Baurecht

Kein vorläufiger Rechtsschutz gegen die Aufstellung eines Bebauungsplans

Aktenzeichen  M 11 E 16.1032

Datum:
18.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 47 Abs. 6, § 123 Abs. 1
BauGB BauGB § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Auf einen Bebauungsplanentwurf im Stadium seiner Aufstellung kann die Vorschrift des § 47 VwGO nicht angewendet werden. Kommt hiernach ein Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht in Betracht, kann Rechtsschutz auch nicht nach § 123 VwGO gewährt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Aufstellung eines Bebauungsplans der Antragsgegnerin.
Mit Schreiben vom 1. März 2016, bei Gericht eingegangen am 3. März 2016, beantragte der Antragsteller „im Wege der einstweiligen Anordnung durch den Vorsitzenden des Gerichts wegen der Eilbedürftigkeit der Sache anzuordnen“,
„die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … für den Bereich Ortsmitte und damit verbunden hierzu das beschleunigte Verfahren/Bebauungsplan Nr. … gemäß § 13 a BauGB vorläufig auszusetzen bzw. einzustellen und vorläufig ruhen zu lassen.“
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsteller mit Schreiben vom 22. und 28. Januar 2016 sowie vom 8., vom 11. (zwei Schreiben) sowie vom 15. Februar 2016 Planunterlagen und Auskünfte angefordert und Stellungnahmen abgegeben habe zum Verfahren der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … für den Bereich Ortsmitte der Antragsgegnerin. Es handle sich bei den Inhalten der genannten Schreiben, die der Antragsschrift in der Anlage beigefügt sind, um wesentliche Unterlagen, wesentliche Informationen und wesentliche Auskünfte zum Verfahren und den damit verbundenen geplanten Festsetzungen und somit um „damit verbundene Auswirkungen“ auf den Antragsteller, die „nicht erteilt worden seien“. Auswirkungen auf den Antragsteller könnten jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Mit Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … für den Bereich Ortsmitte im beschleunigten Verfahren gemäß § 13 a BauGB sei gemäß Begründung der Erwerb einer ca. 24 m² großen Fläche aus dem Grundstück FlNr. … durch die Antragsgegnerin festgesetzt bzw. es sei beabsichtigt, dies festzusetzen. Dadurch sei die Veränderung des Grundstücks FlNr. … „festgesetzt und nicht mehr ausgeschlossen“. Mit dem der Antragsschrift beigefügten Lageplan des Vermessungsamts … vom 7. April 1994 werde das Grundstück im bestehenden Zustand dokumentiert, d. h. vor der Festsetzung durch die Antragsgegnerin. Mit dem ebenfalls beigefügten Plan Grundstücksveränderung/Gemeinde … vom 13. Januar 2016 werde das Grundstück im veränderten Zustand dokumentiert, d. h. mit der (beabsichtigten) Festsetzung durch die Antragsgegnerin. Die persönliche Nutzung des Grundstücks des Antragstellers sei damit verändert und somit seien damit negative Auswirkungen auf die Grundrechte des Antragstellers verbunden bzw. würden diese Grundrechte damit eingeschränkt. Die Antragsgegnerin verstoße daher u. a. gegen die Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG sowie gegen das Recht auf Eigentum nach Art. 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 7. März 2016 beantragte die Antragsgegnerin
Antragsablehnung.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 10. März 2016 ließ die Antragsgegnerin mitteilen, dass im Bebauungsplanverfahren Bebauungsplan Nr. … „Ortsmitte …“ am 20. Oktober 2014 der Aufstellungsbeschluss gefasst worden sei und vom 15. Dezember 2015 bis 20. Januar 2016 die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB stattgefunden habe. Die einschlägigen Verfahrensakten würden dem Gericht in Kürze im Original übersandt werden. Der Antrag auf Antragsablehnung werde wie folgt begründet: Der Antrag sei unbegründet, da ganz offensichtlich kein Anordnungsanspruch bestehe. Der Antragsteller begehre die vorläufige Aussetzung bzw. Einstellung des Verfahrens zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … Ebenso wie kein Anspruch auf Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung eines Bauleitplans bestehe, gebe es auch kein subjektives Recht eines Dritten auf Einstellung des Verfahrens. Es bleibe dem Antragsteller unbenommen, im Rahmen der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanentwurfs Einwendungen vorzubringen und ggf. nach Inkrafttreten des Bebauungsplans gegen diesen im Wege der Normenkontrolle gemäß § 42 (sic!) VwGO vorzugehen.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 14. März 2016 ließ die Antragsgegnerin die Verfahrensakte zur Aufstellung des Bebauungsplans vorlegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht – auch schon vor Klageerhebung – eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung – um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen – nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind dabei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO).
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Für den Rechtsschutz gegen Bebauungspläne regelt die Vorschrift des § 47 VwGO, die die sachliche Zuständigkeit erstinstanzlich den Oberverwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsgerichtshöfen zuweist, in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, dass der Bebauungsplan als Satzung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs dann tauglicher Gegenstand einer Normenkontrolle sein kann, wenn die Satzung erlassen worden ist. Aus der Verwendung der Vergangenheitsform in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zieht die ganz herrschende Meinung den Schluss, dass ein bloßer Bebauungsplanentwurf, d. h. der Bebauungsplan im Stadium bis zum Abschluss des Normsetzungsverfahrens, was in der Regel mit der Bekanntmachung (bzw. Verkündung) der Fall ist, im Sinne der Vorschrift noch nicht erlassen ist. Deshalb kann auf einen Bebauungsplanentwurf im Stadium seiner Aufstellung die Vorschrift des § 47 VwGO nicht angewendet werden, d. h. der Bebauungsplanentwurf ist nicht normenkontrollfähig (vgl. z. B. BVerwG, B. v.28.07.1994 – 4 B 94/94 -, NVwZ 1995, 598; BayVGH, B. v.09.08.1985 – 1 N 85 A.774, 1 NE 85 A.775 -, BayVBl 1986, 497; Gerhard/Bier in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. Ergänzungslieferung Oktober 2015, § 47 Rn. 18 m. w. N.).
Das Gericht legt den gegenständlichen Antrag zwar nicht als Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO aus, was die Verweisung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zur Folge hätte. Der Antragsteller ist zwar nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten, dem Antrag lässt sich aber gleichwohl eindeutig entnehmen, dass ein Antrag nach § 123 VwGO beim Verwaltungsgericht gewollt ist. Daher kommt es nicht darauf an, ob dem Antragsteller mit einer Verweisung und in der Folge einer Ablehnung eines Normenkontrollantrags bzw. einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO als unzulässig gedient wäre.
Die oben wiedergegebene Rechtsprechung hat jedoch zur Folge, dass grundsätzlich mit einem Antrag nach § 123 VwGO nicht mehr erreicht werden kann als mit einem Antrag nach § 47 VwGO oder einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO, wenn Prüfungsgegenstand ein in Aufstellung befindlicher Bebauungsplan ist. Der Umstand, dass ein Bebauungsplan im Entwurfsstadium, d. h. vor Abschluss des Normsetzungsverfahrens, nicht mit der Normenkontrolle angegriffen werden kann, bedeutet für den hiesigen Antrag nach § 123 VwGO, dass der Antragsteller damit keinen weitergehenden Rechtsschutz erlangen kann. Daher fehlt es für eine Unterlassungsklage, gerichtet auf Einstellung bzw. Außervollzugsetzung eines Bebauungsplansaufstellungsverfahrens einschließlich des zugehörigen Eilantrags nach § 123 VwGO an dem hierfür erforderlichen Anordnungsanspruch. Es ist auch nicht ersichtlich, warum dies im hier zu entscheidenden Einzelfall anders sein sollte.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bereits aus den vom Antragsteller selbst vorgelegten Unterlagen, beispielsweise aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2016, hervorgeht, dass die Einwendungen des Antragstellers von der Antragsgegnerin im Rahmen des Aufstellungsverfahrens des streitgegenständlichen Bebauungsplans im Rahmen der frühzeitigen Unterrichtung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB entgegengenommen wurden und dem Antragsteller – was grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit darstellt – mitgeteilt wurde, dass die inhaltlichen Anregungen geprüft und dem Gemeinderat zur Abwägung vorgelegt werden würden. Mehr kann der Antragsteller im derzeitigen Verfahrensstadium des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. … für den Bereich der Ortsmitte … der Antragsgegnerin nicht verlangen.
Die Möglichkeit einer Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO, ggf. auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO, bleiben dem Antragsteller nach Abschluss des Verfahrens und nach Bekanntmachung bzw. Verkündung des dann aufgestellten Bebauungsplans unbenommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2013, Beilage 2).


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