrauchbar und die Tierhaltung sei schon vor langer Zeit aufgegeben worden, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Beigeladene die vor vielen Jahren aufgegebene Tierhaltung wieder aufnehmen wird. Das bloße Vorhandensein einer alten, jahrzehntelang unbenutzten und defekten Güllegrube sowie einer Mistlagerstätte genügt dafür nicht.
Die Beigeladene muss die Immissionen auch nicht deshalb hinnehmen, weil ihr Grundstück durch landwirtschaftliche Nutzungen eingekesselt ist und deshalb weniger schutzwürdig wäre. Nach den vom Beklagten mit seiner Antragserwiderung vom 11. Dezember 2019 vorgelegten Plänen trifft dies nicht zu, sondern die südlich gelegene Hofstelle steht leer. Nach Auskunft des Landratsamts bestehen auch keine weiteren Tierhaltungsanlagen in der näheren Umgebung. Der Kläger hat auch keine Betriebe genannt, die das Grundstück der Beigeladenen umgeben und Tierhaltung betreiben.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beigeladene müsse wegen ihres früheren landwirtschaftlichen Betriebs die Immissionen aus der Tierhaltung aus den bisher genehmigten Ställen des Klägers hinnehmen, aber nicht die Erhöhung durch einen neuen Schweinestall dulden, konnte der Kläger mit dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht erschüttern. Zwar trifft es zu, dass in der Rechtsprechung z.B. für Nachbarn, die keine Tiere mehr halten, aber weiterhin einen landwirtschaftlichen Betrieb führen (vgl. OVG NW, B.v. 18.3.2002 – 7 B 315/02 – juris) oder auf der früheren Hofstelle neu bauen und die Zulässigkeit des Vorhabens gerade vom Vorhandensein des emittierenden Betriebs auf dem Baugrundstück abhängt (NdsOVG, B.v. 16.8.2018 – 1 LC 180/16 – juris Rn. 20 m.w.N.), erhöhte Rücksichtnahmepflichten angenommen werden. Diese nachwirkende Pflicht zur besonderen Rücksichtnahme ist zeitlich nicht beschränkt, sondern deren zeitlicher Umfang hängt von der weiteren Entwicklung der näheren Umgebung ab (NdsOVG a.a.O. Rn. 20). Abhängig von den konkreten Umständen, insbesondere der eigenen Emissionssituation, können in begründeten Einzelfällen sogar Werte von 50 Prozent der Jahresgeruchsstunden oder mehr zumutbar sein (NdsOVG, B.v. 28.8.2015 – 12 LA 120/14 – juris Rn. 14 m.w.N.). Diese nachwirkende Rücksichtnahmepflicht führt hier nach Ansicht des Verwaltungsgerichts unter Berücksichtigung der schon vor langer Zeit aufgegebenen Tierhaltung durch die Beigeladene dazu, dass sie die vom bisherigen Betrieb des Klägers ausgehenden Immissionen dulden und ggf. moderate Erhöhungen hinnehmen muss. Darüber hinaus sind aber vom Kläger keine Umstände geltend gemacht oder sonst ersichtlich, die eine weitergehende Pflicht der Beigeladenen zur Duldung erheblich über den „Normalwerten“ liegender, von der Erweiterung des klägerischen Betriebs ausgehender Gerüche zu begründen vermögen. Auch in keiner der vom Kläger genannten Gerichtsentscheidungen wird angenommen, dass im Rahmen einer nachwirkenden Rücksichtnahmepflicht aus einer früheren landwirtschaftlichen Schicksalsgemeinschaft eine massive Erhöhung der Immissionen zu dulden wäre.
Ob die nachwirkende Pflicht zur besonderen Rücksichtnahme sich überhaupt auf die im Jahr 1998 genehmigte Ausweitung der Wohnnutzung im Anwesen der Beigeladenen auf den über der Garage befindlichen Raum erstreckt, braucht daher nicht weiter vertieft zu werden.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Dazu müsste das Verfahren das normale Maß erheblich übersteigende Schwierigkeiten aufweisen (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 37; B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.). Solche Schwierigkeiten werden mit der Antragsbegründung nicht substantiiert aufgezeigt und liegen auch nicht vor.
3. Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung ist erforderlich, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 124a Rn. 102 ff.). Dem genügt die Antragsbegründung nicht.
3.1 Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die Grundsätze der landwirtschaftlichen Schicksalsgemeinschaft nur eine Pflicht zur Duldung des Nachbarn bereits bestehender Immissionen auslösten oder ob ausgehend von diesen Grundsätzen für den Nachbarn auch eine mit der Erweiterung eines Vorhabens einhergehende Erhöhung der Immissionen zu dulden sei. Zur Begründung führt er aus, die Frage sei entscheidungserheblich, da das Verwaltungsgericht darauf abgestellt habe, die Beigeladene sei ausschließlich zur Duldung der bereits bestehenden Immissionen verpflichtet, selbst wenn diese bereits gegenwärtig über dem in der GIRL angegebenen Wert liegen würden. Diese Frage sei obergerichtlich nicht geklärt. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg komme in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2019 (11 S 21.19 – juris) nur aufgrund einer Einzelfallentscheidung zu dem Ergebnis, dass sich der Antragsteller wegen einer bestandskräftigen Nebenbestimmung nicht auf eine günstigere frühere Genehmigungssituation berufen könne. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts laufe darauf hinaus, unbesehen die Werte der GIRL anzuwenden, ohne hierbei die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Damit ist ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht aufgezeigt.
Das Verwaltungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, dass eine sog. landwirtschaftliche Schicksalsgemeinschaft aktuell nicht mehr besteht, sondern es hat zugrunde gelegt, dass die Beigeladene ihre landwirtschaftlich geprägte Tierhaltung vor langer Zeit aufgegeben hat und nur noch in hobbymäßigem Umfang ein paar Hühner und Schafe hält. Deshalb ergebe sich aus dem Rücksichtnahmegebot nur eine Duldungspflicht hinsichtlich der bestehenden landwirtschaftlichen Immissionen, ggf. seien angesichts der Randlage auch 20 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit hinzunehmen.
Die vom Kläger formulierte Frage hat sich dem Verwaltungsgericht daher so nicht gestellt, denn es ist nicht davon ausgegangen, dass angesichts der nur noch geringfügigen Tierhaltung der Beigeladenen noch eine landwirtschaftliche Schicksalsgemeinschaft besteht. Im Übrigen hängt das Maß der gebotenen Rücksichtnahme stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, ist dabei gegeneinander abzuwägen. Feste Regeln lassen sich dabei nicht aufstellen, sondern es ist eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen erforderlich (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 7). Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Frage dahingehend zu verstehen ist, ob sich aus der nachwirkenden Rücksichtnahmepflicht aus der früheren landwirtschaftlichen Schicksalsgemeinschaft eine Pflicht der Beigeladenen zur Duldung der mit der klägerischen Betriebserweiterung einhergehenden Immissionen ergibt, hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen diese Frage grundsätzlich bedeutsam und im vorliegenden Fall entscheidungserheblich und klärungsfähig sein soll. Da das Maß der Rücksichtnahme regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängt, könnte die Frage in dieser Allgemeinheit nicht beantwortet werden. Insbesondere hängt die Beantwortung der Frage regelmäßig davon ab, wie groß die Zunahme der Immissionen ist und ob ggf. mit zumutbarem Aufwand Maßnahmen getroffen werden können, um die Belastung zu reduzieren, so wie hier z.B. im immissionsschutzrechtlichen Gutachten vorgeschlagen.
3.2 Weiter hält der Kläger für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die Duldungspflicht des Nachbarn unabhängig vom Umfang seiner eigenen, die Schicksalsgemeinschaft freilich begründenden Grundstücksnutzung sei oder ob er seine Duldungspflicht durch Herabsenken der Grundstücksnutzung für ihn positiv beeinflussen könne. Zur Begründung führt er aus, das Verwaltungsgericht stelle darauf ab, dass die Beigeladene wegen der Beschränkung der eigenen Tierhaltung ein „Mehr“ an Geruchsimmissionen nicht hinzunehmen habe. Dies suggeriere, dass die jeweiligen Mitglieder der landwirtschaftlichen Schicksalsgemeinschaft in unterschiedlichem Maße Immissionen hinzunehmen haben, je nachdem, wie sehr sie das Grundstück selbst nutzen.
Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Der Kläger setzt sich nicht damit auseinander, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung davon ausgegangen ist, dass die vom Kläger begehrte Baugenehmigung gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstößt, weil gerade keine landwirtschaftliche Schicksalsgemeinschaft mehr besteht, sondern die Beigeladene ihre Tierhaltung aufgegeben hat und nur noch eine nachwirkende erhöhte Pflicht zur Rücksichtnahme besteht, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nur den Bestand umfasst.
3.3 Darüber hinaus meint der Kläger es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob es eine zeitliche Höchstgrenze für die Duldung erhöhter Geruchsimmissionen gibt, nachdem der Nachbar die Tierhaltung auf seinem Grundstück eingestellt hat. Das Verwaltungsgericht habe ausgeführt, eine Erhöhung der zumutbaren Geruchsbelastung sei ausgeschlossen, weil die Beigeladene ihre Tierhaltung schon „vor langer Zeit“ beschränkt habe. Diese Frage sei in der Rechtsprechung nicht geklärt.
Aus der Antragsbegründung ergibt sich aber nicht, aus welchen Gründen diese Frage im vorliegenden Fall grundsätzlich klärungsbedürftig und klärungsfähig sein sollte und worin ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage ausdrücklich nicht für entscheidungserheblich gehalten. Damit setzt sich die Antragsbegründung nicht auseinander und erläutert nicht hinreichend, weshalb es auf das vom Bundesverwaltungsgericht zum Erlöschen des Bestandsschutzes entwickelte Zeitmodell ankommen könnte, das schon nach mehr als zwei Jahren von einer endgültigen Nutzungsbeendigung ausgeht. Unstreitig hat die Beigeladene ihre landwirtschaftliche Tierhaltung schon vor mehr als zwei Jahren aufgegeben.
4. Die Berufung ist auch nicht wegen der Abweichung von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zuzulassen. Zur Darlegung einer Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist es erforderlich, aufzuzeigen, welchem abstrakten Rechtssatz oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz der Entscheidung des Divergenzgerichts ein bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in der angefochtenen Entscheidung aufgestellter Rechts- oder Tatsachensatz widerspricht. Dabei muss zwischen den Gerichten ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die divergierenden Sätze müssen einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2018 – 4 BN 13.17 – juris Rn. 37; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124a Rn. 73 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht, denn es wird kein Rechtssatz herausgearbeitet, den das Verwaltungsgericht in Abweichung von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. März 2014 (22 ZB 13.692 – juris) aufgestellt hat und der einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über die Bedeutung einer bestimmten Rechtsvorschrift beinhaltet.
Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass ein Wert von 25 Prozent an Geruchsstundenhäufigkeiten als Obergrenze anzusehen sei und daher die hier diesen Wert überschreitenden Immissionen das Rücksichtnahmegebot verletzen würden, trifft dies nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat in dem Gerichtsbescheid vom 24. Mai 2019, auf den das Urteil vom 6. August 2019 nach § 117 Abs. 5 VwGO vollinhaltlich Bezug nimmt, unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. März 2014 (a.a.O.) ausgeführt, in Nr. 3.1 GIRL werde für den Außenbereich unter Prüfung der speziellen Randbedingung des Einzelfalls ein Wert von bis zu 25 Prozent angegeben, wobei Regelungen und Systematik der GIRL sowie der Auslegungshinweise nicht die Annahme rechtfertigten, dass es sich hierbei um eine Obergrenze handele, die nicht überschritten werden dürfe. Es folgt daher offensichtlich der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass es sich bei den Werten der GIRL gerade nicht um eine Obergrenze handelt und kommt unabhängig davon zu dem Ergebnis, dass das Rücksichtnahmegebot durch das Vorhaben des Klägers verletzt sei.
5. Dem Verwaltungsgericht ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, der zur Zulassung der Berufung führen könnte (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, da es dem Kläger die Klarstellungs- und Ergänzungssatzung vom 29. Juni 2014 nicht zur Verfügung gestellt habe obwohl er zuletzt mit Schriftsatz vom 3. Mai 2019 erneut darauf hingewiesen habe, dass ihm diese Satzung nicht vorliege. Daraus ergibt sich kein Verfahrensfehler. Das Landratsamt hat mit seiner Klageerwiderung vom 28. März 2018 in den Anlagen „1 Klarstellungs- und Ergänzungssatzung B. in Kopie“ angeführt und diese Kopie befindet sich in der Akte des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat daher den Sachverhalt ausreichend ermittelt und die Satzung zur Kenntnis genommen.
Sollten die Ausführungen des Klägers dahingehend zu verstehen sein, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei, da ihm die Satzung trotz des Hinweises in seinem Schriftsatz vom 3. Mai 2019 nicht zugänglich gemacht worden ist, kann dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung führen. Der Kläger hatte jederzeit die Möglichkeit, Akteneinsicht zu nehmen und die Satzung zur Kenntnis zu nehmen. Die Satzung ist auch im Internetauftritt des Landkreises Kelheim zu finden. Darüber hinaus erfordert eine Gehörsrüge regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch weiter vorgetragen hätte und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs in der Sache geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 = juris Rn. 4; B.v. 31.8.2016 – 4 B 36.16 – juris Rn. 3). An einem solchen substantiierten Vortrag fehlt es vorliegend.
6. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO, denn ein Beigeladener setzt sich im Berufungszulassungsverfahren unabhängig von einer Antragstellung grundsätzlich keinem eigenen Kostenrisiko aus (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 15 ZB 16.562 – juris Rn. 18 m.w.N.). Ein Grund, der es gebieten würde, die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen, ist nicht ersichtlich. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 9.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, Anhang) und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag, gegen den die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.
5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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